Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2089200 times)

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9570 am: 16.01.2024 17:20 »
@ Swen

Vielen Dank deine detaillierten Ausführungen!

Die zeitlichen Zusammenhänge waren mir in der Form noch nicht bewusst.

xap

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9571 am: 16.01.2024 17:58 »
Ich hätte mal eine Frage zu potenziellen Nachzahlungen für die vergangenen Jahre hinsichtlich der Abschmelzbeträge - insoweit man das ohne Kenntnis im Gesetz genannter Verordnung überhaupt valide einschätzen kann.

Angenommen Beamter A wurde seit 2020 durchbefördert und ist zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt A12, welche Abschmelzbeträge wird man dann für die vergangenen Jahre annehmen können? Ich sehe da 2 Szenarien:

1. Beamter erhält Nachzahlungen abzgl. Abschmelzungen für die Jahre für das Amt A12
2. Beamter erhält Nachzahlungen abzgl. Abschmelzungen für die tatsächlichen Ämter, die er in den Jahren inne hatte

Aus den geleakten Entwurf werde ich diesbzgl. nicht ganz schlau. §79a behandelt die Nachzahlungen.

Absatz 2 behandelt "tatsächliche Verhältnisse" im jeweiligen HH-Jahr, hier geht es aber um die Kinderzahl etc. Absatz 3 behandelt die Abschmelzbeträge, hier wiederum ist nicht von "tatsächlichen Verhältnissen" im jeweiligen HH-Jahr die Rede.

Wie sind eure Meinungen / Mutmaßungen diesbezüglich?

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9572 am: 16.01.2024 18:56 »
@ Swen

Vielen Dank deine detaillierten Ausführungen!

Die zeitlichen Zusammenhänge waren mir in der Form noch nicht bewusst.

Gern geschehen, PolareuD - wie sollten Dir und anderen diese zeitlichen Zusammenhänge auch bewusst sein. Denn darüber gibt es bislang keine öffentlich zugängliche Ausarbeitung, was ein weiterer Grund ist, weshalb ich mit dem Thema zusammenhängende Emotionen gut nachvollziehen kann. Wenn man nicht recht tiefgehend im Thema "drin" ist, dürfte sich manches als eigenartiger darstellen, als es am Ende - zumindest was den Zweiten Senat angeht - tatsächlich ist. Um es mit noch einem Bild zu versuchen: Karlsruhe muss seit spätestens Mitte 2022 immer klarer geworden sein - spätestens, als verschiedenen Besoldungsgesetzgeber über die sachwidrige Erhöhung familienbezogener Besoldungskomponenten hinaus auch noch anfingen, Doppelverdienermodelle in einer sachlichen Form zu erstellen, als gäbe es verfassungsrechtlich kein Morgen -, dass es ggf. nur diesen einen "Schuss" hat, um die Besoldungsgesetzgeber noch beizeiten auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen. Spätestens mit diesem sachlichen Dammbruch der völlig unzureichend begründeten - und zwar gezielt völlig unzureichend begründeten - Doppelverdienermodelle konnte es nicht mehr ausreichen, Direktiven zu entwickeln, die den sachwidrigen Gehalt exorbitanter Erhöhungen von familienbezogenen Komponenten unterbinden würden, die man - denke ich - bis dahin in Karlsruhe grundlegend mit auf dem Schirm gehabt haben wird.

Denn mit dieser alleinigen Unterbindung exorbitanter Erhöhungen familienbezogener Besoldungskomponenten im Alleinverdienermodell wären dann - davon muss man ausgehen - weitere Besoldungsgesetzgeber in die Lücke gesprungen und hätten diese Komponenten der Einfachheit halber in ein Doppelverdienermodell überführt. Eine Entscheidung, die das nicht verhindert (ohne das jeweils konkrete Doppelverdienermodell unmittelbar einer Prüfung unterziehen zu können und es also unmittelbar der Kontrolle zu unterwerfen, da es diesbezüglich noch einige Zeit dauern wird, bis entsprechende Vorlagebeschlüsse überhaupt von den Fachgerichten gefällt werden können), wäre also sachlich weitgehend verpufft - und hätte die Sachlage eher noch verschlimmert, da nun am Ende innerhalb eines Jahres mit hoher Wahrscheinlichkeit 17 Doppelverdienermodelle gesetzliche Realität geworden wären, die die bisherige Kontinuität überkommener gesetzlicher Regelungen in deutlicher Form beschädigen: Denn wie soll man von ihnen wieder zurück zu einem Alleinverdienermodell gelangen, wenn man zuvor in der Gesetzesbegründung ausgeführt hat, dass ein solches sich sachlich nicht mehr rechtfertigen lässt? - Diese Frage wird alsbald eine starke Relevanz entfalten, befürchte ich. Man hätte also anhand der fünf Bremer Vorlagen einige weitere Grundsatzfragen klären können - aber diese Klärung hätte eben genauso umgangen werden können, wie das mit den 2020er Klärungen vollzogen worden ist.

