Also tut mir leid, Rn. 87ff sind mehr als fragwürdig.
Das VG Karlsruhe hat offenbar nichts gegen willkürliche Ämterhebungen einzuwenden, während der VGH Hessen 2021 zu diesem Aspekt noch feststellte. "Soweit das beklagte Land anmerkt, es könne die niedrigsten Besoldungsgruppen oder die ersten Erfahrungsstufen streichen oder den internen Anstieg innerhalb einer Besoldungsstufe relativieren, ist nicht ersichtlich, wie damit die Verfassungswidrigkeit behoben werden kann."
Ein paar hingerotzte Zeilen zur neuerdings erforderlichen Serviceorientierung im gD und zur Digitalisierung reichen um sich Luft zum Grundsicherungsniveau zu verschaffen.
Ich bin wie Du nicht der Ansicht, dass die Kammer mit ihrer Argumentation sachlich hinreichend vorgeht, emdy - allerdings ist das, was sie ab der Rn. 87 ausführt, innerhalb des von ihr zugrunde gelegten Rahmens sachlogisch fehlerfrei hergeleitet und so innerhalb dieses Rahmens schlüssig und kann also innerhalb des Rahmens nicht zurückgewiesen werden. Die Argumentation kann also nur widerlegt werden, indem man den Rahmen als sachlich nicht schlüssig nachweist, und zwar als
evident sachwidrig. Dabei muss man verstehen, wie die Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgehen kann und ggf. - nämlich wenn sie den Rahmen so setzt, wie ihn die Kammer setzt - dann auch vorgehen muss. Schauen wir uns also mal an, was sie ab der Rn. 87 nachvollzieht:
1. Die Kammer legt auch hier zugrunde, dass sachlich all das, was nicht
evident sachwidrig ist, dem Gesetzgeber gestattet ist. Diese Grundannahme ist sachgerecht, denn das Bundesverfassungsgericht führt in ständiger Rechtsprechung in der aktuellen Entscheidung in der Rn. 27 aus (
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html; Hervorhebung durch mich):
"Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat (vgl. BVerfGE 103, 310 <320>; 117, 330 <353>; 121, 241 <261>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 95>; 140, 240 <279 Rn. 75>). Dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers entspricht vielmehr eine zurückhaltende,
auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung (vgl. BVerfGE 65, 141 <148 f.>; 103, 310 <319 f.>; 110, 353 <364 f.>; 117, 330 <353>; 130, 263 <294 f.>; 139, 64 <113 Rn. 96>; 140, 240 <279 Rn. 75>). Im Ergebnis beschränkt sich die materielle Kontrolle dabei auf die Frage, ob die Bezüge der Richter und Staatsanwälte
evident unzureichend sind. Ob dies der Fall ist, muss anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden (vgl. BVerfGE 44, 249 <263, 267 f.>; 114, 258 <288 f.>; 130, 263 <295>; 139, 64 <113 Rn. 96>; 140, 240 <279 Rn. 75>)."
Es ist also zunächst einmal nicht zu kritisieren, wenn die Kammer in der Rn. 86 die Frage stellt, ob es dem Gesetzgeber gestattet gewesen sei, die unterste Stufe 1 der Besoldungsgruppe A 7 als seit dem 1.12.2022 als Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung zu wählen (um zu verstehen, was ich sage, ist es zwingend notwendig, die Zusammenfassung der Argumentation der Kammer an deren Entscheidungsbegründung nachzuvollziehen, sie hier also parallel zu lesen:
https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/NJRE001605779). Denn alles andere verbleibt auf der Ebene der Moralkritik, ist also hier in der Prüfung der Argumentation juristisch gegenstandlos.
Wie beantwortet die Kammer diese Frage?
2. Sie folgt zunächst der Argumentation des Klägers (bzw. seines Prozessvertreters), dass der Gesetzgeber eine Ämterneubewertung vornehmen könne, selbst wenn sich die Amtsinhalte nicht verändert hätten (Rn. 87). Weder diese Ansicht des Klägers noch die Konsequenz des Gerichts, sie zur Grundlage der Argumentation zu machen, wären sachwidrig, sind also für sich genommen zunächst einmal nicht zu kritisieren.
3. Die Kammer prüft daraufhin - das führt sie in der Rn. 87 weiterhin aus -, ob die Gesetzesbegründung die Ämterhebung hinreichend begründet habe. Hinreichend bedeutet, dass die Gesetzesbegründung nicht evident sachwidrig ist, was bedeutet, das sie, wenn sie ggf. gerade noch einen sachlichen Grund liefert, von der Gerichtsbarkeit als solche anzuerkennen ist, eben als nicht evident sachwidrig.
