Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 7367612 times)

abi

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 9
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18420 am: 16.09.2025 09:16 »
Zum Thema Orts- und Familienzuschlägen hatte Swen auch schon mal hier etwas geschrieben:

1. https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,120049.msg348786.html#msg348786

2. https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,120049.msg348850.html#msg348850

Danke für das Heraussuchen, PolareuD. Hinsichtlich der Causa Taufkirchen hat der bayerische Gesetzgeber zwischenzeitlich die Rechtslage geändert, ohne damit jedoch das prinzipielle Problem aus der Welt zu schaffen, sodass sich auch für jene neue Rechtlage entsprechende Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG finden lassen, wie sie in den Links anhand von Taufkirchen prinzipiell dargestellt werden. Auch das geschieht in der genannten Studie, und zwar ebenfalls auch für NRW, das im Ortszuschlagswesen eine ähnliche Regelung wie Bayern fährt.

Beide Gesetzgeber orientieren sich an den Mietenstufen des Wohngeldsgesetzes, ohne jedoch die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend zur Kenntnis zu nehmen. Denn zwar hat der Senat die Mietenstufen des Wohngeldgesetzes als ein leicht zu handhabendes Kriterium bezeichnet; dabei ist allerdings ebenfalls der Satz vor dieser Aussage vom Gesetzgeber zur Kenntnis zu nehmen, nämlich der Hinweis darauf, dass eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung mit dem Alimentationsprinzip vereinbar ist, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt. Das limitiert die Möglichkeiten des Gesetzgebers, eine Anzahl von mehr als maximal zwei sachgerechten Stufen eines Ortszuschlags sowohl wegen der prinzipiellen Erwägungen erheblich, die in den beiden Links getätigt werden, als auch wegen der tatsächlichen Verhältnissen eines erheblich gespreizten Mietenmarkts bei gleichzeitiger örtlicher Nähe.

Die gesamte Passage lautet in der Rn. 61 der aktuellen Entscheidung mit Verweis auf die gestern genannte Entscheidung vom 6. März 2007:

"Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>). Mit den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, stünde ein leicht zu handhabendes Kriterium bereit."

Sowohl in Bayern als auch in NRW hat man den ersten Satz des Zitats geflissentlich überlesen und sich nur auf den zweiten kapriziert, was - wie gezeigt wird - verfassungsrechtlich nicht hinreicht. Beide Regelungen, wie sie die beiden Gesetzgeber vollzogen haben, sind evident sachwidrig.

Der Bund wendet doch das Prinzip des "Ortszuschlags" in Form der Auslandsbesoldung bereits an (§§ 52 ff. BBesG).
§ 53 (1) Satz 3 BBesG: Der Ermittlung des materiellen Mehraufwands und der dienstortbezogenen immateriellen Belastungen werden standardisierte Dienstortbewertungen im Verhältnis zum Sitz der Bundesregierung zugrunde gelegt.

Die Dienstortbewertungen werden einmal jährlich vorgenommen und spiegeln sich in der Auslandszuschlagsverordnung - AuslZuschlV, die im BGBl veröffentlicht wird. Die Höhe des Auslandszuschlags ist in der Anlage VI (zu § 53 Absatz 2 Satz 1 und 3 sowie Absatz 3 Satz 1 und 4) des BBesG festgelegt.

Hier ist jeweils der immaterielle und materielle Mehraufwand der verschiedenen Dienstorte eingepflegt.

Wäre dies nicht eine Systematik, die auch in der Inlandsbesoldung eingebracht werden kann? Hierbei wäre lediglich der materielle Mehraufwand (u.a. Mietbelastung, Kaufkraft) gegenüber z.B. Berlin (Hauptstadt) wiederkehrend festzustellen (z.B. in einer Verordnung), die Grunddaten sind sicherlich vorhanden und abrufbar (z.B. Sozialrecht - Mietenstufen Wohngeldgesetz). Die Vergleichsparameter der aA wären z.B. in der Begründungskette auf die Hauptstadt Berlin (Sitz der Bundesregierung) anzuwenden.

Mir sind bislang keine Verfassungsurteile bekannt, wonach die Parameter der Auslandsbesoldung kritisiert wurden.

Daher stellt sich mir die Frage, warum im Bezug zu einem Ortszuschlag neue Verfahren gefunden werden sollen, wo ein Blick im eigenen Bereich (Auslandsbesoldung) bereits Lösungsansätze bietet.
 

