Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 8524310 times)

Soldat1980

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20370 am: 04.11.2025 09:58 »
Beginnt nun ein Wettlauf der Gerichte, oder wie muss man das verstehen? Schon merkwürdig, dass ausgerechnet nun, kurz vor der angekündigten besser gesagt bisher nur unverbindlich in Aussicht genommenen Entscheidung des BVerfG die unteren Instanzen die Geduld verlieren (aber durchaus zurecht!)
https://www.thueringer-beamtenbund.de/aktuelles/news/werden-thueringer-beamte-dem-amte-nach-angemessen-besoldet/

Ich verstehe es hinten und vorne nicht (hatte ich gestern ja auch schon im Länder-Thread erwähnt), man möge mich gerne korrigieren:

Seit Jahren gibt es immer wieder an irgendwelchen Verwaltungsgerichten irgendwelche Verfahren zu Besoldungsfragen. Und jedes Mal, wenn das entsprechende Gericht den Argumenten der Kläger folgt (was natürlich in jedem einzelnen Fall erfreulich ist), wird das entsprechende Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.

Somit ist mir ein Rätsel, wie und warum jetzt plötzlich der Ausgang einzelner Verwaltungsgerichtsverhandlungen eine "Signalwirkung" entfalten sollen. Aus meiner Sicht sollte doch nur relevant sein, was im Anschluss das BVerfG zu den jeweils aufgeworfenen Fragen sagt. Möglicherweise erfolgt dann im Nachgang die konkrete Umsetzung durch die jeweiligen Verwaltungsgerichte (bezüglich der genauen Verfahrenswege kenne ich mich nicht aus), aber die wirkliche "Musik" sollte doch immer und ausschließlich aus Karlsruhe kommen. Oder habe ich da irgendetwas falsch verstanden?

Ich sehe das ähnlich. Eigentlich läuft es doch seit Jahren immer nach demselben Muster. Ein Beamter klagt, das Verwaltungsgericht schaut sich das an, kommt oftmals zum Ergebnis „wahrscheinlich verfassungswidrig“, und legt dann nach Art. 100 GG ans BVerfG vor. Wirklich entscheidend ist also am Ende nur, was aus Karlsruhe kommt. Alles davor ist eher Vorbereitung bzw. Durchlauferhitzer.

Dass jetzt auf VG-Ebene plötzlich so „viele“ Entscheidungen kommen, hat für mich weniger damit zu tun, dass die unteren Instanzen loslaufen wollen, sondern eher damit, dass ihnen schlicht die Geduld ausgeht. Das Thema schleppt sich seit Jahren, die Länder basteln immer neue Modelle (exorbitant erhöhter Familienzuschlag, Ergänzungszuschlag, Partnereinkommen usw.), und jedes Mal stellt sich wieder die Frage, ob das noch verfassungskonform ist. Also müssen die Gerichte zwangsläufig wieder prüfen und erneut vorlegen. Rechtlich ändert das aber nichts daran, dass nur Karlsruhe bindend entscheiden kann.

Die sogenannte „Signalwirkung“ ist deshalb aus meiner Sicht in erster Linie politisch. Wenn mehrere VG/OVG in dieselbe Richtung zeigen, erhöht das den Druck auf die Länder, nicht erst auf ein höchstrichterliches Urteil zu warten, sondern selbst aktiv zu werden. Verfassungsrechtlich zwingend ist das allerdings nicht, entscheidend ist allein, was das BVerfG irgendwann feststellt.

Was die geplanten mündlichen Verhandlungen am 11.11.2025 angeht (falls das tatsächlich so stattfinden soll), das wirkt für mich so, als ob die Gerichte die Vorlage nicht weiter aufschieben wollen. Vielleicht haben sie den Eindruck, dass das BVerfG sich auf absehbare Zeit nicht zu einer Grundsatzentscheidung durchringen wird, oder sie wollen einfach den nächsten formalen Schritt gehen, um die Akten möglichst bald wieder nach Karlsruhe zu schicken. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass die Länder inzwischen sehr unterschiedliche Besoldungskonstruktionen eingeführt haben und die Gerichte jedes neue Modell wieder einzeln prüfen müssen. Da bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als zu verhandeln.

