Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 8755154 times)

SwenTanortsch

  • Moderator
  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,867
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20895 am: 14.11.2025 14:15 »
@ Beamtenhustler und regas

Es darf davon ausgegangen werden, dass ich hier im Nachklang der Veröffentlichung wesentliche Aspekte betrachten werde - aber ich werde dafür Zeit brauchen. Denn ich gehe davon aus, dass da einige grundlegende Aspekte vorliegen werden, für deren Durchdringung es der Zeit bedarf. Ich freue mich auf's Lesen, habe aber vor dem absehbaren wie sicherlich in Teilen überraschenden und/oder nicht absehbaren Ausführungen schon heute - sachlich betrachtet - gehörigen Respekt. Das Lesen und die ggf. auch notwendige Kritik wird einige Zeit benötigen. Denn zuvörderst wird es darum gehen, wirklich erst einmal zu verstehen (zu versuchen), was uns der Senat eigentlich im Einzelnen mitteilen will. Es ist davon auszugehen, denke ich, dass uns da in Teilen kein immer ganz einfacher Stoff zugemutet werden sollte.
Und genau das ist eigentlich etwas was mich persönlich schockiert.
In einem normalen demokratischen Rechtsstaat müsste das Recht in meinen Augen so gesprochen werden, das ein halbwegs verständiger Leser, ein Urteil auch nachvollziehen kann.
Was bringt das Ganze, wenn unser Rechtssystem öffentlich ist, (außer Jugendstrafrecht etc) aber dann die Öffentlichkeit nicht einmal mehr Bahnhof versteht.
Wenn du schon sagst das du dafür ordentlich Zeit brauchst um durch die Aspekte durchzudringen, was soll dann die Öffentlichkeit sagen?

Verflucht (Pardon!), ich wollte doch jetzt hier an meinem Kram weiterarbeiten und heute nicht mehr im Forum schreiben...

Das generelle Problem ist hier wie immer im Verfassungsrecht, dass jenes zum einen in die Gesetzgebung eingreift und damit eben den weiten Spielraum, über den der Gesetzgeber (nur als Folge des Verfassungsrechts) verfügt, einschränkt. Dabei ist das Verfassungsrecht in der Regel erheblich allgemeiner und so zur Auslegung offener als eine einfachgesetzliche Regelung, die als solche ebenfalls nur i.d.R. von allgemeinen Gehalt sein kann.

Wenn also Art. 3 Abs. 1 GG sagt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, und nun begründet werden sollte, dass durch die Betrachtung des Partnereinkommens eine Verletzung auch von Art. 3 Abs. 1 GG (ebenfalls von Art. 3 Abs. 2 GG, was aber zurzeit noch nicht in Karlsruhe zur Debatte steht), und zwar in Verbindung mit Art. 33 Abs. 5 GG und ggf. auch Art. 33 Abs. 2 GG, dann wird die konkrete - aber ebenfalls im hohen Maße abstrakte - Regelung der Grundgehaltssätze und ihre Anpassung an die tatsächlichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse an einem noch einmal erheblich abstrakteren Verfassungssatz gemessen, der wiederum in seinem Verhältnis zu weiteren Verfassungssätzen oder Verfassungsgütern zu betrachten ist, was also in der Regel der Abwägung von Rechtsgütern bedarf. Diese Form der gerichtlichen Kontrolle erfolgt dabei in einem methodisch eingegrenzten, sachlich aber komplexen Rahmen, den vollständig zu durchdringen zur Grundlage folglich ein juristisches Studium angeraten sein sollte, auch wenn das Verfassungsgericht den Anspruch vertritt, Bürgergericht zu sein, was sich allerdings eher in der Verfahrensart der Verfassungsbeschwerde und weniger in der der konkreten Normenkontrolle offenbart oder bricht (wobei auch die Verfahrensart der Verfassungsbeschwerde in einem hohen Maße methodisch und in der Betrachtung von rechtlichen Systematiken abstrakt ist).

Ergo: In der verfassungsgerichtlichen Kontrolle werden abstrakte juristische Sätze - Gesetze - an in der Regel noch einmal erheblich abstrakteren rechtlichen Gütern - Verfassungsgütern - gemessen, Alex. Das Ergebnis kann ein im Einzelfall - wenn es also in der konkreten Normenkontrolle darum geht, ein durch das Parlament vom Souverän erlassenes Gesetz als nicht mit der Verfassung im Einklang stehend zu betrachten - wie Regelfall nur hochkomplexes Verfahren sein, da ansonsten Verfassungsgerichte mit ihrer Kompetenz zur Normenverfwerfung (nicht selten wie in der Bundesrepublik hier mit dem Normverwerfungsmonopol ausgestattet) eine Macht erhalten würden, die sie verfassungsrechtlich nicht haben dürfen. Denn sie sind - da sie ihre Legitimität nicht direkt aus einer Volkswahl erhalten, anders als das für die Repräsentanten des Volkes gilt, die also aus Wahlen hervorgehen, in denen sich der Wille des Volkes in einem erheblich stärkeren Maße abbildet - nur der Hüter der Verfassung, aber nicht deren sie bildendes Organ, die auch das also die Parlamente sind, die folglich die jeweilge Verfassung mit qualifizierter Mehrheit ändern können.

