Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)  (Read 296176 times)

Rentenonkel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2520 am: 08.12.2025 20:11 »
Ich denke, dass es genau so war. Ich würde genau so rechnen. Urlaubsgeld wurde erst 2003 abgeschafft und war bis dahin ein Festbetrag.

Übrigens Danke, dass Du mir auch mal Recht gibst  ;D

netzguru

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2521 am: 08.12.2025 22:23 »
Hallo,

ich versuche mal in alten Unterlagen von der Postgewerkschaft die Aufstellung der Besoldung zufinden.
Ich sollte auch noch tief im Keller von A5-A8 Bezügeabrechnungen haben.
A5 war mein erstes Amt im mD.
Soll ich den Papierkram suchen, könnte es euch helfen?

Gruenhorn

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« Antwort #2522 am: 08.12.2025 22:47 »
Ich verstehe nicht, warum hier keiner den Dreisatz bemüht und stattdessen ewig recherchiert wird um die Zahlen für 1996 zu bestimmen. Wenn man davon ausgeht, dass das BVerfG die Besoldung im Jahr 1996 korrekt bestimmt hat, kann man den implizierten  Basiswert von 1996 anhand des Indexwertes eines Vergleichsjahres aus Berlin bspw 2020 per Dreisatz explizit ausrechnen. Man benötigt nur den Bezügerechner bspw für 2020 (oder ein anderes Jahr aus den Jahren aus dem Beschluss, wo die Besoldung klar nachvollziehbar ist) für das Land Berlin. Die Besoldung damals war noch bundeseinheitlich und genau das kann man nutzen. Ein Rechenbeispiel ist im Beitrag 43 unter:

https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,127191.30.html

AltStrG

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« Antwort #2523 am: 08.12.2025 23:05 »
@BWDH
Quelle: BVA Homepage FAQ

Die jährliche Sonderzahlung (sog. Weihnachtsgeld) wurde zum 01.07.2009 in die monatlich zustehenden Bezüge integriert.

Das Grundgehalt und weitere Besoldungsbestandteile sind deshalb entsprechend der Höhe der ehemals zustehenden jährlichen Sonderzahlungen erhöht. Auch der einmalige Festbetrag der jährlichen Sonderzahlung für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 8 ist als Monatsbetrag in den Tabellenbeträgen des Grundgehaltes bei den jeweiligen Besoldungsgruppen berücksichtigt.

Mit der Umstellung entfiel die jährliche Sonderzahlung im Dezember. Sie wird seit dem Jahr 2009 nicht mehr gezahlt.

In Berlin wurde komplett gestrichen und nicht als Besoldungsbestandteil integriert, das war eine Bundessonderlösung.

Allerdings sehe ich das Weihnachtsgeld und die Rechnungen darüber aufgrund der Sonderlösung nur als Nebenschauplatz an. Es wäre einfacher für den Besoldungsgesetzgeber, dies wieder wie ein 13tes Monatsgehalt zu behandeln und das Urlaubsgeld als 14tes. 14 Auszahlungen wiegen schwerer als 12 :) Oder einfach komplett zu streichen, mit den jeweiligen Erhöhungen im Monat in der Grundalimentation.
« Last Edit: 08.12.2025 23:16 von AltStrG »

AltStrG

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« Antwort #2524 am: 08.12.2025 23:21 »
@Julianx1: Die von Dir genannte Summe ist tatsächlich bei Deiner Familiengröße und der Dauer der Unteralimentierung eine realistische Größenordnung.

Lieber @Renkenonkel,
Nein! Sie mag vielleicht rechtlich realistisch sein. Aber faktisch ist sie utopisch. Es wird niemals zur Auszahlung solcher Summen kommen. Und das schlimme ist ja, dass wissen wir auch alle. Und Dan kann ich hier noch 200x irgendwelche Staatssekretäre von Abgeordnetenwatch verlinken.

Man muss sich ja nur mal vor Augen halten wie viele Beamte mit in der Zeit zwischen 2021 und wahrscheinlich 2026 in Pension gegangen sind. Diese müssen was Nachzahlungen angeht immer mit berechnet werden.