Die Musik spielt tatsächlich in Karlsruhe. Was wir derzeit sehen, ist eher ein Zeichen dafür, dass die Instanzgerichte die Geduld verlieren und den Druck erhöhen, damit endlich Klarheit geschaffen wird. So meine Vermutung.

Rheini

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matthew1312

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20372 am: 04.11.2025 10:11 »
Beginnt nun ein Wettlauf der Gerichte, oder wie muss man das verstehen? Schon merkwürdig, dass ausgerechnet nun, kurz vor der angekündigten besser gesagt bisher nur unverbindlich in Aussicht genommenen Entscheidung des BVerfG die unteren Instanzen die Geduld verlieren (aber durchaus zurecht!)
https://www.thueringer-beamtenbund.de/aktuelles/news/werden-thueringer-beamte-dem-amte-nach-angemessen-besoldet/

Ich verstehe es hinten und vorne nicht (hatte ich gestern ja auch schon im Länder-Thread erwähnt), man möge mich gerne korrigieren:

Seit Jahren gibt es immer wieder an irgendwelchen Verwaltungsgerichten irgendwelche Verfahren zu Besoldungsfragen. Und jedes Mal, wenn das entsprechende Gericht den Argumenten der Kläger folgt (was natürlich in jedem einzelnen Fall erfreulich ist), wird das entsprechende Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.

Somit ist mir ein Rätsel, wie und warum jetzt plötzlich der Ausgang einzelner Verwaltungsgerichtsverhandlungen eine "Signalwirkung" entfalten sollen. Aus meiner Sicht sollte doch nur relevant sein, was im Anschluss das BVerfG zu den jeweils aufgeworfenen Fragen sagt. Möglicherweise erfolgt dann im Nachgang die konkrete Umsetzung durch die jeweiligen Verwaltungsgerichte (bezüglich der genauen Verfahrenswege kenne ich mich nicht aus), aber die wirkliche "Musik" sollte doch immer und ausschließlich aus Karlsruhe kommen. Oder habe ich da irgendetwas falsch verstanden?

Ich sehe das ähnlich. Eigentlich läuft es doch seit Jahren immer nach demselben Muster. Ein Beamter klagt, das Verwaltungsgericht schaut sich das an, kommt oftmals zum Ergebnis „wahrscheinlich verfassungswidrig“, und legt dann nach Art. 100 GG ans BVerfG vor. Wirklich entscheidend ist also am Ende nur, was aus Karlsruhe kommt. Alles davor ist eher Vorbereitung bzw. Durchlauferhitzer.

Dass jetzt auf VG-Ebene plötzlich so „viele“ Entscheidungen kommen, hat für mich weniger damit zu tun, dass die unteren Instanzen loslaufen wollen, sondern eher damit, dass ihnen schlicht die Geduld ausgeht. Das Thema schleppt sich seit Jahren, die Länder basteln immer neue Modelle (exorbitant erhöhter Familienzuschlag, Ergänzungszuschlag, Partnereinkommen usw.), und jedes Mal stellt sich wieder die Frage, ob das noch verfassungskonform ist. Also müssen die Gerichte zwangsläufig wieder prüfen und erneut vorlegen. Rechtlich ändert das aber nichts daran, dass nur Karlsruhe bindend entscheiden kann.

Die sogenannte „Signalwirkung“ ist deshalb aus meiner Sicht in erster Linie politisch. Wenn mehrere VG/OVG in dieselbe Richtung zeigen, erhöht das den Druck auf die Länder, nicht erst auf ein höchstrichterliches Urteil zu warten, sondern selbst aktiv zu werden. Verfassungsrechtlich zwingend ist das allerdings nicht, entscheidend ist allein, was das BVerfG irgendwann feststellt.