Auch deshalb - so vermute ich begründet - hat man dann im Frühjahr des letzten Jahres die Ankündigung von weiteren Entscheidungen auf Niedersachsen und Schleswig-Holstein ausgeweitet. Schleswig-Holstein war dabei der erste Rechtskreis, der trotz der sachlichen Kritik vonseiten des Wissenschaftlichen Diensts des Landtags, die der Besoldungsgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren sachlich nicht entkräften konnte, der ein solches Modell eingeführt hat. Die Entscheidung zur Parteienfinanzierung aus dem Januar des letzten Jahres, die den Gesetzgeber - begründet anhand der Besoldungsrechtsprechung des Senats - verpflichtet, sachliche Kritik noch im Gesetzgebungsverfahren zu entkräften, dürfte eine erste vorarbeitende Reaktion auf das Handeln Schleswig-Holsteins gewesen sein, wie das an anderer Stelle umfassender begründet worden ist (https://www.berliner-besoldung.de/weitere-normenkontrollantraege-vor-der-entscheidung/). Genauso ist daraufhin auch mit Niedersachsen verfahren worden, das im Herbst 2022 ebenfalls ein Doppelverdienermodell zur Grundlage seines Besoldungsrechts gemacht hat und sich dabei ebenfalls nicht im Stande sah, die umfassende sachliche Kritik, die ebenfalls im Gesetzgebungsverfahren vorgebracht worden ist, sachlich zu entkräften.

Für beide ist darüber hinaus - wie schon dargelegt - offensichtlich eine Art verfassungsrechtliches "Faustpfand" zurückgehalten worden: Es wird also nicht über alle Vorlagen der beiden Rechtskreise entschieden, sondern es verbleiben für beide Rechtskreise Vorlagen, über die erst zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden sein wird. Damit dürfte ein gehöriger Druck auf die beiden Rechtkreise ausgeübt werden - insbesondere auf Niedersachsen, dem der Senat bereits 2015 und 2018 eine nicht hinreichende Erfüllung der sich ihm stellenden prozeduralen Anforderungen attestiert hat. Sofern nun anhand von zwei der fünf bremischen Vorlagen ein weiteres Mal - und dieses Mal ggf. unmittelbar - der entscheidungserhebliche Gehalt einer nicht sachgerechten Gesetzesbegründung zu einem Kern der angekündigten Entscheidungen werden würde, würde das dazu führen, dass für Niedersachsen 2015, 2018 und 2024 eine Verfehlung der gebotenen prozeduralen Anforderungen festzustellen sein würde (bzw. festgestellt worden wäre), die unmittelbar in die Verfassungswidrigkeit führen könnte oder führt, sowie 2015 und 2024 eine verfassungswidrige Verletzung des materiellen Gehalts des Alimentationsprinzips, und zwar für den Zeitraum von 2005 bis 2012 und 2014 bis 2016. Auch die jeweilige zeitliche Dauer dürfte es dann möglich machen - es also begründbar machen -, dass mittels des verfassungsrechtlichen "Faustpfands" in einer nächsten Entscheidung eine Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG vollzogen werden könnte. Dieses Damoklesschwert dürfte - so zeichnet es sich ab - schwer über dem Haupt von niedersächsischen Verantwortungsträgern hängen.

So verstanden hat man aber mit der Ausweitung der angekündigten Entscheidungen über die bremischen Vorlagen hinweg, die im Verlauf des Jahres 2022 gefallen sein wird, eine alleinige Entscheidung über diese bereits im vorherigen Jahr angekündigten Vorlagen sachlich unmöglich gemacht - und zugleich eine weitere Verzögerung von Entscheidungen in Kauf genommen, da nun die angekündigten niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Vorlagen im letzten Jahr sachlich zur Entscheidung vorzubereiten waren - und an dieser Stelle stehen wir nun: Die Senatsvoten sind mittlerweile für alle drei Rechtskreise offensichtlich in ihrer Erstellung weitgehend am Ende angekommen, weshalb man wohl davon ausgehen darf, dass irgendwo im Verlauf des nächsten Dreivierteljahrs die Würfel auch öffentlich gefallen sein werden, denke ich.

