Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 7376074 times)

GoodBye

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18435 am: 16.09.2025 14:39 »
Nein, dort steht, dass dies ein mögliches geeignetes Kriterium sein könnte, der Gesetzgeber hierbei aber den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten habe. Und selbstredend natürlich zusätzlich alle weiteren Grundsätze der Alimenation wie Leistungsprinzip, internes Abstandsgebot etc..

Deshalb hätte der Gesetzgeber auch ausführlich zu begründen, weshalb er einen Ortszuschlag gewähren möchte und weshalb er hierfür auf eine bestimmte Methodik zur Ermittlung zurückgreifen möchte.
« Last Edit: 16.09.2025 14:47 von GoodBye »

GeBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18436 am: 16.09.2025 14:59 »
Heißt übersetzt:
Dem Besoldungsgesetzgeber steht es frei, dem Beamten bestimmte Zulagen für Familie, Wohnort etc zu gewähren.
Die müssen aber so bemessen sein, dass sie den Binnenabstand zwischen den Ämtern nicht über Gebühr nivellieren.

Bei der Bemessung der Wohnortzulage kann der Besoldungsgesetzgeber die Wohngeldstufen ansetzen, Er muss dabei aber sicherzustellen, dass der Gleicheitsgrundsatz gewahrt bleibt. Sprich: wenn es Fälle wie Taufkirchen gibt, wo eine hohe Zahl an preisdämpfenden Wohnungen vorhanden ist, zu dem der Beamte keinen Zugang hat, muss es eine Härtefallbelegung geben, die Erben auf Antrag die Wohnkosten so im Zuschlag berücksichtigt, wie es bei vergleichbaren Wohnkosten eines anderen Beamten in einer höheren Wohngeldstufe ist. Ein Problem ist zudem, dass die Wohngeldstufen relativ zueinander ermittelt werden. Heißt: wenn Erding Wohngeldstufe 5 hat, weil München 7 hat und einige Umlandgemeinden 6, kann das trotzdem heißen, dass die durchschnittliche Miete in Erding höher sein kann, als in Bonn, das Wohngeldstufe 6 hat. Auch hierfür müsste es eine Härtefallregelung geben.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18437 am: 16.09.2025 15:11 »
Der DH alimentiert seinen Beamten UND seine Familie. Das sind zwei Paar Schuhe. Irgendwann enden die Zuschläge ja auch.

Mittlerweile sind die Unterschiede sogar noch größer (siehe https://lbv.landbw.de/documents/d/guest/3_familienzuschlag-fur-beamte-im-aktiven-dienst-ab-01-02-2025):

- Ein A7/1 bekommt für sein zweites Kind einen Zuschlag von 650,80 Euro.
- Ein A13/6 bekommt für sein zweites Kind hingegen lediglich 153,45 Euro, also fast 500 Euro (!) weniger.

Dazu möchte ich wirklich mal eine sachgerechte Begründung sehen, die vor dem BVerfG Bestand hat. [Hint: Könnte "schwierig" werden..]

Callisto

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18438 am: 16.09.2025 15:16 »
Nein, dort steht, dass dies ein mögliches geeignetes Kriterium sein könnte, der Gesetzgeber hierbei aber den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten habe. Und selbstredend natürlich zusätzlich alle weiteren Grundsätze der Alimenation wie Leistungsprinzip, internes Abstandsgebot etc..

Dass der Gesetzgeber diese verfassungsrechtliche Vorgaben, namentlich aus Art. 3 Abs. 1 GG, zu beachten hat, ist ja in der Tat selbstredend. Selbstverständlich gilt dies bspw. auch für das Wohngeldgesetz an sich.

Meine These ist aber weiterhin, dass der Satz - gerade auch in Verbindung mit dem vorhergehenden Satz, genauer gesagt aufgrund der Reihenfolge dieser Sätze - vom BVerfG so gemeint war, wie es auch die Landesgesetzgeber verstanden haben, nämlich als Hinweis darauf, dass aus Sicht des BVerfG die Systematik der Mietenstufen ein grundsätzlich geeignetes Kriterium ist (und wenn es in Einzelfällen systematisch nicht passt, unter Anwendung von Härtefallregeln, die beispielsweise Bayern jetzt vorsieht).