Was die geplanten mündlichen Verhandlungen am 11.11.2025 angeht (falls das tatsächlich so stattfinden soll), das wirkt für mich so, als ob die Gerichte die Vorlage nicht weiter aufschieben wollen. Vielleicht haben sie den Eindruck, dass das BVerfG sich auf absehbare Zeit nicht zu einer Grundsatzentscheidung durchringen wird, oder sie wollen einfach den nächsten formalen Schritt gehen, um die Akten möglichst bald wieder nach Karlsruhe zu schicken. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass die Länder inzwischen sehr unterschiedliche Besoldungskonstruktionen eingeführt haben und die Gerichte jedes neue Modell wieder einzeln prüfen müssen. Da bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als zu verhandeln.

Die Musik spielt tatsächlich in Karlsruhe. Was wir derzeit sehen, ist eher ein Zeichen dafür, dass die Instanzgerichte die Geduld verlieren und den Druck erhöhen, damit endlich Klarheit geschaffen wird. So meine Vermutung.
Wo kein Kläger, da kein Richter.

Es sind doch die Bediensteten, denen die Geduld ausgeht; die die Schnauze voll haben. Immer mehr Leute zweigen Teile ihrer Erbschaft ab und investieren das in Klagen auf höhere Besoldung.

Aus Spaß macht das niemand. Kostenrisiko und Vorstrecken der Gerichtskosten.

Das Maß ist überschritten, die Schmerzgrenze ist erreicht. Respekt vorm Dienstherrn ist doch auch verloren gegangen. Es gibt wechselseitig, um es mal mit einem Anglizismus zu formulieren, "contenpt".

Es reicht. Rückt den verdammten Entwurf raus. Oder reichen dafür die IT-Skills nicht? Würde mich nicht wundern.

Rentenonkel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20373 am: 04.11.2025 10:25 »
Beim Beamten gibt es dieses Interesse nicht...der muss nicht marschieren, nicht schiessen, nicht in Gefechtslagen funktionieren.
Deshalb ist es voellig logisch, dass der Soldat im aktiven Dienst scheinbar mehr Netto hat: Der Staat zahlt hier nicht mehr, sondern anders weil er selbst dafuer sorgen muss, dass der Laden im Krieg laeuft.

Im Kern:
Die UTV wird niemals (!) Teil einer etwaigen aA Abwaegung/Entscheidung werden, war es nie und wird es nie.

Ich verstehe, was Du meinst Durgi. Die truppenärztliche Versorgung schränkt ein Grundrecht auf freie Arztwahl ein. Eine Einschränkung der Grundrechte ist jedoch Teil der besonderen Dienst- und Treuepflichten der Beamten und Soldaten.

Mir geht es jedoch um die Frage der Mindestalimentation, so wie sie das BVerfG versteht, und den Unterschied zwischen einem Beamten mit Beihilfeanspruch und einem Beamten / Soldaten, der eine kostenfreie Heilfürsorge genießt.

Die Mindestalimentation wird seitens des BVerfG anhand eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern ermittelt, der sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe befindet. Sie muss 15 % oberhalb der Grundsicherung liegen, und nicht nach der bislang nicht nur vom Land Berlin, sondern auch vom Bund und allen anderen Ländern identisch oder in weitgehend identischer Form angestellten Berechnung anhand des Existenminmumberichts betragen.

Das Grundsicherungsniveau wurde seitens des BVerfG auf die monatliche Summe von rund 2.400,- € bzw. jährliche Summe von 28.820,- € beziffert (ebd., Rn. 146) Dieser Wert liegt deutlich über der Summe des Existenzminimums des Berichtes (1974 EUR). Daraus resultierte für die Mindestalimentation unter Beachtung der 15%igen Vergleichsschwelle eine Summe von rund 33.143,- €, die ein Beamter als Mindestalimentation haben muss.

Da das BVerfG eine Nettoalimentation (nach Abzug der notwendigen Beiträge KV und PV) eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A im Jahr 2014 von monatlich rund 1.974,- € und also jährlich rund 23.688,- € festgestellt hat, wurde die Mindestalimentation im Land Berlin in jenem Jahr um rund 9.455,- € unterschritten.

