Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3806228 times)

BVerfGBeliever

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7395 am: 14.04.2025 13:17 »
Hier geht es um die R-Besoldung, die mutmaßlich durchgängig oberhalb von A12 liegt

In dem von mir zitierten Satz ist explizit von einer 4K-Familie in der untersten Besoldungsgruppe die Rede.

Daraus resultiert ja meine große Verwunderung, weil die genannte Konstellation doch (eigentlich/hoffentlich) ein absoluter No-Brainer sein sollte..

Zerot

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7396 am: 14.04.2025 13:39 »
Kann man nur hoffen, dass der Kläger Berufung einlegen wird. Wichtig wird die genaue Ermittlung des Abstandsgebotes sein.


Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7397 am: 14.04.2025 13:42 »
https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/NJRE001605779

Als PDF
https://www.landesrecht-bw.de/jportal/recherche3doc/VG_Karlsruhe_12_K_4318-23_NJRE001605779.pdf?json=%7B%22format%22%3A%22pdf%22%2C%22docId%22%3A%22NJRE001605779%22%2C%22portalId%22%3A%22bsbw%22%7D&_=%2FVG_Karlsruhe_12_K_4318-23_NJRE001605779.pdf

Hier das ganze Urteil.
Es ist die Musterklage des DRB BW, daher wird sicherlich Berufung eingelegt.

Auf den ersten Blick merkt man einen deutlichen Unterschied zu den Urteilen in z.B. Hamburg. Dort wurden riesige Tabellen für die Urteile ausgerechnet. In Baden-Württemberg kehrt man lieber alles unter den Tisch.  ;)
Fast noch schlimmer als erwartet, nahezu alle Argumente des Klägers werden ignoriert. Da hilft nur noch die Einhegung.
« Last Edit: 14.04.2025 13:57 von Ozymandias »

Saggse

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7398 am: 14.04.2025 14:02 »
In dem von mir zitierten Satz ist explizit von einer 4K-Familie in der untersten Besoldungsgruppe die Rede.
Kann man so deuten, würde ich tatsächlich nach nochmaligem Lesen auch so deuten - aber es steht nicht nochmal explizit da. Unabhängig davon würde ich von einem Verwaltungsgericht tatsächlich kein anderes Urteil erwarten... Hier ging es offensichtlich drum, mit möglichst wenig Aufwand den Weg für die unausweichliche Berufung frei zu machen. :)

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7399 am: 14.04.2025 14:05 »


In dem von mir zitierten Satz ist explizit von einer 4K-Familie in der untersten Besoldungsgruppe die Rede.

Daraus resultiert ja meine große Verwunderung, weil die genannte Konstellation doch (eigentlich/hoffentlich) ein absoluter No-Brainer sein sollte..

Es geht in dem Urteil nur und ausschließlich um die R Besoldung und nicht die A Besoldung.

Unterste Besoldungsgruppe der Richter ist R 1  ;)

Der kleinste 4K Richter hat demnach immer mindestens 15 % mehr als die vergleichbare Bürgergeldfamilie.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7400 am: 14.04.2025 14:31 »
Hier was aus BW: Klage auf höhere Richterbesoldung in Baden-Württemberg für die Jahre 2012 bis 2022 hat keinen Erfolg

https://www.rechtundpolitik.com/justiz/vg-karlsruhe/klage-auf-hoehere-richterbesoldung-in-baden-wuerttemberg-fuer-die-jahre-2012-bis-2022-hat-keinen-erfolg/

"Ferner wahre die Besoldung der untersten Besoldungsgruppe im Falle einer vierköpfigen Alleinverdienerfamilie den gebotenen Abstand von 15 % zur Grundsicherung."

Wie kommt die Kammer zu dieser Aussage?

Ich dachte, @Swen und viele andere hätten in diversen Threads auf Tausenden von Seiten herausgearbeitet, dass insbesondere das genannte Mindestabstandsgebot seit vielen Jahren in ALLEN Besoldungsrechtskreisen signifikant verletzt ist, teilweise bis hoch zu den Besoldungsgruppen A10/A11/A12/etc.?

Zu diesem Fall hatte ich auf den letzten Seiten - Pars pro Toto - einiges gesagt. Ein Verwaltungsgericht prüft einen Fall auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen. Es geht dabei solange davon aus, dass die gesetzliche Regelung sachgerecht ist, solange es nicht zu dem Schluss gelangt, dass eine gesetzliche Regelung, die für die Entscheidung des Falls heranzuziehen ist, evident sachwidrig ist. Kommt das Verwaltungsgericht während der Prüfung  zu dem Schluss, dass eine für die Entscheidung des Falls heranzuziehende gesetzliche Regelung evident sachwidrig ist, setzt es das Verfahren aus und formuliert eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht. Kommt es - was der Regelfall ist - zu dem Schluss, dass alle notwendigerweise anzuwendenden gesetzlichen Regelungen angewendet werden können, entscheidet es über den Fall. Das tut es auch dann, wenn es davon ausgeht, dass eine gesetzliche Regelung, die zur Entscheidung des Falls heranzuziehen ist, mit 99,99 %iger Wahrscheinlichkeit sachwidrig ist - denn 99,99 % sind nicht 100 %, also stellen keine Evidenz dar.