Denn das BVerfG nennt das Kriterium der Mietenstufen des Wohngeldgesetzes doch nicht unbewusst am Ende des Absatzes. Im vorhergehenden Satz ist die zentrale Anforderung an eine Differenzierung nach dem Ort genannt, nämlich Art. 3 Abs. 1 GG (unter Verweis auf die Rspr. des Gerichts). Danach werden die Mietenstufen als ein leicht zu handhabendes und bereit stehendes Kriterium benannt. Hätte das BVerfG grundsätzliche Zweifel an der Vereinbarkeit dieses bereit stehenden Kritieriums mit Art. 3 Abs. 1 GG zum Ausdruck bringen wollen, hätte das Gericht das an dieser Stelle gemacht.
« Last Edit: 16.09.2025 15:23 von Callisto »

bebolus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18439 am: 16.09.2025 15:43 »
Vielleicht hat das BVerfG sich das aber etwas anders vorgestellt: Es spräche wohl nichts dagegen eine Art Ortszuschlag, angelehnt an die Mietstufen, zu bilden und sie als eigenständige Zulage allen Beamten zu zahlen. Dann natürlich auch den ledigen und kinderlosen Beamten, unabhänig davon ob A5 oder B3 und natürlich in, von unten nach oben gesehen, in zumindest mal gleicher Höhe.

Das was in dem letzten Entwurf versucht wurde, zielte imho einzig undcallein darauf ab auf Teufel komm raus die 4k Familie schönzurechnen.

regas

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18440 am: 16.09.2025 15:45 »
Ich verstehe ja diese ganze Argumentation mit "Streichung der unteren Besoldungsgruppen", wenn dies jedoch möglich gewesen wäre, hätten die Dienstherrn dies bereits längst getan und das BVerfG längst so entschieden. Für so etwas braucht es keinen 5+ Jahre langen Prozess.

In meinen Augen ist die Lösung zu diesem Problem komplexer als "nur" untere Besoldungsgruppen zu streichen. Anhand der Referentenentwürfe des BMI der letzten Jahre scheint die Lösungsrichtung ohnehin eine andere zu sein als die Streichung der unteren Gruppen, möglicherweise weil das BVerfG bei einem Abendessen klargemacht hat, dass dies keine akzeptable Lösung sei.

Mein Wunsch wäre natürlich eine massive Erhöhung der Grundbesoldung. Realistischer ist ein Wohnzuschlag nach Wohngeld/Mietstufe in der Region (für alle, damit die durchschnittliche Besoldung aller Beamten nicht verfassungswidrig ist), weiterhin die absurden Kinderzuschläge um das Durchschnittseinkommen eines Beamten auf einem Niveau zu halten und *tada* absolut 0 - nichts - für Single-Beamten ohne Kinder.

PS: Wenn es diese Ortszuschläge gibt, suche ich mir definitiv eine Wohnung in München. Warum dann in einer Kleinstadt günstig wohnen, wenn ich das Mehr an Lebensqualität aus einer Großstadt mit den Ortszuschlägen haben kann...

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18441 am: 16.09.2025 15:46 »
Nein, dort steht, dass dies ein mögliches geeignetes Kriterium sein könnte, der Gesetzgeber hierbei aber den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten habe. Und selbstredend natürlich zusätzlich alle weiteren Grundsätze der Alimenation wie Leistungsprinzip, internes Abstandsgebot etc..

Deshalb hätte der Gesetzgeber auch ausführlich zu begründen, weshalb er einen Ortszuschlag gewähren möchte und weshalb er hierfür auf eine bestimmte Methodik zur Ermittlung zurückgreifen möchte.

Genauso ist es. Denn das war zwischen 1873 und 1973 zwar der durchgehende Regelfall. Erst der bayerische und nordrhein-westfälische Besoldungsgesetzgeber sind - wie vorhin bereits ausgeführt - davon abgewichen, indem sie keine Begründung im Rahmen der tatsächlichen Verhältnisse angestrebt, sondern letztlich nur Schätzungen ins Blaue hinein vollzogen haben, die hier aber genauso wie im Sozialrecht nicht hinreichen. Denn weder sind dort die jeweiligen Mietenstufen oder Ortsklassen an den tatsächlichen Verhältnissen geprüft worden noch hat man überhaupt irgendwelche Gedanken angestellt, die sich mit der Frage beschäftigten hätten, was die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich von Art. 3 Abs. 1 GG konkret fordert, wenn man sich an den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes orientieren wollte.

