Rheinis Frage trifft den Kern, Jeff.
Was genau sollte der Gesetzgeber am Art. 33 Abs. 5 GG ändern? Er lautet bekanntlich:
"Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln."
Was dieser Satz aussagt, hat das Bundesverfassungsgericht direktiv seit dem Januar 1953 dargelegt. Diese Darlegung zu verändern, ist den anderen Verfassungsorganen nicht gestattet, könnte nur das Bundesverfassungsgericht selbst vornehmen. Dafür ist derzeit allerdings kein Anzeichen in dem von Dir beschriebenen Sinne zu erkennen.
und wenn man den Satz einfach so ändert:
"Das Recht des öffentlichen Dienstes ist zu regeln und diese Regelungen sind den Anforderungen der jeweils aktuellen Zeit entsprechend angemessen fortzuentwickeln."
Zäumen wir also mal wieder das Pferd von hinten auf, also vorweg:
Wenn man nun das Berufsbeamtentum als Verfassungsgut abschaffen würde, würde es zunächst einmal noch ein Berufsbeamtentum geben, nämlich uns bis dahin auf Lebenszeit mit einem Amt bestallte Beamte, die auf Lebenszeit ernannt sind und deren Ernennung mindestens auf dem Vertrauensschutz basiert, es würde also weiterhin noch ein Berufsbeamtentum geben, nur würde ab jenem Tag die Zahl der hoheitliche Aufgaben vollziehenden Beamten Woche für Woche und Jahr für Jahr geringer werden, so wie das in der Vergangenheit bei Bahn und Post geschehen ist, wo es bis heute durchaus noch Beamte als Beschäftigte gibt.
Allerdings wäre die Folge der von Dir genannten Grundgesetzänderung, dass danach keine Beamte mehr hinzukämen, da ja das von Dir so neu geschaffene Verfassungsrecht keinen Beamtenstatus mehr enthielte. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentum hätte also weiterhin nach dann Art. 33 Abs. 5 GG a.F. Geltung für die Bestandsbeamten, neu in den öffentlichen Dienst eintretende Beschäftigte würden sich hingegen in einem Angestelltenverhältnis wiederfinden. Sie hätten so nun auf der einen Seite - anders als die Bestandsbeamten - kein Recht mehr auf eine amtsangemessene Alimentation, würden aber auf der anderen Seite - anders als die Bestandsbeamten - auch keinen Grundrechtseinschränkungen mehr unterliegen, da der Verfassung dann kein Verfassungsgut mehr zu entnehmen sein würde - nämlich die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums -, das es dem öffentlichen Arbeitgeber erlaubte, Grundrechte seiner angestellten Beschäftigten einzuschränken.
Der angestellte Polizist hätte also - wie Rheini das vorhin angemerkt hat - ein Streikrecht, er könnte darüber hinaus in jedem Einsatz sein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ins Feld führen, ohne dass er dafür disziplinarisch belangt werden würde, was in diesem Zusammenhang folglich auch ein anderes Disziplinarrecht fordern würde. Denn heute hat der Beamte bekanntlich die Pflicht, zu remonstrieren, wenn er davon ausgeht, dass er mit dem ihm angewiesenen Handeln gegen Recht und Gesetz verstoßen würde, woraufhin er am Ende (ich stelle hier nicht den gesamten Remonstrationsprozess dar) von der individuellen Verantwortung befreit ist, sofern er die ihm gegebene Anweisung sachgerecht vollzogen hat, was offensichtlich für einen angestellten Polizisten nicht so ohne Weiteres der Fall sein dürfte, der als Bürger ja über kein Sonderstatus verfügen kann, der ihn von anderen Bürger unterschiede, da es dafür kein von der Verfassung geregeltes Gut mehr geben würde. Die Komplexität von Gewaltanwendung durch die staatliche Gewalt dürfte so offensichtlich eine andere werden, je nachdem, auf wen der Bürger nun stoßen würde, also entweder auf einen Polizeibeamten oder auf einen Polizeiangestellten, womit sich - wenn ich das richtig sehe - alsbald komplexe Fragen hinsichtlich von Art. 3 Abs. 1 GG vonseiten der Bevölkerung an die staatliche Gewalt richten dürften und damit an den Staat als solchen, der durch die sich schleichend verändernde Möglichkeit, die öffentliche Gewalt durchzusetzen, nach und nach verändern müsste. Eventuell würde das aber auch schöne alte Traditionen neu beleben, nachdem wir nun ja kaum mehr Bergarbeiter haben, woraufhin aber ggf. bald im Kontakt mit der staatlichen Gewalt der neue alte Gruß umfassend belebt Einzug in den Alltag und so im neuen Gewande hielte: "Glück auf".