Eine gesetzliche Regelung - insbesondere eine besoldungsrechtliche Regelung - beruht auf einer Gesetzesbegründung. Die Gesetzesbegründung zeigt regelmäßig, dass ein Gesetz sachgerecht ist; denn genau das ist ja die Aufgabe der Begründung, das Gesetz zu begründen. Kommt das Verwaltungsgericht auf Grundlage des Untersuchungsgrundsatzes zu dem Schluss, dass die Begründung der gesetzlichen Regelung ebenso wie die gesetzliche Regelung selbst evident sachwidrig sind, greift das, was ich im letzten Absatz geschrieben habe. Kommt es nicht zu diesem Ergebnis, entscheidet es über den Fall.

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe ist im Zuge der Untersuchung des Falls auf Grundlage der Gesetzesbegründung zu dem Ergebnis gekommen, dass das Mindestabstandsgebot nicht verletzt ist. Es ist dabei wiederkehrend der Gesetzesbegründung gefolgt, sodass es nicht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Bemessung des Grundsicherungsniveaus oder der gewährten Nettoalimentation evident unzureichend erfolgt wären, so wie das die Gesetzesbegründung dargelegt hat bzw. das der Beklagte ggf. im Laufe des Verfahrens ausgeführt hat (die Betrachtung des 15-%igen Abstands zum Grundsicherungsniveau ist erst seit 2015 Teil des "Pflichtenhefts" und erst seit 2020 als ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums betrachtet worden; auch deshalb betrachtet die Kammer hinsichtlich des Mindestabstandsgebots vor allem die Gesetzesbegründung für das letzte Jahr des Klageverfahrens, nämlich für das Jahr 2022).

Dabei dürfte es nun auch hier so sein, wie es nicht selten ist: Der Kläger wird nicht hinreichend substantiiert haben, dass das Mindestabstandsgebot evident sachwidrig missachtet worden ist. Dazu kann man im einzelnen - auf die Schnelle - die Sicht der Kammer betrachten (Entscheidung vom 18.03.2025 - 12 K 4318/23 -, https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/NJRE001605779, Rn. 60 ff.), was ich aus Zeitgründen nur an einem Beispiel tun möchte:

Die Kammer ist in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots u.a. zu dem Schluss gekommen, dass die Ermittlung der Wohnkosten für das Jahr 2022 in Höhe von 1.300,- € sachgerecht erfolgt ist (Rn. 63 ff.). Dabei hat sie es ebenfalls als sachgerecht angesehen, dass der Gesetzgeber für die Bemessung des Jahres 2022 offensichtlich die Werte des 95 %-Perzentils aus dem Jahr 2020 um 100,- € erhöht hat und so unter Heranziehung des 95 %-Perzentils der Kosten für Unterkunft und Heizung insgesamt den gerade genannten Betrag zugrunde gelegt hat.

Es wäre nun am Kläger gewesen, diese Ansicht als evident sachwidrig zu begründen, was offensichtlich nicht geschehen ist. Die Kammer ist so der Gesetzesbegründung gefolgt, was für alle Beteiligten - mit Ausnahme des Beklagten - ärgerlich ist. Denn - das brauche ich hier nicht ausführen, weil ich das hier schon vielfach auch mit tiefgehenderen Begründungen ausgeführt habe - sozialrechtlich sind die Kosten für den Mietzins von den weiteren Kosten unabhängig zu betrachten. Insofern darf das 95 %-Perzentil der Kosten für Unterkunft und Heizung insgesamt nicht herangezogen werden, was auch das Bundesverfassungsgericht eindeutig, aber nicht ganz einfach zu verstehen so formuliert hat. Der Kammer dürfte das augenscheinlich nicht bekannt sein, weshalb sie nun der Gesetzesbegründung folgt, die nicht vom Kläger hinreichend - also evident - erschüttert worden ist.

Tatsächlich sieht sich ein Gericht in der Prüfung regelmäßig veranlasst, zunächst einmal die kalten Unterkunftskosten anhand des 95 %-Perzentils der laufenden Unterkunftskosten sowie des 95-Perzentils der laufenden Betriebskosten zu bemessen, die 2022 in Baden-Württemberg 970,- € und 300,- € betragen haben. Entsprechend ist von kalten Unterkunftskosten von 1.270,- € auszugehen.

Darüber hinaus sind nun unabhängig von den kalten Unterkunftskosten die Heizkosten zu bemessen, und zwar im Jahr 2022 anhand des aktuellen Heizspiegels mit den Kosten des Vorjahrs, also hier anhand dieses Links (https://www.heizspiegel.de/fileadmin/hs/heizspiegel-2022/heizspiegel-2022.pdf), der auf der Seite 4 Kosten pro qm von 25,91 € angibt. Damit finden wir bei einer in BW zugrundzulegenden 90 qm großen Wohnung jährliche Heizkosten von 2.331,90 €, also monatliche Heizkosten von 194,33 €, sodass von warmen Unterkunfstkosten in Höhe von 1.464,33 € und nicht 1.300,- als realitätsgerecht auszugehen sein muss.