Entsprechend sind in Bayern und Nordrhein-Westfalen die Regelungen eines Ortszuschlags genauso vollzogen worden, wie Du das vorhin präzise ausgeführt und also auf den Punkt hast, indem "der Gesetzgeber wesentliche ungeschriebene verfassungsrechtliche Grundsätze - auch wenn er scheinbar darauf Bezug nimmt - außer Acht lässt und m.E. davon ausgeht, die Materie losgelöst nach eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen allein durch Gesetz unter Loslösung von diesen Grundsätzen regeln zu können".

Sofern das tröstend ist, darf man davon ausgehen, dass das ebenso hinsichtlich der sich vielfach sachlich nicht zu rechtfertigenden Höhen kinderbezogener Familienzuschläge und der neuen ehebezogenen Ergänzungszuschläge ebenfalls nicht anders ist. Auch hier sind sämtliche sachliche Begründungen, die Sachverständige im Gesetzgebungsverfahren wiederkehrend ausgeführt haben, vom jeweiligen Besoldungsgesetzgeber im jeweiligen Gesetzgebungsverfahren gezielt ignoriert worden. Da diese Begründungen allerdings in das jeweilige laufende Gesetzgebungsverfahren eingeführt worden sind, ihre sachliche Kritik jedoch nicht im laufenden Gesetzgebungsverfahren entkräftet worden ist, werden sie nun allesamt nach und nach den Besoldugsgesetzgebern vor die Füße fallen.

Der sich daraus ergebende Vertrauensverlust in der Beamtenschaft gegenüber dem Dienstherrn wird nach und nach etwas mit dem öffentlichen Dienst machen, was sich alsbald nicht mehr wird verleugnen lassen. Darin wird in den nächsten Jahren eines der schwierigsten Probleme begründet liegen. Denn wenn die Politik des konzertierten Verfassungsbruchs selbst dann noch fortgesetzt werden sollte, wenn das nun nicht mehr nur ein paar Besoldungsspezialisten und regelmäßigen Lesern in abgelegenen Foren klar sein wird, sondern für eine immer größer werdende Zahl an Beamten selbst offen zutage treten wird, wird das etwas mit dem öffentlichen Dienst machen. Denn das Ausmaß des konzertierten Verfassungsbruchs wird sich in den nächsten Jahren zunehmend nicht mehr kaschieren lassen können.

Sofern es dann tatsächlich politische Verantwortungsträger geben wird, werden sie daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen. Sofern das nicht der Fall ist, werden andere daraus ihre Konsequenzen ziehen. Welche Option den Dienstherrn lieber sein wird, werden wir in den nächsten ein, zwei Jahren mehr und mehr erfahren.

PS. Ge

Das Problem ist tatsächlich noch viel tiefgehender:

Im Sozialrecht hat sich der Gesetzgeber an den jeweiligen konkreten Bedarfen der dem Sozialrecht Normunterworfenen zu orientieren, sofern sie angemessen sind. Deshalb reichen hier wiederkehrend die Mietenstufen des Wohngeldgesetzes gar nicht hin und sind dann die tatsächlichen Bedarfe des Hilfebedürftigen zu konkretisieren und eben dann anzuerkennen, sofern sie angemessen sind.

Dem Besoldungsetzgeber ist es hingegen - das lässt sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnehmen - in der Besoldungsbemessung im Regelfall nicht gestattet, die Besoldung an Alimentationsbedürfnissen auszurichten, da der Maßstab der Besoldungsbemessung das statusrechtliche Amt ist.

Daraus resultieren hinsichtlich der Besoldungsdifferenzierung erhebliche Probleme für den Besoldungsgesetzgeber, die am Ende zu dem führen, was Du im letzten Satz schreibst, was aber durch Härtefallregelungen nicht behoben werden kann. Da Härtefälle allenfalls in wenigen atypischen Sonderfällen greifen könnten, die Höhe der Unterkunftskosten aber trotz regionaler und wiederkehrend auch lokaler Nähe tatsächlich in einem Maß in der Bundesrepublik wiederkehrend so erheblich gespreizt ist, dass an verschiedenen Stellen oder Orten von Rechtskreisen kaum eine sachgerechte Besoldungsdifferenzierung möglich wäre, kann der Besoldungsgesetzgeber letztlich regelmäßig nur Ortszuschläge in verhältnismäßig geringer Höhe gewähren und diese ggf. zweiklassig ausgestalten, aber kaum mehr differenzieren.

