Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)  (Read 46591 times)

Lord of the Vast

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #120 am: 19.11.2025 16:39 »

Entscheidend wird am Ende sein, ob Maßstab (also Berechnungsgröße) immer die Prekaritätsschwelle für die 4 Personen sind (egal, ob 1, 2, 3 oder 4 Personen zu versorgen sind), oder ob das die Gesetzgeber nicht doch lieber tatsächlich nur denen gewähren, die Kinder haben? Das ist nicht ganz klar in dem Beschluss (Rn 65)

Ich lese den Beschluss so: Für die Vergangenheit (bis einschließlich 2025) ist das Kind in den Brunnen gefallen. Die Besoldungsgesetzgeber gingen bislang grundsätzlich vom 4-Personenhaushalt als Bezugsgröße aus. Ob die Anrechnung von Einkünften des Ehepartners möglich ist, ist damit nicht gesagt. M.E. widerspricht das jedoch der Bezugsgröße. Für die Zukunft wäre es jedoch möglich, dass Gesetzgeber von einer anderen Bezugsgröße ausgehen und tatsächlich im größeren Umfang (jedoch ggf. innerhalb von bestimmten Grenzen, über die das BVerfG noch nicht entschieden hat) mit Zuschlägen auf die individuellen Verhältnisse reagieren können. Ggf. würde das BVerfG irgendwann Grenzen ziehen, wenn dem Leistungsprinzip nicht mehr hinreichend Rechnung getragen wird, weil bspw. ein erheblicher Teil der Besoldung von den persönlichen Verhältnissen des Beamten abhängig wäre. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Zuschläge nicht zu einer Einebnung des Binnenabstands führen dürfen. Diese Gefahr der Einebnung des prozentualen Abstands besteht jedoch, wenn im größeren Umfang Zuschläge gewährt werden. Erst recht, wenn - wie in BW - der Zuschlag auch noch je nach Besoldungsgruppe unterschiedlich hoch ist. Auch die Kopplung an Tariflohnindex und Nominallohnindex werden die faktischen Auswirkungen einer geänderten Bezugsgröße eindämmen.
« Last Edit: 19.11.2025 16:47 von Lord of the Vast »

HansGeorg

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #121 am: 19.11.2025 16:54 »
Wenn jetzt für Jahre nachgezahlt wird, aber die Zahlen auf einem Nettobetrag beruhen, wie läuft es dann mit dem Zuflussprinzip bei der Steuer? Müsste das Brutto dann nicht noch höher ausfallen, damit Netto "das richtige" rauskommt?

KI sagt dazu folgendes: Der "Hebel" aus dem Urteil: Der Anspruch ist als NETTO definiert
Das Bundesverfassungsgericht stärkt Ihre Position hier jedoch indirekt. Im Urteil wird unmissverständlich klargestellt, dass die Verfassungsmäßigkeit der Alimentation anhand des Nettoeinkommens gemessen wird.

Das Gericht definiert die Mindestbesoldung als Netto-Größe: Es vergleicht das „Haushaltsnettoeinkommen“ (Median) mit der „Jahresnettobesoldung“.



Es schreibt explizit vor: „Vom Bruttoeinkommen abzuziehen sind die Steuern“, um zu prüfen, ob das verbleibende Geld zum Leben reicht.

Ihre Argumentation: Da das Gericht feststellt, dass dem Beamten ein bestimmtes Netto-Niveau zur Verfügung stehen muss, um „amtsangemessen“ zu leben, muss der Gesetzgeber die Brutto-Nachzahlung so hoch ansetzen, dass nach Abzug der typisierten Steuern dieses geforderte Netto-Niveau auch wirklich bei Ihnen ankommt. Würde das Land einfach nur den Fehlbetrag von damals 1:1 nachzahlen und der Staat nimmt sich davon durch die Steuerprogression 50 % wieder weg, wäre der verfassungswidrige Zustand (zu wenig Netto zum Leben für den jeweiligen Zeitraum) real nicht beseitigt.

Atzinator

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #122 am: 19.11.2025 16:57 »
Kann mir einer anhand von Thüringen mal bezüglich des Medians auf die Sprünge helfen?