Dabei hat ein Verwaltungsgericht zu beachten - denn es st an die betreffende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden -, dass die von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden Aufwendungen zur Sicherung des Existenzminimums vom Steuergesetzgeber nach dem tatsächlichen Bedarf realitätsgerecht zu bemessen sind und also Sorge zu tragen ist, dass typisierende Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken (BVerfGE 120, 125 <155>). Dabei steht es dem Besoldungsgesetzgeber zwar frei, die Höhe des Grundsicherungsniveaus mit Hilfe einer anderen plausiblen und realitätsgerechten Methodik als der vom Bundesverfassungsgericht herangezogenen zu bestimmen. Ihn trifft jedoch die Pflicht, die ihm zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich der Höhe der Grundsicherungsleistungen auszuschöpfen, um die Entwicklung der Lebensverhältnisse zu beobachten und die Höhe der Besoldung an diese Entwicklung kontinuierlich im gebotenen Umfang anzupassen. (BVerfGE 155, 1 <28 Rn. 53>) Seine Herangehensweise muss deshalb von dem Ziel bestimmt sein, sicherzustellen, dass die Nettoalimentation in möglichst allen Fällen den gebotenen Mindestabstand zu dem den Empfängern der sozialen Grundsicherung gewährleisteten Lebensstandard wahrt (BVerfGE 155, 1 <26 f. Rn. 52>).

Zugleich hätte die Kammer m.E. zu beachten gehabt, dass zugrunde gelegte Sozialleistungen dann als evident unzureichend zu betrachten sind, wenn offensichtlich würde, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist, weshalb es auf die Höhe der Leistungen insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente ankommt, die dazu dienen, diese Höhe zu bestimmen (BVerfGE 137, 34 <75 Rn. 81>).

Auch das dürfte der Kammer nicht bekannt gewesen sein, denn ansonsten hätte sie nicht dem Gesetzgeber folgen dürfen und warme Unterkunfstkosten von 1.300,- als sachgerecht betrachten können, da die Differenz zu einer realitätsgrecht bemessenen Höhe von 1.464,33 € so hoch ist, als dass noch davon ausgegangen werden könnte, dass die Gesamtsumme für die Unterkunft insgesamt von 1.300,- € am Ende zu einem Grundsicherungsniveau führen könnte, sicherstellte, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist. Denn die warmen Unterkunftskosten werden um 11,2 % zu gering bemessen, sodass sie nicht als realitätsgerecht bemessen angesehen werden könnten, da die Gesamtsumme des so bemessenen Grundsicherungniveaus am Ende substantiell zu gering ist, als dass sie ein hinreichend menschenwürdiges Leben ermöglichte.

All das vorzubringen wäre nun aber Aufgabe des Klägers gewesen, da er sich - wie ich auf vorherigen Seiten ausführe - nicht darauf verlassen kann, dass die Kammer das, was ich hier schreibe, tatsächlich weiß. Man sollte voraussetzen, dass sie das weiß - aber offensichtlich wusste sie es nicht, weshalb sie keine Veranlassung gesehen hat, hier nicht der Gesetzesbegründung zu folgen. Entsprechend hat die Kammer in der Rn. 66 ausgeführt (Hervorhebung durch ST:):

"In diesem Zusammenhang erscheint es entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht als evident sachwidrig, dass der Landesgesetzgeber sich dazu entschieden hat, auf das '95%-Perzentil: Kosten für Unterkunft und Heizung insgesamt' zurückzugreifen und nicht auf eine andere Metrik mit weiterer Bezugnahme auf den bundesweiten Heizkostenspiegel (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 - juris, Rn. 62, zum Rückgriff auf den bundesweiten Heizspiegel für die Entnahme entsprechender Richtwerte). Der Kläger legt nicht näher dar, weshalb die gewählte Metrik den Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht realitätsgerecht abbildet."

Der langen Rede kurzer Sinn (ich könnte hier jetzt noch weiterschreiben, habe dafür aber derzeit wenig Zeit): Ich warne regelmäßig davor, zu glauben, besoldungsrechtliche Klagen seien easy going und wegen des Untersuchungsgrundsatzes sowieso schon von allein entschieden. Das sind sie eben nicht, wie das vorliegende Beispiel zeigt. Wer sichergehen will, dass seine Klage Erfolg haben wird, sieht den steinigen Weg der Substantiierung vor sich, deshalb habe ich vor ein paar Tagen hier geschrieben, dass es regelmäßig immer nur um eines geht: Begründen, Begründen, Begründen.
« Last Edit: 14.04.2025 14:40 von SwenTanortsch »