Diese Problematik ist darüber hinaus grundsätzlich davon mitgeprägt, dass dem Ortszulagensystem der Beamtenbesoldung kein wesensprägender Charakter zukommt. Bei der Ausgestaltung der Zulagen zur Beamtenbesoldung handelt es sich um eine Detailregelung, die keinen zwingenden Bezug zur Angemessenheit der Alimentation aufweist. (vgl. BVerfGE 117, 330 <350>; https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv117330.html). Wie den sozialen Besoldungskomponenten kommt ihm keine strukturprägende Gestalt zu. Auch deshalb kann ein Ortszuschlag regelmäßig nur in einer verhältnismäßig geringen Höhe gewährt werden, während das Alimentationsbedürfnis des Beamten weit überwiegend aus dem Grundgehalt zu befriedigen ist, das deshalb amtsangemessen bemessen werden muss.

GoodBye

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« Antwort #18442 am: 16.09.2025 16:05 »
Auch wenn der Begriff vielleicht etwas zu stark ist, ich würde diese Vorgehensweise des Gesetzgebers, Rechtsetzung ohne tiefergehende Begründung und Beachtung von Rechtsgrundsätzen zu betreiben, fast als
eine Form von Gesetzespositivismus bezeichnen.

regas

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18443 am: 16.09.2025 16:06 »

Das Problem ist tatsächlich noch viel tiefgehender:

Im Sozialrecht hat sich der Gesetzgeber an den jeweiligen konkreten Bedarfen der dem Sozialrecht Normunterworfenen zu orientieren, sofern sie angemessen sind. Deshalb reichen hier wiederkehrend die Mietenstufen des Wohngeldgesetzes gar nicht hin und sind dann die tatsächlichen Bedarfe des Hilfebedürftigen zu konkretisieren und eben dann anzuerkennen, sofern sie angemessen sind.

Dem Besoldungsetzgeber ist es hingegen - das lässt sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnehmen - in der Besoldungsbemessung im Regelfall nicht gestattet, die Besoldung an Alimentationsbedürfnissen auszurichten, da der Maßstab der Besoldungsbemessung das statusrechtliche Amt ist.

Daraus resultieren hinsichtlich der Besoldungsdifferenzierung erhebliche Probleme für den Besoldungsgesetzgeber, die am Ende zu dem führen, was Du im letzten Satz schreibst, was aber durch Härtefallregelungen nicht behoben werden kann. Da Härtefälle allenfalls in wenigen atypischen Sonderfällen greifen könnten, die Höhe der Unterkunftskosten aber trotz regionaler und wiederkehrend auch lokaler Nähe tatsächlich in einem Maß in der Bundesrepublik wiederkehrend so erheblich gespreizt ist, dass an verschiedenen Stellen oder Orten von Rechtskreisen kaum eine sachgerechte Besoldungsdifferenzierung möglich wäre, kann der Besoldungsgesetzgeber letztlich regelmäßig nur Ortszuschläge in verhältnismäßig geringer Höhe gewähren und diese ggf. zweiklassig ausgestalten, aber kaum mehr differenzieren.

Diese Problematik ist darüber hinaus grundsätzlich davon mitgeprägt, dass dem Ortszulagensystem der Beamtenbesoldung kein wesensprägender Charakter zukommt. Bei der Ausgestaltung der Zulagen zur Beamtenbesoldung handelt es sich um eine Detailregelung, die keinen zwingenden Bezug zur Angemessenheit der Alimentation aufweist. (vgl. BVerfGE 117, 330 <350>; https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv117330.html). Wie den sozialen Besoldungskomponenten kommt ihm keine strukturprägende Gestalt zu. Auch deshalb kann ein Ortszuschlag regelmäßig nur in einer verhältnismäßig geringen Höhe gewährt werden, während das Alimentationsbedürfnis des Beamten weit überwiegend aus dem Grundgehalt zu befriedigen ist, das deshalb amtsangemessen bemessen werden muss.