1. Es geht hier jum Nettodurchschnittsgehälter. Mein Netto ist aber ein anderes (keine Rente/Sozial) als die der Arbeitnehmer. Wird hier differenziert?
2. In Thüringen wurde der Median 2023 noch für Frauen und Männer getrennt angegeben - wie wird denn hier extrapoliert?
3. 2024 betrug der Median brutto in Thüringen 3.304€/Monat. 80% davon sind 2.644€ + 300€ PKV sind 2.944€ Mindestbruttoalimentation. Sehe ich das richtig für einen Single?
3.1. Da A6 Stufe 3 nur 2.734€ bekam, ist es auf Grund 7,7%igen Abstands verfassungswidrig und A6 müsste 7,7% mehr bekommen? Sehe ich das richtig? Die Auswirkungen auf A7 wären dann auf Grund des Abstandsgebots untereinander etwas mehr?
3.2. Wie verhält es sich mit dem Streichen der Besoldungs- und Erfahrungsstufen? Als Referenz für 3.2.1.: A7 Stufe 3 2014 war 2.223€, 2024 2.921€ (= +31,4%). Als Referenz für 3.2.2.: A7 Stufe 3 war 2021 2.629€, 2024 2.921€ (= +11,1%)
3.2.1. Bis zum 28.02.2015 gab es noch A3, A4, A5. A3 Stufe 1 betrug damals 1.924€. Nimmt man jetzt großzügigerweise 35% Steigerung bis 2024 an (hätte man es nicht gestrichen), wären dies also 2.597€, somit eine größere Differenz in der untersten Besoldungsgruppe als jetzt. Sicherlich ist das eine Milchmädchenrechnung, aber ich will auf die Frage hinaus, inwieweit die Streichung der Besoldungsgruppen diese Medianberechnung verfälscht und die Ämter in der Wertigkeit abmindert?
3.2.2. Die Erfahrungsstufen 1 und 2 wurden sukzessive seit 2021 gestrichen. A6 Stufe 1 2021 betrug 2.404 und somit mit +12% 2.692€. Wenn auch nicht viel Unterschied, stellt sich mir hier die gleiche Frage nur in Bezug auf Erfahrungsstufen.

Sollte wie bei 1. angedeutet differenziert werden, ist das alles bedeutungslos. 3.304€ sind 2.223 netto, also 80% = 1.778€ + 300 PKV = 2.078. Die 2.734 ergeben 2.372 Beamtennetto, also 300€ zu viel zur Verfassungswidrigkeit.
« Last Edit: 19.11.2025 17:08 von Atzinator »

Quasselstrippe

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #123 am: 19.11.2025 17:06 »
Beim ersten Lesen des Anfangs des Beschlusses von heute morgen war meine spontane Reaktion:

hoppla, dem BVerfG war "15% über Existenzminimum" zu teuer und man ist jetzt auf 80% der Mediangehälter gegangen, auch um die Beamten "mehr am Arbeitsmarkt mit seinen Unsicherheiten bzgl. der Einkommenssituation" zu verankern und weg von der Basis der "sicheren Grundsicherung", die sich durch die steigenden Lebenshaltungskosten und Mieten so exorbitant nach oben entwickelt hat...

erst bei den ersten Tabellen habe ich gesehen, dass die 80%-vom-Median durchaus höher liegen als das Existenzminimum... zumindest heute noch...

haben wir Beamten damit quasi den Schutz nach unten verloren, wenn die Wirtschaft sich weiterhin sehr übel entwickelt und die Mediangehälter nach unten gehen (oder deutlich weniger stark steigen als die Preise und Mieten)? Kann uns passieren, dass bei knappem Wohnraum und hohen Mieten irgendwann mal die 80% vom Median weniger sind als "4k Bürgergeld inkl. Miete"?

Was mir auch nicht ganz so gut gefällt, ist, dass das BVerfG einfach mal die bisherige Rechtsprechung "fortentwickelt" und das neue Urteil mal eben einer anderen Systematik folgt als die bisherigen... das erzeugt bei mir das Gefühl, dass in 5 Jahren ein neuer Berichterstatter auch mal ganz anders "fortentwickeln" könnte und der Ewigkeitsgedanke bzw. die Fortführung einer Systematik bei den BVerfG-Entscheidungen keine große Rolle mehr spielt...

ich hoffe einfach mal, dass ich mit meinem spontanen Reaktionen komplett daneben liege, bin ja eh Laie und überblicke das ganze hier noch lange nicht...

aber das Thema mit den fallenden Mediangehältern vs. steigender Grundsicherung würde mich schon interessieren... könnte das passieren?