Das Rundschreiben vom 20.06.2021 war der taktische Supergau. Seitdem ziehen sich alle Besoldungsstellen auf das Rundschreiben zurück. Jeder Widerspruch wird sofort ruhend gestellt mit dem Hinweis auf das Rundschreiben. Es klagt also niemand.

Das BVerfG hat lediglich Fakten geschaffen für einige Länder. Zuletzt konkret für Berlin. Die haben so gar ne Frist bekommen. Aber was hat der Bund? Nichts. Der optimistische Kollege hier sagt ganz offenherzig das der DH an Recht und Gesetz gebunden ist und die Rechtsprechung des BVerfG berücksichtigen muss. Aha?! Das ist ja irgendwie nicht neu.

Aber wie der DH die Rechtsprechung erstmal auslegt und wann sagt er nicht. Das heißt, er kann erstmal ganz in Ruhe ein Besoldungsreparaturgesetz auf den Markt schmeißen dessen Verfassungsmäßigkeit zumindest fraglich ist. Und danach obliegt den Beamten erstmal die Beweislast, dass die Rechtsprechung nicht korrekt umgesetzt wurde. Und sowas kann wie wir alle wissen Jahre dauern. Jahrzehnt trau ich mich garnicht zu sagen.

Realistisch ist der DH garnicht mehr fiskalisch in der Lage die aufgelaufenen Ansprüche für die Vergangenheit abzugelten! So ehrlich müssten wir hier mal sein.

Realistisch kann er dies auch nicht in der Zukunft, wenn er alle Gebote und Prinzipien umsetzt.

   Mindestbesoldung
+ Einverdienermodell ?
+ Ämterwertigkeit ?
+ Fortschreibung ?
+ Abstandsgebot ?

Nein, glaubt das wirklich jemand dran? Also, wie würde eine Reparatur aussehen? Ich greife mit Gruppen raus. Beamte mit Familien. Niedrige Besoldungsgruppen. Da bastelt er dann und repariert etwas. Das löst nicht die Probleme. Es verschafft Zeit. Siehe NRW. Ich scheisse Beamte mit 3K+ so zu mit Geld dass alle betroffenen Familien jetzt Abos in der Trampolinhalle haben.

Dann klagen zwar die kinderlosen, aber das dauert erstmal wieder.

In der Zwischenzeit kann man sich wieder dem Lieblingsspiel der Abgeordneten widmen, dem vereinfachten Zuwendungsrecht damit MdB‘s nicht in die Verlegenheit kommen, sie hätten keine Geschenke mehr für Wahlkreise.

Und warum, wenn es anders wäre, und der Aufschrei in den Behörden angeblich soo groß ist, reden Minister nicht mit ihren betroffenen Beamten? Und nochmal, wer hat schon mal aus erster Hand Informationen, eine Stellungnahme, Prognose, Sachstand von Alex, Lars, Friedrich oder was weiß ich wem gehört?

Wir reagieren aber sofort wenn die WirtschaftsWoche mal was ablässt. Selbst die Gewerkschaften zitieren dann Zeitungen. Und die sollten doch immer an der Quelle sitzen.

Oder welches Signal sendet denn ein Vorsitzender des DBB wenn er schreibt dass ein Innenminister ihm erklärt hat das für die Zukunft gilt: „Bundesbesoldung Great again“. Und zum Jahreswechsel ist allgemeine Funkstille.

Mir ist doch auch völlig egal ob ein Referentenentwurf irgendwo in der Ressortabsprache hängen geblieben ist. Das muss man einfach mal kommunizieren. Zumindest mit den Gewerkschaften. Aber der Druck ist auch nicht da. Ich vermisse unsere Personalräte. Das Thema amtsangemessene Besoldung ist kam jemanden ein Begriff. Niemand weiß was sich dahinter verbergen soll und was für wen wirklich realistisch ist.

Ich kann den Ausführungen nicht folgen. Der Beschluss entfaltet Bindungswirkung, der Berechnungsweg ist den beteiligten Akteuren bekannt, die Anwendungsmodalitäten allen hier. Die Summen sind nicht unrealistisch. Und ein paar Milliarden haben schon andere Entscheidungen des BVerfG gekostet, das ist also kein Grund für Pessimismus.