Ob bis dahin der Bund in die Gänge gekommen ist oder nicht, BuBea, und also, was nun Ende Januar herauskommen wird, weiß dort, also im Kabinett, heute höchstwahrscheinlich noch immer keiner. Wer sich die 20 minütige Rede des Finazministers vom Montag in Gänze angeschaut hat, konnte nicht im Zweifel über eine allgemeine Eierei bleiben, die auch damit zusammenhängen dürfte, dass dem Kabinett im Verlauf der letzten Jahres Teile seiner Geschäftgrundlage abhandengekommen ist, also die drei Koalitionäre erst wieder irgendwie zueinander und zu einer gegenseitigen Vertrauensbasis zurückfinden müssten (sofern ihnen das hinreichend möglich sein wird; und jeder andere Minister, der sich dort hätte hingestellt, hätte genauso rumgeeiert, was zur Ehrenrettung des Finanzministers gesagt werden sollte, allerdings das gerade gezeichnete Bild nur untermauert).

Nun gut, nun schauen wir mal, wie sich die Sachlage in nächster Zeit insgesamt entwickeln wird. Der Schock der Entscheidung vom 15. November wird in der bundesdeutschen Politik noch einige Zeit anhalten. Zugleich wissen hinsichtlich der Besoldung alle 17 Besoldungsgesetzgeber um das, was sie vollzogen haben. Der Zweite Senat hat auch ihnen mit der Entscheidung zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 gezeigt, dass es nicht nur eine Fahnenstange gibt, sondern auch deren Ende. Der eine oder andere dürfte angefangen sein - denke ich -, innerlich die eigene Fallhöhe vom besagten Ende der Fahnenstange bis zum Boden zu eruieren.

Seppo84

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9573 am: 16.01.2024 19:54 »
Da guckt man hier 10 Tage mal nicht nach… sieht viele Beiträge und ist am Ende so schlau wie vorher… Schade 😅

BerndStromberg

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9574 am: 16.01.2024 21:04 »
OMG, ich hatte 2014 ab Klageeingang 1. Instanz im Kopf?! Fast 20 Jahre hatte ich gar nicht für möglich gehalten. Das BVerfG hat diese Verfahren dann „erst“ 2019 erhalten, aber muss das Gericht denn nicht auch bei seiner Arbeitsorganisation die Gesamtdauer des Verfahrens berücksichtigen? Und wenn das alles mit dem derzeitigen Personal nicht schneller geht, sollte man vielleicht mal nach einer nennenswerten Aufstockung der WiMi-Stellen verlangen. Es kann doch nicht sein, dass erst Verfahren mit Milliardenvolumen 20 Jahre alt werden müssen, bis man 1 (!) wissenschaftlichen Mitarbeiter (R1) mehr anfordert und damit dann Art. 19 IV GG genüge getan sieht? Das ist wirklich niemanden mehr zu vermitteln.

Ozymandias

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9575 am: 16.01.2024 21:49 »
OMG, ich hatte 2014 ab Klageeingang 1. Instanz im Kopf?! Fast 20 Jahre hatte ich gar nicht für möglich gehalten. Das BVerfG hat diese Verfahren dann „erst“ 2019 erhalten, aber muss das Gericht denn nicht auch bei seiner Arbeitsorganisation die Gesamtdauer des Verfahrens berücksichtigen? Und wenn das alles mit dem derzeitigen Personal nicht schneller geht, sollte man vielleicht mal nach einer nennenswerten Aufstockung der WiMi-Stellen verlangen. Es kann doch nicht sein, dass erst Verfahren mit Milliardenvolumen 20 Jahre alt werden müssen, bis man 1 (!) wissenschaftlichen Mitarbeiter (R1) mehr anfordert und damit dann Art. 19 IV GG genüge getan sieht? Das ist wirklich niemanden mehr zu vermitteln.

https://datenbank.nwb.de/Dokument/1033749/

Steht ganz am Anfang mit 2004, zuerst wollte auch die 1. Instanz das die Klage zurückgenommen oder per Vergleich erledigt wird. War dann lange Zeit ausgesetzt und wurde dann irgendwann dem BVerfG vorgelegt.