Ergo: Verfassungsrecht ist ein abstraktes Recht und Verfassungsrechtsprechung darf nur in einem sehr zurückhaltenden Maße in die Rechte insbesondere des Gesetzgebers und damit in den Willen des Volkes eingreifen. Allein dieser kleine Ausschnitt - den man um mehrere weitere ergänzen könnte - macht die Sache schon so komplex, dass eine wünschenswerte Einfachheit von den Mitteln her begrenzt ist. Das Bundesverfassungsgericht sieht sich veranlasst - allein schon im Rahmen der Einheit der Rechtsordnung -, die Sache möglichst einfach zu behandeln, aber das ist in der Regel bereits schwierig genug...

Staatsdiener1969

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 7
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20896 am: 14.11.2025 14:20 »

@ Staatdiener

Es ist zunächst einmal so, wie Du es schreibst: Der Senat betrachtet Vorlagen, die den Entscheidungszeitraum 2008 bis 2017 umfassen und also in ihrer Begründetheit keine Betrachtung des Partnereinkommens enthalten, da Berlin in jenem Zeitraum keine entsprechenden rechtlichen Regelungen erlassen hatte.

Andererseits hat der Berichterstatter Ende 2023 ausgeführt - das habe ich schon gestern zitiert -:

"Es wird sich als effizient für die Bearbeitung aller anderen Vorlagen erweisen, zunächst solche Verfahren auszuwählen, die möglichst viele der zur Entscheidung gestellten Probleme aufwerfen und damit die Gelegenheit bieten, eine aktuelle Grundlage für die Befassung mit den nachfolgenden Verfahren zu schaffen, insbesondere die Frage zu klären, welche Sach- und Rechtsfragen in der vorliegenden verfassungsgerichtlichen Judikatur noch nicht behandelt worden sind und ob Anlass besteht, diese Judikatur im Hinblick auf seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen erneut zu hinterfragen".

Da zwischenzeitlich 14 von 17 Besoldungsgesetzgeber die Betrachtung des Partnereinkommens in ihr Besoldungsrecht eingeführt und damit exorbitante Personalkosten eingespart haben, sollte es mehr als erstaunlich sein, wenn der Senat nun nicht genau an dieser Stelle Anlass sehen würde seine "Judikatur im Hinblick auf seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen erneut zu hinterfragen". Denn alle 14 Besoldungsgesetzgeber haben folgende Ausführung aus der Rn. 47 der bis Mittwoch noch aktuellen (ab da dann vorletzten) Entscheidung zum Anlass genommen - sie offensichtlich gezielt über- oder missinterpretierend -, um so zu handeln wie sie seit 2021/22 nach und nach allesamt heute handeln:

"Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen." (Hervorhebung wie im Original)

Diese Ausführung war nun aber nichts anderes als ein Obiter Dictum (und damit kein entscheidungstragender Grund, was also auch in der am kommenden Mittwoch veröffentlichten Entscheidung so sein sollte, sofern hier eine entsprechende Klarstellung erfolgte). Sie war als solches also nicht notwendig, weil die Möglichkeit, die Familienzuschläge sachgerecht anzuheben, 2020 sicherlich in (ggf. fast) allen Rechtskreisen bestanden hat, also vom weiten Entscheidungsspielraum, über den der Besoldungsgesetzgeber verfügt, gedeckt war. Entsprechend sollte sich der Senat - da davon auszugehen ist, dass die zitierte Passage nicht sachgerecht aufgenommen worden ist - veranlasst sehen, hier präzisierende Klarstellungen im Rahmen eines weiteren Obiter Dictums vorzunehmen, ohne dass hier also entscheidungstragende Gründe angeführt werden könnten.