Lord of the Vast

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #124 am: 19.11.2025 17:08 »

KI sagt dazu folgendes: Der "Hebel" aus dem Urteil: Der Anspruch ist als NETTO definiert
Das Bundesverfassungsgericht stärkt Ihre Position hier jedoch indirekt. Im Urteil wird unmissverständlich klargestellt, dass die Verfassungsmäßigkeit der Alimentation anhand des Nettoeinkommens gemessen wird.

Das Gericht definiert die Mindestbesoldung als Netto-Größe: Es vergleicht das „Haushaltsnettoeinkommen“ (Median) mit der „Jahresnettobesoldung“.



Es schreibt explizit vor: „Vom Bruttoeinkommen abzuziehen sind die Steuern“, um zu prüfen, ob das verbleibende Geld zum Leben reicht.

Ihre Argumentation: Da das Gericht feststellt, dass dem Beamten ein bestimmtes Netto-Niveau zur Verfügung stehen muss, um „amtsangemessen“ zu leben, muss der Gesetzgeber die Brutto-Nachzahlung so hoch ansetzen, dass nach Abzug der typisierten Steuern dieses geforderte Netto-Niveau auch wirklich bei Ihnen ankommt. Würde das Land einfach nur den Fehlbetrag von damals 1:1 nachzahlen und der Staat nimmt sich davon durch die Steuerprogression 50 % wieder weg, wäre der verfassungswidrige Zustand (zu wenig Netto zum Leben für den jeweiligen Zeitraum) real nicht beseitigt.

Schön wäre es..  :D Aber das muss man wohl als Wunschdenken bezeichnen. Immer wieder lustig, mit welch Überzeugung die KI antwortet, wenn sie nicht die geringste Ahnung hat :D

Rentenonkel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #125 am: 19.11.2025 17:28 »
Zum Thema, ob Einkommen des Ehepartners angerechnet werden darf, findet man folgendes:

Soweit der Senat von Berlin mit seinen Stellungnahmen geltend macht, dass „die Abkehr vom Alleinverdienerprinzip in der Besoldungspraxis tatsächlich bereits vor vielen Jahren“ erfolgt sei und daher bei „der Überprüfung der Einhaltung des Mindestabstandsgebots für die Jahre 2008 bis 2020 […] das Mehrverdienerprinzip zugrunde zu legen“ sei, kann dem nicht gefolgt werden. Denn aus der Begründung der Neufassung von § 40a Abs. 1 BBesG BE im Jahr 2024 ergibt sich, dass der Berliner Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass die Besoldung sich bis zu diesem Zeitpunkt an der Alleinverdienerfamilie orientiert habe und dass er erst jetzt der Lebensrealität der Mehrverdiener- beziehungsweise Hinzuverdienerehe gerecht werden wollte (vgl. Abghs.-Drucks. 19/2002 vom 30.10.2024, S. 5 f., 42 f., 53 ff., 93 f.). Über die Verfassungsmäßigkeit dieser konzeptionellen Änderung ist im vorliegenden Verfahren indes nicht zu entscheiden.

Daher wird auch diese Frage noch mindestens in einem weiteren Verfahren geprüft werden müssen, so denn der jeweils zuständige Besoldungsgesetzgeber auf die Idee kommen sollte, davon Gebrauch zu machen.