Als Beamter hat man eben Rechte und Pflichten, dass sollte hier jedem klar sein.

Lieber AltStrG,

ich wiederspreche Dir ja nicht. Aber es wurde hier schon einmal gesagt. Deine Ausführungen sind Rechtstheorie. Insbesondere die Entfaltung der Bindungswirkung.
Seit 2019 lege ich und andere Kollegen regelmäßig Widerspruch ein. Zuvor in NRW ab 2014.
Wir schreiben heute das Jahr 2025. Wobei dieses keine vier Wochen mehr andauert.

Die Rechtsbindung besteht zunächst konkret für die Länder, welche direkt von einem Beschluss betroffen sind. In der Bundesverwaltung bleibt es Rechtstheorie. Die aktuellen Beschlüsse sollten aufgrund der Rechtsbindung umgesetzt werden. Bzw. Die richterliche Auslegung sollte umgesetzt werden. Aber auf 150 Seiten diskutieren wir hier selbst schon die Auslegung und die Umsetzung. Nun wird irgendwann Ende 2026 etwas umgesetzt werden. Aber daswird nicht sein was wir unter der Auslegung des BverfG verstehen. Das wird der DH ganz klein halten. Oder er sucht sich einzelne Gruppen raus. Dann habe ich ein neues Besoldungsgesetz. Ich habe auch eine Auslegung des Dienstherren von aA. Ob diese Verfassungsmäßig ist warge ich zu bezeweifeln. Sie wird gündtig sein. Wahrscheinlich auch eine menge Leute sehr enttäuschen. Und dann geht das Spiel erneut los. Es muss von Besoldungsnehmern Fehler dargelegt werden.

Oder anders gesagt, erst wenn eine höchstrichterliche Beschlusslage vorliegt, die exakt die Bundesbesoldung betrifft wird der Bund in Zugzwang kommen. Vorher ist es ein "ja, die Besoldung könnte verfassungswidrig sein". und "ja, wir arbeiten daran".

Und um so länger sie daran arbeiten um so mehr werden sie dazu gezwungen die Ausschüttung klein gehalten

Nun, ich / wir leben alle in einem Rechtsstaat der offensichtlich funktioniert. Das einzelne Verfahren länger dauern, kann akzeptiert werden, wenn die Ergebnisse fundamental neue Erkenntnisse oder Regelungen ergeben, wie in diesem Fall.

Das gilt es zu akzeptieren, gerade und auch als Beamter. Seinem Unmut kann man trotzdem gerne Luft machen.

Wäre jemand 1999 auf die Idee gekommen, auf aA zu klagen, gäbe es diesen jetzigen Beschluss nicht. Oder es hätte keine Föderalismusreform I und II gegeben, oder, oder, oder.

AltStrG

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2525 am: 09.12.2025 02:19 »
Hier nur einmal exemplarisch, wie sehr sich der Ton in der Szenerie der aA geändert hat.

Dieses Wortprotokoll entstand im Weltall, Milchstraße, Planet Erde, Berlin, im Jahre 2015:

https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/AusschussPr/h/h17-098-wp.pdf

Wenn man dies dann mit den Aussagen heute vergleicht, und das ist mein Punkt, dann sieht man, wie weit die Einsicht dank des Beschlusses (und vieler, vieler Klagen) in der Politik im Gegensatz zu damals gekommen ist.

Die (Berliner) Beamten werden ein großes Stück vom Kuchen abbekommen, das ist sicher.

AltStrG

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2526 am: 09.12.2025 03:56 »
Dazu passend kurz mal bei Beck bzw. im Juris gesucht:

https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/bverfg-2bvl5-18-berlin-besoldung-beamte-verfassungswidrig-mindestbesoldung

Bestätigt im Prinzip zu 100% meine Aussagen, wichtige Details (Zitate. Hervorhebungen durch mich):

-Die Besoldung der Berliner Beamtinnen und Beamten nach den Besoldungsordnungen A war über einen Zeitraum von zwölf Jahren in weiten Teilen nicht amtsangemessen

-Ausgenommen sind nur einige Zeiträume für die höheren Gruppen A 14 bis A 16. Die Karlsruher Richterinnen und Richter stellten fest, dass die Besoldung weder die verfassungsrechtlich gebotene Mindestbesoldung sicherstellte noch die Pflicht zur kontinuierlichen Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung erfüllte.

