Autor Thema: Entwurf zum Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetz - BBVAngG  (Read 63019 times)

SwenTanortsch

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Eine Frage an Swen:

In deinem letzten Beitrag sprichst du über das 95% Perzentil der kalten Unterkunftskosten für Bayern.  Warum sollte man die Vergleichsrechnung nicht lieber mit Hamburg machen? Nach den Zahlen der Arbeitsagentur scheinen die Unterkunftskosten dort doch deutlich höher zu sein.
Könntest du die Auswahl Bayern vs Hamburg bitte erläutern? Hamburg ist ja durchaus ein wichtiger Standort für die Bundeswehr mit mindestens der Uni und einer Güteprüfstelle. Was spricht also dagegen oder was spricht stattdessen für Bayern?

Die Daten des 95 %-Perzentils für Hamburg zeigen sich seit mehreren Jahren in der statistischen Erfassung der BfA als verzerrt, Grünhorn. Entsprechend zieht das VG Hamburg seit seiner Entscheidung aus dem Herbst 2020 regelmäßig eine von der BfA gesondert aufbereitete Statistik für das hamburgische 95 %-Perzentil heran, so auch in den aktuellen Entscheidungen, vgl. nur in der Entscheidung vom 07. Mai 2024 - 20 B 14/21 -, https://justiz.hamburg.de/resource/blob/953446/28cd9f78254f56d65dd1647b9da76b7b/20-b-14-21-beschluss-vom-07-05-2024-data.pdf, ab der S. 18. Die Betrachtung des VG ab der genannten S. 18 ist auch über die eigentliche Frage hinaus interessant, da sie systematisch evident sachwidrige Bemessungspraxis des Besoldungsgesetzgebers bzw. stellvertretend für ihn des Hamburgischen Senats sachlich nachweist, um auf dieser Basis wie nicht anders zu erwarten anhand der vom Bundesverfassungsgericht dargelegten Methodik seinem Kontrollauftrag nachzukommen.

Extrapoliert man nun die vom VG Hamburg auf der S. 21 entsprechend herangezogenen Beträge für das Jahr 2021, liegen die Beträge des hamburgischen 95 %-Perzentils tatsächlich unterhalb der für Bayern. Entsprechend werden die bayerischen 95 %-Perzentile von mir herangezogen, weil sie sich bundesweit als die Höchstwerte darstellen und so auf Grundlage der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung - wie dargestellt - herangezogen werden können, um auf Grundlage einer plausiblen Methodik zu einer realitätsgerechten Betrachtung auch der kalten Unterkunftskosten zu gelangen.

@ Soldat

Hab Dank für Deine Worte, Soldat, über die ich mich wirklich gefreut habe. Es ist tatsächlich so, die systematische Bearbeitung, wie ich sie gerade vollziehe, ist durchaus mit nicht wenig Arbeit verbunden, die ich nach Möglichkeit aus verschiedenen Gründen alsbald abschließen möchte. Zugleich sehe ich auch diese Arbeit sportiv: Sie zwingt mich, mich erneut mit der Bundesbesoldung zu beschäftigen. Denn als nicht mehr völlig junger Mann vergesse ich nach einer konkreten Beschäftigung mit einem Rechtkreis in der folgenden Zeit wiederkehrend typische Besonderheiten gegenüber anderen Rechtskreisen. Entsprechend nehme ich die aktuelle Beschäftigung mal als Erfrischungskur, um mein Wissen über die Bundesbesoldung wieder aufzufrischen. Zugleich bin ich in einer solchen Arbeit gleichfalls immer gespannt auf die einzelnen Ergebnisse, was durchaus motivierend sein kann. Ich freue mich zum Beispiel auf Basis der bislang nachgezeichneten Grundlagen auf die konkrete nächste Bemessung, die ich - anders als zunächst geplant (manchmal sind Nachtgedanken weiterführend) - gleich mal vornehmen möchte, um so ein Zwischenfazit ziehen zu können. Das war so bislang nicht geplant; auch werde ich heute mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht so viel Zeit für die Erarbeitung finden, weshalb die Darlegung sich deshalb heute kürzer lesen wird, schätze ich.

Haushaltshilfe

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Lieber Swen,
Auch von mir den Dank für diese nicht selbstverständliche Erarbeitung unseres Rechtskreises!

Deine Ausführungen motivieren mich dabei, möglichst viele Kolleginnen und Kollegen auf diese Problematik, die bei uns leider auch gerne übersehen wird, aufmerksam zu machen. Deshalb stehe ich dazu im Dialog mit dem Personalrat und versuche möglichst viele Interessenten auf deine Ausführungen aufmerksam zu machen und das Forum zu verlinken.