Die Orientierung des "Wohnzuschlags" (zukünftig evtl. Wohnkostenausgleich genannt?) könnte sich aber genauso gut anhand des Mietspiegels richten, und weniger anhand der Mietstufe per se. Dies wäre dann auch tatsächlich fair, einfach berechenbar, einfach zu organisieren (Wohnzuschlag anhand des Hauptwohnsitzes der Meldebescheinigung) und wahrscheinlich auch die günstigste Variante für den Dienstherrn. Die Integration des Wohnzuschlags liese sich sicherlich auch als Teil der Alimentation integrieren, wenn diese auf alle Beamten übertragen wird und nicht an Bedingungen (Ehe, Kinder) gebunden ist. Dann ist diese nicht mehr Teil des Zuschlags, sondern Teil der Besoldung und damit auch variabel in der Höhe.

GoodBye

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« Antwort #18444 am: 16.09.2025 16:18 »
Dazu müsste es zunächst überall einen Mietspiegel geben. Dies ist schon problematisch bei den Mietstufen, die es auch nicht für jede Gemeinde gibt und deshalb der Durchschnitt des Landkreises zugrunde gelegt wird. Dies führt zu abenteuerlichen Ergebnissen, z.B. bei kleinen Gemeinden, die direkt an eine Kleinstadt angrenzen. Beispiel aus meiner Region: Kleinstadt Stufe VI, Kleine Gemeinde im fließenden Übergang Stufe III, da Landkreis, tasächliche Mieten bei Neuvermietung gleich hoch.

M.E. kommt man in Teufelküche, wenn man soetwas flächendeckend einführen will. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass die Zuschläge aufgrund der Systematik beschränkt wären. Das zum Thema Bürokratieabbau.

SwenTanortsch

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« Antwort #18445 am: 16.09.2025 16:26 »
Das Problem an Mietspiegeln ist ein mehrfaches, nämlich erstens, dass sie zwischenzeitlich zwar für die meisten Großstädte vorliegen, jedoch für große Teile der Kleinstädte und weiteren ländlichen Regionen nicht. Darüber hinaus dürften sie dort, wo sie vorliegen, realitätsgerechter sein - worauf Du berechtigt hinweist, regas, - als die Mietenstufen. Allerdings müsste sich zweitens erst noch beweisen, ob sie tatsächlich überall (wenn sie denn überall vorliegen sollten) hinreichend konkret sind, um ein Alimentationsbedürfnis sachgerecht darstellen zu können. Drittens bleibt aber grundsätzlich das vom Besoldungsgesetzgeber zu beachten, was ich am Ende meines letzten Beitrags schreibe, nämlich dass Ortszuschlägen keine strukturprägende Bedeutung zukommt, sie also nicht Teil der hergebrachten Grundsätze sind, weshalb sie nur eine Detailregelung darstellen können. Da eine Besoldungsbemessung anhand von Alimentationsbedürfnissen nicht sachgerecht ist - der Beamte ist keine Hilfebedürftiger, der qualitative Unterschied zwischen Sozial- und Beamtenrecht ist vom Besoldungsgesetzgeber hinreichend zu beachten -, sondern das statusrechtliche Amt der Maßstab der Besoldungsbemessung ist, kann ein Ortszuschlag auch deshalb allenfalls in verhältnismäßig geringer und dann einheitlicher Höhe geregelt werden. Dabei ist - ähnlich wie bei sozialen Besoldungskomponenten - ggf. eine Zweiteilung hinsichtlich der Laufbahngruppen einfacher und mittlerer Dienst und gehobener und höherer Dienst möglich, weil sich das anhand des Leistungsprinzips sachlich rechtfertigen ließe, wobei auch hier dann der Unterschied zwischen beiden Ortszuschlägen vielleicht 30,- bis 50,- € pro Monat ausmachen könnte.

