Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 4037931 times)

emdy

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7440 am: 16.04.2025 21:00 »
Also tut mir leid, Rn. 87ff sind mehr als fragwürdig.

Das VG Karlsruhe hat offenbar nichts gegen willkürliche Ämterhebungen einzuwenden, während der VGH Hessen 2021 zu diesem Aspekt noch feststellte. "Soweit das beklagte Land anmerkt, es könne die niedrigsten Besoldungsgruppen oder die ersten Erfahrungsstufen streichen oder den internen Anstieg innerhalb einer Besoldungsstufe relativieren, ist nicht ersichtlich, wie damit die Verfassungswidrigkeit behoben werden kann."

Ein paar hingerotzte Zeilen zur neuerdings erforderlichen Serviceorientierung im gD und zur Digitalisierung reichen um sich Luft zum Grundsicherungsniveau zu verschaffen.

LehrerBW

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7441 am: 16.04.2025 22:23 »
Leider hinter Paywall: https://www.kn-online.de/schleswig-holstein/reaktionen-notkredite-verfassungswidrig-in-der-cdu-spricht-man-erstmals-von-demut-X5N5MI57LZCEJDN45E6IDPRTWI.html?utm_medium=Social&utm_source=Facebook&fbclid=IwY2xjawJsqA9leHRuA2FlbQIxMQABHm5VvIIVLIyAW-3Eu0YLlsJ_MuU6vvAmrR3T-9JxNomlAOY6ijGKE2BsZIo7_aem_pcNomtUK5opTqL8FtDR44A#Echobox=1744730009

Einige Aussagen lassen einen aber in Bezug auf unser Thema schmunzeln.

„Für ihre Überheblichkeit haben Landtag und Landesregierung jetzt die berechtigte Quittung erhalten“, sagt Aloys Altmann, Präsident beim Steuerzahlerbund. „Der politische Wille einer großen Mehrheit allein kann die Verfassung nicht aushebeln.“

Midyatli (SPD (Vorgängerregierung)) sagt „Alle Bürgerinnen und Bürger haben sich an Recht und Gesetz zu halten“, sagt sie an diesem Dienstag. „Das hat die Günther-Regierung nicht getan.“

"Praktische Auswirkungen auf den abgeschlossenen Haushalt sehe man allerdings nicht."

Also alles in allem, Verfassung gebrochen, aber egal, hat ja Geld gespart.

Hier nachlesbar
https://archive.is/TUQUq

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7442 am: 17.04.2025 00:37 »
Also tut mir leid, Rn. 87ff sind mehr als fragwürdig.

Das VG Karlsruhe hat offenbar nichts gegen willkürliche Ämterhebungen einzuwenden, während der VGH Hessen 2021 zu diesem Aspekt noch feststellte. "Soweit das beklagte Land anmerkt, es könne die niedrigsten Besoldungsgruppen oder die ersten Erfahrungsstufen streichen oder den internen Anstieg innerhalb einer Besoldungsstufe relativieren, ist nicht ersichtlich, wie damit die Verfassungswidrigkeit behoben werden kann."

Ein paar hingerotzte Zeilen zur neuerdings erforderlichen Serviceorientierung im gD und zur Digitalisierung reichen um sich Luft zum Grundsicherungsniveau zu verschaffen.

Ich bin wie Du nicht der Ansicht, dass die Kammer mit ihrer Argumentation sachlich hinreichend vorgeht, emdy - allerdings ist das, was sie ab der Rn. 87 ausführt, innerhalb des von ihr zugrunde gelegten Rahmens sachlogisch fehlerfrei hergeleitet und so innerhalb dieses Rahmens schlüssig und kann also innerhalb des Rahmens nicht zurückgewiesen werden. Die Argumentation kann also nur widerlegt werden, indem man den Rahmen als sachlich nicht schlüssig nachweist, und zwar als evident sachwidrig. Dabei muss man verstehen, wie die Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgehen kann und ggf. - nämlich wenn sie den Rahmen so setzt, wie ihn die Kammer setzt - dann auch vorgehen muss. Schauen wir uns also mal an, was sie ab der Rn. 87 nachvollzieht:

1. Die Kammer legt auch hier zugrunde, dass sachlich all das, was nicht evident sachwidrig ist, dem Gesetzgeber gestattet ist. Diese Grundannahme ist sachgerecht, denn das Bundesverfassungsgericht führt in ständiger Rechtsprechung in der aktuellen Entscheidung in der Rn. 27 aus (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html; Hervorhebung durch mich):

"Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat (vgl. BVerfGE 103, 310 <320>; 117, 330 <353>; 121, 241 <261>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 95>; 140, 240 <279 Rn. 75>). Dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers entspricht vielmehr eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung (vgl. BVerfGE 65, 141 <148 f.>; 103, 310 <319 f.>; 110, 353 <364 f.>; 117, 330 <353>; 130, 263 <294 f.>; 139, 64 <113 Rn. 96>; 140, 240 <279 Rn. 75>). Im Ergebnis beschränkt sich die materielle Kontrolle dabei auf die Frage, ob die Bezüge der Richter und Staatsanwälte evident unzureichend sind. Ob dies der Fall ist, muss anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden (vgl. BVerfGE 44, 249 <263, 267 f.>; 114, 258 <288 f.>; 130, 263 <295>; 139, 64 <113 Rn. 96>; 140, 240 <279 Rn. 75>)."