BVerfGBeliever

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7401 am: 14.04.2025 15:23 »
Aus meiner Sicht verbirgt sich einer der Knackpunkte des Urteils in Randnummer 105:
„Der vom Besoldungsgesetzgeber beschrittene Weg, die von ihm identifizierten Fehlbeträge der Mindestnettoalimentation in der untersten Besoldungsgruppe und Erfahrungsstufe im Vergleich zur Grundsicherung für die Prüfjahre 2014 bis November 2022 nach Maßgabe des Art. 34 BVAnp-ÄG 2022 durch entsprechende Nachzahlungen in den betroffenen Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen auszugleichen sowie für die Zeit ab 1. Dezember 2022 die amtsangemessene Alimentation durch die Erhöhung des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlags durch entsprechende Pauschalbeträge für das erste zu berücksichtigende Kind und bestimmte Besoldungsgruppen sowie für das zweite zu berücksichtigende Kind um nach Besoldungsgruppe und Erfahrungsstufe gestaffelte Monatsbeträge herzustellen, ist nicht evident sachwidrig.“

Nach meinem Verständnis hat der baden-württembergische Gesetzgeber im Dezember 2022 per Handstreich die Besoldungsgruppen A5 und A6 gestrichen. Außerdem hat er eine willkürliche Zuschlagsorgie gefeiert, um vorgeblich das Mindestabstandsgebot einzuhalten:
- Im November 2022 bekam der kleinste verheiratete Beamte (A5) mit zwei Kindern ursprünglich ein Grundgehalt (inklusive Strukturzulage) von 2.424,86 €. Außerdem bekam er für seine Frau und die zwei Kinder zusätzlich 424,59 €, also einen Zuschlag von 17,51%.
- Ab Dezember 2022 wurde er ohne sein Zutun plötzlich nach A7 "gesteckt", so dass sein neues Grundgehalt (inklusive Besoldungserhöhung) bei 2.769,20 € lag. Außerdem bekam er für seine Frau und die zwei Kinder zusätzlich 936,48 €, also einen Zuschlag von 33,82%.

In meinen Augen war dieses Vorgehen prinzipiell verfassungswidrig (Stichwörter Binnenabstandsgebot, Leistungsprinzip, Ämterwertigkeit, usw.). Des Weiteren hat Swen anhand vieler Punkte dargelegt, dass selbst die per Zuschlagsorgie "künstlich" und sachwidrig erhöhte neue A7-Besoldung trotzdem weiterhin evident das Mindestabstandsgebot verletzt.


Somit bedarf es vermutlich eines "Zweiklangs":
1.) Zum einen brauchen wir eine Entscheidung des BVerfG, um den Gesetzgebern endlich die Hände zu legen (bezüglich ihrer Zuschlagsorgien sowie weiterer "kreativer" Ideen).
2.) Zum anderen sollte wie von Swen beschrieben jede einzelne Klage möglichst gut begründet sein, um es gar nicht erst zu solchen Urteilen wie in diesem Fall kommen zu lassen..

HansGeorg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7402 am: 14.04.2025 16:22 »
@BVerfGBeliever

Dies war bei uns in SH genauso und ich plane dagegen zu Klagen, da dies auch Bestandteil meines Widerspruchs ist. Leider bin ich in dem Thema überhaupt nicht versiert und die Anwälte auf dem Gebiet rar.  Ich hoffe dennoch, dass ich selbst mit dem was mir hier an Wissen zu gute kommt die Klage ausreichend entsprechend begründen zu können.

Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7403 am: 14.04.2025 17:09 »
Wenn es ein Richter am OLG, mit dem DRB BW im Hintergrund nicht schafft, dann schafft es niemand. Immerhin kann man daraus lernen, am 22.7 gibt es in Freiburg die 2. Chance.

Ohne die Paralellverfahren in anderen BL mit Vorlagen würde wohl nie etwas in BW passieren.

BVerfGBeliever

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7404 am: 14.04.2025 18:01 »
Es geht in dem Urteil nur und ausschließlich um die R Besoldung und nicht die A Besoldung.

Unterste Besoldungsgruppe der Richter ist R 1  ;)

Der kleinste 4K Richter hat demnach immer mindestens 15 % mehr als die vergleichbare Bürgergeldfamilie.

Nein, es ist (leider) wirklich die tatsächlich niedrigste Gruppe gemeint. Wobei diese ja seit Dezember 2022 mit A7 gar nicht mehr so niedrig ist..


Ein weiteres Schmankerl findet sich übrigens in Randnummer 54:
"Die Wahrung des Abstandsgebots hat anhand eines Vergleichs der „reinen“ Brutto-Gehälter zu erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 - juris, Rn. 80, und Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 - juris, Rn. 112). Anders als der Kläger meint, hat der kinderbezogene Anteil des Familienzuschlags außer Betracht zu bleiben."