BWBoy

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 367
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18421 am: 16.09.2025 09:19 »
@Alexander, es ging mir nicht um die Bündelung, sondern wo sich die Wertigkeit der Gruppen im Vergleich zur Grundsicherung ansiedeln.  Es macht einen Unterschied ob A6 115% der Grundsicherung bezahlt wird oder A3. Wenn A3 115% bekommt, dann sind die Tätigkeiten von A6 eben mehr wert und die von A9 deutlich mehr und so weiter.

Durgi

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 47
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18422 am: 16.09.2025 09:30 »
Ein Bündelungsdp von A7->A8 oder A9->A10 kann ich ja noch mitgehen, aber A9->A11???

Auch wenn ich mich jetzt massiv unbeliebt mache, aber irgendwo muss man die Kirche doch mal im Dorf lassen.

Nun stell dir mal vor, der 56 Jaehrige S2Fw im Dienstgrad Stabsfeldwebel (A9) geht in den Ruhestand und sein Nachfolger ist ein 23 Jaehriger im Dienstgrad Feldwebel (A7). Das ist die Konsequenz der DP Buendelung.
Die DP Buendelung ist nur moeglich, da man keine unterschiedlichen Ausbildungshoehen fuer Dienstjahre in der Funktion hat. Die erforderliche Ausbildungshoehe hat er mit A7 und fachbezogenem Lehrgang erreicht und dann kann er 30 Jahre nur noch Erfahrung sammeln.

Knarfe1000

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 752
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18423 am: 16.09.2025 09:31 »
@Alexander: Also ich weiß nicht wie die Ämterbündelung bei Ihrer Dienststelle funktionierte, aber ich musste in Hessen als A9er die Arbeit eines A11er erledigen.
Ich denke, darum geht es dem DH im Wesentlichen. Nicht darum, den Beamten etwas Gutes zu tun.

Alexander79

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 424
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18424 am: 16.09.2025 09:32 »
@Alexander: Also ich weiß nicht wie die Ämterbündelung bei Ihrer Dienststelle funktionierte, aber ich musste in Hessen als A9er die Arbeit eines A11er erledigen.
Kommt bei uns auch vor.
Da macht regelmäßig ein A9 mD die Tätigkeit eines gD der einen gebündelten A9-A11 DP innehat.
Und nein, das ist kein persönlicher Frust, denn ich bin nur A8, mich betrifft das also nicht.
Meine Aussage war nur genereller Natur.

@Alexander, es ging mir nicht um die Bündelung, sondern wo sich die Wertigkeit der Gruppen im Vergleich zur Grundsicherung ansiedeln.  Es macht einen Unterschied ob A6 115% der Grundsicherung bezahlt wird oder A3. Wenn A3 115% bekommt, dann sind die Tätigkeiten von A6 eben mehr wert und die von A9 deutlich mehr und so weiter.
Die Intension habe ich schon verstanden. Geb ich dir ja auch grundsätzlich recht.
Meine Aussage bezog sich eher auf die generelle Aussage mit Wertigkeit der Ämter.

SwenTanortsch

  • Moderator
  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,716
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18425 am: 16.09.2025 09:39 »
So ist das Spielchen.

Das BVerfG hält sich an die Regeln und beachtet wie verfassungsrechtlich vorgesehen möglichst streng den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Nichtsdestotrotz stellt es für die Nutzung dieses weiten Gestaltungsspielraums mehr oder weniger klare Regeln und Anforderungen auf. Ich habe es bereits geschrieben, dass System liegt in weiten Teilen wie ein offenes Buch vor einem, man muss es nur lesen wollen.

Ich erinnere eine Regel aus dem Studium: Schauen Sie immer im Gesetz eine Seite davor und danach, lesen Sie mindestens immer den Satz vor und nach dem Satz, aus dem Sie Ihre Schlüsse ziehen wollen sowie den gesamten Absatz.

Für das was die Gesetzgeber hier tun, würde es mitnichten den kleinen Schein geben. Maximale Verdrehung von Wortlaut, Systematik und Sinnzusammenhang.

