Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 7380174 times)

bebolus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18450 am: 16.09.2025 17:44 »
Das Problem an Mietspiegeln ist ein mehrfaches, nämlich erstens, dass sie zwischenzeitlich zwar für die meisten Großstädte vorliegen, jedoch für große Teile der Kleinstädte und weiteren ländlichen Regionen nicht. Darüber hinaus dürften sie dort, wo sie vorliegen, realitätsgerechter sein - worauf Du berechtigt hinweist, regas, - als die Mietenstufen. Allerdings müsste sich zweitens erst noch beweisen, ob sie tatsächlich überall (wenn sie denn überall vorliegen sollten) hinreichend konkret sind, um ein Alimentationsbedürfnis sachgerecht darstellen zu können. Drittens bleibt aber grundsätzlich das vom Besoldungsgesetzgeber zu beachten, was ich am Ende meines letzten Beitrags schreibe, nämlich dass Ortszuschlägen keine strukturprägende Bedeutung zukommt, sie also nicht Teil der hergebrachten Grundsätze sind, weshalb sie nur eine Detailregelung darstellen können. Da eine Besoldungsbemessung anhand von Alimentationsbedürfnissen nicht sachgerecht ist - der Beamte ist keine Hilfebedürftiger, der qualitative Unterschied zwischen Sozial- und Beamtenrecht ist vom Besoldungsgesetzgeber hinreichend zu beachten -, sondern das statusrechtliche Amt der Maßstab der Besoldungsbemessung ist, kann ein Ortszuschlag auch deshalb allenfalls in verhältnismäßig geringer und dann einheitlicher Höhe geregelt werden. Dabei ist - ähnlich wie bei sozialen Besoldungskomponenten - ggf. eine Zweiteilung hinsichtlich der Laufbahngruppen einfacher und mittlerer Dienst und gehobener und höherer Dienst möglich, weil sich das anhand des Leistungsprinzips sachlich rechtfertigen ließe, wobei auch hier dann der Unterschied zwischen beiden Ortszuschlägen vielleicht 30,- bis 50,- € pro Monat ausmachen könnte.

Mehr wird sich sachlich nicht bewerkstelligen lassen, denke ich, wenn man sich nicht dem von GoodBye gerade sicherlich nicht ganz zu unrecht eingebrachten Vorwurf eines Rechtspositivismus einhandeln wollte, der wesensmäßig nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar wäre. Wir leben nicht mehr im endenden 19. Jh. und auch nicht mehr in der beginnenden Weimarer Republik.

Naja, angenommen in M-V und in München wohnen jeweils ein A6er Landesbeamter und ein A6er Bundesbeamter nebeneinander in einer Doppelhaushälfte. Jeder legt Wiederspruch gegen die Besoldung ein.. Bei der Berechnung der 115% setzen die beiden VG der Landesbeamten unterschiedliche Wohnkosten, nämlich die des jeweiligen Landes, an.. Oder? Welche Wohnkosten soll jetzt für die beiden Bundesbeamten gelten? Die, die auch beim Nachbarn Landesbeamten für die Berechnung herangezogen werden, oder wird da ein Bundesdurchschnitt genommen?

Jedenfalls kann ich mir persönlich durchaus Beträge um die 300 als Zulage (auch für kinderlose Ledige) vorstellen, wenn Kinderbetreuungskosten in die Überlegung einfließen (M-V derzeit 0,00 Euro), auch z. B. höhere FamZuschl.