-....geht diese Entscheidung über die gewohnte Detailkritik hinaus. Das Karlsruher Gericht wird grundsätzlich und erweitert zunächst eigenmächtig den Prüfungsgegenstand.

-Wohl weil dem Senat bewusst war, dass seine Ausführungen eine gewisse Breitenwirkung erzielen würden, stellte er der inhaltlichen Begründung eine ausführliche Erklärung voran.....und stattdessen einmal generell reinen Tisch machen wollte.

-Eine erfolgreiche Klage auf amtsangemessene Besoldung bedarf somit zwingend der vorherigen Vorlage des Fachgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG, wenn dieses von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Besoldungsvorschrift überzeugt ist.

-....die Problematik (Anmerkung: der Alimentation) "das Potenzial, die Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts bis hin zu einer Blockade zu beeinträchtigen.

-Zunächst rekapitulierte das Gericht die Grundlagen des Alimentationsprinzips, wonach der Dienstherr Beamtinnen und Beamten sowie ihren Familien einen Unterhalt gewähren muss, der sie vor existenziellen finanziellen Sorgen bewahrt.

-Durch den Bezug zur Grundsicherung wird nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass die Alimentation des Beamten und seiner Familie etwas qualitativ anderes ist als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und eines sozialen Standards für alle"

-Die Prüfung des BVerfG in Bezug auf die Berliner Bezahlung ergab, dass die Mindestbesoldung in den Jahren 2008 und 2009 in den Besoldungsgruppen A 2 bis A 9, von 2010 bis 2015 in den Gruppen A 4 bis A 10 und von 2016 bis 2020 in den Gruppen A 4 bis A 11 unterschritten wurde.

-Das Gericht betont ausdrücklich, dass die Pflicht zur Fortschreibung nicht nur eine formale Begründung im Gesetzgebungsverfahren erfordert, sondern eine materielle Anpassung.

-Haushaltsengpässe allein rechtfertigen keine Abweichung vom Alimentationsprinzip.......Eine bloße Berufung auf "knappe Kassen" genügt nicht. Außerdem habe Berlin nach der Föderalismusreform 2006 lange Zeit bewusst von einer Anpassung der Bezüge seiner Staatsdienerinnen und -diener abgesehen. Nach diesem "vollständigen Ausfall der Gestaltungsverantwortung" hätten auch spärliche Erhöhungen in der Zeit danach nichts genützt, zumal eine Sonderzahlung im Gegenzug gestrichen worden sei.(Anmerkung: Weihnachtsgeld, Diskussion an anderer Stelle bereits geführt. Daher Verschiebungen beim Bund

-Berlin muss nun nicht nur bis Ende März 2027 eine verfassungskonforme Regelung schaffen, sondern auch nachzahlen

-Wenngleich die Entscheidung primär Berlin betrifft, ist für die Aussage, dass sie auch Signalwirkung für andere Länder und den Bund hat, diesmal keine fachliche Einordnung notwendigdas Gericht selbst stellt dies explizit klar. Die Maßstäbe für die Prüfung einer amtsangemessenen Besoldung sind nun neu justiert.

-Der Gesetzgeber muss dabei nicht nur die Mindestbesoldung sicherstellen, sondern auch ein konsistentes Besoldungsgefüge schaffen. (Das bedeutet: Die Anhebung der unteren Gruppen kann auch Auswirkungen auf die höheren Gruppen haben, um das Abstandsgebot zu wahren.)


« Last Edit: 09.12.2025 04:07 von AltStrG »

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2527 am: 09.12.2025 04:03 »
Mag sein, dass im Bezugsjahr 1996 das MÄE auch schon gerissen war, aber offensichtlich hat zu dem Zeitpunkt niemand geklagt.