Dennoch gibt es deutliche Hinweise, wie das BVerfG mutmaßlich entschieden hätte, wenn es diese Frage zu entscheiden gehabt hätte:

Die Besoldung stellt kein Entgelt für bestimmte Dienstleistungen dar. Sie ist vielmehr ein „Korrelat“ des Dienstherrn für die mit der Berufung in das Beamtenverhältnis verbundene Pflicht, unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit – grundsätzlich auf Lebenszeit – die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und gemäß den jeweiligen Anforderungen die Dienstpflichten nach Kräften zu erfüllen. Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position des Beamten und seiner Familie, zu der die individuelle Garantie einer amtsangemessenen Besoldung und Versorgung durch das Alimentationsprinzip und die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung wesentlich beitragen, bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot, während diese umgekehrt eine gerichtliche Kontrolle der Alimentation erfordern; diese Strukturprinzipien sind untrennbar miteinander verbunden (vgl. bereits BVerfGE 8, 1 <17>; 9, 268 <286>; zuletzt BVerfGE 155, 77 <90 Rn. 27> m.w.N.).

und weiter

Das Alimentationsprinzip nach Art. 33 Abs. 5 GG gebietet es, das Berufsbeamtentum durch eine amtsangemessene Alimentation dergestalt in der Gesellschaft zu verankern, dass sich die Beamtenschaft nicht in einer wirtschaftlich prekären Lage mit dem Risiko eines Absinkens in den Bereich der unmittelbaren Armutsgefährdung beziehungsweise Einkommensarmut befindet. Beamtinnen und Beamte können sich nur dann mit voller Hingabe und unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit ihrem Dienstherrn zur Verfügung stellen (vgl. BVerfGE 8, 1 <17>; 44, 249 <264>; stRspr), wenn sie nicht in Sorge um ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie sein müssen. Der Beamte darf nicht gezwungen sein, seine Besoldung durch Nebentätigkeiten aufzubessern, um am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilhaben zu können.

und weiter

Die Freiheit des im aktiven Dienst befindlichen Beamten von existenziellen finanziellen Sorgen setzt voraus, dass seine Besoldung mindestens so bemessen ist, dass sie einen hinreichenden Abstand zu einem ihn und seine Familie treffenden realen Armutsrisiko sicherstellt.

All das lässt, so verstehe ich es, nur den Schluss zu, dass ein Einkommen des Ehepartners selbst bei einem Systemwechsel nicht auf die Mindestbesoldung angerechnet werden darf.

Lord of the Vast

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« Antwort #126 am: 19.11.2025 17:30 »
Beim ersten Lesen des Anfangs des Beschlusses von heute morgen war meine spontane Reaktion:

hoppla, dem BVerfG war "15% über Existenzminimum" zu teuer und man ist jetzt auf 80% der Mediangehälter gegangen, auch um die Beamten "mehr am Arbeitsmarkt mit seinen Unsicherheiten bzgl. der Einkommenssituation" zu verankern und weg von der Basis der "sicheren Grundsicherung", die sich durch die steigenden Lebenshaltungskosten und Mieten so exorbitant nach oben entwickelt hat...

erst bei den ersten Tabellen habe ich gesehen, dass die 80%-vom-Median durchaus höher liegen als das Existenzminimum... zumindest heute noch...

haben wir Beamten damit quasi den Schutz nach unten verloren, wenn die Wirtschaft sich weiterhin sehr übel entwickelt und die Mediangehälter nach unten gehen (oder deutlich weniger stark steigen als die Preise und Mieten)? Kann uns passieren, dass bei knappem Wohnraum und hohen Mieten irgendwann mal die 80% vom Median weniger sind als "4k Bürgergeld inkl. Miete"?

Was mir auch nicht ganz so gut gefällt, ist, dass das BVerfG einfach mal die bisherige Rechtsprechung "fortentwickelt" und das neue Urteil mal eben einer anderen Systematik folgt als die bisherigen... das erzeugt bei mir das Gefühl, dass in 5 Jahren ein neuer Berichterstatter auch mal ganz anders "fortentwickeln" könnte und der Ewigkeitsgedanke bzw. die Fortführung einer Systematik bei den BVerfG-Entscheidungen keine große Rolle mehr spielt...

ich hoffe einfach mal, dass ich mit meinem spontanen Reaktionen komplett daneben liege, bin ja eh Laie und überblicke das ganze hier noch lange nicht...

aber das Thema mit den fallenden Mediangehältern vs. steigender Grundsicherung würde mich schon interessieren... könnte das passieren?

