@Swen:
Die ersehnte Entscheidung aus Karlsruhe zur Berliner Besoldung betrifft ja "nur" die Jahre 2010 - 2015. Dürfen wir tatsächlich darauf hoffen, dass Karlsruhe auch eine grundsätzliche Aussage zu den gesetzlichen Anforderungen an die Besoldungsanpassungen nach 2015 trifft?
Besteht nicht die Gefahr, dass der Berliner Besoldungsgesetzgeber nach einer Vollstreckungsanordnung lediglich die Jahre 2010-2015 "glatt zieht" (durch Nachzahlungen)? Hinsichtlich der aktuellen Besoldung kann der Berliner Gesetzgeber doch einfach auf den aktuellen Entwurf (Zweiverdienerfamilie) verweisen und behaupten, dass nunmehr alles rechtmäßig ist.
Es wäre schön, wenn Karlsruhe in seiner nächsten Entscheidung nochmals klarstellen würde, dass als Vergleichsparameter zwingend die 4K-Alleinverdienerfamilie heranzuziehen ist. Ansonsten steht zu befürchten, dass es bis auf weiteres für die Breite Masse der Beamten (zumindest ab gD) keine wesentliche finanzielle Verbesserung geben wird.
Im Übrigen bin ich schon etwas enttäuscht, dass sich die Entscheidung erneut verzögert. Mittlerweile habe ich die Befürchtung, dass frühestens Mitte 2025 eine Entscheidung ergehen wird. Das BVerfG muss sich dann nicht wundern, dass den Verschwörungstheorien (Gericht ist politisch gesteuert) mehr und mehr geglaubt wird.
Das Bundesverfassungsgericht ist ja zunächst einmal ausschließlich dazu ermächtigt, Maximus, auf Antrag hin in die Prüfung einzutreten. Dabei prüft es in einem konkreten Normenkontrollverfahren die Richtervorlage, die entschieden hat, dass die von ihm kontrollierte Norm nicht mit der Verfassung in Einklang steht. Die eigentliche Prüfung dieser Norm ist also letztlich bereits vollzogen, bevor das Bundesverfassungsgericht hier handelnd tätig wird, eben in der Vorlage des vorlegenden Gerichts. Das Bundesverfassungsgericht kontrolliert nun zuvörderst, ob diese Prüfung des vorlegenden Gerichts sachgerecht erfolgt ist. Sofern das der Fall ist, betrachtet es die Norm (ebenfalls) als verfassungswidrig; ist das nicht der Fall, bleibt die Norm uneingeschränkt bestehen. In beiden Fällen wird daraufhin das vorlegende Gericht angewiesen, auf Basis der vom Bundesverfassungsgericht ergangenen Entscheidung handeln tätig zu werden, also eine Entscheidung zu fällen.
So verstanden sieht sich der Senat im konkreten Normenkontrollverfahren nur dazu ermächtigt, den Zeitraum zu betrachten, den das vorlegende Gericht geprüft hat. Denn darüber hinaus - also für weitere Jahre - liegt ja keine gerichtliche Prüfung vor. Dabei ist es dem Bundesverfassungsgericht jedoch nicht untersagt, sich direktiv im Hinblick auf die Norm zu äußern, sodass es über eine weite Bandbreite an Äußerungsmöglichkeiten verfügt. Entsprechend ist es Karlsruhe bspw. unbenommen, den Kontrollmaßstab der Alleinverdienerannahme weiter zu konkretisieren und sie damit nicht zuletzt in ihrer Geltung weiterhin zu präzisieren, sofern das für die zu vollziehende konkrete Normenkontrolle von Belang ist. Denn den in den angekündigten Entscheidungen zu betrachtenden Normen liegt ja die Alleinverdienerannahme zugrunde.