Ich kann nur die anderen Foristen auch dazu aufrufen, möglichst die Interessenvertretung auf diesen Bereich des Forums hinzuweisen.

SwenTanortsch

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Hab Dank für Deine Worte, Haushaltsgehilfe. Zugleich plane ich, die am Ende fertiggestellte Betrachtung, die ja fortlaufend durchnummiert wird, als einen gesamten Text hier im Forum einzustellen, was ein Suchen der einzelnen Teile unnötig machen soll.

Lichtstifter

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Dein unermüdlicher Einsatz verpflichtet eigentlich jeden dazu, ins Machen zu kommen.

Den Weg hast du uns gezeigt, gehen müssen wir ihn selber.

Ein wenig schwindelig wir mir bei dem Gedanken, welchen Stein wir damit ins Rollen bringen, wenn es irgendwann aus Karlsruhe eine deutliche Ansage geben wird.

Zum einen in meinem kleinen Kosmos. Mir, dem die damalige Inflationsausgleichsprämie beim Unterhalt zu 100% als Einkommen gewertet wurde und damals schon den Unterhalt "gepusht" hat und sich nun nicht ausmalen möchte, wenn da einmal ein noch größerer Betrag auf dem Konto eintrudeln sollte.

Zum anderen global für alle Bundesbeamten, wenn diese einmal in Utopia wirklich amtsangemessen besoldet werden sollten und man nun irgendwoanders den Rotstift (z.B. bei Pensionen) ansetzen muss. Oder ganz allgemein, was das Beamtentum dann mit sich bringen wird.

xyz123

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Für wie wahrscheinlich haltet ihr es, dass die vielen Fehler absichtlich eingebaut wurden und es nach der Verbändeanhörung dann doch noch zu einer deutlichen Erhöhung kommt?

Thomas E

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Ich bin verheirateter W2-Beamter mit drei Kindern in Berlin (Mietstufe IV). Während ich nach dem alten Entwurf noch auf knapp 270 Euro monatlichen Bruttozugewinn kam, sind es jetzt gerade mal 2 Euro. Ich frage mich gerade, ob ich mich grob verrechnet habe. Hat irgendwer aus dem höheren Dienst in Berlin (A 15 o.ä.) auch schon gerechnet was für ihn rausspringt?

Imperator

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Für wie wahrscheinlich haltet ihr es, dass die vielen Fehler absichtlich eingebaut wurden und es nach der Verbändeanhörung dann doch noch zu einer deutlichen Erhöhung kommt?

Für unwahrscheinlich. Mein Gedanke dazu ist, dass die Bundesregierung möglichst viel Sparen will und die Meinung der Verbände sie sowieso kaum interessiert.
Außerdem wissen unsere lieben Besoldungsgesetzgeber sehr wahrscheinlich, dass der Entwurf nicht einmal in die Nähe einer amtsangemessenen Alimentation kommt. Vermutlich versuchen sie das Problem zumindest jetzt für sich ganz schnell aus der Welt zu schaffen. Im Wissen, dass die nächste Regierung sich sowieso damit wieder befassen muss.

Chapman2023

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Ich bin verheirateter W2-Beamter mit drei Kindern in Berlin (Mietstufe IV). Während ich nach dem alten Entwurf noch auf knapp 270 Euro monatlichen Bruttozugewinn kam, sind es jetzt gerade mal 2 Euro. Ich frage mich gerade, ob ich mich grob verrechnet habe. Hat irgendwer aus dem höheren Dienst in Berlin (A 15 o.ä.) auch schon gerechnet was für ihn rausspringt?

Ich denke, dass da mehr rausspringt - gem. dem Rechenbeispiel im Entwurf (S. 90) sollten es bei Dir 332 Euro sein; Du bist ergo einer der (sehr) wenigen Glücklichen, für die sich der neue Entwurf aufgrund der Kinderanzahl mehr lohnt als der alte aus dem Jahr 2023:

"Beispiel 1:
Beamter, B 10, drei Kinder, Mietenstufe IV
AEZ laut Anlage VII Tabelle 1 für das erste Kind 12 € zzgl. für das zweite Kind 12 € = 24 €
Abschmelzbetrag B 10 laut Anlage VII Tabelle 2 = 964 €
Im konkreten Fall erfolgt nur eine Abschmelzung in Höhe von 24 €. Der laut Anlage VII
Tabelle 1 auf das dritte Kind entfallende Teil des AEZ (332 €) wird in voller Höhe gewährt"

lotsch

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...... ob diese zum von verfassungswegen garantierten Existenzminimum zählen oder über dieses hinausgehen und ob zur Befriedigung der anerkannten Bedürfnisse Geldleistungen gewährt oder bedarfsdeckende Sach- beziehungsweise Dienstleistungen erbracht werden (BVerfGE 155, 1 <26 Rn. 50>).

