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3 Tage AU, dann kurz im Dienst und wieder AU
Rentenonkel:
Ich habe es nochmal nachgelesen und habe noch ein paar Ergänzungen:
Wenn § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG den Entgeltfortzahlungszeitraum auf sechs Wochen beschränkt, bedeutet dies nicht, dass je Kalenderjahr das Gehalt höchstens für sechs Wochen fortgezahlt werden müsste. Vielmehr begründet jede neue – d. h. auf einer anderen Ursache beruhende – zur AU führende Erkrankung des Arbeitnehmers einen weiteren Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Geht man allein nach dem Gesetzeswortlaut, gilt dies auch, wenn sich verschiedene Erkrankungen in zeitlicher Hinsicht überlappen. Allerdings wurde – auch zum Schutz der Arbeitgeber, die sich ansonsten einer gegebenenfalls endlosen Kette von Entgeltfortzahlungszeiträumen ausgesetzt sähen – von den Arbeitsgerichten für solche Fälle die Rechtsfigur des sog. einheitlichen Verhinderungsfalls entwickelt.
Entscheidend für die Entstehung eines neuen Entgeltfortzahlungsanspruchs ist also, dass die Krankheitsphasen sich nicht überschneiden. Ein „Mindestabstand“ zwischen den Erkrankungen ist dabei nicht erforderlich, insbesondere kommt es nach der Rechtsprechung auch nicht darauf an, dass zwischen den Erkrankungen tatsächlich gearbeitet wurde.
Sofern tatsächlich gearbeitet wurde, stellt dies ein Indiz für die wiedererlangte Arbeitsfähigkeit dar. Wird die Beschäftigung aber vor Ablauf einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeit wieder aufgegeben, weil der Beschäftigte zur Verrichtung von vornherein nicht oder nur unter Gefährdung seiner Gesundheit fähig war, liegt ein untauglicher bzw. missglückter Arbeitsversuch vor und die Einheit des Verhinderungsfalls wird nicht durchbrochen. Auch wenn der Begriff der wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallende Zeit nicht genau normiert ist, dürfte es zumindest dann anzunehmen sein, wenn die Arbeit bereits am ersten Tag der strittigen Arbeitsfähigkeit wieder vorzeitig unterbrochen werden muss.
Da der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG trägt, muss er sowohl die AU als solche sowie deren Beginn und Ende belegen. Dies geschieht regelmäßig durch Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, deren Beweiswert gegebenenfalls aber erschüttert werden kann.
Ist dies geschehen, ist es Sache des Arbeitgebers, vorzutragen und zu beweisen, dass gleichwohl der Lohnfortzahlungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe besteht. Hierbei „hilft“ ihm die Rechtsprechung aber durch eine veränderte Verteilung der Darlegungslast:
Bei den Konstellationen, in denen der Arbeitnehmer eine kurzzeitige Genesung anführt, der Arbeitgeber aber von einem tatsächlichen Überlappen der Krankheitszeiträume und damit von einem einheitlichen Verhinderungsfall ausgeht, liegt nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines solchen vor, wenn sich an eine erste AU eine dem Arbeitnehmer im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere AU mit der gleichen oder ähnlichen Diagnose in engem zeitlichen Zusammenhang anschließt und die bescheinigten AU zeitlich entweder unmittelbar aufeinanderfolgen oder wenn zwischen ihnen lediglich ein arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt. Es obliegt dann dem Arbeitnehmer, darzulegen und zu beweisen, dass die erste AU bereits vollständig abgeschlossen war und – wenigstens für einen kurzen Zeitraum – Arbeitsfähigkeit bestand.
Besteht der Verdacht, dass bei einem Mitarbeiter ein Grundleiden vorliegt, das regelmäßig zu lohnfortzahlungspflichtigen Zeiten der AU führt, kann seitens des Arbeitgebers bei der Krankenkasse eine sog. „Zusammenhangsanfrage“ gestellt und mit dieser eruiert werden, ob vorhergehende AU aufgrund derselben (Grund-)Krankheit bestanden.
