Ob Verdi die SPD-Attacke auf die private Altersvorsorge aufgreifen wird? Immerhin wird man, wenn sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen wird, fortan einen wesentlich höheren Anteil vom Nettogehalt aufwenden müssen, um die Rentenlücke durch private Maßnahmen zu verringern.
„Attacke auf private Altersvorsorge“ ist aber auch eine ziemlich polemische Umschreibung dafür, dass die Idee besteht, Kapitaleinkünfte zukünftig etwas stärker zu besteuern — aber wie bisher maximal zum persönlichen Einkommensteuersatz. (Man kann auch bisher Kapitaleinkünfte in der Einkommensteuererklärung angeben; dann wird eine Günstiger-Prüfung durchgeführt und entweder die Kapitalertragssteuer mit ihrem Pauschalsatz oder der persönliche Steuersatz angewendet.)
Das Einkünfte aus Kapitalerträgen weniger stark zur Finanzierung des Allgemeinwohls herangezogen werden als Einkünfte aus Erwerbsarbeit (was dazu führt, dass das einkommensstärkste Prozent der in Deutschland Steuerpflichtigen einen geringeren Durchschnittssteuersatz hat als die viel beschworene Mittelschicht — von der kombinierten Steuer- und Abgabenlast gar nicht zu sprechen) dürfte kein Punkt sein, den eine Gewerkschaft verteidigen müsste.
Hier äußert sich halt leider die durchschnittlich geringe Finanzbildung in Deutschland. Diese "paar Prozent mehr" sind für Leute, die den Kapitalmarkt zur privaten Altersvorsorge nutzen (was neben Immobilien dank gescheiterter Riester, etc. alternativlos ist), dramatisch. Mit der von der SPD geforderten Erhöhung um 5 Prozent, liegen wir dann inklusive Soli, dessen Abschaffung nun gescheitert ist, bei 31,65 Prozent Besteuerung auf Kapitalerträge.
Beispielrechnung: Nehmen wir einen einfachen Sparplan mit monatlichen Einzahlungen von 200 Euro über 30 Jahre bei einer jährlichen Rendite von acht Prozent. Den Steuerpauschbetrag berücksichtigen wir mit 1000 Euro.
Bereits im fünften Jahr wären die ersten Steuerzahlungen fällig, weil der Sparerfreibetrag dann ausgeschöpft wäre. Das Argument, eine Erhöhung der Abgeltungssteuer würde doch keine jungen Menschen oder Menschen mit geringen Einkommen treffen, weil sie ihren Sparerfreibetrag gar nicht erreichen, stimmt also nicht.
Wie schnell verkauft man eine Position mit 1000 Euro Gewinn? Dann ist der Freibetrag sofort weg. Aber was heißt das jetzt über die Laufzeit von 30 Jahren? Da habt man insgesamt 72.000 Euro eingezahlt. Bei acht Prozent Rendite hat man 170.860 Euro erwirtschaftet und es wurden 45.315 Euro an Steuern fällig. Das macht netto insgesamt nach 30 Jahren einen Endbetrag von 197.545 Euro.
Bei der bisherigen Abgeltungsteuer wären aus den eingezahlten 72.000 Euro netto fast 210.000 Euro geworden, also 13.000 Euro mehr. Bemerkenswert: Man hätte lediglich 6000 Euro weniger Steuern gezahlt, aber wegen des Zinseszinseffekts werden daraus netto 13.000 Euro mehr. Die Rentenlücke, die bei jungen Menschen und insbesondere Frauen ohnehin mittlere sechsstellige Beträge umfasst, vergrößert sich dadurch dank "Arbeiterpartei" SPD erneut um einen fünfstelligen Betrag.
Hinzu kommt: Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf nicht selbstgenutzter privater Immobilien sollen auch nach Ablauf der Spekulationsfrist von zehn Jahren laut SPD besteuert werden. All jene, die für ihre Altersvorsorge eine fremd genutzte Immobilie gekauft haben und diese im Alter verkaufen wollen, müssen mit einer heftigen Besteuerung rechnen.
Und bitte, ganz ehrlich: Glaubt wirklich irgendjemand daran, dass die höhere Besteuerung von Kapitalerträgen zu einer niedrigeren Lohnsteuer führen würde? Diese Lüge lass ich mir nicht mehr auftischen.