Es ist also zunächst einmal nicht zu kritisieren, wenn die Kammer in der Rn. 86 die Frage stellt, ob es dem Gesetzgeber gestattet gewesen sei, die unterste Stufe 1 der Besoldungsgruppe A 7 als seit dem 1.12.2022 als Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung zu wählen (um zu verstehen, was ich sage, ist es zwingend notwendig, die Zusammenfassung der Argumentation der Kammer an deren Entscheidungsbegründung nachzuvollziehen, sie hier also parallel zu lesen: https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/NJRE001605779). Denn alles andere verbleibt auf der Ebene der Moralkritik, ist also hier in der Prüfung der Argumentation juristisch gegenstandlos.

Wie beantwortet die Kammer diese Frage?

2. Sie folgt zunächst der Argumentation des Klägers (bzw. seines Prozessvertreters), dass der Gesetzgeber eine Ämterneubewertung vornehmen könne, selbst wenn sich die Amtsinhalte nicht verändert hätten (Rn. 87). Weder diese Ansicht des Klägers noch die Konsequenz des Gerichts, sie zur Grundlage der Argumentation zu machen, wären sachwidrig, sind also für sich genommen zunächst einmal nicht zu kritisieren.

3. Die Kammer prüft daraufhin - das führt sie in der Rn. 87 weiterhin aus -, ob die Gesetzesbegründung die Ämterhebung hinreichend begründet habe. Hinreichend bedeutet, dass die Gesetzesbegründung nicht evident sachwidrig ist, was bedeutet, das sie, wenn sie ggf. gerade noch einen sachlichen Grund liefert, von der Gerichtsbarkeit als solche anzuerkennen ist, eben als nicht evident sachwidrig.

4. Die Kammer hebt im Anschluss in der Rn. 88 hervor, dass die Gesetzesbegründung die Ämterneubewertung und Ämterhebung nicht allein zur Herstellung einer nach ihrer Vorstellung amtsangemessenen Alimentation vollziehe - die Kammer sagt dabei nicht, dass eine alleinige Begründung zur Herstellung einer amtsangemessenen Alimentation als ggf. evident sachwidrig zurückgewiesen werden könne, da der alleinige Zweck besoldungsrechtlicher Maßnahmen, Haushaltsmittel einzusparen, nicht als sachlicher Grund hinreicht, also ggf. evident sachwidrig sein könnte, führt dies aber hier implizit ins Feld -, sondern dass die Ämterneubewertung und Ämterhebung ein eigenständiges gesetzgeberisches Vorgehen sei. Ein solches eigenständiges gesetzgeberisches Vorgehen ist, sofern es begründet ist, nicht evident sachwidrig.

5. Die Kammer hebt also hervor, dass hier ggf. zwei Zwecke vorliegen, nämlich erstens, eigenständig eine Ämterneubewertung und Ämterhebung zu vollziehen, und zweitens, das gleichfalls zu nutzen, um Haushaltsmittel einzusparen (Rn. 88 f.).

6. Sie prüft also nun nachfolgend, ob der erste Zweck einer eigenständigen Ämterneubewertung und Ämterhebung tatsächlich begründet ist, was der Fall ist, sofern das willkürfrei geschehe, was bedeutet, dass es nicht evident sei, dass ein sachlicher Grund nicht gegeben sei (Rn. 89).

7. Sofern also die Begründung zur eigenständigen Ämterneubewertung und Ämterhebung im Sinne der gerade hervorgehobenen Nr. 1 nicht evident sachwidrig ist, ist sie in der Logik der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung als sachlicher Grund anzuerkennen.

8. Die Kammer referiert daraufhin in einem längeren Zitat die Gesetzesbegründung für die eigenständige Ämterneubewertung und Ämterhebung, die die Ämterneubewertung und Ämterhebung verschiedener Ämter - nicht nur des niedrigsten, sondern durchaus verschiedene Ämter unterschiedlicher Laufbahnen - vorsieht und dabei also jeweils darlegt, wieso das geschehen solle (Rn. 90 ff.).

9. Sie kommt in diesem Rahmen zu dem Schluss, dass die vom Gesetzgeber gegebene Begründung zur Ämterneubewertung und Ämterhebung willkürfrei und deshalb nicht als evident sachwidrig zu betrachten sei (Rn. 95). Denn offensichtlich werden in der zitierten Gesetzesbegründung zweifelsfrei sachliche Gründe für die jeweilige Ämterneubewertung und Ämterhebung geliefert, sodass sie an derselben Stelle ausführt (Hervorhebungen durch mich):

"Die Kammer erachtet diese Begründung für ausreichend und tragfähig oder – anders gewendet – nicht als evident sachwidrig."

10. Damit aber hat der Besoldungsgesetzgeber die verschiedenen Ämterneubewertungen und Ämterhebungen sachgerecht vollzogen, sodass innerhalb des von der Kammer angestellten Argumentationsrahmens nichts dagegen spricht, auch die Ämterneubewertung und Ämterhebung in der untersten Besoldungsgruppe zu vollziehen, weshalb die Kammer nicht weiter prüft, ob die mit der nicht evident sachwidrig und damit sachgerecht erfolgten Ämterneubewertung und Ämteranhebung der untersten Besoldungsgruppe vorgenommene Einsparung von Haushaltsmitteln sachgerecht - also nicht evident sachwidrig - erfolgt oder nicht, da ja die Ausgangsthese des Klägers war, dass die Ämterhebungen in der untersten Besoldungsgruppe nicht hinreichend begründet worden sei (Rn. 87).