Ab wann die AUB vorgelegt werden muss, kann in diesem Fall dahingestellt bleiben, da ja ab Donnerstag eine solche vorlag. Wenn der Arbeitgeber bestimmt, dass spätestens am vierten aufeinanderfolgenden Tag, an dem man krankheitsbedingt nicht oder nicht vollständig arbeiten konnte, eine AUB vorzulegen ist, ist an dieser Regelung nichts auszusetzen. Ohne eine solche (objektive) Bescheinigung ab Donnerstag könnte der Arbeitnehmer nicht beweisen, dass der Grund für die Erkrankung ab dem vierten Tag eine andere ist als davor und somit könnte er den einheitlichen Versicherungsfall auch nicht entkräften. Damit hätte er aus meiner Sicht auch keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz.
MoinMoin:
--- Zitat von: Faunus am 11.06.2025 09:03 ---Du bist also nicht der Meinung,
dass bei gleicher Krankheitursache in den ersten 3 Tagen und dann am 4 tag 1 Stunde arbeiten, abrechen und gleicher Krankheitsgrund für das Fernbleiben vom Arbeitsplatz kein missglückter Arbeitsversuch ist, wie von Rentenonkel beschrieben, und die AU rückwirkend erfolgen müsste?
--- End quote ---
Also Rückwirkend auf keinen Fall, da der Arzt dazu nicht verpflichtet werden kann.
Und bei einer Stunde liegt natürlich der Verdacht nahe, dass man schon vor durchgängig Arbeitsunfähig war, aber wenn man 5,6,7 Stunden ackert? Ist das dann anders zu betrachten und also wirtschaftlich ins Gewicht fallend?
Allerdings sehe ich ein klares Dilemma.
Wenn man am 4. Tag komplett beschwerdefrei ist, man also arbeitsfähig ist, muss man natürlich zur Arbeit erscheinen.
--- Zitat von: Rentenonkel am 11.06.2025 10:20 ---Es obliegt dann dem Arbeitnehmer, darzulegen und zu beweisen, dass die erste AU bereits vollständig abgeschlossen war und – wenigstens für einen kurzen Zeitraum – Arbeitsfähigkeit bestand.
--- End quote ---
Man teilt dem AG durch das Erscheinen mit, dass man wieder arbeitsfähig ist und beginnt seine Tätigkeit. Wenn das noch nicht Beweis genug ist, dann lässt man sich das vom AG bestätigen, dass man wieder arbeiten kann, soll und darf?
Oder bestenfalls fragt man den AG, ob man vorher zum Arzt gehen soll, der einen Arbeitsfähigkeit attestiert?
Wenn jetzt jedoch eine erneute Arbeitsunfähig eintritt, die durchaus als Zusammenhangskrankheit bestätigt werden kann (also gemeinsam zu den 42 Tage gezählt werden), die aber eben zweimal Krank und nicht einmal durchgängig Krank ist, wie ist dann das ganze zu betrachten.
Wenn ich einen Infekt hatte, dann ist es durchaus unstrittig, dass ich mich mit meiner Einschätzung, dass ich Arbeitsfähig bin geirrt hatte.
Aber es gibt auch andere AU Gründe!
"Hexenschuss" z.B. Alles prima und Palleti am 3. Tag und man schonte diesen Tag geht am 4. beschwerdefrei wieder arbeiten und Zang eine falsche Bewegung, wieder (und nicht immer noch) AU.
Oder Migräne? Das können durchaus zwei Migräne Attacken unabhängig voneinander sein, insbesondere, wenn man aufgrund von externen Ereignissen diese Attacken bekommt (Gerüche, Lichterlebnisse, Ernährung...)