- Ein verheirateter A7 mit zwei Kindern bekam ab Dezember 2022 Familienzuschläge in Höhe von 936,48 €. Ein A16 bekam hingegen stattdessen nur 436,48 €.
- Nach Meinung des VG Karlsruhe spielen diese Familienzuschläge bei der Bewertung des Binnenabstandsgebots (zwischen den Besoldungsgruppen) jedoch ABSOLUT KEINE Rolle.
- Bei der Bewertung des Mindestabstandsgebots (zwischen Beamten und Grundsicherungsempfängern) spielen sie jedoch an anderer Stelle übrigens plötzlich SEHR WOHL eine Rolle (sogar eine sehr große, das ist ja genau das Ziel der sachwidrigen Zuschlagsorgien).

Aus meiner Sicht ist der Verweis auf das 2017er BVerfG-Urteil in doppelter Hinsicht absoluter "Blödsinn":
- Zum einen wurde damals nur entschieden, dass statt der Nettogehälter wahlweise auch die Bruttogehälter zum Abstandsvergleich herangezogen werden können, da erstere lediglich "die Steuerprogression berücksichtigen würden", was keine signifikante Verzerrung zur Folge hätte.
- Zum anderen gab es ja damals auch noch keine Zuschlagsorgien (insbesondere nicht in Abhängigkeit der Besoldungsgruppen), so dass es (nahezu) egal war, ob man die Zuschläge berücksichtigt oder nicht.

Somit ist die Aussage des VG Karlsruhe, der kinderbezogene Zuschlagsanteil HABE beim Binnenabstandsgebot außer Betracht zu bleiben, eine "wissentliche und willentliche" (copyright by Swen ;-) Fehldeutung des BVerfG-Urteils.
« Last Edit: 14.04.2025 18:14 von BVerfGBeliever »

AlxN

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7405 am: 14.04.2025 18:45 »
Zitat
Somit ist die Aussage des VG Karlsruhe, der kinderbezogene Zuschlagsanteil HABE beim Binnenabstandsgebot außer Betracht zu bleiben, eine "wissentliche und willentliche" (copyright by Swen ;-) Fehldeutung des BVerfG-Urteils.

Meiner Erinnerung nach hat das der Gesetzgeber in der entsprechenden Gesetzesbegründung auch so oder so ähnlich geschrieben.

BVerfGBeliever

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7406 am: 14.04.2025 19:23 »
Meiner Erinnerung nach hat das der Gesetzgeber in der entsprechenden Gesetzesbegründung auch so oder so ähnlich geschrieben.

Ja, dass die Gesetzgeber sehr viel Unfug in ihre Begründungen schreiben, kennen wir ja aus den letzten Jahren leider zu Genüge. Häufig natürlich mit voller Absicht, was es umso schlimmer macht.

Wenn dieser Unfug aber dann von einem Gericht (ungeprüft, oder noch schlimmer, absichtlich) einfach so übernommen wird, finde ich das ziemlich frech.


P.S. Nur zur Vollständigkeit hier noch die beiden zitierten BVerfG-Entscheidungen, damit sich jeder ein eigenes Bild machen kann:

- "Die Kontrolle des Abstandsgebots kann als systeminterner Vergleich innerhalb der Beamtenschaft anhand der aus den Besoldungstabellen ersichtlichen Brutto-Gehälter erfolgen. Die Netto-Grundgehälter als Bezugspunkt des Vergleichs zu wählen, würde lediglich die Steuerprogression berücksichtigen. Diese Verzerrung fällt indes nicht signifikant ins Gewicht. Die Steuerprogression hat lediglich insoweit Bedeutung, als Belastungen höherer Besoldungsgruppen umso kritischer zu sehen sind, da diese angesichts der progressiven Einkommensteuertarifgestaltung höheren (Grenz)Steuersätzen unterliegen." (2 BvR 883/14 - Rn. 80)

- "Eine deutliche Verringerung der Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen infolge unterschiedlich hoher linearer Anpassungen bei einzelnen Besoldungsgruppen oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen indiziert daher einen Verstoß gegen das Abstandsgebot. Ein Verstoß liegt in der Regel vor bei einer Abschmelzung der Abstände zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen um mindestens 10 v.H. in den zurückliegenden fünf Jahren." (2 BvL 17/09 - Rn. 112)

Callisto

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7407 am: 14.04.2025 19:48 »
Zur Vermeidung von Missverständnissen:

Im Verwaltungsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, § 86 VwGO.

Im Verwaltungsverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz, § 24 VwVfG.
die erschöpft sich in der Feststellung, dass ein Dienstherr durch ein Besoldungsgesetz mit einem auf Null reduziertem Ermessen in seiner Entscheidung gebunden ist (...)

Ich hätte präziser schreiben sollen, "im Verwaltungsgerichtsverfahren". Dort spielt § 24 VwVfG keine Rolle.

Und ja: Im Verwaltungsverfahren selbst steht der Behörde kein Spielraum zu, die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes selbst zu beurteilen. Das dürfen nur Gerichte.

Zur Vermeidung von Missverständnissen:

Im Verwaltungsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, § 86 VwGO. Die Frage, inwieweit das Vorbringen der Beteiligten substantiiert ist, kann dafür relevant werden, inwieweit sich das Gericht - schon aus diesem Grund und unabhängig von der daneben stehenden Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen - damit sachlich auseinandersetzen muss (Anspruch auf rechtliches Gehör).