11. Die Kammer hat also nun gezeigt, dass die Ausgangsthese des Klägers, die Ämterhebung in der untersten Besoldungsgruppe sei nicht hinreichend begründet, sich im Rahmen der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht erhärten lässt, da die vom Gesetzgeber gegebene Begründung zur Ämterneubewertung und Ämterhebung in der untersten Besoldungsgruppe sich als nicht evident sachwidrig erhärten lässt, was sie davon enthebt, die zweite These des Klägers noch zu prüfen, nämlich dass es vom Gesetzgeber nicht sachlich gerechtfertig worden sei, durch die Ämterneubewertung und Ämterhebung in der untersten Besoldungsgruppe Haushaltsmittel einzusparen.

12. Damit hat die Kammer dem Untersuchungsgrundsatz Genüge getan, nämlich willkürfrei dargelegt, dass man der Gesetzesbegründung sachlich folgen kann, dass sie also an dieser Stelle nicht evident sachwidrig erfolgt, sodass sich die Argumentation des Klägers bereits an ihrem Ausgangspunkt nicht hinreichend erhärten lässt, weshalb sie nach der Auffassung des Gerichts nicht weiter betrachtet werden muss.

Innerhalb des von der Kammer gewählten Rahmens ist also das, was die Kammer in den genannten Passagen macht, nicht hinreichend zu kritisieren, sondern am Maßstab evidenter Sachwidrigkeit gemessen schlüssig.

Im Ergebnis muss also die Argumentation der Klage einen anderen Rahmen wählen, um so den Nachweis zu führen, dass die ggf. hinreichend begründete Ämterneubewertung und Ämterhebung nicht zu einem sachgerechten Ergebnis im Rahmen der Prüfung des Mindestabstandsgebots führt. Hierzu habe ich vorhin schon darauf verwiesen, dass der in der untersten Besoldungsgruppe eingruppierten Musterbeamten ausschließlich im Dezember 2022 in der ersten Erfahrungsstufe des Besoldungsgruppe A 7 besoldet worden ist. Denn mit diesem Datum erfolgte die Ämterneubewertung und Ämterhebung. Allerdings setzt die Gesetzesbegründung die Besoldungsgruppe A 7 für das gesamte Jahr 2022 als unterste Besoldungsgruppe fest und legt also eine monatliche Grundbesoldung von 2.769,20 € über das gesamte Jahr 2022 an, die hier tatsächlich aber erst ab dem Dezember 2022 gewährt worden war (vgl. LT-Drs. 17/3274, S. 75; https://www.landtag-bw.de/resource/blob/259396/2b7ebab6536bc8f35cb4360555fd78a4/17_3274_D.pdf).

Tatsächlich ist also dem Musterbeamten ausschließlich im Dezember 2022 eine Grundbesoldung in Höhe von 2.769,20 € gewährt worden, die die Gesetzesbegründung an der genannten Stelle ins Feld führt. Vom 01.01.2022 bis zum 30.11.2022 ist hingegen in der ersten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 7 nur ein Grundgehalt von 2.550,09 € gewährt worden (vgl. https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bw?id=beamte-bawue-2021&matrix=1). Entsprechend ist hier über die zwölf Monate ein durchschnittliches Grundgehalt von

[(11 x 2.550,09 € + 1 x 2.769,20 €) : 12]

gewährt worden, was zu einem tatsächlich gewährten monatlichen Grundgehalt von 2.568,35 € führt. Das tatsächliche monatliche Grundgehalt für das Jahr 2022 ist also in der ersten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 7 mit 200,85 € pro Monat geringer heranzuziehen, als das die Gesetzesbegründung evident sachwidrig voraussetzt. Damit aber dürfte - das habe ich auf die Schnelle heute abend noch nicht berechnet - die gewährte Nettoalimentation nicht die Mindestalimentation übersteigen, sodass sich hier das Mindestabstandsgebot als verletzt darstellt (unabhängig davon, was ich bereits in den letzten Tagen zur offensichtlich evident sachwidrigen Bemessung des Grundsicherungsniveaus ausgeführt habe). Nicht umsonst liegt die mit dem sachwidrig bemessenen Grundgehalt herangezogene Nettoalimentation von 3.407,57 € nur um 56.68 € über dem - hinsichtlich der Wohnkosten evident unzureichend bemessenen - 115 %igen Grundsicherungsniveau von 3350,89 € (vgl. in der LT-Drs. 17/3274, S. 75).

Darüber hinaus weist die Besoldungstabelle bis zum 30.11.2022 die Besoldungsgruppe A 5 als die unterste aus (es müsste noch einmal geprüft werden, ob diese zwischen dem 01.01. bis 30.11.2022 die unterste für aktive Beamte dargestellt hat; ich setze das hier jetzt ungeprüft voraus). Ihr ist bis Ende November ein Grundgehalt von 2.401,51 € gewährt worden, was unter Heranziehung der oben genannten Daten zu einem durchschnittlichen monatlichen Besoldungsniveau in Höhe von 2.432,15 € führt, das 337,05 € unterhalb des monatlichen Betrags liegt, den die Gesetzesbegründung evident sachwidrig als Vergleichsgegenstand zur Mindestalimentation heranzieht. Dieser Betrag führte allerdings zu einem noch einmal signifikant größeren Fehlbetrag in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots, was mittels der Mindestbesoldung anhand bspw. der Methodik des Grundgehaltsäquivalenz in die Betrachtung der ersten Prüfungsstufe einzustellen wäre.