4. Die Kammer hebt im Anschluss in der Rn. 88 hervor, dass die Gesetzesbegründung die Ämterneubewertung und Ämterhebung
nicht allein zur Herstellung einer nach ihrer Vorstellung amtsangemessenen Alimentation vollziehe - die Kammer sagt dabei nicht, dass eine alleinige Begründung zur Herstellung einer amtsangemessenen Alimentation als ggf. evident sachwidrig zurückgewiesen werden könne, da der
alleinige Zweck besoldungsrechtlicher Maßnahmen, Haushaltsmittel einzusparen, nicht als sachlicher Grund hinreicht, also ggf. evident sachwidrig sein könnte, führt dies aber hier implizit ins Feld -, sondern dass die Ämterneubewertung und Ämterhebung ein eigenständiges gesetzgeberisches Vorgehen sei. Ein solches eigenständiges gesetzgeberisches Vorgehen ist, sofern es begründet ist, nicht evident sachwidrig.
5. Die Kammer hebt also hervor, dass hier ggf. zwei Zwecke vorliegen, nämlich erstens, eigenständig eine Ämterneubewertung und Ämterhebung zu vollziehen, und zweitens, das gleichfalls zu nutzen, um Haushaltsmittel einzusparen (Rn. 88 f.).
6. Sie prüft also nun nachfolgend, ob der erste Zweck einer eigenständigen Ämterneubewertung und Ämterhebung tatsächlich begründet ist, was der Fall ist, sofern das willkürfrei geschehe, was bedeutet, dass es nicht evident sei, dass ein sachlicher Grund nicht gegeben sei (Rn. 89).
7. Sofern also die Begründung zur eigenständigen Ämterneubewertung und Ämterhebung im Sinne der gerade hervorgehobenen Nr. 1 nicht evident sachwidrig ist, ist sie in der Logik der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung als sachlicher Grund anzuerkennen.
8. Die Kammer referiert daraufhin in einem längeren Zitat die Gesetzesbegründung für die eigenständige Ämterneubewertung und Ämterhebung, die die Ämterneubewertung und Ämterhebung verschiedener Ämter - nicht nur des niedrigsten, sondern durchaus verschiedene Ämter unterschiedlicher Laufbahnen - vorsieht und dabei also jeweils darlegt, wieso das geschehen solle (Rn. 90 ff.).
9. Sie kommt in diesem Rahmen zu dem Schluss, dass die vom Gesetzgeber gegebene Begründung zur Ämterneubewertung und Ämterhebung willkürfrei und deshalb nicht als evident sachwidrig zu betrachten sei (Rn. 95). Denn offensichtlich werden in der zitierten Gesetzesbegründung zweifelsfrei sachliche Gründe für die jeweilige Ämterneubewertung und Ämterhebung geliefert, sodass sie an derselben Stelle ausführt (Hervorhebungen durch mich):
"Die Kammer erachtet diese Begründung für ausreichend und tragfähig oder – anders gewendet –
nicht als evident sachwidrig."
10. Damit aber hat der Besoldungsgesetzgeber die verschiedenen Ämterneubewertungen und Ämterhebungen sachgerecht vollzogen, sodass innerhalb des von der Kammer angestellten Argumentationsrahmens nichts dagegen spricht, auch die Ämterneubewertung und Ämterhebung in der untersten Besoldungsgruppe zu vollziehen, weshalb die Kammer nicht weiter prüft, ob die mit der nicht evident sachwidrig und damit sachgerecht erfolgten Ämterneubewertung und Ämteranhebung der untersten Besoldungsgruppe vorgenommene Einsparung von Haushaltsmitteln sachgerecht - also nicht evident sachwidrig - erfolgt oder nicht, da ja die Ausgangsthese des Klägers war, dass die Ämterhebungen in der untersten Besoldungsgruppe nicht hinreichend begründet worden sei (Rn. 87).
11. Die Kammer hat also nun gezeigt, dass die Ausgangsthese des Klägers, die Ämterhebung in der untersten Besoldungsgruppe sei nicht hinreichend begründet, sich im Rahmen der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung
nicht erhärten lässt, da die vom Gesetzgeber gegebene Begründung zur Ämterneubewertung und Ämterhebung in der untersten Besoldungsgruppe sich als nicht evident sachwidrig erhärten lässt, was sie davon enthebt, die zweite These des Klägers noch zu prüfen, nämlich dass es vom Gesetzgeber nicht sachlich gerechtfertig worden sei, durch die Ämterneubewertung und Ämterhebung in der untersten Besoldungsgruppe Haushaltsmittel einzusparen.
12. Damit hat die Kammer dem Untersuchungsgrundsatz Genüge getan, nämlich willkürfrei dargelegt, dass man der Gesetzesbegründung sachlich folgen kann, dass sie also an dieser Stelle nicht
evident sachwidrig erfolgt, sodass sich die Argumentation des Klägers bereits an ihrem Ausgangspunkt nicht hinreichend erhärten lässt, weshalb sie nach der Auffassung des Gerichts nicht weiter betrachtet werden muss.