Aber was GoodBye meiner Ansicht nach zutreffend bemerkt ist, dass solche Sachen bürokratisch einschlagen.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18451 am: 16.09.2025 18:21 »
Das Problem an Mietspiegeln ist ein mehrfaches, nämlich erstens, dass sie zwischenzeitlich zwar für die meisten Großstädte vorliegen, jedoch für große Teile der Kleinstädte und weiteren ländlichen Regionen nicht. Darüber hinaus dürften sie dort, wo sie vorliegen, realitätsgerechter sein - worauf Du berechtigt hinweist, regas, - als die Mietenstufen. Allerdings müsste sich zweitens erst noch beweisen, ob sie tatsächlich überall (wenn sie denn überall vorliegen sollten) hinreichend konkret sind, um ein Alimentationsbedürfnis sachgerecht darstellen zu können. Drittens bleibt aber grundsätzlich das vom Besoldungsgesetzgeber zu beachten, was ich am Ende meines letzten Beitrags schreibe, nämlich dass Ortszuschlägen keine strukturprägende Bedeutung zukommt, sie also nicht Teil der hergebrachten Grundsätze sind, weshalb sie nur eine Detailregelung darstellen können. Da eine Besoldungsbemessung anhand von Alimentationsbedürfnissen nicht sachgerecht ist - der Beamte ist keine Hilfebedürftiger, der qualitative Unterschied zwischen Sozial- und Beamtenrecht ist vom Besoldungsgesetzgeber hinreichend zu beachten -, sondern das statusrechtliche Amt der Maßstab der Besoldungsbemessung ist, kann ein Ortszuschlag auch deshalb allenfalls in verhältnismäßig geringer und dann einheitlicher Höhe geregelt werden. Dabei ist - ähnlich wie bei sozialen Besoldungskomponenten - ggf. eine Zweiteilung hinsichtlich der Laufbahngruppen einfacher und mittlerer Dienst und gehobener und höherer Dienst möglich, weil sich das anhand des Leistungsprinzips sachlich rechtfertigen ließe, wobei auch hier dann der Unterschied zwischen beiden Ortszuschlägen vielleicht 30,- bis 50,- € pro Monat ausmachen könnte.

Mehr wird sich sachlich nicht bewerkstelligen lassen, denke ich, wenn man sich nicht dem von GoodBye gerade sicherlich nicht ganz zu unrecht eingebrachten Vorwurf eines Rechtspositivismus einhandeln wollte, der wesensmäßig nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar wäre. Wir leben nicht mehr im endenden 19. Jh. und auch nicht mehr in der beginnenden Weimarer Republik.

Naja, angenommen in M-V und in München wohnen jeweils ein A6er Landesbeamter und ein A6er Bundesbeamter nebeneinander in einer Doppelhaushälfte. Jeder legt Wiederspruch gegen die Besoldung ein.. Bei der Berechnung der 115% setzen die beiden VG der Landesbeamten unterschiedliche Wohnkosten, nämlich die des jeweiligen Landes, an.. Oder? Welche Wohnkosten soll jetzt für die beiden Bundesbeamten gelten? Die, die auch beim Nachbarn Landesbeamten für die Berechnung herangezogen werden, oder wird da ein Bundesdurchschnitt genommen?

Jedenfalls kann ich mir persönlich durchaus Beträge um die 300 als Zulage (auch für kinderlose Ledige) vorstellen, wenn Kinderbetreuungskosten in die Überlegung einfließen (M-V derzeit 0,00 Euro), auch z. B. höhere FamZuschl.

Aber was GoodBye meiner Ansicht nach zutreffend bemerkt ist, dass solche Sachen bürokratisch einschlagen.

Das Beispiel ist so formuliert unerheblich, bebolus, weil wir in ihm zwei Beamten unterschiedlicher Rechtskreise vorfinden (was "unerheblich" meint, schreibe ich gleich). Der betreffende Besoldungsgesetzgeber hat in der heutigen föderalen Kompetenzordung der Bundesrepublik sicherzustellen, dass die seiner Besoldungsgesetzgebung unterworfenen Beamten amtsangemessen besoldet werden. Hinsichtlich der Bundes- und Landesbeamten gilt nur der Grundsatz der Bundestreue, aber kein besoldungsrechtliches Homogenitätsprinzip, was bedeutet, dass einem Bundes- und einem Landesbeamter, die nebeneinander wohnen, sowohl eine unterschiedlich hohe Grundbesoldung als auch unterschiedliche Zuschläge und Zulagen unterschiedlicher Höhen gewährt werden können, sofern diese jeweils sachgerecht sind und sich deshalb auch nicht unbegrenzt auseinanderentwickeln (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 80; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html).

Darüber hinaus bezieht sich das, was ich geschrieben habe, auf die Besoldungsbemessung, nicht aber auf das Mindestabstandsgebot, das tatsächlich zwar ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums ist, aber nichts mit einer amtsangemessenen Alimentation zu tun hat (die Mindestalimentation bildet nur die Grenze zur Unteralimentation ab, die aber keine unmittelbare Aussage über die Höhe der amtsangemessenen Alimentation zulässt). Es bezieht sich also auf die Beamten, die als Bundesbeamte der Bundesbesoldung und als Landesbeamte der jeweiligen Landesbesoldung und also jeweils deren Gesetzgebung unterworfen sind.

