Wie geht es eigentlich in den Fällen weiter, in denen ein Gericht aufgrund Art. 100 GG die Entscheidung des BVerfG eingeholt hat und das BVerfG Teile des Gesetzes für Verfassungswidrig hält?
Wird hier das Gericht dann unter Beachtung des Beschlusses des BVerfG ein Urteil fällen, das einen konkreten Betrag in diesem Einzelfall beinhaltet?
Genauso ist es, Rheini: Das Fachgericht hat, da es für seine Entscheidung erheblich ist, ob die gesetzliche Regelung verfassungskonform oder verfassungswidrig ist, jene Entscheidung ausgesetzt und darüber hinaus eine Richtervorlage formuliert, in es den Nachweis führt, dass der Schluss, zu dem es bis hierhin gekommen ist, sei, dass die vom Kläger angegriffene gesetzliche Regelung evident sachwidrig sei. Um diesen Nachweis zu führen, sieht sich das Fachgericht veranlasst, die zur Klärung der Rechtfrage ergangene Judikatur des Bundesverfassungsgerichts hinreichend anzuführen und anzuwenden, dabei ebenso die Rechtsprechung der Fachgerichtsbarkeit hinreichend im Blick zu behalten und auch die ggf. zur Klärung der Sachfrage formulierte grundsätzliche Fachliteratur hinzuzuziehen.
Folgt nun der Senat der Vorlage, sieht sich das Fachgericht veranlasst, das ausgesetzte Verfahren wieder aufzunehmen und auf dieser Grundlage Recht zu sprechen, da es sich nun an die mit Gesetzeskraft erlassene Entscheidung und nicht an die vom Bundesverfassungsgericht verworfene Regelung gebunden sieht. Verwirft der Senat die Vorlage, sieht sich das Fachgericht nicht minder veranlasst, das ausgesetzte Verfahren wieder aufzunehmen und nun weiterhin auf Grundlage der nach wie vor bestehenden gesetzlichen Grundlage Recht zu sprechen. Im ersten Fall wird es also regelmäßig dem Kläger Recht geben, im zweiten hingegen regelmäßig dem Beklagten.
Zur Diskussion über die Höhe der Mehrkosten, die durch eine amtsangemessene Alimentation entstehen würden, ist hier ab der S. 58 eine mögliche Methode für einen groben Überschlag am Beispiel Niedersachsen für das Jahr 2022 erstellt worden, die ähnlich auch für den Bund möglich sein sollte, da der Bund sich ja ebenfalls regelmäßig im Gesetzgebungsverfahren dazu veranlasst sieht, die Kosten, die mit einer Anpassung der Besoldung verbunden sind, aufzuführen, was in der Regel zu Beginn der Begründung geschieht.
https://www.gew-nds.de/fileadmin/media/sonstige_downloads/nds/Rechtsinformationen/Stellungnahme-zu-Nds.-Drs.-18-11498--003-.pdfDass sich der Bundesbesoldungsgesetzgeber nach Möglichkeit auch weiterhin mit nicht hinreichend sachgerechten Entscheidungen wird davon entheben wollen, zu einer sachgerechten Alimentation seiner Beamten zurückzukehren, dürfte in Anbetracht der damit verbundenen Kosten und der Haushaltslage nicht gänzlich unwahrscheinlich sein. Auch deshalb - so könnte man vermuten - wird schon seit geraumer Zeit versucht, das Bild der Beamtenschaft in der Bevölkerung entsprechend vorzubereiten, da es erstaunlich wäre, wenn bspw. Spitzenpolitiker von SPD und Union nicht hinreichend darüber informiert seien, dass der sachliche Unsinn, den sie in letzter Zeit von sich gegeben haben, sachlicher Unsinn gewesen ist. Das Geplappere aus SPD- und Unionskreisen würde ich auch als eine Art Vorwärtsverteidigung lesen, da ja zu erwarten ist, dass nach den angekündigten Entscheidungen des Senats recht schnell der Kampf um die Deutungshoheit einsetzen wird.
Was dabei - denke ich - weiterhin konsequent ausgeblendet wird, ist auch hier - unabhängig von den verfassungsrechtlichen Forderungen, die sich ihnen stellen - ein hinreichender Realitätssinn, der sich allein an folgendem Faktum zeigt, das ich vor mehreren Jahren hier oder im Nachbarforum bereits - so erinnere ich das zumindest - tiefgehender entfaltet habe:
Hätte man als die 17 Besoldungsgesetzgeber 2012 die noch gar nicht zur Beamtenbesoldung ergangene Entscheidung hinreichend in den Blick genommen und also umgehend zweierlei gemacht, erstens sich darum gekümmert, die Professorenbesoldung materiell-rechtlich auf wieder hinreichende Beine zu stellen (was haushaltsrechtlich Mehrkosten verursacht hätte, die überschaubar geblieben wären) und gleichzeitig ebenfalls die prozeduralen Pflichten so hinreichend in den Blick zu nehmen, wie das nach dieser Entscheidung von den Besoldungsgesetzgebern zu verlangen war - also insbesondere auch seinen Prüfpflichten ernsthaft nachzukommen -, um also ggf. die Grundgehaltssätze auch der Richter- und Beamtengehälter um wenige Prozentpunkte anzuheben, dann hätte sich der Senat mit einiger Wahrscheinlichkeit eventuell gar nicht erst veranlasst gesehen, sein 2015 entwickeltes "Pflichtenheft" zu erstellen, in das offensichtlich viel Arbeit, Zeit und Beratungsaufwand geflossen sein muss, die der Senat sicherlich - er befindet sich seit jeher in regelmäßiger Zeitnot - gerne in andere Themen investiert hätte.