Auch hier zeigt sich also der evident unzureichende Betrag der dem untersten Beamten gewährten Nettoalimentation. Die Klagebegündung müsste nun die Ausstrahlungswirkung von der Besoldunfsordnung A auf die Besoldungsordnung R konkret herausarbeiten. Das wird folglich die Aufgabe für das Berufungsverfahrens sein. Damit dürfte sich die notwendige Evidenz in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots herstellen lassen.

VierBundeslaender

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7443 am: 17.04.2025 10:08 »
allerdings ist das, was sie ab der Rn. 87 ausführt, innerhalb des von ihr zugrunde gelegten Rahmens sachlogisch fehlerfrei hergeleitet und so innerhalb dieses Rahmens schlüssig und kann also innerhalb des Rahmens nicht zurückgewiesen werden... Damit dürfte sich die notwendige Evidenz in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots herstellen lassen.
Es gibt einen Punkt, den ich bei einer Diskussion von Juristen gesehen habe, leider weiß ich nicht mehr wo. Da hieß es sinngemäß: der Abstand von 115% von der niedrigsten Besoldungsgruppe zum Bürgergeld ist "gegriffen". Jetzt entfernt der Gesetzgeber einfach die untersten Besoldungsgruppen (nicht evident "sachwidrig") und meint, damit das Problem zum Abstand gelöst zu haben.

Dem ist aber deshalb nicht so, weil die gegriffene Zahl von 115% sich auf den Abstand zu "ungelernter Arbeit" bezog. Man sah die unterste Besoldungsgruppe als Personen an, die unmittelbar vom Bürgergeld in die Beamtentätigkeit einsteigen können, ohne eine umfangreiche Ausbildung machen zu müssen. In der Gesetzesbegründung ist nun davon die Rede, dass man die unteren Gruppe einstampft, weil es diese ungelernte Arbeit so nicht mehr gibt. Ich könnte mir vorstellen, dass das Gericht (BVerfG!) dann sagt "dann muss aber der Abstand höher als 115% sein". Eventuell kann man in diese Richtung argumentieren.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7444 am: 17.04.2025 11:05 »
allerdings ist das, was sie ab der Rn. 87 ausführt, innerhalb des von ihr zugrunde gelegten Rahmens sachlogisch fehlerfrei hergeleitet und so innerhalb dieses Rahmens schlüssig und kann also innerhalb des Rahmens nicht zurückgewiesen werden... Damit dürfte sich die notwendige Evidenz in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots herstellen lassen.
Es gibt einen Punkt, den ich bei einer Diskussion von Juristen gesehen habe, leider weiß ich nicht mehr wo. Da hieß es sinngemäß: der Abstand von 115% von der niedrigsten Besoldungsgruppe zum Bürgergeld ist "gegriffen". Jetzt entfernt der Gesetzgeber einfach die untersten Besoldungsgruppen (nicht evident "sachwidrig") und meint, damit das Problem zum Abstand gelöst zu haben.

Dem ist aber deshalb nicht so, weil die gegriffene Zahl von 115% sich auf den Abstand zu "ungelernter Arbeit" bezog. Man sah die unterste Besoldungsgruppe als Personen an, die unmittelbar vom Bürgergeld in die Beamtentätigkeit einsteigen können, ohne eine umfangreiche Ausbildung machen zu müssen. In der Gesetzesbegründung ist nun davon die Rede, dass man die unteren Gruppe einstampft, weil es diese ungelernte Arbeit so nicht mehr gibt. Ich könnte mir vorstellen, dass das Gericht (BVerfG!) dann sagt "dann muss aber der Abstand höher als 115% sein". Eventuell kann man in diese Richtung argumentieren.

Ich denke, dass man diese sachlogisch schlüssige Position mit weiteren Argumenten stützen kann. Das Problem ist derzeit, dass der 15 %ige Abstand zum Grundsicherungsniveau eine komplexe Entstehungsgeschichte hat, nämlich zunächst in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum alimentationsrechtlichen Mehrbedarf ab Ende der 1970er Jahre seinen Ursprung gefunden hat, ohne hier zunächst überhaupt eine weitgehendere Konkretisierung zu finden, hier dann in den 1990er Jahren verfestigt und so für dieses Rechtsgebiet weiter konkretisiert worden ist, um in den 2000er Jahren seinen Weg als ggf. Möglichkeit zur Kontrolle einer amtsangemessenen Alimentation in die Alimentationsrechtsprechung des Senats gefunden zu haben, jedoch zunächst auch hier erst einmal wenig konkret, um 2015 als ein notwendiger Abstand zum Grundsicherungsniveau betrachtet und 2020 als ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums formuliert worden zu sein, der die Grenze zur Unteralimentation definiert.