Einen ggf. erheblichen Betrag (hier also 300,- €) zu nennen - "erheblicher Betrag" meint regelmäßig: ein Betrag, der in einem Klageverfahren einen Unterschied machen kann -, ohne ihn zu konkretisieren, ist das, was das Bundesverfassungsgericht als eine Schätzung ins Blaue hinein bezeichnet. Vorstellen können wir uns alle, also auch der Besoldungsgesetzgeber, viel - er sieht sich allerdings in der Pflicht, seine Vorstellungen, sofern sie ihm zu Entscheidungen gerinnen, sachgerecht zu begründen. Eine Entscheidung erweist sich mindestens dann als unbegründet, wenn sie evident sachwidrig ist. Eine Schätzung ins Blaue hinein ist prozedural evident sachwidrig, wenn die Beträge, um die es geht, erheblich sind.

Ergo: Der Besoldungsgesetzgeber sieht sich gezwungen, das, was ich heute thematisch geschrieben habe, als sachlich unerheblich oder als sachlich falsch begründen zu können und entsprechende Kritik noch während des laufenden Gesetzgebungsverfahren zu widerlegen, sofern diese Kritik im Gesetzgebungsverfahren formuliert worden ist; widerlegt er solche ihm im Rahmen der Beteiligung zugegangene Kritik nicht während des Gesetzgebungsverfahren, ist ihm das nach dessen Abschluss nicht mehr so ohne Weiteres möglich. Erweist sich die Kritik in einem Klageverfahren als sachlich und die versuchte Widerlegung als unsachlich, können wir davon ausgehen, dass der Gesetzgeber mindestens die ihn treffenden prozeduralen Anforderungen nicht hinreichend erfüllt hat. Mit einiger Wahrscheinlichkeit war sein Handeln dann gleichfalls auch evident sachwidrig.

Ergo: Wärst Du der Besoldungsgesetzgeber, müsstest Du Dich nun veranlasst sehen, sofern Du einen Betrag von 300,- € gewähren wolltest und das am Ende auch gesetzlich so regeln würdest, das sachgerecht zu begründen. Sobald Du eine Begründung ins Feld führen würdest, müsstest Du damit rechnen, dass Dir im Beteiligungsverfahren das entgegnet wird, was ich heute hier dargelegt habe. Daraufhin müsstest Du Dich als Gesetzgeber nun veranlasst sehen, das, was ich geschrieben habe, noch während des laufenden Gesetzgebungsverfahren sachlich zu widerlegen, sodass das, was Du als Gesetzgeber geregelt hast, sich als sachgerecht erweist, während meine Kritik dann als unsachlich oder unbegründet zu betrachten wäre. Etwas als unsachlich zu widerlegen, bedeutet, den Nachweis zu führen, dass es gar nichts mit der Sache zu tun hat oder dass es der Sache nach falsch ist.

bebolus

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« Antwort #18452 am: 16.09.2025 18:40 »
Sven, in dem von mir gebildeten Beispiel wäre es dann doch aber so, dass bei gleichem statusrechtlichen Amt, drei unterschiedliche Ergebnisse bei der Prüfung der 115% herauskommen würden. Womöglich würden Gerichte für die in M-V wohnenden Beamten bei dem einen den Parameter verletzt sehen und beim anderen nicht. Das ist in meinen Augen absurd. Und in der weiteren Folge verstehe ich es nicht, einen Ortszuschlag als EINEN separaten Baustein von vorneherein als nicht sachlich begründbar auszuschließen. Schließlich stellen die unterschiedlichen VG doch gerade in ihren Berechnungen genau das heraus. Warum soll bei der Prüfung des Landesbeamten ein anderer Wert für den Parameter gelten, als für den nebenan wohnenden und statusgleichen Bundesbeamten.

BuBea

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« Antwort #18453 am: 16.09.2025 19:16 »

Ergo: Der Besoldungsgesetzgeber sieht sich gezwungen, das, was ich heute thematisch geschrieben habe, als sachlich unerheblich oder als sachlich falsch begründen zu können und entsprechende Kritik noch während des laufenden Gesetzgebungsverfahren zu widerlegen, sofern diese Kritik im Gesetzgebungsverfahren formuliert worden ist; widerlegt er solche ihm im Rahmen der Beteiligung zugegangene Kritik nicht während des Gesetzgebungsverfahren, ist ihm das nach dessen Abschluss nicht mehr so ohne Weiteres möglich. Erweist sich die Kritik in einem Klageverfahren als sachlich und die versuchte Widerlegung als unsachlich, können wir davon ausgehen, dass der Gesetzgeber mindestens die ihn treffenden prozeduralen Anforderungen nicht hinreichend erfüllt hat. Mit einiger Wahrscheinlichkeit war sein Handeln dann gleichfalls auch evident sachwidrig.