Das ist sehr schön zusammengefasst, GoodBye. Und neben der Seite davor und danach sowie dem Satz vor und nach dem Satz, aus dem man Schlüsse ziehen will, sowie den gesamten Absatz ist - das weißt Du, aber nicht jeder andere hier (das soll nicht als Zurechtweisung formuliert sein, sondern als ein wichtiger Hinweis, der einem das konkrete Verstehen einer jeweiligen Passage einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erleichtert) - immer auch der vom Bundesverfassungsgericht prinzipiell in Klammern gesetzte Verweis auf seine eigene Rechtsprechung aus der Vergangenheit heranzuziehen. Denn dann geht einem regelmäßig noch einmal viel mehr als nur ein Licht auf. In der aktuellen Entscheidung wird auf diese beiden Entscheidungen verwiesen

https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv117330.html
https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv107218.html


Liest man nach, was das Bundesverfassungsgericht in den von ihm angeführten Passagen in dem von mir angebrachten Zitat schreibt, wird noch einmal klarer, was dem Gesetzgeber erlaubt und was ihm nicht erlaubt ist.

Da die Juristen in den Dienstrechtsministerien diese Passagen ebenfalls lesen und also wissen, was Sache ist, daraufhin aber dennoch Regelungen wie die bayerische und nordrhein-westfälische Gesetzeskraft erlangen, sprichst Du zurecht von Verdrehung von Wortlaut, Systematik und Sinnzusammenhang. Das ist heute leider eher der Regel- als ein Ausnahmefall im Besoldungsrecht, weshalb ich vom Besoldungsrecht als eine schwärende Wunde des Verfassungsrechts sprechen. Das Bundesverfassungsgericht in seiner Gänze muss jedes Interesse daran haben, dass sie geschlossen wird, da schwärende Wunden bekanntlich die Angewohnheit haben, sich auszubreiten.

@ abi

De facto bis 1973, de jure bis 1994 hat es ab 1873 im Reich und später Bund zunächst einen Wohnungsgeldzuschuss, später (und von 1920 bis 1924 zwischenzeitlich) einen Ortszuschlag gegeben, der regelmäßig - was die Ortsklassen anbelangte - an den tatsächlichen Verhältnissen geprüft worden ist, wozu vom Reichs- und später Bundesgesetzgeber umfangreiche empirische Untersuchungen angestellt wurden. Die Tarifklassen waren darüber hinaus regelmäßig an die Höhe der gewährten (Grund-)Besoldung gekoppelt, also leistungsorientiert. Dagegen konnte es nach 1949 verfassungsrechtlich keine Bedenken geben, insbesondere weil der Bundesgesetzgeber das 1957 dreigeteilten Ortsklassensystem 1964 auf zwei Ortsklassen reduziert hat, um es 1973 in ein einklassiges System zu überführen, weshalb so dann de facto kein (besoldungsdifferenzierender) Ortszuschlag mehr gewährt worden ist. Der Bundesgesetzgeber hat 1964 und 1973 darauf reagiert, dass die tatsächlichen Verhältnisse sich zu jener Zeit, was die Lebenshaltungskosten in Stadt und Land anbelangte, zunehmend angeglichen haben. All das stand mit Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang.

Heute sind - wie oben dargelegt - die Mietkosten nicht nur zwischen Stadt und Land, sondern ebenso in enger lokaler Nähe zum Teil erheblich gespreizt, was die Möglichkeit der Besoldungsdifferenzierung anhand von (Orts-)Zuschlägen erheblich einengt, da auch weiterhin Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten ist. Das nimmt der Gesetzgeber in Bayern und NRW aber gar nicht zur Kenntnis, da er die tatsächlichen Verhältnisse nicht in den Blick nimmt, sondern ausgehend von der abstrakten Grenze zur Unteralimentation, die sachlich unmittelbar nichts mit einer amtsangemessenen Alimentation zu tun hat, irgendwelche monetären Abstufungen in einer viele Ortsklassen betrachtenden Systematik ins Blaue hinein vornimmt. Allein das ist bereits ein offensichtlich erheblicher Bruch mit den Traditionen des deutschen Ortszuschlagswesens, um nicht zu sagen, hier liegt eine erhebliche Verzeichnung dessen vor, was vom Besoldungsgesetzgeber zu erwarten wäre.

lotsch

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,082
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18426 am: 16.09.2025 09:50 »
Also angenommen A3 hätte 15% Abstand zur Grundsicherung haben müssen und der Gesetzgeber löst das so, dass er A3 bis A5 wegstreicht und erst A6 als neue niedrigste Besoldungsgruppe die 115% einhält. Dann wäre es quasi so, dass der A6 von der Wertigkeit her nun der ursprüngliche A3er wäre. Das heißt der A9er ist der neue A6er und der A12er der neue A9er.