Bis hierhin, aber bislang nicht weiter ist dieser Grundsatz heute in der Alimentationsrechtsprechung des Senats konkretisiert worden. Es fehlt also ggf. - sofern das weiter konkretisierend als bislang möglich und aus Sicht des Senats auch notwendig wäre - an einer hinlänglichen Fortführung des weiteren Vergleichsgegenstands, der bislang nur als die jeweilig niedrigste Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe betrachtet worden ist, wobei sachlich weiterhin beachtlich bleibt, dass es einen qualitativen Unterschied zwischen der Bemessung der amtsangemessenen Alimentation und der staatlichen Grundsicherung gibt, was die weitere Konkretisierung ggf. komplex macht, hierin (in der Qualität des Unterschieds) ggf. auch die Grenze der Konkretisierung findet, zumindest was die Alimentationsrechtsprechung anbelangt. Denn hinsichtlich des alimentationsrechtlichen Mehrbedarfs ab dem dritten Kind ist die verfassungsrechtliche Lage eine deutlich einfachere, weil hier ja Menschen betrachtet werden, die in weiten Teilen durch das Verbot von Kinderarbeit nicht freiwillig und so also ggf. auch nicht selbstbestimmt als Grundsicherungsempfänger der staatlichen Unterstützung unterfallen, was hinsichtlich volljähriger Grundsicherungsempfänger in der Regel oder als ein maßgeblicher Regelfall anders zu betrachten ist oder ggf. betrachtet werden kann oder muss - und mit den beiden volljährigen und nicht berufstätigen Eltern liegt hier also ein augenscheinlich verfassungsrechtlich komplexerer Fall vor, den es zu betrachten gilt. Diese Auslotung des Verfassungsrechts in seinem Verhältnis zum noch einmal qualitativ anderen Fall des Berufsbeamtentums könnte ggf. nicht völlig unkomplex sein, so gilt es hier zumindest zu vermuten.

Der bislang ausformulierte Vergleichsgegenstand der untersten Besoldungsgruppe sah in den 17 Rechtskreisen im Herbst 2020 Besoldungsgruppen zwischen A 2 (3 x), A 3 (2 x), A 4 (6 x), A 5 (4 x) und A 6 (2 x) vor und stellt sich heute wie folgt dar: A 2 (0 x), A 3 (2x), A 4 (4 x), A 5 (7 x), A 6 (3 x) und A 7 (1 x). Da es kein besoldungsrechtliches Homogenitätsprinzip gibt und die Höhe der Besoldung in der jeweilig untersten Besoldungsgruppe zwischen den Rechtskreisen, die dieselbe Besoldungsgruppe als unterste festgelegt haben, divergiert, ist auch hier weiterhin unklar, wie nun eigentlich die Funktion der Grenze zur Unteralimentation konkret zu betrachten ist. Es dürfte am Bundesverfassungsgericht liegen, hier für mehr Klarheit zu sorgen - was ggf. einer der nicht wenigen Gründe ist, wieso es mit dem Fällen weiterer Entscheidungen seit 2020 weiterhin sein Bewenden hat. Denn eine entsprechende Konkretisierung greift ggf. in einem weitgehenden Maße in den weiten Entscheidungsspielraum ein, über den auch der Besoldungsgesetzgeber weiterhin verfügt, und ist wie oben angedeutet ggf. verfassungsrechtlich nicht ganz trivial oder ggf. auch gar nicht so weitgehend möglich, wie sich das nicht wenige von uns hier sicherlich wünschen würden.

BVerfGBeliever

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« Antwort #7445 am: 17.04.2025 14:21 »
Danke, Swen. Dein Beitrag benennt nochmals eindrücklich das Hauptproblem, wie es sich in meinen Augen zurzeit aus "praktischer" Sicht darstellt:

- Bislang haben wir leider erst ein einziges "hartes" Kriterium aus Karlsruhe (und selbst das ja erst seit kurzem, wie von dir beschrieben): Ein verheirateter Beamter mit zwei Kindern muss mindestens 15% mehr als ein entsprechender Grundsicherungsempfänger bekommen.
- Alle anderen Anforderungen des BVerfG an eine amtsangemessene Besoldung sind zwar vorhanden und bekannt, werden jedoch von den Gesetzgebern mit voller Absicht ignoriert, weil sie anscheinend nicht "konkret" bzw. "hart" genug sind.

Denn wie haben die Gesetzgeber seit Einführung bzw. Konkretisierung des 15%-Kriteriums reagiert?

- Es werden sachwidrige Berechnungen durchgeführt (Heizkosten, etc.), um den Grundsicherungsbedarf künstlich kleiner aussehen zu lassen, als er ist.
- Es werden willkürlich untere Besoldungsgruppen gestrichen, obwohl sich in der Tat die Frage stellt, ob der Abstand zur Grundsicherung dann nicht entsprechend größer als 15% sein müsste.
- Es werden "virtuelle" Partnereinkommen hinzugezogen, um vermeintlich den Abstand zur Grundsicherung zu erreichen.
- Es werden willkürlich Familienzuschläge erhöht, mit dem einzigen Ziel, die unterste 4K-Beamtenfamilie künstlich über das 15%-Kriterium zu heben. Teilweise geschieht dies zusätzlich in Abhängigkeit des Wohnortes, um noch passgenauer auf dem Papier den 15%-Abstand einzuhalten.
- Konkretes Beispiel Baden-Württemberg: Bis einschließlich November 2022 (und vor der nachträglichen Anpassung) lagen die Familienzuschläge für eine vierköpfige Beamtenfamilie zunächst einheitlich bei gut 400 Euro, unabhängig von der Besoldungsgruppe. Ab Dezember 2022 wurden sie für einen A7-Beamten per Handstreich auf über 800 Euro angehoben, während es bei A12/A13/A14-Beamten entweder gar keine oder nur eine sehr geringe Erhöhung der Zuschläge gab. Aus meiner Sicht wurde damit das vorher austarierte Verhältnis sowohl zwischen einem kinderlosen A7 und einem mit zwei Kindern als auch zwischen einem A7 und A12 mit jeweils zwei Kindern nachhaltig zerstört. Sämtliche althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Ämterwertigkeit, Binnenabstandsgebot, Leistungsprinzip, etc.) wurden offensichtlich und signifikant mit Füßen getreten.