Das da Mo-Mi und Fr zu den Entgeltfortzahlungszeiträumen gemeinsam gezählt werden ist für mich unstrittig (auch wenn der AG da uU in der Beweislast wäre, dass Mo-Mi nicht doch was anderes war)
Aber der Donnerstag? Wenn ich dann erst nach regelmäßigen Arbeitsende beim Arzt mir eine AUB hole, die er ab Freitag ausstellt......
Ich finde es immer noch uneindeutig, wie da Gerichte verfahren würden.
Und nochmal, es geht mir bei der Fragestellung nicht darum, ob die 42 Tag trotz Unterbrechung weiterticken, sondern ob dieser eine Tag, in dem man 4,5,6,7 h gearbeitet hat mittickt und ob für diesen eine AUB her muss.
Rentenonkel:
--- Zitat von: MoinMoin am 11.06.2025 14:04 ---
Man teilt dem AG durch das Erscheinen mit, dass man wieder arbeitsfähig ist und beginnt seine Tätigkeit. Wenn das noch nicht Beweis genug ist, dann lässt man sich das vom AG bestätigen, dass man wieder arbeiten kann, soll und darf?
Oder bestenfalls fragt man den AG, ob man vorher zum Arzt gehen soll, der einen Arbeitsfähigkeit attestiert?
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Am Besten wäre es, wenn man bereits am dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit zum Arzt geht und der entscheidet dann, ob man arbeitsunfähig ist oder nicht.
--- Zitat von: MoinMoin am 11.06.2025 14:04 ---
Wenn jetzt jedoch eine erneute Arbeitsunfähig eintritt, die durchaus als Zusammenhangskrankheit bestätigt werden kann (also gemeinsam zu den 42 Tage gezählt werden), die aber eben zweimal Krank und nicht einmal durchgängig Krank ist, wie ist dann das ganze zu betrachten.
Wenn ich einen Infekt hatte, dann ist es durchaus unstrittig, dass ich mich mit meiner Einschätzung, dass ich Arbeitsfähig bin geirrt hatte.
Aber es gibt auch andere AU Gründe!
"Hexenschuss" z.B. Alles prima und Palleti am 3. Tag und man schonte diesen Tag geht am 4. beschwerdefrei wieder arbeiten und Zang eine falsche Bewegung, wieder (und nicht immer noch) AU.
Oder Migräne? Das können durchaus zwei Migräne Attacken unabhängig voneinander sein, insbesondere, wenn man aufgrund von externen Ereignissen diese Attacken bekommt (Gerüche, Lichterlebnisse, Ernährung...)
--- End quote ---
Genau das sind die Fälle, in denen das Gericht davon ausgeht, dass die Grunderkrankung zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme noch nicht vollständig auskuriert wurde und man auf Kosten der Gesundheit die Arbeit wieder aufgenommen hat. Wenn bereits leichte Einflüsse, die in dem Job typischerweise auftreten, wie eine bestimmte Bewegung oder ein bestimmter Geruch dazu führt, dass die Symptome erneut auftreten, hat man sich überschätzt und es liegt ein einheitlicher Verhinderungsfall vor. Das sind typische Beispiele für einen missglückten Arbeitsversuch und man gilt dann durchgehend als au.
--- Zitat von: MoinMoin am 11.06.2025 14:04 ---Und nochmal, es geht mir bei der Fragestellung nicht darum, ob die 42 Tag trotz Unterbrechung weiterticken, sondern ob dieser eine Tag, in dem man 4,5,6,7 h gearbeitet hat mittickt und ob für diesen eine AUB her muss.
--- End quote ---
Wenn man an dem vierten Tag vorzeitig die Arbeit niederlegt und sich krank meldet, muss eine AUB her. Sofern man am vierten Tag seine regelmäßige Arbeitszeit erfüllt, ist das ein sehr starkes Indiz dafür, dass man arbeitsfähig war und man benötigt keine AUB.