Würde bedeuten, der gD macht nur noch Aufgaben de mD, der mD nur noch Aufgaben des eD usw. weil die eigentlichen Aufgaben dieser Gruppen dem Dienstherrn nicht mehr wert sind?

Irgendwie eine grausige Vorstellung diese Streichung von Eingangsämtern. Wertschätzung Fehlanzeige.

Es wäre ein Leichtes, die Besoldungstabelle fiktiv auf A 3 zurückzurechnen, und von dort aus mit dem Abstand von 115 % zu rechnen, aber fiktive Berechnungen nimmt der Dienstherr nur dann vor, wenn es zu seinem Nutzen ist.
Wann wurden eigentlich die Besoldungsgruppen A 2 und A 1 gestrichen und mit welchen Begründungen? Gab es damals auch Proteste oder Gerichtsentscheidungen dazu?

BEAliMenTER

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 29
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18427 am: 16.09.2025 10:51 »
Mal angenommen, es sollte zu einem Urteil kommen und man hätte dadurch Anspruch auf eine Nachzahlung aufgrund der jährlichen Widersprüche.

Wie verhält sich dies, wenn man bis dann nicht mehr in dem Beamtenverhältnis steht oder überhaupt nicht mehr verbeamtet ist?

Verliert man dann seinen Anspruch?



GoodBye

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 102
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18428 am: 16.09.2025 10:56 »
Ich wage fast zu behaupten, dass wir im Besoldungsrecht vergleichbar - und ich sage bewusst vergleichbar - eine Trennung bzw. Loslösung von Recht und Gerechtigkeit haben.

Vergleichbar sage ich, weil der Gesetzgeber wesentliche ungeschriebene verfassungsrechtliche Grundsätze - auch wenn er scheinbar darauf Bezug nimmt - außer Acht lässt und m.E. davon ausgeht, die Materie losgelöst nach eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen allein durch Gesetz unter Loslösung von diesen Grundsätzen regeln zu können.

Es mag zwar weit ausgeholt wirken, aber das geltende Besoldungsgesetz lässt mit seinen Regelungen, die z.B. eine Aushöhlung des Rechtsschutz oder entschädigungslose Eingriffe in das Eigentum, nichts anderes ist ein allenfalls zinslose Nachzahlung von Bezügen, vorsehen, wesentliche Gerechtigkeitsgedanken, die in allen anderen Bereichen gelten, vollkommen außer Acht.

Finanzer

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 768
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18429 am: 16.09.2025 11:09 »
Ich wage fast zu behaupten, dass wir im Besoldungsrecht vergleichbar - und ich sage bewusst vergleichbar - eine Trennung bzw. Loslösung von Recht und Gerechtigkeit haben.

Vergleichbar sage ich, weil der Gesetzgeber wesentliche ungeschriebene verfassungsrechtliche Grundsätze - auch wenn er scheinbar darauf Bezug nimmt - außer Acht lässt und m.E. davon ausgeht, die Materie losgelöst nach eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen allein durch Gesetz unter Loslösung von diesen Grundsätzen regeln zu können.

Es mag zwar weit ausgeholt wirken, aber das geltende Besoldungsgesetz lässt mit seinen Regelungen, die z.B. eine Aushöhlung des Rechtsschutz oder entschädigungslose Eingriffe in das Eigentum, nichts anderes ist ein allenfalls zinslose Nachzahlung von Bezügen, vorsehen, wesentliche Gerechtigkeitsgedanken, die in allen anderen Bereichen gelten, vollkommen außer Acht.

Guter und wichtiger Punkt. In Bayern und NRW kommt mir der Begriff der Scheinlegalität.

SwenTanortsch

  • Moderator
  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,716
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18430 am: 16.09.2025 11:39 »
Also angenommen A3 hätte 15% Abstand zur Grundsicherung haben müssen und der Gesetzgeber löst das so, dass er A3 bis A5 wegstreicht und erst A6 als neue niedrigste Besoldungsgruppe die 115% einhält. Dann wäre es quasi so, dass der A6 von der Wertigkeit her nun der ursprüngliche A3er wäre. Das heißt der A9er ist der neue A6er und der A12er der neue A9er.

Würde bedeuten, der gD macht nur noch Aufgaben de mD, der mD nur noch Aufgaben des eD usw. weil die eigentlichen Aufgaben dieser Gruppen dem Dienstherrn nicht mehr wert sind?