Somit bleibt wirklich nur zu hoffen, dass wir zum einen irgendwann mehr entsprechende "harte" Leitplanken seitens des BVerfG bekommen und zum anderen keine weiteren "skandalösen" Urteile wie das des VG Karlsruhe lesen müssen..

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7446 am: 18.04.2025 08:48 »
Leider hinter Paywall: https://www.kn-online.de/schleswig-holstein/reaktionen-notkredite-verfassungswidrig-in-der-cdu-spricht-man-erstmals-von-demut-X5N5MI57LZCEJDN45E6IDPRTWI.html?utm_medium=Social&utm_source=Facebook&fbclid=IwY2xjawJsqA9leHRuA2FlbQIxMQABHm5VvIIVLIyAW-3Eu0YLlsJ_MuU6vvAmrR3T-9JxNomlAOY6ijGKE2BsZIo7_aem_pcNomtUK5opTqL8FtDR44A#Echobox=1744730009

Einige Aussagen lassen einen aber in Bezug auf unser Thema schmunzeln.

„Für ihre Überheblichkeit haben Landtag und Landesregierung jetzt die berechtigte Quittung erhalten“, sagt Aloys Altmann, Präsident beim Steuerzahlerbund. „Der politische Wille einer großen Mehrheit allein kann die Verfassung nicht aushebeln.“

Midyatli (SPD (Vorgängerregierung)) sagt „Alle Bürgerinnen und Bürger haben sich an Recht und Gesetz zu halten“, sagt sie an diesem Dienstag. „Das hat die Günther-Regierung nicht getan.“

"Praktische Auswirkungen auf den abgeschlossenen Haushalt sehe man allerdings nicht."

Also alles in allem, Verfassung gebrochen, aber egal, hat ja Geld gespart.

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Der Beitrag zeigt auf engem Raum und an einem begrenzten Beispiel trefflich, wie Politik auch dann funktioniert - also durch Handeln oder Untätigsein -, wenn der weit überwiegende Teil der beteiligten Verantwortungsträger begründet davon ausgehen kann (und das auch wiederkehrend intern tut), dass das eigene Handeln oder Untätigsein verfassungswidrige Konsequenzen hat.

Die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts wird politisch ins Feld geführt werden können, wenn Karlsruhe über die anhängigen schleswig-holsteinischen Normenkontrollverfahren entschieden haben wird, insbesondere, weil es ja weiterhin nicht unwahrscheinlich sein dürfte, dass der Zweite Senat hier dann ein verfassungsrechtliches "Faustpfand" einbehalten wird. Die Regierung Günther II, die regelmäßig noch bis Frühjahr 2027 im Amt sein wird, kann dann bspw. vonseiten des dbb-sh daran erinnert werden, der diese Karte wiederkehrend in den Medien ziehen kann, dass mit der gezielt so geregelten und von allen im Landtag vertretenden Parteien also gewollten verfassungswidrigen Unteralimentation nicht zum ersten Mal der gezielte Verfassungsbruch betrieben worden ist, um nicht zuletzt an die Aussagen des Wissenschaftlichen Diensts des Landtags zu erinnern.

Zur Erinnerung: Es war der Schleswig-Holsteinische Landtag, der im Winter 2021/22 trotz eindeutiger und umfassend begründeter Kritik von vielfältigen Seiten als erster das Partnereinkommen zur Grundlage der Betrachtung des Mindestabstandsgebots gemacht und damit der Besoldungsgesetzgebung in der Bundesrepublik eine Richtung gegeben hat, die auch zukünftig noch für viele Probleme sorgen wird, nämlich insbesondere dann, wenn es um ihre Abwicklung gehen wird. Wen es interessiert, schaue sich hier noch einmal den Gesetzgebungsverlauf an unter dem Sichwort "Gesetz zur Gewährleistung eines ausreichenden Abstandes der Alimentation zur sozialen Grundsicherung und zur amtsangemessenen Alimentation von Beamtinnen und Beamten mit mehr als zwei Kindern": https://e-lissh.landtag.ltsh.de/portal/browse.tt.html

Der Wissenschaftlichen Dienst des Landtags hat sich entsprechend im Gesetzgebungsverfahren geäußert: https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/umdrucke/07200/umdruck-19-07271.pdf Vgl. hier bspw. nur die Ausführungen zur Betrachtung des Partneinkommens durch die gesetzliche Regelung ab der Seite 18, die deren verfassungswidrigen Gehalt in aller gebotenen Deutlichkeit benennen und also in dem Ergebnis münden (Seite 22 f.):