Um bestimmte Aspekte ins Feld zu führen und um sich mit bestimmten Sachen auseinanderzusetzen, ist das Verwaltungsgericht (anders als zum Teil Zivilgerichte) aber keinesfalls darauf angwiesen, dass einer der Beteiligten diese substantiiert vorträgt. 

Zitat von: § 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO:
"Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden."

Der Ermittlungsgrundsatz in besoldungsrechtlichen Verfahren erstreckt sich regelmäßig auf das bundesverfassungsgerichtliche "Pflichtenheft", das also die Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Prüfung der im Klagezeitraum gewährten Alimentation heranzuziehen hat (...)

Ich will es jetzt an dieser Stelle nicht noch weiter vertiefen, weil es nur die Kommentierung des Urteils betrifft und im Übrigen in der Sache weniger relevant ist. Aber ich halte diese Beschreibung so für nicht richtig. Das Verwaltungsgericht ist in einem Hauptsacheverfahren grundsätzlich nicht auf ein bestimmtes Prüfprogramm beschränkt und auf Input von der Klagepartei angewiesen. Die Klagepartei bestimmt den Streitgegenstand. In dessen Rahmen ist das Gericht im Hinblick auf die Sachverhaltsermittlung gemäß § 86 VwGO nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden und im Hinblick auf den Umfang und den Rahmen der rechtlichen Beurteilung schon nach allgemeinen Grundsätzen nicht ("Iura novit curia").

Aber die Quintessenz teile ich: Natürlich ist es sinnvoll, seine Klagebegründung sowohl im Hinblick auf die Tatsachen als auch die Rechtsfragen mit Substanz zu füttern, um das Gericht zu zwingen sich (auch ausdrücklich) mit diesen Aspekten zu befassen und das Gericht zu überzeugen.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7408 am: 14.04.2025 22:37 »
Zur Vermeidung von Missverständnissen:

Im Verwaltungsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, § 86 VwGO.

Im Verwaltungsverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz, § 24 VwVfG.
die erschöpft sich in der Feststellung, dass ein Dienstherr durch ein Besoldungsgesetz mit einem auf Null reduziertem Ermessen in seiner Entscheidung gebunden ist (...)

Ich hätte präziser schreiben sollen, "im Verwaltungsgerichtsverfahren". Dort spielt § 24 VwVfG keine Rolle.

Und ja: Im Verwaltungsverfahren selbst steht der Behörde kein Spielraum zu, die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes selbst zu beurteilen. Das dürfen nur Gerichte.

Zur Vermeidung von Missverständnissen:

Im Verwaltungsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, § 86 VwGO. Die Frage, inwieweit das Vorbringen der Beteiligten substantiiert ist, kann dafür relevant werden, inwieweit sich das Gericht - schon aus diesem Grund und unabhängig von der daneben stehenden Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen - damit sachlich auseinandersetzen muss (Anspruch auf rechtliches Gehör).

Um bestimmte Aspekte ins Feld zu führen und um sich mit bestimmten Sachen auseinanderzusetzen, ist das Verwaltungsgericht (anders als zum Teil Zivilgerichte) aber keinesfalls darauf angwiesen, dass einer der Beteiligten diese substantiiert vorträgt. 

Zitat von: § 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO:
"Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden."

Der Ermittlungsgrundsatz in besoldungsrechtlichen Verfahren erstreckt sich regelmäßig auf das bundesverfassungsgerichtliche "Pflichtenheft", das also die Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Prüfung der im Klagezeitraum gewährten Alimentation heranzuziehen hat (...)

Ich will es jetzt an dieser Stelle nicht noch weiter vertiefen, weil es nur die Kommentierung des Urteils betrifft und im Übrigen in der Sache weniger relevant ist. Aber ich halte diese Beschreibung so für nicht richtig. Das Verwaltungsgericht ist in einem Hauptsacheverfahren grundsätzlich nicht auf ein bestimmtes Prüfprogramm beschränkt und auf Input von der Klagepartei angewiesen. Die Klagepartei bestimmt den Streitgegenstand. In dessen Rahmen ist das Gericht im Hinblick auf die Sachverhaltsermittlung gemäß § 86 VwGO nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden und im Hinblick auf den Umfang und den Rahmen der rechtlichen Beurteilung schon nach allgemeinen Grundsätzen nicht ("Iura novit curia").

Aber die Quintessenz teile ich: Natürlich ist es sinnvoll, seine Klagebegründung sowohl im Hinblick auf die Tatsachen als auch die Rechtsfragen mit Substanz zu füttern, um das Gericht zu zwingen sich (auch ausdrücklich) mit diesen Aspekten zu befassen und das Gericht zu überzeugen.