Irgendwie eine grausige Vorstellung diese Streichung von Eingangsämtern. Wertschätzung Fehlanzeige.

Es wäre ein Leichtes, die Besoldungstabelle fiktiv auf A 3 zurückzurechnen, und von dort aus mit dem Abstand von 115 % zu rechnen, aber fiktive Berechnungen nimmt der Dienstherr nur dann vor, wenn es zu seinem Nutzen ist.
Wann wurden eigentlich die Besoldungsgruppen A 2 und A 1 gestrichen und mit welchen Begründungen? Gab es damals auch Proteste oder Gerichtsentscheidungen dazu?

So wie die Geschichte der Besoldungsdifferenzierung in Deutschland, die 1873 mit einem Wohnungsgeldzuschuss beginnt, komplex ist, ist es die der Grundbesoldung nicht minder, lotsch. Nicht umsonst kannte das erste Reichsbesoldungsgesetz aus dem Jahr 1909 82 aufsteigende Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung I lit. A, 22 Besoldungsgruppen mit nicht aufsteigenden Einzelgehältern der Besoldungsordnung I lit. B, zehn Besoldungsgruppen des Auswärtigen Diensts der Besoldungsordnung II sowie Sonderbesoldungsordnungen und verschiedenen Untergruppen der Besoldungsordnungen III und IV, die alle zusammengenommen zu 180 Gehaltsklassen geführt haben, worin sich letztlich die Wilhelminische Klassengesellschaft widerspiegelte. Die beiden Reichsbesoldnungsgesetze der Weimarer Republik von 1920 und 1927 haben diese Anzahl zwar reduziert, jedoch kannten ebenfalls noch eine - für uns heute - erheblich komplexere Systematik. Das erste Bundesbesoldungsgesetz aus dem Jahr 1957 - bis dahin hatte das Besoldungsgesetz von 1927, teilweise modifiziert, fortgegolten - hat dann weitgehend die heutige des Systematik der Besoldungsordnung A eingeführt.

Die Besoldungsgruppe A 1 ist erst (wenn ich das richtig erinnere) 2003 aufgehoben worden, als die Besoldung noch bundeseinheitlich geregelt war. Mit der Reföderalisierung des Besoldungsrechts im Herbst 2006 sind Bund und alle Länder weiterhin in der Besoldungsgruppe A 2 in die Systematik eingestiegen. Thüringen hat zum Herbst 2008 als erstes Bundesland die Besoldungsgruppe A 3 zum Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung gewählt. Danach war die Büchse der Pandora geöffnet. So hat Thüringen bspw. zum Januar 2015 die Laufbahngruppe des einfachen Diensts abgeschafft und die davon unmittelbar betroffenen Beamten in die des mittleren Diensts überführt. Damit wurde die erste Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 6 zum Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung. Nach der Entscheidung vom 4. Mai 2020 ist dort 2021 nachträglich zum Januar 2020 die erste Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppen A 6 und A 7 gestrichen worden, was insbesondere mit dem Ziel der Einhaltung des Mindestabstandsgebots gerechtfertig worden ist. 2024 ist auch diese zweite Erfahrungsstufe in den Besoldungsgruppen A 6 bis A 10 gestrichen worden, sodass heute die dritte Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 6 den Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung bildet.

Am 31.12.2014 haben ein in der ersten Erfahrungsstufe A 3, ein in der dritten und vierten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe 6 besoldeter Beamter ein Grundgehalt von 1.924,40 €, 2.145,58 (Abstand zum Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung: + 11,5 %) und  2.204,62 (+ 14,6 %) erhalten. Heute beträgt der Abstand zum Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung für den in der vierten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe 6 besoldeten Beamten mit einem Grundgehaltssatz von 2.962,12 € gegenüber den 2.885,36 € in A 6/3 noch 2,7 %. Für den vormaligen Beamte, der in der am 31.12.2014 in der Besoldungsgruppe A 3/1 eingruppiert worden war, hat die Anhebung in die Besoldungsgruppe A 6/1 zum Januar 2015 eine erhebliche Aufbesserung seines Grundgehalts mit sich gebracht, ohne dass sich seine Leistungsfähigkeit in diesem Zeitraum (von einem Tag) nachweislich erhöht hätte. Damit aber ist eine offensichtlich erhebliche Besserstellung durch Gleichstellung mit der Besoldung vormals höherwertiger Ämter vollzogen worden, was offensichtlich hinsichtlich Art. 3 Abs. 1 GG hinterfragt werden kann.