"Da somit die Gewährung einer ausreichenden Mindestalimentation im Sinne der verfassungsgerichtlichen Judikatur vorliegend nicht (ausnahmslos) gegeben ist, ist hier der vierte Parameter der ersten Prüfungsstufe erfüllt. Denn wie zuvor aufgezeigt [Fn. 79 Vgl. Darstellungen unter Ziffer 2.2.1.], liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Nichteinhaltung des Mindestabstandes zur Grundsicherung für Arbeitsuchende allein hierin eine Verletzung des Alimentationsprinzips. Eine Verletzung des Mindestabstandsgebots greift insofern auch auf das gesamte Besoldungsgefüge über, als sich der vom Besoldungsgesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Denn wenn sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts wegen Missachtung des Mindestabstandsgebots als verfassungswidrig erweist, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung in Frage gestellt. Insoweit gilt auch, dass, je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto eher damit zu rechnen ist, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können. Die Verletzung des Mindestabstandsgebots bei einer niedrigeren Besoldungsgruppe stellt insoweit ein Indiz für die unzureichende Ausgestaltung der höheren Besoldungsgruppe und damit eine Verletzung des (allgemeinen) Abstandsgebotes dar. [Fn. 80 BVerfGE 155, 1, 25 f. (Rn. 48 f.).]"

Auch das hat aber keine der damals im Landtag vertretenen Parteien dazu veranlasst, gegen den Entwurf zu stimmen, vgl. die Dokumentation der entsprechenden Landtagssitzung ab der Seite 10972 unter: https://www.landtag.ltsh.de/export/sites/ltsh/infothek/wahl19/plenum/plenprot/2022/19-145%5F03-22.pdf#page=58

Schleswig-Holstein, meerumschlungen, deutscher Sitte hohe Wacht!

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7447 am: 18.04.2025 09:29 »
Und PS.

Weil mir diese zwei Sätze aus der von mir verlinkten und wirklich lesenswerten Plenardebatte besonders gut gefallen haben (man kann die Debatte nur jedem ans Herz legen, der sich für das Thema interessiert), möchte ich sie hier zitieren, denn sie sind ein schönes Beispiel zur Begründung vorausschauender Politik, wie sie in unserem Thema regelmäßig betrieben wird:

"Jetzt mag der eine oder andere denken: Die lehnen sich hier heute ganz schön weit aus dem Fenster. - Ja, manchmal ist das eben nötig, um etwas weiter und besser sehen zu können."

Genauso ist es, je weiter man sich aus dem Fenster lehnt, desto wahrscheinlicher kommt man am Ende auf dem Boden der Tatsachen an, was offensichtlich ebenfalls eine gesetzliche Frage ist, nämlich eine Frage der Naturgesetze. Ob man dann vom Boden der Tatsachen aus immer noch weiter und besser wird sehen können, muss ggf. erst noch von Fall zu Fall geklärt werden. Und das dürfte dann auch eher kein juristisches Thema mehr sein und auch ggf. kein politisches, so ist zumindest zu vermuten.

Eines aber dürfte im Sinne des Zitates sicher sein: Je weiter man sich nun in die Höhe begibt, um nur immer mehr im Sinne des Zitats zu handeln, desto weiter und besser dürfte zunächst die Aussicht sein und am Ende auch das grundstürzende Ergebnis. Also handelt die bundesdeutsche Politik, was das Thema amtsangemessene Alimentation anbelangt, nur immer weiter getreu dem zitierten Motto und steigt so der Aussicht wegen in nur immer weitere Höhen. Ihr sind entsprechend gute Aussichten zu prognostizieren. Der darüber hinaus verbleibende Rest dürfte dann eine Frage der Kinetik sein.

VierBundeslaender

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7448 am: 18.04.2025 09:32 »
Danke an Swen für den Link zum Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, da steht ja klar und deutlich, dass es so nicht geht. Auch mit einem sehr guten Argument:
Zitat
Demnach dürfte es dem Gesetzgeber zwar unbenommen bleiben, Änderungen am tradierten Leitbild des alleinverdienenden Beamten vorzunehmen. Dies müsste dann aber im gesamten Besoldungssystem erfolgen; die Abkehr müsste sich insbesondere in der Gesamtbesoldung aller Beamtinnen und Beamten niederschlagen. Es  ist nicht konsistent und es erscheint insoweit auch problematisch, lediglich in einem Teilbereich des Gesamtsystems ausschließlich partiell von der grundlegenden Alleinverdienstannahme abzuweichen. Dies gilt hier insbesondere, da die Besoldung der unteren Besoldungsgruppen die Grundlage für das Gesamtbesoldungskonzept darstellt. Insofern scheint es nicht kongruent, wenn zwar auf der Grundlagenebene partiell von dem bislang herrschenden Grundgedanken einer Alleinverdienstannahme abgewichen wird, zugleich die sonstigen darauf aufbauenden Besoldungsstufen aber weiterhin unter Berücksichtigung ebendessen ausgestaltet bleiben.

Dem muss man nichts hinzufügen, oder? (Oder vielleicht das PS von Swen mit dem Fenster, schönes Bild.)

Es gab noch einen Punkt, den wir hier mal diskutiert hatten. Ab 2022 beginnt doch die 15jährige Rückschau des BVerfG problematisch zu werden, weil die "große" Gehaltsabsenkung meines Wissens etwa in den Jahren 2007/08 begann. Wenn man jetzt den Prüfmaßstab für die vergangenen 15 Jahre (also 2007-2022) anlegt, so misst man nur die abgesenkten Gehälter und stellt (überraschend?) fest: Die sind nicht so stark gesunken wie der Vergleichsmaßstäbe! Klar, weil man von ganz unten wieder startet und die Abstriche kurz vorher umgesetzt wurden.

