Seit ihrem Einzug in Parlamente wird die Alternative für Deutschland (AfD) in besonderer Weise behandelt. Demokratische Gepflogenheiten, die bislang für alle Parteien galten, wurden vielfach aufgeweicht oder offen verletzt, um die AfD gezielt zu schwächen oder auszuschließen. Diese Entwicklung wirft grundsätzliche Fragen über den Zustand der politischen Kultur in Deutschland auf.
Ein markantes Beispiel war die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens im Jahr 2020 mit Stimmen der AfD. Obwohl der Vorgang formal demokratisch war, folgten massive politische und mediale Proteste. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach aus dem Ausland von einem „unverzeihlichen Vorgang“ – ein beispielloser Eingriff in föderale, parlamentarische Prozesse. Die Wahl wurde politisch rückgängig gemacht, was viele als
Bruch mit demokratischen Gepflogenheiten betrachteten.
Verurteilung Merkels:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-053.htmlAuch im Bundestag zeigt sich die systematische Ausgrenzung: Parlamentarische Ämter wie Vizepräsidentenposten werden der AfD trotz mehrfacher Wahlversuche konsequent verweigert – entgegen der bisherigen Praxis, jeder Fraktion einen solchen Posten zuzugestehen. Ebenso werden gemeinsame Anträge mit der AfD oft abgelehnt oder von anderen Parteien sofort zurückgezogen, selbst wenn die Inhalte deckungsgleich mit früheren eigenen Forderungen sind. In Gremien und Ausschüssen wird die AfD häufig übergangen,
oder es werden Sonderregeln geschaffen, um ihren Einfluss zu minimieren.
Die Begründung der übrigen Parteien folgt meist demselben Muster: Die AfD sei „nicht demokratisch“, ihre Positionen „menschenverachtend“, sie sei ein „Feind der Verfassung“. Damit wird ein moralischer Schutzwall errichtet, hinter dem sich CDU, SPD, Grüne, FDP und Linke einig zeigen – trotz teilweise unüberbrückbarer inhaltlicher Differenzen. Es bildet sich ein
neuer Block der
„demokratischen Parteien“, in dem die Demokratie zu einer Art Klubmitgliedschaft wird, die man verlieren kann –
je nach Gesinnung oder öffentlicher Wirkung.
Hinter dieser Haltung steht auch Angst: Die AfD spricht Themen an, die viele Bürger beschäftigen, aber von den etablierten Parteien lange tabuisiert wurden – etwa Migration, innere Sicherheit oder nationale Identität. Dass die AfD damit in Umfragen stark zulegt, verunsichert die Konkurrenz. Anstatt sich argumentativ auseinanderzusetzen, wird versucht, sie auszugrenzen.
So entsteht der Eindruck einer exklusiven
„unsere Demokratie“, in der Regeln flexibel angewendet werden – nicht mehr, um demokratischen Wettbewerb zu ermöglichen, sondern um ihn zu kontrollieren. Die AfD bleibt damit der systematische Außenseiter, nicht allein wegen ihrer Inhalte, sondern weil sie nicht zu dem gehören darf, was die anderen als das legitime demokratische Spektrum definieren. Das beschädigt auf Dauer das Vertrauen in faire Verfahren und erschwert eine echte Auseinandersetzung mit unbequemen politischen Alternativen.
Die gescheiterte Wahl von Frau Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin stellt einen
klaren Bruch mit den bisherigen Gepflogenheiten der Richterwahl dar. Bisher wurden solche Personalien in vertraulichen Gesprächen zwischen Regierung und Opposition abgestimmt und dann im Bundestag formal bestätigt – über Parteigrenzen hinweg. Im Fall Brosius jedoch setzte sich die Union zuletzt vom vereinbarten Prozedere ab, weil der Druck aus der eigenen Basis zu groß wurde. Die CDU-Führung, allen voran Friedrich Merz, hatte zunächst Bereitschaft signalisiert, im Sinne der gewohnten "unsere Demokratie"-Ordnung mitzuwirken – also im Rahmen der sogenannten „unserer Demokratie“ (wählst du meins wähl ich deins), wie sie von Altparteien gerne propagiert wird. Doch die Parteibasis und Teile der Bundestagsfraktion machten deutlich, dass sie Brosius-Gersdorf für nicht tragbar halten – inhaltlich wie charakterlich.
In der Folge wurde die Wahl kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen – ein ungewöhnlicher und demonstrativer Schritt, der zeigt, wie brüchig der überparteiliche Konsens (in "unserer Demokratie") mittlerweile geworden ist. Brosius’ politische Vergangenheit, ihre klar linksideologischen Positionen und die fragwürdigen Überschneidungen wissenschaftlicher Arbeiten mit denen ihres Ehemannes trugen dazu bei, dass sie für große Teile des konservativen Lagers nicht mehr vermittelbar war.
Das Verhalten der SPD, die trotz allem an Brosius-Gersdorf festhält, wirkt wie ein peinlicher Rettungsversuch. Der Plan, sie „persönlich“ zur CDU-Fraktion zu schicken, um sich dort befragen zu lassen, ist nichts anderes als ein öffentliches Vorführen – und zugleich der durchschaubare Versuch, eine linksradikale Kandidatin doch noch ins Bundesverfassungsgericht zu bringen. Diese Art der politischen Inszenierung hat mit der Würde des Amtes und der Funktion eines Verfassungsrichters wenig zu tun – sie dient einzig dazu, die bisherige Machtbalance zugunsten einer klar links gefärbten Agenda zu verschieben.
Auch in dieser Episode zeigt sich deutlich: Es gibt eine „unsere Demokratie“, wie sie von den Altparteien verstanden wird – doch sie ist kein offenes System, sondern ein ideologischer Club mit Aufnahmeprüfung. Wer zu weit rechts steht – wie die AfD – wird ausgeschlossen. Wer zu weit links steht – wie Brosius-Gersdorf – wird mit aller Kraft durchgesetzt. Das Vertrauen in faire, parteiübergreifende Institutionen leidet unter diesen doppelten Standards. Und hier leidet auch
die Demokratie. Ob "unsere Demokratie" darunter leidet ist absolut irrelevant.