Der Knackpunkt ist aber, es vergehen jetzt noch ca. 3-9 Monate bis das BVerfG sein Urteil fällt und dann noch mal ca. 1-3 Jahre bis der Gesetzgeber das ganze umsetzt. Bis das Geld auf dem Konto ist, muss man also noch mal ~3 Jahre draufrechnen und für diese "Verzögerung des Gesetzgebers" kann man dann auch wieder niemand zur Rechenschaft ziehen. Der Kläger hat auch einen Nachteil, weil das BVerfG nur den beklagten Bundesländern Fristen setzen kann soweit ich weiß und Brandenburg ist bei den Pilotverfahren nicht dabei, hat also vorerst keine gerichtlich gesetzte Frist zur Umsetzung. Bei 2 BvL 4/18 hieß es: "Der Gesetzgeber des Landes Berlin hat verfassungskonforme Regelungen mit Wirkung spätestens vom 1. Juli 2021 an zu treffen."
Und der Bund schläft heute noch.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9576 am: 16.01.2024 23:21 »
OMG, ich hatte 2014 ab Klageeingang 1. Instanz im Kopf?! Fast 20 Jahre hatte ich gar nicht für möglich gehalten. Das BVerfG hat diese Verfahren dann „erst“ 2019 erhalten, aber muss das Gericht denn nicht auch bei seiner Arbeitsorganisation die Gesamtdauer des Verfahrens berücksichtigen? Und wenn das alles mit dem derzeitigen Personal nicht schneller geht, sollte man vielleicht mal nach einer nennenswerten Aufstockung der WiMi-Stellen verlangen. Es kann doch nicht sein, dass erst Verfahren mit Milliardenvolumen 20 Jahre alt werden müssen, bis man 1 (!) wissenschaftlichen Mitarbeiter (R1) mehr anfordert und damit dann Art. 19 IV GG genüge getan sieht? Das ist wirklich niemanden mehr zu vermitteln.

Wie spätestens die Zusammenfassung der Stellungnahme des Berichterstatters zeigt, die ich hier vorhin gepostet habe, hat der Senat seit 2012 doch ein wenig mehr getan, als sich am Ende des letzten Jahres allein um einen zusätzlichen Wissenschaftlichen Mitarbeiter zu kümmern, Bernd.

Mach mal konkret: Was genau hätte Deiner Meinung nach der Senat zu welcher Zeit machen sollen, um den effektiven Rechtsschutz zu garantieren, der - wenn ich es richtig verstehe - Deiner Meinung nach von ihm verletzt worden ist?

xap

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9577 am: 17.01.2024 07:02 »
Die Antwort ist einfach: schneller Urteile fällen.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9578 am: 17.01.2024 07:10 »
... Sind die ein Selbstzweck, xap? Was nützen schneller Entscheidungen aus Karlsruhe, sofern sie nicht hinreichend beachtet werden, wie wir das nun seit rund dreieinhalb Jahren erleben? Und wie wäre dann der effektive Rechtsschutz gewährleistet, wenn am Ende zwar vergangenheitsbezogen rechtskräftige Entscheidungen gegeben wären, aber im Anschluss zukünftig weiterhin keine verfassungskonforme Alimentation geleistet werden würde? Kann mir jemand diese Fragen beantworten?

Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9579 am: 17.01.2024 07:34 »
Also die Frage kann ich auch nicht beantworten, aber es ist eines der urdeutschen Probleme, dass immer die "perfekte" Lösung gesucht wird und das Rad zum tausendsten Mal neu erfunden wird, anstatt einfach mal schnell und pragmatisch und damit letztlich erfolgreicher zu sein.

Wenn es schnell gehen würde, wäre es im Übrigen auch gar nicht notwendig, alle Zukunftsszenarien abzubilden (was ohnehin nie gelingen wird).

Bei allem Verständnis für die Komplexität und das (Teil-)Wissen um die Fesseln, die man sich selbst auferlegt - es reicht. Es kann einfach nicht Sinn und Zweck von irgendetwas sein, dass die Bearbeitung ein Drittel der Lebenszeit auffrisst, nur um dann vermeintlich perfekt zu sein.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9580 am: 17.01.2024 07:41 »
Und damit wären wir wieder bei meiner weiteren Frage, die mir ebenfalls bislang keiner beantwortet hat: Wie soll denn dieses "einfach mal schnell und pragmatisch und damit letztlich erfolgreicher" inhaltlich konkret aussehen? Wie soll ein solcher Verfassungspragmatismus, der dann erfolgreicher sein solle, inhaltlich konkret gefüllt werden, um über eine Wunschebene hinauszugelangen?