Um das konsistent hinzubekommen, müsste entweder der 15jährige Vergleichszeitraum aufgegebenen werden oder aber man müsste in der Lage sein, auf die durch Urteile entstandenen Reparaturgesetze zu schauen. Ich will damit folgendes sagen. Wenn die Gehälter 2007/08/09... zu niedrig waren, kann man den 15jährigen Zeitraum schon  anwenden, müsste aber abwarten, bis der gerichtlich als verfassungsgemäß festgestellt wurde, müsste also die vom Gesetzgeber eventuell reparierten Gehaltstabellen zugrunde legen und schauen, ob man wie oben immer noch feststellt, dass gegenüber den Vergleichmaßstäben alles paletti ist. Das könnte dann doch überraschend werden.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7449 am: 18.04.2025 10:05 »
Genau zu dieser Problematik wird es alsbald einiges zu lesen geben, Vier - und ich gehe davon aus, dass das nicht ohne Wirkung bleiben kann. Hier kommt eine Problematik auf die Besoldungsgesetzgeber zu, die sie sich noch gar nicht vorstellen können - oder genauer: die sich sicherlich der eine oder andere, der Teil der Gesetzgebung ist, mag vorstellen können, ohne aber die Wucht des sachlichen Einschlags zu ermessen. Was daraus dann politisch gemacht werden wird, wird sich zeigen, so gilt es zumindest ob der Erfahrung in unserem Thema zu vermuten. Denn was daraus sachlich folgt, ist eindeutig und kann sachlich nicht wegdiskutiert werden.

HansGeorg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7450 am: 18.04.2025 11:12 »
Hier kommt eine Problematik auf die Besoldungsgesetzgeber zu, die sie sich noch gar nicht vorstellen können - oder genauer: die sich sicherlich der eine oder andere, der Teil der Gesetzgebung ist, mag vorstellen können, ohne aber die Wucht des sachlichen Einschlags zu ermessen.
Kannst du das bitte einmal für einen in dem Thema nicht so versierten erläutern was du damit meinst?

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7451 am: 18.04.2025 11:27 »
Hier kommt eine Problematik auf die Besoldungsgesetzgeber zu, die sie sich noch gar nicht vorstellen können - oder genauer: die sich sicherlich der eine oder andere, der Teil der Gesetzgebung ist, mag vorstellen können, ohne aber die Wucht des sachlichen Einschlags zu ermessen.
Kannst du das bitte einmal für einen in dem Thema nicht so versierten erläutern was du damit meinst?

Das kann ich leider heute noch nicht, HansGeorg - auch hier bedarf es noch ein wenig Geduld, die bis zumindest erst einmal, wenn ich nicht falsch informiert sein sollte, etwa Ende Mai währen sollte. Wie sich dann der Blick auf unser Thema entwickeln wird, wird sich zeigen, denke ich.

BVerfGBeliever

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7452 am: 18.04.2025 11:30 »
Ab 2022 beginnt doch die 15jährige Rückschau des BVerfG problematisch zu werden, weil die "große" Gehaltsabsenkung meines Wissens etwa in den Jahren 2007/08 begann. Wenn man jetzt den Prüfmaßstab für die vergangenen 15 Jahre (also 2007-2022) anlegt, so misst man nur die abgesenkten Gehälter und stellt (überraschend?) fest: Die sind nicht so stark gesunken wie der Vergleichsmaßstäbe! Klar, weil man von ganz unten wieder startet und die Abstriche kurz vorher umgesetzt wurden.

@Vier, deine genannte "Große Absenkung" (klingt fast wie "Great Depression" ;-) war einen Tick früher. Ich hatte mir das kürzlich mal für uns Bundesbeamte angeschaut:

- Zwischen April 2003 und März 2004 lag das Gehalt (inklusive Sonderzahlungen) eines A16/12 bei 69.253 Euro, siehe https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund/a/2003?id=beamte-bund-2003&g=A_16&s=12
- Zwischen Januar 2006 und Dezember 2007 bekam der gleiche A16/12 dann plötzlich nur noch 67.409 Euro, siehe https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund/a/2006?id=beamte-bund-2006&g=A_16&s=12



Der "kritische Zeitraum" war also insbesondere ungefähr zwischen 2004 und 2007. Berücksichtigt man zusätzlich die Inflation, betrug der Reallohnverlust damals mehr als sieben Prozent. Zwischen 2007 und 2020 ging es dann real wieder aufwärts. Hier die kompletten Zahlen (inklusive der Prognose für unsere aktuelle Besoldungsrunde bis 2027):


Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7453 am: 19.04.2025 00:30 »
Im Prinzip wäre das ganze Thema doch bei ca. 300-500 Euro netto pro Monat pro Nase komplett gegessen oder nicht? Um mehr geht es doch gar nicht?

Versuch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7454 am: 19.04.2025 07:24 »
Im Prinzip wäre das ganze Thema doch bei ca. 300-500 Euro netto pro Monat pro Nase komplett gegessen oder nicht? Um mehr geht es doch gar nicht?
Ist ne Menge Geld, oder?