Diesen Punkt hattest Du schon mal dargestellt und damals habe ich mich schon gefragt, dass damit den Beteiligten eine besondere Verantwortung zukommt. Siehst Du in der Breite (Bund & Länder) bei der von den Gesetzgebern an den Tag gelegten Kreativität die Ressourcen bei den Beteiligten dieser Verantwortung gerecht zu werden? Veranstaltung wie in Thüringen sind dabei sicherlich sehr hilfreich, aber wird das reichen, um die Gesetzgeber wieder auf den richtigen Pfad zu setzen/lenken?

SwenTanortsch

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« Antwort #18454 am: 16.09.2025 19:22 »
Sven, in dem von mir gebildeten Beispiel wäre es dann doch aber so, dass bei gleichem statusrechtlichen Amt, drei unterschiedliche Ergebnisse bei der Prüfung der 115% herauskommen würden. Womöglich würden Gerichte für die in M-V wohnenden Beamten bei dem einen den Parameter verletzt sehen und beim anderen nicht. Das ist in meinen Augen absurd. Und in der weiteren Folge verstehe ich es nicht, einen Ortszuschlag als EINEN separaten Baustein von vorneherein als nicht sachlich begründbar auszuschließen. Schließlich stellen die unterschiedlichen VG doch gerade in ihren Berechnungen genau das heraus. Warum soll bei der Prüfung des Landesbeamten ein anderer Wert für den Parameter gelten, als für den nebenan wohnenden und statusgleichen Bundesbeamten.

Das bundesverfassungsgerichtliche "Pflichtenheft" ist ja vom Bundesverfassungsgericht als für die Fachgerichtsbarkeit bindend erstellt worden. Dabei hat der Senat in der letzten Entscheidung - genau aus solchen Gründen und im Hinblick auf solche möglichen Fragen - das Fachgericht dazu verpflichtet, immer eine Gesamtabwägung zu vollziehen, in der alle für oder gegen eine evident unzureichende Alimentation aufgeworfenen Erkenntnisse gegeneinander abgewogen werden müssen.

Ich konkretisiere das also jetzt der Einfachheit halber (und deshalb natürlich nur auschnittsweise) für Dein Beispiel, bebolus. Stellen wir uns also vor, es ginge um die Höhe der Mindestalimentation: Dann müssen wir weiterhin davon ausgehen, dass sie für einen Bundesbeamten, der seinen Wohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern hat, erheblich höher liegt als für einen Landesbeamten des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Denn - darauf spielst Du an, denke ich - das 95 %-Perzentil für den Bundesbeamten wird am bayerischen Rechtskreis gebildet, das 95 %-Perzentil für den Landesbeamten am mecklenburg-vorpommerischen. Für das Jahr 2023 ist von kalten Unterkunftskosten in Bayern von 1.515,- €, in Mecklenburg-Vorpommern von 876,- € auszugehen. Hinsichtlich des vierten Parameters haben wir hier also einen erheblichen Unterschied zu gewährtigen.

Damit wären wir aber weiterhin nicht bei der Besoldungsbemessung, weshalb ich regelmäßig darauf hinweise, dass beides - das Mindestabstandsgebot und die Besoldungsbemessung - nichts unmittelbar miteinander  zu tun haben. Die Bundesbesoldung würde sich also im Klageverfahren ggf. als unmittelbar verletzt zeigen, wenn sie um 500,- höher liegen würde als die mecklenburg-vorpommerische, da ja der genannte Differenzbetrag 640,- € ausmacht, während das für die mecklenburg-vorpommerische so nicht der Fall sein müsste.

Allerdings hebt der Senat ebenfalls hervor: "Der Besoldungsgesetzgeber ist allerdings nicht verpflichtet, die Mindestbesoldung eines Beamten oder Richters auch dann an den regionalen Höchstwerten auszurichten, wenn dieser hiervon gar nicht betroffen ist." (Rn. 61 der aktuellen Entscheidung). Es wird also dem Verwaltungsgericht in der Gesamtabwägung hinsichtlich der Bundesbesoldung die Möglichkeit gegeben, die tatsächlichen Verhältnisse in den Blick zu nehmen, da er ja in Mecklenburg-Vorpommern nicht unmittelbar von den bayerischen Unterkunftskosten betroffen ist.