Hallo Clarion, hier möchte ich dir kurz widersprechen:
 
Auch in den 90er Jahren haben vermutlich ein paar Beamte gegen ihre Besoldung geklagt. ABER: Damals war der "weite Gestaltungsspielraum" der Gesetzgeber eben noch deutlich weiter als heute. Es galt unter anderem weder das zwischenzeitlich eingeführte Mindestabstandsgebot (15% über der Grundsicherung) noch die neue Mindestbesoldungs-Prekaritätsschwelle (184% des MÄE). Somit dürften die damaligen Kläger aufgrund der damaligen Vorgaben des BVerfG vermutlich keinen Erfolg gehabt haben.
 
Nach heutigen Maßstäben war hingegen höchstwahrscheinlich auch bereits die 1996er Besoldung zu niedrig. Und ja, die Besoldung des Jahres 1996 ist für sich betrachtet natürlich längst Geschichte und somit "vergossene Milch".
 
 
ABER: Eine Fortschreibungsprüfung, die auf einer mutmaßlich verfassungswidrigen Besoldung des Jahres 1996 aufbaut, könnte gegebenenfalls durchaus kritisch hinterfragt werden. Denn nochmals: Die Werte des Basisjahres haben eine immense Bedeutung für ALLE Indizes in ALLEN Jahren!

Und wie gesagt, alleine in dem recht kurzen Zeitraum zwischen 1979 und 1996 ist beispielsweise die Entwicklung der A15-Bruttogrundbesoldung (plus 65,8%) ziemlich deutlich hinter der Entwicklung des "Index der durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste" (plus 88,4%) zurückgeblieben, siehe https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,126915.msg433277.html#msg433277.

Rentenonkel

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« Antwort #2528 am: 09.12.2025 05:40 »
Man muss das auch im Kontext der steuerlichen Betrachtung und vor allem im Kontext der Einführung der Grundsicherung zum 01.01.2005 sehen.

Erst seit 2005 hat der Gesetzgeber das soziale Existenzminimum neu definiert und die Wohnkosten erstmals bei der Berechnung bedarfsorientiert berücksichtigt. Parallel dazu sind die Steuern nicht grundlegend reformiert worden. Nachdem in Ballungsräumen der Staat sich aus dem sozialen Wohnungsbau zurück gezogen hat und weite Teile seiner Immobilien verkauft haben, sind die Miet- und Nebenkosten stark gestiegen. Das ist nicht die einzige Ursache, hat aber auch nicht geholfen, günstigen Wohnraum zu finden.

Wenn also bis 2004 ein Arbeitslosenhilfeempfänger bei gestiegenen Mietkosten sich schlicht eine günstigere Wohnung suchen musste oder sich anderweitig einschränken müsste, und so auch etwas Druck auf den Vermieter ausüben könnte, werden die gestiegenen Mietkosten seit 2005 einfach an die Sozialleistungsträger durchgereicht.

Vor allem die strukturelle Reform der sozialen Sicherungssysteme in Kombination mit dem politischen Rückzug aus dem sozialen Wohnungsbau und die in den letzten Jahren stark gestiegenen Nebenkosten hatten zur Folge, dass die Empfänger von Grundsicherung deutlich stärkere, prozentuale Erhöhungen hatten als die Tariflöhne. Da außerdem Sozialleistungen netto gezahlt werden und auf der anderen Seite brutto gezahlt wird, führt das dazu, dass das Delta immer kleiner wurde und teilweise der Empfänger der Grundsicherung etwas die Nase vorn hatte. Dem ist der Gesetzgeber durch den Mindestlohn und der deutlichen Erhöhung des Wohngeldes begegnet.

Das BVerfG hat diese Entwicklung erkannt und gemerkt, dass auch Beamte teilweise weniger Einkommen haben als Empfänger von Grundsicherung. Deswegen hat es einen Mindestabstand von 15 % eingeführt. Das MÄE ist jetzt die Prüfgrenze, weil sie besser zu händeln ist. Im Ergebnis ist es derzeit in etwa dasselbe.