Hätte man als die 17 Besoldungsgesetzgeber nach 2015 jenes "Pflichtenheft" sachgerecht zur Kenntnis genommen und wäre zugleich im Sinne der einen treffenden prozeduralen Anforderungen den eigenen Begründungspflichten hinreichend nachgekommen, um also insbesondere weiterhin zu dem auch damals schon offensichtlichen Schluss zu kommen, dass man es spätestens ab 2007 offensichtlich mit den regelmäßigen Einsparungen zulasten der Bediensteten übertrieben hatte, um nun die Grundgehaltssätze um einige Prozent anzuheben und so insbesondere die ersten drei Parameter der ersten Prüfungsstufe einigermaßen zu erfüllen, und hätte man zugleich nicht gerade auch die höheren Besoldungsgruppen wiederkehrend nachteilig behandelt - eine nicht erst seitdem währende Tradition -, der Senat hätte sich mit einiger Wahrscheinlichkeit 2017 nicht veranlasst gesehen, das Abstansgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen als hergebrachten Grundsatz betrachten zu müssen.
Hätte man als die 17 Besoldungsgesetzgeber nach 2017 jenes Abstandsgebot, das "Pflichtenheft" und die einen weiterhin treffenden besonderen Begrünsdungspflichten endlich zum Anlass genommen, um sich tatsächlich ernsthaft mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht auseinanderzusetzen, um nun nicht nur in den unteren Besoldungsgruppen die Grundgehaltssätze um einige Prozentpunkte anzuheben und in den gehobenen und höheren diese nur um noch einmal einige mehr, dann hätte sich der Senat ggf. 2018 nicht veranlasst gesehen, die den Besoldungsgesetzgeber treffenden prozeduralen Anforderungen nicht noch einmal empfindlich zu präzisieren.
Spätestens jetzt wäre der Zeitpunkt gewesen, um zu verstehen, dass sich hier eine Zeitenwende vollzog und dass es eher unwahrshceinlich sein durfte, dass der Senat von seiner neueren Rechtsprechung wieder ablassen würde. Dahingegen hat sich auch in den Gesetzgebungsverfahren zur Übertragung des Tarifergebnisses 2019/20/21 kein Besoldungsgesetzgeber trotz der offensichtlich damals - Ende der 2010er Jahre - leistungsfähigen Haushaltslage veranlasst gesehen, die neuere Rechtsprechung des Senats hinreichend ernstzunehmen.
Die weitere Geschichte ist bekannt, also was 2020 durch die Konkretisierung des Mindestabstandsgebot geschehen ist und wie die Besoldungsgesetzgeber darauf konzertiert reagiert haben. Dass der Senat nun im direkten Gefolge einer "Pilotentscheidung" - das war die 2020er Entscheidung - sogleich die nächste "Pilotentscheidung" fällt, ist dabei höchst ungewöhnlich. Dabei muss das Bundesverfassungsgericht als Ganzes nun ein hohes Interesse haben, das seine betreffende Rechtsprechung wieder respektiert werden wird, weil sonst ein Autoritätsverlust im In- und Ausland droht, der ggf. nicht mehr zu reparieren wäre.
Der langen Rede kurzer Sinn: Mit jeder seit 2012 vollzogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatten die Besoldungsgesetzgeber eine Exitmöglichkeit, wobei diese mit jeder weiteren Entscheidung nur immer teurer geworden ist. Es wäre erstaunlich, wenn sich das nun ändern würde, nicht zuletzt, weil ja in den letzten fünf Jahren trotz der neueren Rechtsprechung des Senats den Richtern und Beamten "Sonderopfer" abverlangt worden sind, die eine Maßlosigkeit zeigen, dass damit über kurz oder lang der öffentliche Dienst endgültig an die Wand gefahren wird, weil er personell ausblutet.
Ergo: Ich gebe nicht viel auf die Rationalität der 17 Besoldungsgesetzgeber, da davon seit Jaht und Tag nichts zu erkennen wäre. Ob am Ende die Medien in der Lage sein werden, das Thema im Gesamtrahmen hinreichend zu überblicken, wird sich zeigen müssen. Dass große Teile der Bevölkerung mit einiger Wahrscheinlichkeit ein festgefügtes Weltbild haben dürften, dass sich kaum so ohne Weiteres ändern dürfte ist ebenfalls in Rechnung zu stellen.
Und doch sieht sich der Senat nun in der Pflicht und verbindet sich das mit den Interessen des Bundesverfassungsgerichts als Ganzes, dem weitgehend zuschande getragenem Alimentationsprinzip wieder Geltung zu verschaffen. Es muss nun beweisen, dass es dem Tiger Alimentationsprinzip "Zähne eingezogen" hat. Und das wird nur geschehen, wenn nun zunächst eine hinreichend deutliche "Pilotentscheidung" erfolgt und danach die über 70 Richtervorlagen aus 13 Rechtskreisen sowie die zu erwartenden weiteren Vorlagen der nächsten Jahre systematisch und deutlich schneller als in den letzten fünf Jahren abgearbeitet werden. Dazu habe ich ja unlängst wiederkehrend schon geschrieben.