Ich finde Deine Bedenken berechtigt. Ich verstehe die Intension des BVerfG, nämlich die Gesetzgeber und Gerichte von der komplexeren Prüfung der Höhe der Grundsicherung zu entbinden und das Verfahren zu vereinfachen. Allerdings ist es doch weiterhin eine Selbstverständlichkeit, dass jemand der Vollzeit arbeitet mehr bekommen muss, als jemand der Grundsicherung empfängt. Das muss doch weiterhin als Untergrenze gelten. Vermutlich geht das BVerfG davon aus, dass die neue Systematik gewährleistet, dass dem Abstandsgebot zur Grundsicherung grundsätzlich genüge getan ist. Bei ungünstiger wirtschaftlicher Entwicklung ggf. kombiniert mit ziemlich linker Grundsicherungspolitik könnte das aber tatsächlich auch anders laufen. Schon jetzt berücksichtigt die neue Systematik nicht die horrenden Wohnkosten in Großstädten. Insofern kann die neue Systematik im Einzelfall bereits jetzt dazu führen, dass die neue Untergrenze der Grunsicherung recht nahe kommt..

Ozymandias

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #127 am: 19.11.2025 17:48 »
erst bei den ersten Tabellen habe ich gesehen, dass die 80%-vom-Median durchaus höher liegen als das Existenzminimum... zumindest heute noch...

Ist es nicht quasi 2,3*0,8=1,84 Medianniveau?
Wenn man davon nicht mehr leben kann, dann läuft schon etwas gewaltig schief. Hauptproblem ist für mich noch, welche Region hierfür zählt. In Bayern schwankt der Wert quasi zwischen 2000 und 2700 Euro.

Das würde rein rechnerisch bedeuten, um die 80% zu erreichen benötigt man in München fast 1400 Euro mehr im Monat. Vielleicht wird das in den anderen Entscheidungen noch genauer beleuchtet, Berlin zählt halt nach allen Maßstäben nur als eine Region und hat in der Tabelle nur einen Wert.

Rentenonkel

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« Antwort #128 am: 19.11.2025 17:53 »
@Quasselstrippe:

Die Fortentwicklung erfolgte aufgrund der Entscheidung des EMR in Bezug auf das Streikrecht. Den Beamten muss bei der Frage der Durchsetzung ihrer Ansprüche vor den Gerichten eher leicht nachvollziehbare Prüfschemata zur Verfügung gestellt werden, damit sie nachvollziehen können, ob der Klageweg hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und damit auch die Gerichte verhältnismäßig leicht und zügig entscheiden können.

Während die Ermittlungen der Werte Grundsicherung extrem komplex und zeitaufwendig sind, mithin erstmal die Ermittlungen sehr zeitaufwendig sind und waren, sind die Medianeinkommen eher greifbar. Sie müssen nur abgerufen werden und brauchen nicht für jeden Einzelfall individuell ermittelt werden.

Da es jede Menge offener Verfahren gibt, hat man hier gemerkt, dass der Grundsatz "Justice delayed is justice denied" auf viele Verfahren zutrifft und so wollte man, auch nach der Vorgabe des Europäischen Gerichtshofes, das Prüfschema deutlich vereinfachen und das ist, so denke ich, auch erstmal gelungen.

Das sich so auch Medianeinkommen und Grundsicherung auseinander entwickeln können, hat man hingenommen, weil man sich so erhofft, dass viele Beamte so deutlich schneller zu ihrem Recht, also eine amtsangemesssen Besoldung, kommen können. Schlussendlich ist die Unteralimentation enorm!

@Atzinator:

Du missverstehst da etwas. Basis ist nicht der Single, sondern weiterhin der 4 K Beamte. Daraus lässt sich nach wie vor nicht zurück rechnen, um wieviel die Grundbesoldung steigen kann und muss. Der Gesetzgeber kann ja für die Zukunft weiterhin auch die Familienzuschläge in einem gewissen Rahmen verändern oder das Beihilferecht ändern. Somit ist der Ball jetzt erstmal wieder im Spielfeld der Gesetzgeber.