Das, was Du im ersten Absatz schreibst, ist insofern richtig, als dass es dem Verwaltungsgericht unbenommen bleibt, wie es seine Vorlage sachgerecht begründet. Allerdings hat sich Arne Pilniok in der Betrachtung der 2015 ergangenen neuen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Besoldungsrecht diese als "Pflichtenheft" bezeichnet. Damit weist er darauf hin, dass der Zweite Senat ein von ihm selbst als sachgerecht betrachtetes Programm zur Prüfung besoldungsrechtlicher Klageverfahren erstellt hat. Der Senat erwartet nun darüber hinaus regelmäßig von einer Vorlage, dass sie sich u.a. eingehend mit der zum Rechtsgebiet ergangenen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auseinandersetzt. Tut sie das nicht, wird eine Vorlage regelmäßig ohne viel Federlesens als unbegründet vom Bundesverfassungsgericht betrachtet.

Eine eingehende Auseinandersetzung mit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Besoldungsrecht wird also nicht umhinkommen, genau jenes "Pflichtenheft" hinreichend zur Kenntnis zu nehmen, und zwar das nur umso mehr, als dass auch die aktuelle Entscheidung des Jahres 2020 ihm weitgehend gefolgt ist, sodass also hier eine weitere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorliegt, mit der sich die Verwaltungsgerichtsbarkeit eingehend auseinandersetzen muss, wenn es eine Vorlage erstellt. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit sieht sich insofern - zusammengefasst - veranlasst, sich auch mit jenen drei Rechtsprechungen eingehend auseinanderzusetzen, was de facto kaum anders möglich wäre, als sie anzuwenden. Denn ein reines Referat von Rechtsprechung, das diese also nicht zur Anwendung bringt, wird vom Bundesverfassungsgericht in konkreten Normenkontrollverfahren ebenfalls in der Regel ohne viel Federlesens als unbegründet betrachtet, da eine reine Reproduktion von Rechtsprechung keine Anwendung ist und so keine Begründung darstellen kann.

Das VG Karlsruhe hat nun allerdings insofern gezeigt, dass Du Recht hast, weil es ja keine Vorlage erstellt hat. Insofern hat es seine ihm gegebenen Spielräume genutzt und bspw. überhaupt nicht mittels eigener Berechnungen geprüft, ob die von der Gesetzesbegründung bspw. in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots vollzogenen Behauptungen (die die Gesetzesbegründung auch in diesen Teilen Begründungen nennt) sachgerecht sind, so wie ich das vorhin exemplarisch gezeigt habe. Das konnte es tun, weil es keinen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss gefasst hat. Hätte es einen entsprechenden Beschluss gefasst, dabei aber dann u.a. eben keine hinreichenden eigenen Berechnungen zur Prüfung der rechtlichen Regelungen, die es in der Vorlage als evident sachwidrig betrachten wollte, durchgeführt, dürfte man davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht eine solche Vorlage - wie in den letzten Absätzen dargelegt - ohne viel Federlesens als unbegründet betrachtet hätte.

Meine Aussage bezog sich nun - in der Begründung dessen, wieso ich dem VG Hamburg meinen Respekt für den von ihm geleisteten Aufwand zolle, obgleich ich an grundlegenden Punkten seiner Entscheidungsbegründung zu anderen Schlüssen komme - auf eben genau diese Fällen: besoldungsrechtliche Klagen, die in einen Vorlage- und Aussetzungsberschluss münden. Ich wäre beim Schreiben meiner Zeilen nicht auf den Gedanken gekommen, dass man das anders verstehen könnte. Mein Respekt liegt also genau darin begründet, das VG Hamburg hat keine Vorlage erstellt, dem Kläger aber in der systematischen Abarbeitung des "Pflichtenhefts" und darüber hinaus in weiterer Anwendung bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung eine hervorragende Grundlage gegeben, um nun in einer ggf. vom Kläger vollzogenen Sprungrevision vor dem Bundesverwaltungsgericht seine Klage hinreichend zu substantiieren. Das war und ist nicht selbstverständlich, eben weil hier keine Vorlage erstellt worden ist. Deshalb zolle ich der Kammer meinen Respekt. Das VG Karlsruhe hat das nicht getan, und zwar aus Gründen, die ich nicht kenne. Es hat seine von Dir genannten Freiräume genutzt, die ihm niemand verwehren kann, da es keine Vorlage erstellt hat.

Genau deshalb ist es so wichtig, seine Klage hinreichend zu substantiieren - weshalb ich regelmäßig wiederhole, bis es jedem aus den Ohren raushängt, begründen, begründen, begründen -; denn diese Begründungen kann nun das Verwaltungsgericht nicht außerhalb der Betrachtung lassen, auch wenn es ihnen am Ende nicht folgt, also die Klage nicht als begründet begreift.