Ohne eine AUB ab dem vierten Tag, den man nicht vollständig arbeitsfähig war, kann die Frage, ob es sich um einen durchgehenden Verhinderungsfall handelt oder nicht, nicht objektiviert werden. Somit bliebe ohne AUB der Arbeitnehmer den Nachweis schuldig, dass ihm Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG zusteht.
MoinMoin:
--- Zitat von: Rentenonkel am 11.06.2025 15:20 ---
--- Zitat von: MoinMoin am 11.06.2025 14:04 ---
Man teilt dem AG durch das Erscheinen mit, dass man wieder arbeitsfähig ist und beginnt seine Tätigkeit. Wenn das noch nicht Beweis genug ist, dann lässt man sich das vom AG bestätigen, dass man wieder arbeiten kann, soll und darf?
Oder bestenfalls fragt man den AG, ob man vorher zum Arzt gehen soll, der einen Arbeitsfähigkeit attestiert?
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Am Besten wäre es, wenn man bereits am dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit zum Arzt geht und der entscheidet dann, ob man arbeitsunfähig ist oder nicht.
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Das wäre dann ja aber genau die Situation wie beschrieben, man fühlt keine Beschwerden, geht zum Arzt, der fragt nach AUB und der sagt: wenn sie keine Beschwerden haben, dann ich kann keine AUB ausstellen, man geht nächsten Tag zur Arbeit und nach 6 Stunden macht es knacks.
Sprich der Arzt hat einen Arbeitsfähigkeit "bescheinigt", dumm gelaufen.
Naja, solange man nicht 42 Tag voll macht mit diesem Leiden ist es eh wurscht.
Und wenn man die Voll macht hat man andere Sorgen.
Ich kenne AGs, die Migränepatienten, die öfters Montags/Dienstags AU sind, weil sie am WE eine Entspannungsmigräne haben, ab dem ersten Tag die AUB vorlegen lassen, damit die 42 Tage auch ticken (wobei da zumeist der AN natürlich den Sa/So unterschlägt).
Denn wenn die regelmäßig so etwas haben und der AG hat keine AUB, dann hat er keine Nachweise das er aus der Entgeltfortzahlung raus fällt.
--- Zitat ---Wenn man an dem vierten Tag vorzeitig die Arbeit niederlegt und sich krank meldet, muss eine AUB her. Sofern man am vierten Tag seine regelmäßige Arbeitszeit erfüllt, ist das ein sehr starkes Indiz dafür, dass man arbeitsfähig war und man benötigt keine AUB.
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und das dieses Starke Indiz trügerisch ist, zeigt ja die Geschichte von diesem Thread.
Rentenonkel:
--- Zitat von: MoinMoin am 11.06.2025 16:41 ---Das wäre dann ja aber genau die Situation wie beschrieben, man fühlt keine Beschwerden, geht zum Arzt, der fragt nach AUB und der sagt: wenn sie keine Beschwerden haben, dann ich kann keine AUB ausstellen, man geht nächsten Tag zur Arbeit und nach 6 Stunden macht es knacks.
Sprich der Arzt hat einen Arbeitsfähigkeit "bescheinigt", dumm gelaufen.
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Dann haben wir unterschiedliche Ärzte. Wenn ich heute zu meinem Arzt gehe und sage, ich bin heute den dritten Tag zu Hause, weil ich mich schlecht fühle, würde er mir zumindest für den heutigen Tag (und vermutlich auch die beiden Tage davor) eine AUB ausstellen.
Ob er mich dann auch für die Zukunft weiter AUB schreiben würde, hängt sicherlich von den Umständen des Einzelfalles ab.
Wenn ich zum Arzt gehen würde, weil ich an dem Tag krankheitsbedingt nicht zur Arbeit erschienen bin, und er würde mir selbst für den Tag keine AUB bestätigen, würde ich vermutlich den Arzt wechseln.
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