1.) Von dem Netto sind die durschnittlichen Beiträge zur privaten KV und PV in Abzug zu bringen.
2.) Gute Frage, aber vermutlich das höhere mit 1,0 und das kleinere mit 0,5 (für den Ehepartner), alles andere macht wenig Sinn
3.) Nein
3.1)  Nein, da Du das Einkommen eines 4 K Beamten mit dem Medianeinkommen (bzw. davon 80 %) vergleichen musst

Zu dem Rest:

Für die anzustellende Bewertung sind die Bezüge in ihrer Gesamthöhe der Berechnung zugrunde zu legen. Neben dem Grundgehalt sind daher solche Bezügebestandteile zu berücksichtigen, die allen Beamten einer Besoldungsgruppe unterschiedslos gewährt werden (vgl. BVerfGE 139, 64 <111 f. Rn. 93>; 140, 240 <278 Rn. 72>; 155, 1 <36 Rn. 73>). Maßgeblich sind die niedrigste vom Dienstherrn für aktive Beamte ausgewiesene Besoldungsgruppe und die niedrigste Erfahrungsstufe (vgl. BVerfGE 155, 1 <36 Rn. 74 f.>).

Mithin gilt die Mindestbesoldung für den kleinsten, aktiven Beamten mit der niedrigsten Erfahrungsstufe.

Es würde mich daher nicht überraschen, wenn die niedrigsten Erfahrungsstufe und niedrigsten Besoldungsgruppen demnächst reihenweise wegfallen.

Dann wird das BVerfG vermutlich erneut angerufen werden müssen ...

haloeris

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« Antwort #129 am: 19.11.2025 17:55 »
...Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position des Beamten und seiner Familie, zu der die individuelle Garantie einer amtsangemessenen Besoldung und Versorgung durch das Alimentationsprinzip und die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung wesentlich beitragen, bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot, während diese umgekehrt eine gerichtliche Kontrolle der Alimentation erfordern; diese Strukturprinzipien sind untrennbar miteinander verbunden (vgl. bereits BVerfGE 8, 1 <17>; 9, 268 <286>; zuletzt BVerfGE 155, 77 <90 Rn. 27> m.w.N.).


Für mich liest sich das eher so: Keine AA, kein Anspruch auf Treupflicht und Streikverbot? Dürfen wir nun endlich wieder streiken?


Zitat
Das Alimentationsprinzip nach Art. 33 Abs. 5 GG gebietet es, das Berufsbeamtentum durch eine amtsangemessene Alimentation dergestalt in der Gesellschaft zu verankern, dass sich die Beamtenschaft nicht in einer wirtschaftlich prekären Lage mit dem Risiko eines Absinkens in den Bereich der unmittelbaren Armutsgefährdung beziehungsweise Einkommensarmut befindet. Beamtinnen und Beamte können sich nur dann mit voller Hingabe und unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit ihrem Dienstherrn zur Verfügung stellen (vgl. BVerfGE 8, 1 <17>; 44, 249 <264>; stRspr), wenn sie nicht in Sorge um ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie sein müssen. Der Beamte darf nicht gezwungen sein, seine Besoldung durch Nebentätigkeiten aufzubessern, um am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilhaben zu können.


Ok was ist hiermit? Ich mache seit 5 Jahren einen Nebenjob und dieses Thema um AA hat mich Physisch und psychisch extrem belastet. Zu wissen nicht richtig alimentiert zu sein, vom Dienstherrn ausgelacht zu werden während er seine Diäten erhöht und gleichzeitig zu wissen, der Aufwand zum Dienst zu kommen (jeden Tag 180km, Tanke, Dienst, Tanke, Werkstatt, Dienst, KFZ Versicherung,  Werkstatt, Tanke, Steuern, KFZ Versicherung, volle Autobahn bla bla bla....) lohnt sich dann bald nicht mehr.

Wenn das fiktive Partnereinkommen kommen sollte, dann sollten wir auch mal kapieren, was zutun ist. Das ist nicht auf Gererechtigkeit warten.

Dann muss man wohl den Spieß mal umdrehen....was war das? Frist 2027??? Ok.