Mehr wird sich sachlich nicht bewerkstelligen lassen, denke ich, wenn man sich nicht dem von GoodBye gerade sicherlich nicht ganz zu unrecht eingebrachten Vorwurf eines Rechtspositivismus einhandeln wollte, der wesensmäßig nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar wäre. Wir leben nicht mehr im endenden 19. Jh. und auch nicht mehr in der beginnenden Weimarer Republik.

regas

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« Antwort #18446 am: 16.09.2025 16:30 »
Dazu müsste es zunächst überall einen Mietspiegel geben. Dies ist schon problematisch bei den Mietstufen, die es auch nicht für jede Gemeinde gibt und deshalb der Durchschnitt des Landkreises zugrunde gelegt wird. Dies führt zu abenteuerlichen Ergebnissen, z.B. bei kleinen Gemeinden, die direkt an eine Kleinstadt angrenzen. Beispiel aus meiner Region: Kleinstadt Stufe VI, Kleine Gemeinde im fließenden Übergang Stufe III, da Landkreis, tasächliche Mieten bei Neuvermietung gleich hoch.

M.E. kommt man in Teufelküche, wenn man soetwas flächendeckend einführen will. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass die Zuschläge aufgrund der Systematik beschränkt wären. Das zum Thema Bürokratieabbau.

Es braucht auch nicht jede kleine Gemeinde einen Mietspiegel. Hier in meiner Gegend gehören die kleinen Dörfer mit ihren eigenständigen Gemeinden offiziell zur Kleinstadt und haben keinen Mietspiegel, die Kleinstadt aber schon. Man könnte hier auch einfach den Mietspiegel der Kleinstadt übernehmen, ohne unnötige Komplexität zu schaffen. Wenn der Wille da ist, gibt es auch einen Weg, aber nur WENN man will. Die Daten sind bereits vorhanden und ein Projektteam aus Werkstudenten könnte die Dörfer zum Pool der Kleinstädte in der Datenbank jederzeit zusammenwerfen, und das binnen 3 Monate.

GoodBye

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« Antwort #18447 am: 16.09.2025 17:01 »
Dazu müsste es zunächst überall einen Mietspiegel geben. Dies ist schon problematisch bei den Mietstufen, die es auch nicht für jede Gemeinde gibt und deshalb der Durchschnitt des Landkreises zugrunde gelegt wird. Dies führt zu abenteuerlichen Ergebnissen, z.B. bei kleinen Gemeinden, die direkt an eine Kleinstadt angrenzen. Beispiel aus meiner Region: Kleinstadt Stufe VI, Kleine Gemeinde im fließenden Übergang Stufe III, da Landkreis, tasächliche Mieten bei Neuvermietung gleich hoch.

M.E. kommt man in Teufelküche, wenn man soetwas flächendeckend einführen will. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass die Zuschläge aufgrund der Systematik beschränkt wären. Das zum Thema Bürokratieabbau.

Es braucht auch nicht jede kleine Gemeinde einen Mietspiegel. Hier in meiner Gegend gehören die kleinen Dörfer mit ihren eigenständigen Gemeinden offiziell zur Kleinstadt und haben keinen Mietspiegel, die Kleinstadt aber schon. Man könnte hier auch einfach den Mietspiegel der Kleinstadt übernehmen, ohne unnötige Komplexität zu schaffen. Wenn der Wille da ist, gibt es auch einen Weg, aber nur WENN man will. Die Daten sind bereits vorhanden und ein Projektteam aus Werkstudenten könnte die Dörfer zum Pool der Kleinstädte in der Datenbank jederzeit zusammenwerfen, und das binnen 3 Monate.

Das bedeutet eine individuelle Berechnung des Zuschlages, individuelle Anpassungen bei Änderungen etc. Es ist kompletter Unfug, soetwas Bürokratisches einzuführen.

Noch lustiger, sie bauen ein Haus, schließen eine Finanzierung über 30 Jahre ab, die Mietstufe wird dann abgesenkt.

BWBoy

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« Antwort #18448 am: 16.09.2025 17:08 »
Aus meiner Sicht muss der Ortszuschlag sowieso an den Amtssitz gekoppelt werden. Wo im Umkreis der Behörde jemand wohnt ist Privatsache. Anders bestraft man diejenigen, die für eine günstigere Bleibe das Pendeln in Kauf genommen haben. Und das doppelt. weil sie zum einen den Zuschlag nicht oder nur gering bekommen und zum anderen höhere Anfahrtskosten haben, die nur zu einem kleinen Teil durch die Pendlerpauschale ausgeglichen werden. Vom Zeitverlust ganz zu schweigen.