Denn die gezielte Über- und/oder Missinterpretation dieser Passage liegt nun darin, dass bislang keiner der 14 Besoldungsgesetzgeber die tatsächlichen Lebensverhältnisse in den Blick genommen hat, die der Senat aber hervorgekehrt hat. Alle 14 Besoldungsgesetzgeber haben von diesen tatsächlichen Lebensverhältnissen in der Betrachtung des Partnereinkommens abgesehen und seine Einführung mit dem Mindestabstandsgebot begründet - genau darin liegt der evident sachwidrige Gehalt, da das Mindestabstandsgebot kein innerdienstliches, unmittelbar amtsbezogenes Kriterium ist, sodass alle 14 Begründungen unsachlich ins Leere laufen. Für mich ist es also vermutlich so, dass der Senat das im Rahmen eines Obiter Dictums - also die tatsächlichen Verhältnisse in den Blick nehmend - klarstellt, also mindestens die Kriterieren tatsächlicher Verhältnisse zu ihrer Prüfung und Kontrolle in den Blick nimmt, womit die 14 Betrachtungen sachlich wie ein Soufflé in sich zusammenfallen sollten.

Darüber hinaus besteht für den Senat die Möglichkeit, mit entscheidungstragenden Gründen auf die Betrachtung von Partnereinkommen zu reagieren, nämlich indem er in weiterer Betrachtung der Rn. 47 klarstellt, was heute klar ist, jedoch ebenfalls - von der überwiegenden Zahl der genannten 14 Besoldungsgesetzgeber - zielgerichtet missverstanden wird, nämlich indem der Senat nun noch einmal klarstellt, was es im Kontrollverfahren heißt, dass

"Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie [...[ demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung"

ist. Hier nun kann mit entscheidungstragenden Gründen klargestellt werden, was ein Leitbild und was eine Bezugsgröße und damit ein Kontrollmaßstab ist. Auch eine solche Klarstellung sollte folglich zu erwarten sein, denke ich.

Nun gut, soweit für heute. November ist nicht alle Tage, ich komme wieder, keine Frage.

Merci, für die prompte Antwort

Rheini

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 589
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20897 am: 14.11.2025 15:14 »
@Swen

Mir ist immer noch schwindelig bei dem von Dir genannten evtl. Fehlbetrag für die 10 Jahre  :o.

Wenn dies auch nur in Ansätzen so kommt und auch unter der Annahme das diese Zahlungen nur für diejenigen kommen die Widerspruch und / oder Klage eingelegt haben, ist ja auch ab dem Zeitpunkt der Neugestaltung der Besoldung, für alle Beamten die aA Besoldung zu zahlen.

Im Lichte der nun gerade diskutierten Einschnitte bei den Arbeitnehmer befürchte ich, das wir bald niemanden haben, der ein entsprechendes Gesetz einbringt, da wir in 2026 Neuwahlen haben werden.

Alexander79

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 521
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20898 am: 14.11.2025 15:22 »
@ Swen, erstmal will ich mich für die "Nötigung" entschuldigen das ich dich nochmal zu einer Antwort gedrängt habe.

Mit der Ausführung muss ich mich heute nun ein zweites Mal vor dir und deinem Fachwissen verneigen.
Vielen dank dafür.

Und, sorry.  ::)

VierBundeslaender

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 158
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20899 am: 14.11.2025 15:22 »
Ich haben einen Vorschlag zur Güte. Wir alle geben hier nur noch Tipps für Termine ab, wann das Ergebnis verkündet wird. Jeder darf einmal posten und es hat der gewonnen, der am nächsten dran ist. Wenn der eigene Termin verstrichen ist, darf erneut geraten werden. Die Moderatoren schließen dann, wenn das Urteil da ist, diesen Thread (mit >1200 Seiten!!) und eröffnen eine gleichlautenden neuen?

So, und hier mein take. Voßkuhle ist aus dem BVerfG ausgeschieden und 49 Tage später wurde das Urteil verkündet. Ich rechne bei Maidowski genauso und wähle den 25. November. Wer bietet mehr?
Also wenn ich das richtig sehe, habe ich gewonnen, oder? Jedenfalls bin ich nach meiner überschlägigen Rechnung am nächsten dran.

Jetzt aber mal im Ernst. Dieser Thread hat Hunderte von Seiten, da blickt keiner mehr durch. Mein Vorschlag ist, dass wir am Tag der Entscheidung diesen Thread komplett schließen und dann einen neuen aufmachen. Im neuen Thread diskutieren wir dann das Urteil, während dieser Thread hier für die Diskussionen VOR dem Urteil reserviert bleibt.

Was sagen die Moderatoren dazu?

Kalliope73

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 22
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20900 am: 14.11.2025 15:27 »
Mein Vorschlag ist, dass wir am Tag der Entscheidung diesen Thread komplett schließen und dann einen neuen aufmachen. Im neuen Thread diskutieren wir dann das Urteil, während dieser Thread hier für die Diskussionen VOR dem Urteil reserviert bleibt.
Den neuen Thread gibt es schon:
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,126915.0.html

VierBundeslaender

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 158
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #20901 am: 14.11.2025 15:31 »
Ich wollte, dass dieser geschlossen wird!

Goldene Vier

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 199