Nautiker1970

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #130 am: 19.11.2025 18:05 »
Zum Thema, ob Einkommen des Ehepartners angerechnet werden darf, findet man folgendes:

Soweit der Senat von Berlin mit seinen Stellungnahmen geltend macht, dass „die Abkehr vom Alleinverdienerprinzip in der Besoldungspraxis tatsächlich bereits vor vielen Jahren“ erfolgt sei und daher bei „der Überprüfung der Einhaltung des Mindestabstandsgebots für die Jahre 2008 bis 2020 […] das Mehrverdienerprinzip zugrunde zu legen“ sei, kann dem nicht gefolgt werden. Denn aus der Begründung der Neufassung von § 40a Abs. 1 BBesG BE im Jahr 2024 ergibt sich, dass der Berliner Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass die Besoldung sich bis zu diesem Zeitpunkt an der Alleinverdienerfamilie orientiert habe und dass er erst jetzt der Lebensrealität der Mehrverdiener- beziehungsweise Hinzuverdienerehe gerecht werden wollte (vgl. Abghs.-Drucks. 19/2002 vom 30.10.2024, S. 5 f., 42 f., 53 ff., 93 f.). Über die Verfassungsmäßigkeit dieser konzeptionellen Änderung ist im vorliegenden Verfahren indes nicht zu entscheiden.

Daher wird auch diese Frage noch mindestens in einem weiteren Verfahren geprüft werden müssen, so denn der jeweils zuständige Besoldungsgesetzgeber auf die Idee kommen sollte, davon Gebrauch zu machen.

Dennoch gibt es deutliche Hinweise, wie das BVerfG mutmaßlich entschieden hätte, wenn es diese Frage zu entscheiden gehabt hätte:

Die Besoldung stellt kein Entgelt für bestimmte Dienstleistungen dar. Sie ist vielmehr ein „Korrelat“ des Dienstherrn für die mit der Berufung in das Beamtenverhältnis verbundene Pflicht, unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit – grundsätzlich auf Lebenszeit – die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und gemäß den jeweiligen Anforderungen die Dienstpflichten nach Kräften zu erfüllen. Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position des Beamten und seiner Familie, zu der die individuelle Garantie einer amtsangemessenen Besoldung und Versorgung durch das Alimentationsprinzip und die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung wesentlich beitragen, bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot, während diese umgekehrt eine gerichtliche Kontrolle der Alimentation erfordern; diese Strukturprinzipien sind untrennbar miteinander verbunden (vgl. bereits BVerfGE 8, 1 <17>; 9, 268 <286>; zuletzt BVerfGE 155, 77 <90 Rn. 27> m.w.N.).

und weiter

Das Alimentationsprinzip nach Art. 33 Abs. 5 GG gebietet es, das Berufsbeamtentum durch eine amtsangemessene Alimentation dergestalt in der Gesellschaft zu verankern, dass sich die Beamtenschaft nicht in einer wirtschaftlich prekären Lage mit dem Risiko eines Absinkens in den Bereich der unmittelbaren Armutsgefährdung beziehungsweise Einkommensarmut befindet. Beamtinnen und Beamte können sich nur dann mit voller Hingabe und unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit ihrem Dienstherrn zur Verfügung stellen (vgl. BVerfGE 8, 1 <17>; 44, 249 <264>; stRspr), wenn sie nicht in Sorge um ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie sein müssen. Der Beamte darf nicht gezwungen sein, seine Besoldung durch Nebentätigkeiten aufzubessern, um am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilhaben zu können.

und weiter

Die Freiheit des im aktiven Dienst befindlichen Beamten von existenziellen finanziellen Sorgen setzt voraus, dass seine Besoldung mindestens so bemessen ist, dass sie einen hinreichenden Abstand zu einem ihn und seine Familie treffenden realen Armutsrisiko sicherstellt.

All das lässt, so verstehe ich es, nur den Schluss zu, dass ein Einkommen des Ehepartners selbst bei einem Systemwechsel nicht auf die Mindestbesoldung angerechnet werden darf.

Wenn das so einfach wäre, warum gab es dann kein entsprechendes obiter dictum? Für mich spricht die Tatsache, dass das Gericht sich dieses gespart hat, eher dafür, dass man davon ausgeht, dass das Partnereinkommen bzw. eine diesbezügliche „konzeptionelle Änderung“, wie es das Gericht vornehm umschreibt, für rechtens erachtet wird, das Gericht es sich aber verkneifen wollte, in seinem Beschluss sogleich die Lösung für die Probleme, die der Beschluss nun zunächst bzw. für die Vergangenheit wohl oder übel nach sich zieht, sogleich mitzuliefern. Man möchte ja schließlich als unabhängig wahrgenommen werden.