All das hat also bislang - und auch weiterhin - erst einmal nichts mit dem zu tun, was ich heute zum Ortszuschlagswesen geschrieben habe. Dessen Bemessung folgt den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die ich heute ausgeführt habe.

Nichtsdestotrotz bleibt das von Dir dargestellte Problem von erheblich unterschiedlichen Mindestalimentationen zwischen den verschiedenen Rechtskreisen -  der Bundesbesoldung und der mecklenburg-vorpommerischen - bestehen. Eventuell wird sich deshalb der Senat in den angekündigten Entscheidungen diesbezüglich präzisierend äußern.

Darüber hinaus haben uns allerdings - denke ich - die letzten fünf Jahre erheblich (!) geprägt, in denen die Besoldungsgesetzgeber die Mindestalimentation ja regelmäßig nicht als solche betrachtet haben, sondern wie einer Art - wie soll man das bezeichnen (?) - "Höchstmindestalimentation", also nicht als die Grenze zur Unteralimentation, sondern als eine Art Pendant zu einer irgendwie hinsichtlich des Musterbeamten in die Höhe zu treibende zu gewährende Nettoalimentation. Dieses regelmäßige Vorgehen der 17 Besoldungsgesetzgeber hat uns alle jahraus, jahrein geprägt, sodass das - denke ich - bei uns allen eine maßgebliche Erkenntnis der aktuellen Entscheidung vom 4. Mai 2020 verschüttet hat, die ja zu einer Zeit ergangen ist, da den Beamten seit Jahr und Tag "Sonderopfer" auf "Sonderopfer" abverlangt worden war, während 2020 - Corona war in seinen Ausmaßen noch kaum abzusehen, als die Entscheidung weitgehend abgeschlossen sein durfte, der russische Angriffkrieg auf die Ukraine erst recht nicht - die Haushalte von Bund und Ländern andere war als heute.

Diese maßgebliche Erkenntnis lautet: 2020 hat das Bundesverfassungsgericht die Grundgehaltssätze in der Bundesrepublik als verfassungsrechtlich so gering angesehen, dass eine auf realitätsgerechter Basis bemessene Mindestalimentation zu diesen eklatanten Fehlbeträgen geführt hat, wie sie für Berlin galten: Aus dem Kopf geschrieben in Berlin zwischen 2009 und 2015 mit einem Nettofehlbetrag von über 60.000,- €.

Was wir uns also nicht vorstellen können, ist, dass das Bundesverfassungsgericht 2020 erlassen hat, dass in Bayern und damit auch im Bund die Grundgehälter in einem sehr Maße angehoben werden müssen, was dazu führen wird, dass Mecklenburg-Vorpommern weiterhin deutlich geringer alimentieren kann, aber - um konkurrenzfähig zu bleiben - sich veranlasst sehen dürfte, die eigene Grundbesoldung so anzuheben, dass sie zu einer erheblich oberhalb der Mindestalimentation liegenden Nettoalimentation führen sollte.

Ich gehe davon aus, dass diese meine Antwort hier einige nicht befriedigen wird. Eine andere liegt für mich allerdings nicht auf der Hand. Denn der Senat wird sich unter der Präsidentschaft von Andreas Voßkuhle viele Gedanken über die Maßstäbe seiner Rechtsprechung gemacht haben, bis er zu der Entscheidung vom 4. Mai 2020 gekommen sein wird.

@ BuBea

Ich verstehe noch nicht ganz, was Du meinst: Versuch das Problem noch einmal umzuformulieren, sodass ich es verstehe!

BuBea

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18455 am: 16.09.2025 22:11 »
Die im Rahmen der Beteiligung zugegangene Kritik dürfte oder müsste nach meinem Verständnis von den Gewerkschaften kommen. Sind diese aus Deiner Sicht so aufgestellt, dieser Aufgabe gerecht zu werden bei der Komplexität und Kreativität der Gesetzgeber und der unterschiedlichen Vorgehensweisen der Länder? Vom DRB haben wir ja vieles gesehen, von anderen weniger. Wenn ich mich richtig erinnere hatte doch auch der DRB das Musterklageverfahren ins Spiel gebracht, was ja etwas in den Hintergrund treten könnte, wenn zu den jeweiligen Gesetzgebungsverfahren fundierte Kritik angebracht würde.

Letzten Endes müsste das ja auf sehr engmaschig betreute Gesetzgebung hinaus laufen, wobei das BVerfG durch die nicht zulässige nachträgliche Heilung der Begründung den Druck sehr schön erhöht hat.