Das BVerfG hat, um auf den Betrag von 1974,- EUR zu kommen, den Auszahlungsbetrag des kleinsten Beamten um einen durchschnittlichen Beitrag von 230 EUR pro Monat für seine Kosten der KV und PV bereinigt.

Bei einem Soldaten oder anderen Beamten mit einer kostenfreien Heilfürsorge wäre das jedoch nicht sachgerecht., da er diese Beiträge nicht hat und somit wäre die Deckungslücke zur Mindestalimentation in diesem Falle "nur" noch bei 6695,- EUR.

Somit wäre es zumindest aus juristischer Sicht zunächst möglich, die Bezüge von Soldaten in Berlin um "nur" 6695 EUR anzuheben, um zumindest die Hürde der Mindestalimentation zu nehmen, während man bei allen anderen Beamten, die keine kostenfreie Heilfürsorge haben und im Durchschnitt 230 EUR Beitrag zahlen müssen, mindestens 9455 EUR anheben müsste.

Ob es wahrscheinlich ist, dass es eine unterschiedliche Besoldung von Soldaten und andern Beamten geben wird, ob es politisch klug ist, das zu tun, ob es aus Gründen der Probleme der Bundeswehr mit der Nachwuchsgewinnung ein taktisch kluges Signal wäre, all das sind dann Argumente, die der Gesetzgeber abwägen müsste um zu einem Ergebnis zu kommen. Natürlich darf er auch die Besoldung für Soldaten um mindestens 9455 EUR anheben, er muss es aber nicht.

Dass es andere als juristische Gründe gibt, es nicht zu tun, verstehe ich absolut. Und das eine solche Unterscheidung nicht gerade zu Freudensprüngen bei den Soldaten führen würde, verstehe ich auch.

Das ändert meiner Meinung nach aber nichts an der Rechtslage.

Ich sage jedenfalls nicht, dass es so kommt. Ich sage nur, es wäre juristisch möglich und der Gesetzgeber kann, so er denn Geld sparen muss, diese Karte ziehen. Nicht alles, was juristisch möglich ist, wird allerdings auch irgendwann politisch umgesetzt.

Schlüüü

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20374 am: 04.11.2025 10:37 »
@Rentenonkel
Bei einem A9, der Alleinverdiener die Frau krankenversichern muss kommen im Monat über 300€, für die Anwartschaft 80€ zusammen.
sind Im Jahr auch an die 5000€

Durgi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20375 am: 04.11.2025 10:53 »
Beim Beamten gibt es dieses Interesse nicht...der muss nicht marschieren, nicht schiessen, nicht in Gefechtslagen funktionieren.
Deshalb ist es voellig logisch, dass der Soldat im aktiven Dienst scheinbar mehr Netto hat: Der Staat zahlt hier nicht mehr, sondern anders weil er selbst dafuer sorgen muss, dass der Laden im Krieg laeuft.

Im Kern:
Die UTV wird niemals (!) Teil einer etwaigen aA Abwaegung/Entscheidung werden, war es nie und wird es nie.

Ich verstehe, was Du meinst Durgi. Die truppenärztliche Versorgung schränkt ein Grundrecht auf freie Arztwahl ein. Eine Einschränkung der Grundrechte ist jedoch Teil der besonderen Dienst- und Treuepflichten der Beamten und Soldaten.

Mir geht es jedoch um die Frage der Mindestalimentation, so wie sie das BVerfG versteht, und den Unterschied zwischen einem Beamten mit Beihilfeanspruch und einem Beamten / Soldaten, der eine kostenfreie Heilfürsorge genießt.

Die Mindestalimentation wird seitens des BVerfG anhand eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern ermittelt, der sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe befindet. Sie muss 15 % oberhalb der Grundsicherung liegen, und nicht nach der bislang nicht nur vom Land Berlin, sondern auch vom Bund und allen anderen Ländern identisch oder in weitgehend identischer Form angestellten Berechnung anhand des Existenminmumberichts betragen.