Darauf u.a., aber auch insbesondere wollte ich in meinem Beitrag hinaus, aus dem Du zitierst. Denn es ist so, wie Du schreibst, dass die Klagepartei den Streitgegenstand bestimmt. Allerdings reicht eine solche Bestimmung allein kaum aus, um am Ende einen vom Gericht gefassten Aussetzungs- und Vorlagebeschluss zu begründen. Denn am Ende muss das Verwaltungsgericht einen solchen Beschluss fassen, da die Beteiligten des Ausgangsverfahrens nicht vorlageberechtigt sind. Und sobald es ihn fasst, kann es heute kaum mehr drumherumkommen, nun nicht auch das "Pflichtenheft" zur Anwendung zu bringen, da - wie oben dargelegt - alles andere kaum für eine Begründung der Vorlage ausreichen dürfte.

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7409 am: 15.04.2025 08:48 »


Das VG Karlsruhe hat nun allerdings insofern gezeigt, dass Du Recht hast, weil es ja keine Vorlage erstellt hat. Insofern hat es seine ihm gegebenen Spielräume genutzt und bspw. überhaupt nicht mittels eigener Berechnungen geprüft, ob die von der Gesetzesbegründung bspw. in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots vollzogenen Behauptungen (die die Gesetzesbegründung auch in diesen Teilen Begründungen nennt) sachgerecht sind, so wie ich das vorhin exemplarisch gezeigt habe. Das konnte es tun, weil es keinen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss gefasst hat. Hätte es einen entsprechenden Beschluss gefasst, dabei aber dann u.a. eben keine hinreichenden eigenen Berechnungen zur Prüfung der rechtlichen Regelungen, die es in der Vorlage als evident sachwidrig betrachten wollte, durchgeführt, dürfte man davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht eine solche Vorlage - wie in den letzten Absätzen dargelegt - ohne viel Federlesens als unbegründet betrachtet hätte.

Meine Aussage bezog sich nun - in der Begründung dessen, wieso ich dem VG Hamburg meinen Respekt für den von ihm geleisteten Aufwand zolle, obgleich ich an grundlegenden Punkten seiner Entscheidungsbegründung zu anderen Schlüssen komme - auf eben genau diese Fällen: besoldungsrechtliche Klagen, die in einen Vorlage- und Aussetzungsberschluss münden. Ich wäre beim Schreiben meiner Zeilen nicht auf den Gedanken gekommen, dass man das anders verstehen könnte. Mein Respekt liegt also genau darin begründet, das VG Hamburg hat keine Vorlage erstellt, dem Kläger aber in der systematischen Abarbeitung des "Pflichtenhefts" und darüber hinaus in weiterer Anwendung bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung eine hervorragende Grundlage gegeben, um nun in einer ggf. vom Kläger vollzogenen Sprungrevision vor dem Bundesverwaltungsgericht seine Klage hinreichend zu substantiieren. Das war und ist nicht selbstverständlich, eben weil hier keine Vorlage erstellt worden ist. Deshalb zolle ich der Kammer meinen Respekt. Das VG Karlsruhe hat das nicht getan, und zwar aus Gründen, die ich nicht kenne. Es hat seine von Dir genannten Freiräume genutzt, die ihm niemand verwehren kann, da es keine Vorlage erstellt hat.


Das Grundproblem der Verwaltungsgerichte ist erst einmal, dass es sich bei den Richtern um Alleinkämpfer handelt. In den letzten Jahren hat sowohl die Quantität der Klagen zugenommen wie auch die Qualität der zugrunde liegenden Gesetze an Komplexität gewonnen. Ein solcher Einzelrichter sieht sich daher erst einmal mit einer Vielzahl von Klagen gegenüber, die er oder sie erledigen muss. Somit ist die Zeit, mit der er sich einer Sache widmen kann, auch limitiert. Bei höheren Gerichten ist diese Zeit deutlich üppiger und es ist regelmäßig auch mehr als ein Volljurist pro Kammer beschäftigt.

Bei einer Vorlage vor dem BVerfG besteht immer für den Einzelrichter immer die große Gefahr, dass diese Vorlage zurück gewiesen wird und man sich erneut mit dem Fall auseinander setzen muss. Die Zeit, die ein Richter an einem höheren Gericht hat, um sich mit dem Fall so intensiv auseinander zu setzen, dass er eine wasserdichte Vorlage schreiben kann, hat ein Richter am Verwaltungsgericht schlicht nicht.

Daher ist es umso erstaunlicher, dass das VG Hamburg sich soviel Mühe gemacht hat, ein so umfangreiches Urteil zu fällen. Erwartbar wäre eher ein Urteil gewesen ähnlich wie das des VG Karlsruhe.

Es ist aufgrund der Komplexität des Rechts nicht zu erwarten, dass sich jedes VG in epischer Tiefe mit der Beamtenbesoldung beschäftigt. Der Amtsermittlungsgrundsatz hat auch hier seine Grenzen.

Der Gang durch die Instanzen kommt daher für mich nicht überraschend. Auch die dem Grunde nach abweisenden Urteile der VG kommt für mich nicht überraschend.

Dennoch muss man das, was Swen sagt, lobend hervorheben. Die Kammer des VG Hamburg hat sich in einer Tiefe mit dem Thema auseinander gesetzt, die nicht von vorneherein erwartbar war.