Entsprechend muss sich jetzt zeigen, ob Karlsruhe von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. In Anbetracht des zurzeit offensichtlich faktisch über die Einführung von Doppelverdienermodellen ohne sachgerechte Anwendung eines Kontrollmaßstabes ausgehebelten Alimentationsprinzips - nicht nur in Bayern und geplant derzeit im Bund, sondern ebenso in mittlerweile den meisten Rechtskreisen - sollte es m.E. wahrscheinlich sein, dass sich der Senat entsprechend zur Alleinverdienerannahme äußert und damit ebenfalls Hinweise gibt, in welchen Fällen sie zugrundezulegen ist und ggf. in welchen sie nicht zugrundezulegen wäre. Dabei muss der Senat allerdings darauf achtgeben, dass er damit nicht den Entscheidungsspielraum zukünftiger Besoldungsgesetzgeber, deren Abgeordnete in hoher Zahl heute noch nicht geboren sind und die also keine Verantwortung für den heute - wie Ulrich Battis es begründet hervorhebt - konzertierten Verfassungsbruch haben, unverhältnismäßig einschränkt. Es geht also auch hier um Verhältnismäßigkeit, wobei man ggf. in Rechnung stellen darf, wie augenscheinlich unverhältnismäßig aktuelle Entscheidungen der Besoldungsgesetzgeber sind (die allerdings nicht konkreter Teil der Normprüfung sind).
Ich gehe folglich davon aus, dass die Dauer der angekündigten Verfahren
auch damit zu tun haben dürfte: In der Entscheidungsbegründung wird der Senat eine Reihe komplexer Abwägungsentscheidungen unter Verhältnismäßigkeitgesichtspunkten treffen müssen, ohne dass man über die tatsächlichen heutigen Verhältnisse zu entscheiden hat. Das dürfte nicht ganz einfach sein und also eine erhöhte Beratungsdauer mit sich bringen, da es ggf. eher nicht darum gehen wird,
dass entsprechend direktiv gehandelt werden sollte, sondern wohl eher
wie diese Handlung - also die jeweilige Begründung der eigenen Entscheidung als Zweiter Senat, die dann ebenfalls nicht folgenlos für die Zukunft bleiben könnte - vollzogen werden soll. "Wie" hieße also (sofern sich Karlsruhe die gerade skizzierten Fragen stellte, wovon ich ausgehe, aber das eben nur begründend vermutend), wie konkret und mit welchen Folgen für den weiten Entscheidungsspielraum, über den der Besoldungsgesetzgeber alsdann als weitere Folge verfügte.
Entsprechend kann ich die Enttäuschung, die sich nachvollziehbar zunehmend in Beamtenkreisen Bahn bricht, gut nachvollziehen; denn die Verfahrenslänge und das Warten sind mit Frust verbunden und führen zu diesem. Auf der anderen Seite hat Karlsruhe mit den angekündigten Entscheidungen weitere Leitentscheidungen in Aussicht gestellt, was im Gefolge einer erst 2020 gefällten Leitentscheidung eher ungewöhnlich ist (dazu habe ich im Forum ja in der Vergangenheit bereits geschrieben). Wir müssen nach den Ankündigungen aus dem letzten Winter davon ausgehen, dass der Senat nun eine weitere Leitentscheidung - ich denke, insbesondere in den Berliner Normenkontrollverfahren; ggf. insbesondere prozedural auch in den bremischen - trifft, auch auf deren Basis alsbald weitere anhängige Normenkontrollverfahren zügiger behandelt werden können und werden werden. Denn das dürfte der effektive Rechtschutz gebieten, der sich aktuell hinsichtlich des Alimentationsprinzips offensichtlich - um's salopp auszudrücken - in einem lausigen Zustand befinden dürfte.
Im Ergebnis sehen sich dann der Senat von Berlin, indem er einen Gesetzentwurf erstellt, und das Abgeordnetenhaus von Berlin in der Pflicht - vorausgesetzt, Karlsruhe wird die Verfassungswidrigkeit der Norm für die entscheidungserheblichen Jahre feststellen, wovon man ausgehen darf -, die Karlsruher Entscheidung sachgerecht in der Korrektur der Norm zu beachten. Diese Pflicht erstreckt sich de jure nur auf den Entscheidungszeitraum - allerdings sind in Karlsruhe weitere formell bis in das Jahr 2019 reichende Berliner Vorlagen anhängig; auch hat das VG Berlin die Verletzung des Mindestabstandsgebots bis 2021 festgestellt (
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php?action=post;quote=371755;topic=124124.360). Es wird sich also zeigen, welche Schlüsse die beiden genannten Verfassungsorgane aus den angekündigten Karlsruher Entscheidungen ziehen werden. Die Berliner Landespolitik hat ja bekanntlich in der Vergangenheit recht häufig, um nicht zu sagen, fast schon regelmäßig einen hohen humoristischen Charakter gezeigt; es muss sich also zeigen, ob ihr in unserem Thema nach den Karlsruher Entscheidungen das Lachen erst einmal vergehen wird oder ob sie die Probleme ein weiteres mal weniger weglächeln als weglachen wollte.