Zugleich haben wir ja zwei gerade schon genannte Beispiele, die gezeigt haben, wie hervorragend sie sich entwickelt haben, nachdem man hier mit der Praxis der Verbeamtung gebrochen hat, um das in ein Bündel weiterer ganz exzellenter Reformen zu stellen, die dann alle zusammengenommen zu einer erheblich größeren Effektivität und Effizenz geführt haben: Wenn also der Bundesinnenminister sich im Jahr 2045 vor die Bevölkerung stellen wird und mit stolzgeschwellter Brust verkünden sollte, dass zum Jahr 2049 das Ziel formuliert werden wird, dass dann in 70 % aller Notrufe der 110 nicht mehr wie 2045 nur in 63 % aller betreffenden Fälle eine angestellter Polizeiwagen vorbeikomme, wenn auch nicht am Sonnabend (und am Sonntag sowieso nicht), weil man da die gelben Briefkästen nicht leeren ähhhh ich meine die angestellten Polizeistationen am Sonnabend nicht mehr besetzen wolle, es aber als Teil der Reform die Möglichkeit geben würde, unter der Telefonnummer 111 auch am Sonnabend sein Leid mit einer KI zu besprechen, die auch mittlerweie darin geübt sei, hilfreiche Tipps für die Notsituation zu geben ("bleiben Sie ruhig und vergewissern Sie sich, ob heute tatsächlich Sonnabend ist und dass es wirklich in Deutschland so sei, dass auf jeden Sonnabend erst ein Sonntag folge, oder ob es nicht auch Sonnabende geben könne, die direkt in den Montag münden könnten, wie das nach meinen Informationen in anderen Teilen der Welt durchaus vorkommen soll"), dann wird man bevölkerungsseitig sagen: "Hervorragender Mann, der Herr Minister, der bringt den Laden echt an's Laufen, alsbald werden wir nur noch in drei von zehn Fällen schutzlos gestellt werden, was uns echt beruhigt".
Ich sehe also eine goldene Zukunft vor uns, wenn erst das sowieso schon immer viel zu teuere Berufbeamtentum abgeschafft werden wird, um es durch die große Zahl an günstigere Angestellte zu ersetzen, die sicherlich in den kommenden Tarifverhandlungen kaum Forderungen dafür stellen werden, dass sie möglichst erheblich billiger hoheitliche Aufgaben übernehmen dürfen, nachdem man das Grundgesetz auch an anderen Stellen erheblich hat umgemodelt, damit nun angestellten Bürgern gegen andere Bürger staatliche Gewalt erlaubt sein solle, während der andere Bürger weiterhin gegen den nun angestellten Bürger das Recht haben wird, seine Grundrecht einzuklagen, was sicherlich - siehe oben - zu einem deutlich entschackten Disziplinarrecht führen dürfte. Noch so eine ganz positive Entwicklung, die dann unserer Gesellschaft ins Haus stehen sollte. Der neue angestellte Polizist wird also ganz sicherlich sagen: "Bitte zahl mir möglichst gar nix, weil ich sowieso keine Unterkunft mehr brauche, da ich unter der Woche sowieso regelmäßig im Gerichtsgebäude sitze, da mich ein Bürger verklagt hat, der davon überzeugt sei, dass ich ihn unerlaubt in seinen Grundrecht eingeschränkt habe." Ein für alle Seiten vorteilhaftes Geschäftsmodell.
Auch deshalb denke ich immer, wenn unsere (Spitzen-)Politiker wie in letzter Zeit immer häufiger so wirklich intelligent über's deutsche Berufsbeamtentums reden: "Was seid ihr doch mal für kluge und wortgewandte Leute, die wirklich die Sache bis zum Ende denken". Ende.