Auch darin spiegelt sich genau das wider, GoodBye, was Du gerade geschrieben hast, nämlich dass "der Gesetzgeber wesentliche ungeschriebene verfassungsrechtliche Grundsätze - auch wenn er scheinbar darauf Bezug nimmt - außer Acht lässt und m.E. davon ausgeht, die Materie losgelöst nach eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen allein durch Gesetz unter Loslösung von diesen Grundsätzen regeln zu können".

Wir müssen davon ausgehen, dass der Zweite Senat in seinen angekündigten Entscheidungen Maßnahmen findet, die solcherart "Freihändigkeit" zukünftig hinlänglich unterbinden. Denn tut er das nicht, wird's auch danach fröhlich so weiteregehen als wie zuvor.

BVerfGBeliever

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 767
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18431 am: 16.09.2025 12:16 »
Ähnlich in Baden-Württemberg:

- Im Nov. 2022 bekam der kleinste A-Beamte (damals A5/1) mit 2 Kindern 2.826,10 Euro (2.401,51 € plus 424,59 €).
- Ab Dez. 2022 bekam er (als frisch "gebackener" A7/1) dann plötzlich 3.705,68 Euro (2.769,20 € plus 936,48 €).
- Sein Gehalt wurde also "über Nacht" um 31,1% erhöht.

- Im Nov. 2022 bekam der größte A-Beamte (A16/12) mit 2 Kindern 8.314,38 Euro (7.889,79 € plus 424,59 €).
- Ab Dez. 2022 bekam er (als neuer A16/10) dann ein Gehalt von 8.547,18 Euro (8.110,70 € plus 436,48 €).
- Sein Gehalt wurde also "über Nacht" um 2,8% erhöht.


Wie war das gleich nochmal mit dem (Binnen)Abstandsgebot..?

Knarfe1000

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 752
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18432 am: 16.09.2025 12:28 »
Für mich würde es an ein Wunder grenzen, wenn es - von den 5,8 % Tarifergebnis abgesehen - eine deutliche, darüber hinaus gehende Erhöhung gäbe. Es wird etwas passieren, das dürfte klar sein. Aber mehr als 10 % erwarte ich keinesfalls. Sollte ich mich irren, wäre das ein Freudentag.

Rückwirkende Nachzahlungen sind auch eher unwahrscheinlich. Vielleicht für 1 - 2 Jahre, wenn überhaupt.

Hugo

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 126
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18433 am: 16.09.2025 12:32 »
Ähnlich in Baden-Württemberg:

- Im Nov. 2022 bekam der kleinste A-Beamte (damals A5/1) mit 2 Kindern 2.826,10 Euro (2.401,51 € plus 424,59 €).
- Ab Dez. 2022 bekam er (als frisch "gebackener" A7/1) dann plötzlich 3.705,68 Euro (2.769,20 € plus 936,48 €).
- Sein Gehalt wurde also "über Nacht" um 31,1% erhöht.

- Im Nov. 2022 bekam der größte A-Beamte (A16/12) mit 2 Kindern 8.314,38 Euro (7.889,79 € plus 424,59 €).
- Ab Dez. 2022 bekam er (als neuer A16/10) dann ein Gehalt von 8.547,18 Euro (8.110,70 € plus 436,48 €).
- Sein Gehalt wurde also "über Nacht" um 2,8% erhöht.


Wie war das gleich nochmal mit dem (Binnen)Abstandsgebot..?

Das diskutieren wir auch öfter mal unter Kollegen. Die meisten sind der Meinung, dass man beim Vergleich zwischen den Besoldungsgruppen nicht auf die Zuschläge schauen darf. Der DH alimentiert seinen Beamten UND seine Familie. Das sind zwei Paar Schuhe. Irgendwann enden die Zuschläge ja auch. Was ich aber nicht verstehe ist, dass man ab A9 in Elternzeit nur einen Zuschuss zur PKV bekommt und alles unter A9 den Basis PKV Beitrag inkl. Pflegeanteil erstattet bekommt. Oder dass in Niedersachen bis A8 100 Euro mehr pro Kind bezahlt wird.
Achtung: Das ist spiegelt nur die Meinung, nicht die rechtliche Einschätzung, wider.