Das Grundsicherungsniveau wurde seitens des BVerfG auf die monatliche Summe von rund 2.400,- € bzw. jährliche Summe von 28.820,- € beziffert (ebd., Rn. 146) Dieser Wert liegt deutlich über der Summe des Existenzminimums des Berichtes (1974 EUR). Daraus resultierte für die Mindestalimentation unter Beachtung der 15%igen Vergleichsschwelle eine Summe von rund 33.143,- €, die ein Beamter als Mindestalimentation haben muss.

Da das BVerfG eine Nettoalimentation (nach Abzug der notwendigen Beiträge KV und PV) eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A im Jahr 2014 von monatlich rund 1.974,- € und also jährlich rund 23.688,- € festgestellt hat, wurde die Mindestalimentation im Land Berlin in jenem Jahr um rund 9.455,- € unterschritten.

Das BVerfG hat, um auf den Betrag von 1974,- EUR zu kommen, den Auszahlungsbetrag des kleinsten Beamten um einen durchschnittlichen Beitrag von 230 EUR pro Monat für seine Kosten der KV und PV bereinigt.

Bei einem Soldaten oder anderen Beamten mit einer kostenfreien Heilfürsorge wäre das jedoch nicht sachgerecht., da er diese Beiträge nicht hat und somit wäre die Deckungslücke zur Mindestalimentation in diesem Falle "nur" noch bei 6695,- EUR.

Somit wäre es zumindest aus juristischer Sicht zunächst möglich, die Bezüge von Soldaten in Berlin um "nur" 6695 EUR anzuheben, um zumindest die Hürde der Mindestalimentation zu nehmen, während man bei allen anderen Beamten, die keine kostenfreie Heilfürsorge haben und im Durchschnitt 230 EUR Beitrag zahlen müssen, mindestens 9455 EUR anheben müsste.

Ob es wahrscheinlich ist, dass es eine unterschiedliche Besoldung von Soldaten und andern Beamten geben wird, ob es politisch klug ist, das zu tun, ob es aus Gründen der Probleme der Bundeswehr mit der Nachwuchsgewinnung ein taktisch kluges Signal wäre, all das sind dann Argumente, die der Gesetzgeber abwägen müsste um zu einem Ergebnis zu kommen. Natürlich darf er auch die Besoldung für Soldaten um mindestens 9455 EUR anheben, er muss es aber nicht.

Dass es andere als juristische Gründe gibt, es nicht zu tun, verstehe ich absolut. Und das eine solche Unterscheidung nicht gerade zu Freudensprüngen bei den Soldaten führen würde, verstehe ich auch.

Das ändert meiner Meinung nach aber nichts an der Rechtslage.

Ich sage jedenfalls nicht, dass es so kommt. Ich sage nur, es wäre juristisch möglich und der Gesetzgeber kann, so er denn Geld sparen muss, diese Karte ziehen. Nicht alles, was juristisch möglich ist, wird allerdings auch irgendwann politisch umgesetzt.

Danke Onkel fuer die Einordnung deiner Gedanken.
Das ist fachlich sauber argumentiert, aber der Knackpunkt liegt genau in der Vermischung von verfassungsrechtlicher Mindestalimentation und dienstrechtlicher Systematik.
Das BVerfG beurteilt im Rahmen der Mindestalimentation ausschliesslich das Nettoverhaeltnis zwischen Einkommen und Grundsicherung, nicht aber die Art oder Struktur der Fuer­sorgeleistung.

Dass bei dieser Berechnung die Beitraege zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen werden, betrifft ausschliesslich die finanzielle Belastung, nicht die leistungsrechtliche Ausgestaltung.
Die UTV faellt dabei – wie du richtig sagst – heraus, weil hier schlicht keine privaten Aufwendungen entstehen. Daraus folgt aber keine eigene Besoldungslogik, sondern lediglich eine rechnerische Abweichung im Nettovergleich.

Das BVerfG prueft, ob ein Beamter mit typischen Belastungen ueber dem Grundsicherungsniveau liegt – nicht, ob ein Soldat ohne Belastungen „besser“ steht.
Der Gesetzgeber darf deshalb bei der Umsetzung zwar Unterschiede rechnerisch beruecksichtigen, er muss es aber nicht systematisch trennen, weil die UTV kein Einkommen, sondern eine gebundene Sachleistung ist.