Floki

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9581 am: 17.01.2024 07:45 »
Die Antwort ist doch eigentlich ziemlich simple:

Durch vermehrte und schnellere Urteile, vermindert sich durchgehend der Gestaltungsspielraum der Besoldungsgeber. Zudem würden auch generell mehr Gerichtsverfahren angestrengt werden, da davon ausgegangen werden kann auf absehbare Zeit eine rechtskräftige Entscheidung zu haben.

Gegenfrage, was nützen denn im Gegenzug langsamere Entscheidungen? Es werden Jahre beurteilt, die mittlerweile schon lange zurücklegen. Der Gesetzgeber baut Mist, es muss erneut geklagt werden. Die weitere Entscheidung dauert wieder etliche Jahre und behandelt naturgemäß wieder Altjahre. Supi!

Es betrifft im Übrigen auch nicht nur die Entscheidungen zur Alimentation. Es sind dermaßen viele "Altfälle" vor dem Verfassungsgericht und betreffen ebenso alte Thematiken, dass ich mich ernsthaft fragen muss, ob das höchste deutsche Gericht, gemessen an dem Standard den wir als Rechtsstaat haben sollten, noch arbeitsfähig ist. Das lässt sich auch nicht mehr Arbeitsabläufen, komplizierten Thematiken, auszuarbeitenden Dogmatiken begründen. Denn wir reden hier nicht von Wochen und Monaten, sondern etlichen Jahren. Das passt dann nicht mehr zusammen.

Auch ich habe viel mit Gerichten zu tun, zwar nicht mit dem Bundesverfassungsgericht, aber vom Amtsgericht bis zu Bundesgerichten ist alles mit dabei. Es ist mehr als erschreckend, was im Bereich der Justiz alles über den Jordan geht, weil die Belastung zu hoch und die Mitarbeiter und die Zeit zu wenig ist. Mit einem Rechtsstaat hat das langsam nichts mehr zu tun. Wer meint, dass ich hier übertreibe, darf sich gerne die offenen noch nicht angepackten, verjährungsbedrohten Verfahren in NRW anschauen.
Warum sollte das Bundesverfassungsgericht hier eine Ausnahme bilden?

Wenn die Rechtsthematik dermaßen kompliziert ist, was bei vielen Verfahren durchaus bezweifelt werden darf (man schaue sich die Vorläufigkeiten in einem Einkommensteuerbescheid an), und man teilweise Jahrzehnte braucht für Entscheidungen, dann muss man einfach mehr Personal einstellen und vor allem öffentlich kommunizieren.

Das hat auch nichts mehr mit einer "emotionalen" Betrachtungsweise zu tun, sorry.

Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9582 am: 17.01.2024 07:49 »
Meinetwegen in Anlehnung an die hier mal zur Verfügung gestellten "neuen Besoldungstabellen". Es handelt sich ja um eine Mindestalimentation, falls es am Ende 2 Euro mehr sind, dürfte die Welt auch nicht untergehen. Hauptsache erst mal irgendwas verbessern, in Details kann man sich danach noch verlieren.

Ich möchte auch nicht drüber nachdenken, wieviel Geld die ganze Geschichte schon an allen Stellen nur für Gespräche und Häppchen + Reisekosten gekostet hat.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9583 am: 17.01.2024 08:01 »
Dem Bundesverfassungsgericht ist es verfassungsrechtlich nicht gestattet, solche durchgeführten Bemessungen für einen in der Zukunft der Entscheidung liegenden Zeitraum festzulegen. Es kann ähnliche Festlegungen vergangenheitsbezogen nur als Ultima Ratio, also im Zuge einer Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG erstellen. Um eine solche Vollstreckungsanordnung zu vollziehen, sind hohe verfassungsrechtliche Hürden zu nehmen, die nicht auf die Schnelle übersprungen werden dürfen.

Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9584 am: 17.01.2024 08:05 »
Sag ich ja - wir stehen uns halt selbst im Weg, immer und überall. Das ist so unglaublich frustrierend.