Vielleicht kommt der Dienstherr irgendwann auf den Einfall, seinen alimentierten Beamten bedarfsdeckende Sach- beziehungsweise Dienstleistungen zu gewähren, oder wegen Einsatz von KI wird die Besoldungsgruppe pauschal um eine Stufe abgesenkt, weil nun die Beamten nicht mehr so intelligent sein müssen. (Hoffentlich liest der Dienstherr nicht mit)
Es gibt Möglichkeiten über Möglichkeiten wie der Dienstherr seinen weiten Gestaltungsrahmen nutzen kann, und dem BVerfG wird die Arbeit bezüglich Beamtenbesoldung wohl nie ausgehen.


PolareuD

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Für wie wahrscheinlich haltet ihr es, dass die vielen Fehler absichtlich eingebaut wurden und es nach der Verbändeanhörung dann doch noch zu einer deutlichen Erhöhung kommt?

Halte ich ebenfalls für absolut unwahrscheinlich. Der Dienstherr handelt aus rein fiskalpolitischen Gründen mit dem Zweck die Kosten so gering wie möglich zu halten, um weiterhin die jeweiligen politischen Ideologien finanzieren zu können. Der daraus resultierende Verfassungsbruch wird billigend in Kauf genommen mit dem Verweis darauf, dass man selbst gar nicht die Beklagte in den beiden Verfahren von 2020 war.

Thomas E

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Ich denke, dass da mehr rausspringt - gem. dem Rechenbeispiel im Entwurf (S. 90) sollten es bei Dir 332 Euro sein; Du bist ergo einer der (sehr) wenigen Glücklichen, für die sich der neue Entwurf aufgrund der Kinderanzahl mehr lohnt als der alte aus dem Jahr 2023:

"Beispiel 1:
Beamter, B 10, drei Kinder, Mietenstufe IV
AEZ laut Anlage VII Tabelle 1 für das erste Kind 12 € zzgl. für das zweite Kind 12 € = 24 €
Abschmelzbetrag B 10 laut Anlage VII Tabelle 2 = 964 €
Im konkreten Fall erfolgt nur eine Abschmelzung in Höhe von 24 €. Der laut Anlage VII
Tabelle 1 auf das dritte Kind entfallende Teil des AEZ (332 €) wird in voller Höhe gewährt"

Ganz herzlichen Dank. Auf den Umstand der Nichtanwendung des Abschmelzungsbetrages ab dem 3. Kind aufwärts war ich bis jetzt nicht gestoßen. Dann bin ich erst mal beruhigt, auch wenn es mich nicht wirklich glücklich macht, einer der wenigen Glücklichen zu sein. Ich hoffe, dass die Verbände auch für alle anderen noch positive Wirkung erzielen können.

Roja

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Weiß jemand, welche Abschmelzbeträge beim AEZ für Anwärter zur Anwendung kommen?

Tom1234

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Hallo Swen, wäre es ratsam einen eigenes Forum bezüglich der Bedarfe ab dem dritten Kind zu eröffnen? Laut Urteil BVerfG hat der Dienstherr die Bedarfe ab dem dritten Kind vollumfänglich zu gewähren. Dementsprechend erfolgt auch keine Abschmelzung. Nun möchte der Bund in Mietenstufe 1 ca. 721 Euro und in Mietenstufe 7 ca. 873 Euro gewähren (ich unterstelle 2025).Einige Länder gewähren pauschal (ohne Mietenstufe) mehr als 900 Euro ab dem dritten Kind. Gibt es da keine gültigen Sätze, die heranzuziehen sind?
LG

Tom1234

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Weiß jemand, welche Abschmelzbeträge beim AEZ für Anwärter zur Anwendung kommen?

Nach der Logig des Gesetzes wohl eher Null.

Imperator

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Weiß jemand, welche Abschmelzbeträge beim AEZ für Anwärter zur Anwendung kommen?

Nun ja, die Familienzuschläge werden bereits als Anwärter in voller Höhe gewährt. Danach denke ich, dass auch der AEZ und der Abschmelzbetrag in voller Höhe gewährt bzw. vorgenommen wird.

Beim Anwärter für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst ist das Einstiegsamt die A9. Deshalb denke ich, würde der Abschmelzbetrag der A9 abgezogen werden.

Ist aber auch nur eine Überlegung.