Der langen Rede, kurzer Sinn. 1996 war der Abstand zum Arbeitslosenhilfeempfänger mit große Wahrscheinlichkeit sogar gewahrt, so dass sich das Problem dort nicht gestellt hat. Es ist allerdings wie immer bei Durchschnittsbetrachtungen: Es gibt oft Ausreißer nach unten und oben, die solche Berechnungen glätten. Solche Entwicklungen sollte der Gesetzgeber im Blick haben und entsprechend die Besoldung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Berufsbeamtentums anpassen.

Bei dem unteren Ende hat das BVerfG jetzt auch eine solche Grenze gesetzt. Bei dem oberen Ende muss man wohl noch Überzeugungsarbeit leisten.

BVerfGBeliever

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« Antwort #2529 am: 09.12.2025 06:35 »
Nochmal: Die 1996er 4K-Besoldung des kleinsten A1-Beamten (damals gab es diese Gruppe noch) dürfte signifikant (!) unter der damaligen (fiktiven) 184%-MÄE-Schwelle gelegen haben.

@cyrix42 hatte dies kürzlich überschlägig für einen A4-Beamten (dessen Besoldung logischerweise oberhalb von A1 lag) betrachtet..

clarion

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« Antwort #2530 am: 09.12.2025 06:46 »
Und wie will man mit einer westdeutschen Besoldungszeitreihe eine gesamtdeutsche Besoldung begründen?

Warum sollte man 1979 als Basisjahr nehmen und nicht gleich 1949?

BVerfGBeliever

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« Antwort #2531 am: 09.12.2025 07:04 »
Die Idee war, das letzte Jahr zu nehmen, in dem das Gebot der Mindestbesoldung (ggf. "halbwegs") eingehalten wurde.

Und das dürfte (hoffentlich) später als 1949 gewesen sein..

Rentenonkel

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« Antwort #2532 am: 09.12.2025 08:26 »
Nochmal: Die 1996er 4K-Besoldung des kleinsten A1-Beamten (damals gab es diese Gruppe noch) dürfte signifikant (!) unter der damaligen (fiktiven) 184%-MÄE-Schwelle gelegen haben.

@cyrix42 hatte dies kürzlich überschlägig für einen A4-Beamten (dessen Besoldung logischerweise oberhalb von A1 lag) betrachtet..

Es liegt mir fern, das zu bestreiten. Es geht mir jedoch darum, dass damals vielleicht die Präkariatsschwelle nicht in dieser Größenordnung hätte festgesetzt werden müssen, sondern es einen Abstand zur Arbeitslosenhilfe hätte geben müssen. Die Anhebung der Mindestbesoldung folgt der Anhebung des sozialen Existenzminimums. Dabei hat auch die europäische Kommission die Entwicklung der Miet- und Nebenkosten im Blick, die vor 30 Jahren geringer waren. Mithin ist nicht völlig ausgeschlossen, dass man 1996 noch mit weniger als 80 % des Medianeinkommens nicht als arm galt.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1956 von der Regierung Adenauer (CDU) eine als Arbeitslosenhilfe bezeichnete Fürsorgeleistung eingeführt, die im Anschluss an das Arbeitslosengeld aus Steuermitteln von der Bundesanstalt für Arbeit ausgezahlt wurde und unbefristet war. Eine solche unbefristete Leistung, deren Höhe von der Höhe des vorherigen Einkommens abhing, war ein Novum und galt Kritikern, insbesondere aus dem Finanzministerium, als unrealistisch und mit großen finanziellen Risiken für den Staat behaftet. Adenauer setzte sich jedoch über diese Bedenken hinweg und brachte das Gesetz zusammen mit weiteren Verbesserungen der sozialen Absicherung auf den Weg. Dies wird als Vorbereitung der Bundestagswahl 1957 betrachtet, bei der seine Partei die erste und bislang einzige absolute Mehrheit in der Geschichte der Bundesrepublik erlangte. Später wurde die Arbeitslosenhilfe dem SGB III (§§ 190–197) zugeordnet.