Illunis

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #131 am: 19.11.2025 18:07 »
Ist das Partnereinkommen mit RN 70 (mal abgesehen Art 33 und 6 GG) nicht komplett vom Tisch?:

Zitat
(3) Die Bezugsgröße für die Bemessung der Mindestbesoldung ist eine vierköpfige Familie, die aus dem Beamten, seinem Ehegatten und zwei Kindern, von denen eines jünger als 14 Jahre ist, besteht, deren alleiniges Einkommen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 3 MZG die Besoldung – einschließlich der Familienzuschläge für den Ehegatten und die ersten beiden Kinder – ist. Das Bundesverfassungsgericht geht – jedenfalls auf der Grundlage des vom Berliner Besoldungsgesetzgeber für den Prüfungszeitraum gewählten Besoldungsmodells – grundsätzlich davon aus, dass der Gesetzgeber die Besoldung so bemessen wollte, dass eine vierköpfige Familie durch einen Beamten als Alleinverdiener amtsangemessen unterhalten werden kann, ohne dass es weiterer Einkommensquellen – etwa einer Nebentätigkeit oder der Erwerbstätigkeit des Ehegatten – bedarf (vgl. BVerfGE 155, 1 <24 Rn. 47>; Blackstein/Diesterhöft, in: Müller/Dittrich, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 6, 2022, S. 153 <189>).

Rentenonkel

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« Antwort #132 am: 19.11.2025 18:09 »

Ist es nicht quasi 2,3*0,8=1,84 Medianniveau?
Wenn man davon nicht mehr leben kann, dann läuft schon etwas gewaltig schief. Hauptproblem ist für mich noch, welche Region hierfür zählt. In Bayern schwankt der Wert quasi zwischen 2000 und 2700 Euro.


Randnummer 67:

Das Median-Äquivalenzeinkommen ist nach der modifizierten Äquivalenzskala der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf Grundlage des Mikrozensus zu bestimmen.


Das Medianeinkommen wird demnach im Bundesdurchschnitt ermittelt und ist somit nicht regional zu differenzieren.

Insofern muss ich meine Antwort 2 für Atzinator berichtigen. Es gilt nicht das Medianeinkommen in Thüringen, sondern im Bundesdurchschnitt.

Julianx1

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« Antwort #133 am: 19.11.2025 18:21 »
Nein, es gibt keine Frist! Für den Bund und das BMI gibt es keine Frist.

Es gibt aktuell eine vorläufige Besoldung. und die kommende Erhöhung ab Mai 2026 ist auch schon als Abschlag in die Vorläufigkeit gerutscht. Man kann nur aus dem heutigen Beschluss ableiten, dass der Dienstherr künftig die Vorgaben des BVerfG berücksichtigen muss. Damit kann er sich auch bis Mitte 2027 Zeit lassen.

Alles was in dn vergangenen Wochen geschrieben wurde das Mitte November ein neuer Entwurf kommt war das Papier nicht wert.

Inhaltlich? Partnereinkommen? Grundsätzlich nicht unmöglich.
Familienzuschläge erhöhen? Grundsätzlich möglich, aber mit Begründung
Abstandsgebot? Ja, aber wie weit die Ämter auseinander liegen müssen? Fehlanzeige.

Für die Berliner Kollegen freut es mich sehr. Für uns bedeutet es nur das die Spielregeln enger getrickt wurden, für den Fall das der Bund sich doch mal mit der Aa beschäftigen würde.

eclipsoid

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« Antwort #134 am: 19.11.2025 18:22 »


Randnummer 67:

Das Median-Äquivalenzeinkommen ist nach der modifizierten Äquivalenzskala der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf Grundlage des Mikrozensus zu bestimmen.


Das Medianeinkommen wird demnach im Bundesdurchschnitt ermittelt und ist somit nicht regional zu differenzieren.

Insofern muss ich meine Antwort 2 für Atzinator berichtigen. Es gilt nicht das Medianeinkommen in Thüringen, sondern im Bundesdurchschnitt.

Da steht ja nur Mikrozensus und nichts regionales. Das Gericht hat im vorliegenden Urteil mit den Daten aus Berlin gerechnet, also für Länderbesoldung regional.