Kurz:
Ja, rechnerisch koennte man beim Soldaten eine geringere Differenz ansetzen – verfassungsrechtlich geboten ist das aber nicht.
Denn die UTV ist keine variable Belastungsgroesse, sondern Teil des Dienstverhaeltnisses selbst – und gerade deshalb kein Parameter in der alimentationsrechtlichen Bewertung.

Oder einfacher gesagt:

Die Mindestalimentation misst, ob jemand genug zum Leben hat – nicht, ob der Staat seine Fuer­sorge intern in Geld oder in Sachleistung organisiert.

Bullshit Kondensator

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20376 am: 04.11.2025 11:00 »
Schaut mal hier ab 21:50

https://www.youtube.com/watch?v=HhQIM9ewO4c&t=6908s

Sehr interessante Aussage zu "verfassungswidrigen Gesetzen" (hier Steuerrecht) als Instrument des Gesetzgebers um zunächst Fakten zu schaffen, die dann langwierig über die zähe (langwierige) Justiz korrigiert werden muss, man aber nunmal zunächst das Unrecht erleiden muss.

Offensichtlich ist das ein Schema, dass die Legislative sehr häufig und auch andernorts, also nicht nur bei uns, nutzt.

Rentenonkel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20377 am: 04.11.2025 11:41 »
@Durgi:

Das BVerfG geht zunächst davon aus, dass der Gesetzgeber seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten entweder durch Sach- oder durch Geldleistungen nachkommen kann und darf. Dabei steht ihm ein weiter Ermessenspielraum zu.

Sofern er seiner Fürsorgepflicht durch Sachleistungen (hier: UTV) statt durch Geldleistungen nachkommt, ist das solange verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wie der Soldat aus seinem Einkommen in der Lage ist, sich und seine Familie amtsangemessen zu versorgen.

Wie ich und andere schon mehrfach wiederholt haben, muss der Soldat nach der Rechtsprechung, um eine amtsangemessen Besoldung zu erhalten, unter anderem einen Mindestabstand von 15 % zur Grundsicherung haben; andernfalls ist die Besoldung jedenfalls evident (also offensichtlich) unzureichend und somit verfassungswidrig.

Sofern diese Hürde genommen wird, kommt man in die tiefergehende Prüfung der Amtsangemessenheit der Besoldung.

Die UTV ist wie Du schreibst keine beliebige Belastungsgröße. Die Belastung für den Soldaten dafür beträgt genau 0,00 EUR. Daher ist es sehr einfach, diese Größe in die Berechnung einfließen zu lassen.

Sehr viel schwieriger ist es für diejenigen, die von ihrem Sold oder von ihrer Besoldung tatsächlich für die KV Geld ausgeben müssen und denen dann das Geld fehlt, um bei Aldi einzukaufen, den Strom zu bezahlen, den Kindern Schulmaterial zu kaufen oder das Auto zu tanken. Diese Größe ist tatsächlich variabel und sehr individuell. Daher kann man hier nur Durchschnittswerte ansetzen.

Und gerade weil das UTV Teil des Dienstverhältnisses selbst ist, ist es auch Teil der Alimentation und darf in die Betrachtung mit einbezogen werden.

Ich denke, wir sind uns zumindest einig, dass ein Soldat im Gegensatz zu einem Beamten mit einem Beihilfeanspruch am Ende mehr Geld (im Durchschnitt 230 EUR pro Monat) zur Verfügung hat. Dass Du versuchst, diesen Unterschied verfassungsrechtlich damit zu begründen, dass der Soldat mehr Einschränkungen seiner Grundrechte hat als andere Beamte, ist verständlich. Das ist aus meiner Sicht allerdings eher ein politisches Argument als ein juristisches.

Ich denke, mir wird es nicht gelingen, Dich von meiner Sichtweise zu überzeugen. Auf der anderen Seite überzeugen mich Deine Argumente juristisch nicht.