Höhe und Bezugsvoraussetzungen für die Arbeitslosenhilfe wurden mehrmals angepasst, die Höhe 1994 von 63 % auf 60 % (ohne Kinder) bzw. von 68 % auf 67 % (mit Kindern) gesenkt. Der Bemessungszeitraum verlängerte sich 1994 von drei auf sechs Monate und 1997 von sechs auf zwölf Monate (ggf. auf bis zu 24 Monate erweiterbar).

Somit würde ich gerne parallel zu deiner Betrachtung auch mal das Einkommen des Single mit der durchschnittlichen Arbeitslosenhilfe zzgl 15 % vergleichen, um zu schauen, wie groß dort die Differenz ist. Alternativ kann man auch die 4K Sozialhilfe zzgl. 15 % als Ankerpunkt mal nehmen. Denklogisch wäre das mit einiger Wahrscheinlichkeit seinerzeit eher der Ankerpunkt gewesen, weil es die Definition von Armut, so wie wir sie heute kennen, damals schlicht noch nicht gab und die Grundsicherung erst 2005 eingeführt wurde.

Ich versuche mit meiner Betrachtung nur, mögliche offene Flanken, die der Gesetzgeber bei der Argumentation sehen könnte, zu schließen und ihm von vorneherein den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Böswilliger Dienstherr

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« Antwort #2533 am: 09.12.2025 08:31 »
Ich verstehe nicht, warum hier keiner den Dreisatz bemüht und stattdessen ewig recherchiert wird um die Zahlen für 1996 zu bestimmen. Wenn man davon ausgeht, dass das BVerfG die Besoldung im Jahr 1996 korrekt bestimmt hat, kann man den implizierten  Basiswert von 1996 anhand des Indexwertes eines Vergleichsjahres aus Berlin bspw 2020 per Dreisatz explizit ausrechnen. Man benötigt nur den Bezügerechner bspw für 2020 (oder ein anderes Jahr aus den Jahren aus dem Beschluss, wo die Besoldung klar nachvollziehbar ist) für das Land Berlin. Die Besoldung damals war noch bundeseinheitlich und genau das kann man nutzen. Ein Rechenbeispiel ist im Beitrag 43 unter:

https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,127191.30.html

Das ist halt dann dämlich, wenn mich der fortgeführte Index von 1996 zu Bund nach 2020 BERLIN nicht interessiert!! Ich gehe auf Basis 1996 und schreibe dann für BaWü fort (was ich bereits erledigt habe...)

Böswilliger Dienstherr

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« Antwort #2534 am: 09.12.2025 08:40 »
Besoldungsindexbeträge nach Dr. Färber (müsste zu 90% stimmen)                        
                        
Jahr 1996   Deutsche Mark                     
Grundgehaltssätze höchste Erfahrungsstufe, Allgemeine Stellenzulage, Urlaubsgeld, Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld)                        
                        
BesG   Grundgeh.   Allg.StZ.   OrtsZ   Anno 1   Urlaubsgeld   Weihnachstgeld   Anno 2   
A1   1.878,70   72,71   792,51   32.927,04   650,00   2.453,58   36.030,62   
A2   2.006,49   72,71   792,51   34.460,52   650,00   2.568,91   37.679,43   
A3   2.134,36   72,71   792,51   35.994,96   650,00   2.684,34   39.329,30   
A4   2.262,33   72,71   792,51   37.530,60   650,00   2.799,81   40.980,41   
A 5   2.378,74   100,57   792,51   39.261,84   650,00   2.929,29   42.841,13   
A 6   2.555,55   100,57   792,51   41.383,56   650,00   3.088,85   45.122,41   
A 7   2.833,14   100,57   792,51   44.714,64   650,00   3.339,38   48.704,02   
A 8   3.174,22   100,57   792,51   48.807,60   650,00   3.647,20   53.104,80   
A 9   3.395,91   193,84   841,29   53.172,48   500,00   3.971,73   57.644,21   
A 10   3.938,30   193,84   841,29   59.681,16   500,00   4.461,24   64.642,40   
A 11   4.507,78   193,84   841,29   66.514,92   500,00   4.975,19   71.990,11   
A 12   5.077,27   193,84   841,29   73.348,80   500,00   5.489,15   79.337,95   
A 13   5.649,46   193,84   946,64   81.479,28   500,00   6.097,85   88.077,13   
A 14   6.374,03   72,71   946,64   88.720,56   0,00   6.645,63   95.366,19   
A 15   7.339,87   72,71   946,64   100.310,64   0,00   7.516,34   107.826,98   
A 16   8.302,68   72,71   946,64   111.864,36   0,00   8.386,23   120.250,59   
                        