SwenTanortsch

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« Antwort #18449 am: 16.09.2025 17:34 »
Dazu müsste es zunächst überall einen Mietspiegel geben. Dies ist schon problematisch bei den Mietstufen, die es auch nicht für jede Gemeinde gibt und deshalb der Durchschnitt des Landkreises zugrunde gelegt wird. Dies führt zu abenteuerlichen Ergebnissen, z.B. bei kleinen Gemeinden, die direkt an eine Kleinstadt angrenzen. Beispiel aus meiner Region: Kleinstadt Stufe VI, Kleine Gemeinde im fließenden Übergang Stufe III, da Landkreis, tasächliche Mieten bei Neuvermietung gleich hoch.

M.E. kommt man in Teufelküche, wenn man soetwas flächendeckend einführen will. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass die Zuschläge aufgrund der Systematik beschränkt wären. Das zum Thema Bürokratieabbau.

Es braucht auch nicht jede kleine Gemeinde einen Mietspiegel. Hier in meiner Gegend gehören die kleinen Dörfer mit ihren eigenständigen Gemeinden offiziell zur Kleinstadt und haben keinen Mietspiegel, die Kleinstadt aber schon. Man könnte hier auch einfach den Mietspiegel der Kleinstadt übernehmen, ohne unnötige Komplexität zu schaffen. Wenn der Wille da ist, gibt es auch einen Weg, aber nur WENN man will. Die Daten sind bereits vorhanden und ein Projektteam aus Werkstudenten könnte die Dörfer zum Pool der Kleinstädte in der Datenbank jederzeit zusammenwerfen, und das binnen 3 Monate.

Das hat tatsächlich nichts mit "Wollen" zu tun, regas, sondern mit "Dürfen". Der Besoldungsgesetzgeber hat, wie ich ja wiederkehrend hervorhebe, das statusrechtliche Amt in den Mittelpunkt der Besoldungsbemessung zu stellen. Es ist der Maßstab für die amtsangemessene Besoldungsbemessung.

Dabei zeigen sich nun hinsichtlich der Art. 3 Abs. 1 GG ausnahmslos alle Lebenszeitbeamten als solche als wesentlich Gleiche. Denn der Beamte ist verpflichtet, den Ort seiner Unterkunft so zu wählen, dass er damit seine Dienstgeschäfte pflichtgemäß erledigen kann. Daraus folgt, dass jeder Beamte über eine Unterkunft verfügen muss, woraus schließlich folgt, was ich eingangs ausgeführt habe: Hinsichtlich der Unterkunft zeigen sich alle Lebenszeitbeamte zunächst einmal als wesentlich Gleiche.

Da nun das statusrechtliche Amt der Maßstab der Besoldungsbemessung ist, die unterschiedlichen Ämter aber gemäß ihrer Wertigkeit abgestuft sein müssen - hinsichtlich der jeweils unterschiedlich wertigen Ämtern zeigen sich die Beamten als wesentlich Ungleiche -, folgt daraus, dass für alle Lebenszeitbeamte am Ende ein Ortszuschlag nicht dazu führen darf, dass am Ende im Rahmen wesentlicher Gleichheit ein höherwertiges Amt niedriger besoldet wird als ein niedrigeres. Betrachten wir also den Bund, dann finden wir zwischen der Besoldungsgruppe A 3 und A 4 als die Eingangsämter des einfachen Diensts in der ersten Erfahrungsstufe mit Grundgehaltssätzen von 2.706,99 € und 2.759,23 € und der Grundbesoldung in A 5/1 mit einem Grundgehaltssatz von 2.788,44 einen Unterschied von insgesamt maximal rund 80,- € (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund?id=beamte-bund-2024&matrix=1). Sofern eine Beförderung zum Übertritt in den mittleren Dienst führt, finden wir in A 6/1 ein Grundgehalt von 2.833,44 € vor. Die Gehaltsspanne liegt also bei knapp 130,- €. Gehen wir weiterhin davon aus, dass eine Beförderung in der Regel kaum in der ersten, aber durchaus bereits in der zweiten Erfahrungsstufe erfolgt, finden wir folgende Beträge: 2.763,31 €, 2.826,55 €, 2.862,26 € und 2.931,- €. Die maximale Differenz liegt hier also bei knapp 170,- €, eine minimale bei rund 70,- bis 100,- €.