Rein moralisch und menschlich ist es sicherlich überlegenswert, ob ein Soldat, der Leib und Leben riskiert, nicht auch etwas mehr Anerkennung verdient als ein Verwaltungsbeamter. Und eine solche Anerkennung drückt sich regelmäßig in Geld aus. Geld, welches man entweder mehr bekommt oder, wie aktuell, durch die UTV nicht ausgeben muss.

Das ist dann aber eine andere, eher politische als verfassungsrechtliche Diskussion.

Durgi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20378 am: 04.11.2025 12:00 »
@Onkel
Ich mag den Austausch. Nehme auch immer was mit, versprochen :)

Das ist der Punkt, an dem juristische Systematik und politische Bewertung auseinandergehen.

Die UTV hat mit Alimentation schlicht nichts zu tun. Sie ist kein Baustein des Lebensunterhalts, sondern Teil der Funktionssicherung der Truppe – also eine Maßnahme, damit der Soldat dienstfähig bleibt, nicht damit er besser lebt.

Wenn das BVerfG in seinen Berechnungen von „Bereinigung des Nettoeinkommens“ spricht, meint es nur echte Ausgaben, die den Lebensunterhalt mindern – Miete, Strom, Krankenversicherung usw.
Wer nichts zahlt, weil der Staat die Leistung selbst erbringt, hat keinen „Pluspunkt“ in der Alimentation, sondern einfach keinen Abzug. Das ist Rechenlogik, keine Rechtslogik.

Die UTV ist also kein zusätzliches Einkommen, sondern eine Form staatlicher Selbstorganisation. Der Dienstherr zahlt die Behandlung nicht dem Soldaten, sondern an sich selbst – über den Sanitätsdienst.
Würde man das als Teil der Alimentation werten, würde man Geld und Sachleistung vermischen – und damit das komplette Besoldungssystem aufweichen.

Dass der Soldat im Monat mehr Netto hat, ist kein Privileg, sondern ein Nebeneffekt der Struktur: Der Staat trägt die Gesundheitskosten direkt, weil er den Soldaten braucht – einsatzfähig, weltweit, jederzeit.

Kurz:

Die UTV ist kein Geschenk, sondern eine betriebsnotwendige Maßnahme. Sie hat im Alimentationsrecht nichts verloren, weil sie nicht den Lebensunterhalt absichert, sondern den Dienstbetrieb.

MDK2905

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20379 am: 04.11.2025 12:01 »
Obacht ! Soldaten wird aber eine Mindestversorgungspauschale berechnet, diese findet sich auf der Jahreslohnsteuerbescheinigung.

GeBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20380 am: 04.11.2025 12:08 »
Warten wir doch Mal den Entwurf des neuen Gesetzes ab. Wenn bei der Berechnung der Mindestalimentation Uniform und UTV wieder kostendämpfend als geldwerte Vorteile vom DH angesehen werden sollten, dann wird es dazu im Anschluss auch eine verfassungsrechtliche Feststellung geben. Wobei ich denke, dass das Sachverhalt sogar verwaltungsrechtlich klärbar ist und keine Verfassungsdimension hat.

Max Bommel

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« Antwort #20381 am: 04.11.2025 12:29 »
Obacht ! Soldaten wird aber eine Mindestversorgungspauschale berechnet, diese findet sich auf der Jahreslohnsteuerbescheinigung.

Verstehe zwar den Zusammenhang nicht, aber diese entfällt ab dem kommenden Steuerjahr 2026. Dadurch werden, soweit per ELStAM keine Aufwendungen durch die PKV übermittelt werden, monatlich mehr Steuern fällig. Nach der Steuererklärung macht es keinen Unterschied.

GeBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20382 am: 04.11.2025 12:37 »
Ein lustiger Gedanke der mir zu der Thematik eben kam: die Uniform und die UTV als geldwerter Vorteil: das ist wie wenn die Katholische Kirche, die auf einmal ihren Priestern sagen würde, dass mit dem Zölibat sei nicht so gemeint, sie mögen bitte gegen ihre religiöse Überzeugung Kinder kriegen, um mehr Kirchensteuerzahler in die Welt zu setzen.