Innerhalb des von der Kammer gewählten Rahmens ist also das, was die Kammer in den genannten Passagen macht, nicht hinreichend zu kritisieren, sondern am Maßstab evidenter Sachwidrigkeit gemessen schlüssig.
Im Ergebnis muss also die Argumentation der Klage einen anderen Rahmen wählen, um so den Nachweis zu führen, dass die ggf. hinreichend begründete Ämterneubewertung und Ämterhebung nicht zu einem sachgerechten Ergebnis im Rahmen der Prüfung des Mindestabstandsgebots führt. Hierzu habe ich vorhin schon darauf verwiesen, dass der in der untersten Besoldungsgruppe eingruppierten Musterbeamten ausschließlich im Dezember 2022 in der ersten Erfahrungsstufe des Besoldungsgruppe A 7 besoldet worden ist. Denn mit diesem Datum erfolgte die Ämterneubewertung und Ämterhebung. Allerdings setzt die Gesetzesbegründung die Besoldungsgruppe A 7 für das gesamte Jahr 2022 als unterste Besoldungsgruppe fest und legt also eine monatliche Grundbesoldung von 2.769,20 € über das gesamte Jahr 2022 an, die hier tatsächlich aber erst ab dem Dezember 2022 gewährt worden war (vgl. LT-Drs. 17/3274, S. 75;
https://www.landtag-bw.de/resource/blob/259396/2b7ebab6536bc8f35cb4360555fd78a4/17_3274_D.pdf).
Tatsächlich ist also dem Musterbeamten ausschließlich im Dezember 2022 eine Grundbesoldung in Höhe von 2.769,20 € gewährt worden, die die Gesetzesbegründung an der genannten Stelle ins Feld führt. Vom 01.01.2022 bis zum 30.11.2022 ist hingegen in der ersten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 7 nur ein Grundgehalt von 2.550,09 € gewährt worden (vgl.
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bw?id=beamte-bawue-2021&matrix=1). Entsprechend ist hier über die zwölf Monate ein durchschnittliches Grundgehalt von
[(11 x 2.550,09 € + 1 x 2.769,20 €) : 12]
gewährt worden, was zu einem tatsächlich gewährten monatlichen Grundgehalt von 2.568,35 € führt. Das tatsächliche monatliche Grundgehalt für das Jahr 2022 ist also in der ersten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 7 mit 200,85 € pro Monat geringer heranzuziehen, als das die Gesetzesbegründung evident sachwidrig voraussetzt. Damit aber dürfte - das habe ich auf die Schnelle heute abend noch nicht berechnet - die gewährte Nettoalimentation nicht die Mindestalimentation übersteigen, sodass sich hier das Mindestabstandsgebot als verletzt darstellt (unabhängig davon, was ich bereits in den letzten Tagen zur offensichtlich evident sachwidrigen Bemessung des Grundsicherungsniveaus ausgeführt habe). Nicht umsonst liegt die mit dem sachwidrig bemessenen Grundgehalt herangezogene Nettoalimentation von 3.407,57 € nur um 56.68 € über dem - hinsichtlich der Wohnkosten evident unzureichend bemessenen - 115 %igen Grundsicherungsniveau von 3350,89 € (vgl. in der LT-Drs. 17/3274, S. 75).
Darüber hinaus weist die Besoldungstabelle bis zum 30.11.2022 die Besoldungsgruppe A 5 als die unterste aus (es müsste noch einmal geprüft werden, ob diese zwischen dem 01.01. bis 30.11.2022 die unterste für
aktive Beamte dargestellt hat; ich setze das hier jetzt ungeprüft voraus). Ihr ist bis Ende November ein Grundgehalt von 2.401,51 € gewährt worden, was unter Heranziehung der oben genannten Daten zu einem durchschnittlichen monatlichen Besoldungsniveau in Höhe von 2.432,15 € führt, das 337,05 € unterhalb des monatlichen Betrags liegt, den die Gesetzesbegründung evident sachwidrig als Vergleichsgegenstand zur Mindestalimentation heranzieht. Dieser Betrag führte allerdings zu einem noch einmal signifikant größeren Fehlbetrag in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots, was mittels der Mindestbesoldung anhand bspw. der Methodik des Grundgehaltsäquivalenz in die Betrachtung der ersten Prüfungsstufe einzustellen wäre.
Auch hier zeigt sich also der evident unzureichende Betrag der dem untersten Beamten gewährten Nettoalimentation. Die Klagebegündung müsste nun die Ausstrahlungswirkung von der Besoldunfsordnung A auf die Besoldungsordnung R konkret herausarbeiten. Das wird folglich die Aufgabe für das Berufungsverfahrens sein. Damit dürfte sich die notwendige Evidenz in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots herstellen lassen.