in Euro                        
BesG   Grundgeh.   Allg.StZ.   OrtsZ   Anno 1   Urlaubsgeld   Weihnachstgeld   Anno 2   
A1   960,56   37,18   405,20   16.835,27   332,34   1.254,49   18.422,10   
A2   1.025,90   37,18   405,20   17.619,32   332,34   1.313,46   19.265,12   
A3   1.091,28   37,18   405,20   18.403,86   332,34   1.372,48   20.108,68   
A4   1.156,71   37,18   405,20   19.189,02   332,34   1.431,52   20.952,87   
A 5   1.216,23   51,42   405,20   20.074,19   332,34   1.497,72   21.904,24   
A 6   1.306,63   51,42   405,20   21.159,00   332,34   1.579,30   23.070,64   
A 7   1.448,56   51,42   405,20   22.862,15   332,34   1.707,39   24.901,88   
A 8   1.622,95   51,42   405,20   24.954,84   332,34   1.864,78   27.151,95   
A 9   1.736,29   99,11   430,14   27.186,56   255,65   2.030,71   29.472,91   
A 10   2.013,61   99,11   430,14   30.514,38   255,65   2.280,99   33.051,01   
A 11   2.304,78   99,11   430,14   34.008,41   255,65   2.543,76   36.807,82   
A 12   2.595,96   99,11   430,14   37.502,51   255,65   2.806,55   40.564,70   
A 13   2.888,51   99,11   484,01   41.659,54   255,65   3.117,77   45.032,96   
A 14   3.258,98   37,18   484,01   45.361,94   0,00   3.397,84   48.759,78   
A 15   3.752,80   37,18   484,01   51.287,83   0,00   3.843,03   55.130,86   
A 16   4.245,08   37,18   484,01   57.195,13   0,00   4.287,80   61.482,92   
                        
BVerfG 2 BvL 05/18 u.a. 19.11.2025 Rn. 122:                        
Besoldungsindex: Jahresbrutto Grundgehalt ab 1996 Basis, höchste Erfahrungsstufe allgemeine Stellenzulage (Nr. 27), Ortszuschlag                        
Urlaubsgeld und Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld)                        
                        
(Alle Werte für Single-Beamte, keine Familienzuschläge o.ä.)                        
Tabellenwerte Grundgehalt, Ortszuschlag und allg. Stellenzulage: BBVAnpG 95                        
Werte Urlaubsgeld: BBVAnpG 92 (seit dort bis Abschaffung 2003 unverändert) bis max. A13                        
A1-8 650   A9-13 500                     
Werte Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld): BBesG 94 Art. 4 Festschreibung auf 1993 Bezüge ->95% in 1996                        
Sonderzuwendungsgesetz (SZuwG): Sonderzuwendung Berechnung aus Grundgehalt und Zulagen (hier vereinfacht nur Stellenzulage!!)                        
Tabellenwerte Grundgehalt 1993 Bezüge, Ortszuschlag und Stellenzulage 100: BBesG 93   

Danke @
BuBea, Durgi, GoodBye, Rentenonkel, Staatsdiener 1969

So, die Arbeit nun getan, könnte man auch hergehen und "irgendwie" die Verfassungswidrigkeit mit nach 1996 fingierten/hergerechneten (habe mal IFO-Institut angefragt, was vergleichbar hinreichend herstellbar wäre) und herausfinden ob es bereits 1996 verfassungswidrig war. Gleichzeitig kann man die indexwerte jetzt grob für die Zukunft in Geldwert rechnen. (klar kann man das auch PER DREISATZ, wenn man mag XD)