Rentenonkel

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« Antwort #20383 am: 04.11.2025 12:39 »
@Durgi:

Ich versuche es nochmal anders:

Es geht bei der Betrachtung nicht um Einkommen. Auch die Beihilfe (von beispielsweise 70 %) ist auch kein Einkommen. Somit zählt die UTV nicht als zusätzliches Einkommen und wird auch nicht so gewertet. 

Es geht einfach darum, dass das verfügbare Nettoeinkommen amtsangemessen sein muss, damit es nicht evident verfassungswidrig ist.

Somit ist nicht die UTV der Pluspunkt der Soldaten, sondern die nur anteilige Beihilfe der Verwaltungsbeamten deren Nachteil. In den Anfängen des Berufsbeamtentums hatte alle Beamten freie Heilfürsorge. Irgendwann ist das aus Kostengründen gekürzt worden.

Wenn der Dienstherr seiner Pflicht zur Heilfürsorge für den normalen Beamten aus Kostengründen nur noch in Form von Beihilfe anteilig nachkommt und im Übrigen von seinem Beamten erwartet, dass er den Rest der Heilfürsorge in Form einer privaten Krankenversicherung zusätzlich absichert, dann muss der Beamte auch dazu (finanziell) in der Lage sein. Dabei zählen die Argumente, die Du vorbringst, auch für den Verwaltungsbeamten: Auch er muss dienstfähig bleiben, weil der Staat ihn braucht. Und das der Verwaltungsbeamte beispielsweise weniger Beiträge zur privaten KV zahlt als ein vergleichbarer Angestellter, liegt auch in der Struktur der Beihilfe.

Das ist auch einer der Gründe, warum für bestimmte Beamtengruppen (Polizeivollzug, Soldaten oder Feuerwehrkräfte) aufgrund des erhöhten Risikos der Berufsausübung nach wie vor freie Heilfürsorge bzw. truppenärztliche Versorgung gewährt wird. Grund dafür ist das erhöhte Berufsrisiko dieser Personen und damit das mangelnde Interesse der Privatwirtschaft, für diesen Personenkreis überhaupt eine Versicherung anzubieten. Und wenn eine solche angeboten werden müsste, wäre der Beitrag deutlich höher als die durchschnittlichen 230 EUR. Diese Beamtengruppen wären dann eben ohne entsprechende Zuschüsse nicht mehr in der Lage, diesen Beitrag zu stemmen. Daher ist es für den Dienstherrn regelmäßig günstiger, deren vollständigen Anspruch auf Heilfürsorge nicht anteilig auf sie abzuwälzen.

Somit ist nach der Systematik der Besoldung eigentlich die kostenfreie Heilfürsorge für alle Beamten ein Grundsatz des Anspruches auf Alimentation. Diejenigen, die keine freie Heilfürsorge oder UTV genießen, haben daher Kosten zu tragen, die sie aus dem restlichen Alimentationsanspruches befriedigen müssen.

So verstanden ist dann die gewährte Alimentation um die Kosten zu bereinigen, die dem Verwaltungsbeamten entstehen, weil der Dienstherr den Anspruch auf freie Heilfürsorge durch die nur noch anteilige Beihilfe teilweise auf den Beamten abwälzt.

Deswegen meine Argumentation: Entweder gewährt der Dienstherr allen eine kostenfreie Heilfürsorge oder er muss die Höhe der Beiträge, die eigentlich der Dienstherr tragen müsste, aber der Verwaltungsbeamte tatsächlich trägt, bei der Betrachtung der Höhe der amtsangemessenen Alimentation in irgendeiner Form berücksichtigen.

Petr Rigortzki

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20384 am: 04.11.2025 13:09 »
Guten Mittag,

kann Jemand den kursierenden neuen Referenten/Gesetzesntwurf (unter Vorbehalt) zur Besoldungsanpassung und  amtsangemessenen Alimentation hier einstellen.

Danke