Die Höhe eines sachgerechten Ortszuschlags zu finden, der allein hinsichtlich des Abstandsgebots zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen vor Art. 33 Abs. 5 und GG Bestand haben wird, dürfte von daher nicht ganz einfach sein, wenn wir davon ausgehen müssen, dass sich kein hinreichend konkretes Alimentationsbedürfnis für alle Beamten nachweisen lässt - allgemeine Regelsätze wie Mietenstufen oder auch der Mietenspiegel bilden kaum hinreichend die tatsächlichen Verhältnisse ab -, der also auf dieser Grundlagen die Forderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG erfüllt. Genau deshalb spreche ich davon, dass wir unter den tatsächlichen Verhältnissen, wie wir sie heute in der Bundesrepublik vorfinden - eine erhebliche Spreizung von tatsächlichen Unterkunftskosten selbst in regionaler und ggf. lokaler Nähe -, nur einen Ortszuschlag von verhältnismäßig geringer Höhe finden werden können, was auch damit im Einklang stände, dass ein solcher Ortszuschlag dann auch weiterhin sachgerecht als eine Detailregelung zu betrachten wäre, die keinen zwingenden Bezug zur Angemessenheit der Alimentation aufwiese.

Unter Beachtung dieser grundlegenden Gedanken könnte man nun - wie vorhin geschrieben - in den gehobenen und höheren Laufbahnen hinsichtlich von Beamten, die im höheren Dienst ausnahmslos einen akademischen Abschluss vorweisen, während das im gehobenen Dienst weit überwiegend der Regelfall ist, einen ggf. um einen gewissen - verhältnismäßig geringen - Betrag höheren Ortszuschlag gewähren, da das unterschiedliche Qualifikationsniveau eine Besoldungsdifferenzierung sachlich rechtfertigen kann.

Ebenso dürfte der Besoldungsgesetzgeber den Ortszuschlag ebenfalls noch einmal sozial differenzieren - insbesondere hinsichtlich der Kinderzahl -, wobei aber auch hier das prinzipiell zu beachten wäre, was ich gerade ausgeführt habe.

Der langen Rede kurzer Sinn: Ohne eine hinreichende Empirie können die tatsächlichen Verhältnisse nicht hinreichend konkret bemessen werden, woraus als eine grundsätzliche Erwägung folgt: eine solche Besoldungsdifferenzierung kann nur in verhältnismäßig geringer Höhe erfolgen, weil sich alles andere auf jener geringen empirischen Grundlage nicht höher sachlich begründen lässt. Hier liegt eine zentrale Kruz der heutigen tatsächlichen Verhältnisse, die mit denen der endenden 1960er Jahre nicht mehr vergleichbar ist. Denn dort ging der Besoldungsgesetzgeber von zunehmend einheitlichen Lebensverhältnissen aus, worin ihm das Bundesverfassungsgericht zu jener Zeit gefolgt ist, um ab spätestens den beginnenden 2000er Jahren von dieser Ansicht abzurücken.

Die Lebensverhältnisse sind heute, was die Unterkunftskosten anbelangt, in einem Maße unterschiedlich, dass eine sachgerechte Begründung - d.h. eine Begründung, die die tatsächlichen Verhältnisse hinreichend im Blick behält - kaum zu anderen Ergebnisse führen kann als die, die ich gerade dargestellt habe. Denn in dem Moment, wo man am Ende für jeden Beamten sein konkretes Alimentationsbedürfnis hinsichtlich seiner Unterkunftskosten feststellen wollte, dürfte man das dennoch nicht vollständig ausgleichen, weil - wie vorhin dargelegt - eine bedürfnisgerechte Besoldung prinzipiell nicht mit dem Alimentationsprinzip in Einklang zu bringen wäre.

Das statusrechtliche Amt und nicht eventuelle Alimentationsbedürfnisse sind der Maßstab der sachgerechten Besoldungsbemessung. Der Beamte ist keine Hilfebedürftiger und kann deshalb nicht als solcher betrachtet werden.