Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2089201 times)

BRUBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8085 am: 25.10.2023 15:46 »
Also ich habe es eher so verstanden, dass grundsätzlich zwar sei der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau von 15 % in der untersten Besoldungsgruppe in den Jahren 2017 bis 2021 nicht eingehalten worden.

Sprich, A-Besoldung.

Mit Blick auf die R-Besoldung aber die evidente verfassungswidrige Unteralimentation der Kläger als (pensionierte) Richter der Besoldungsgruppen R1 bis R3 gleichwohl nicht gegeben ist.

Sprich, die Besoldung ist zu hoch für eine Unteralimentation. Das Abstandsgebot innerhalb der Besoldung war wohl nicht Gegenstand der Klage.

Oder was meint Ihr?
« Last Edit: 25.10.2023 15:53 von BRUBeamter »

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8086 am: 25.10.2023 16:36 »

Gibts jetzt doch keine x tausend mehr im Monat oder was hier ständig ausgerechnet wird für Alle? Nimmt die „Berechnungen“ im Forum keiner außerhalb dieser Bubble ernst? Unglaublich… NICHT


Die Aussage zeugt vom mangelnden Verständnis der Problematik. Hier wurde nie vorgerechnet wie viele 1000er einem mehr zustehen, sondern der Fehlbetrag zwischen der untersten Besoldungsgruppe zur Mindestalimentation. Und der liegt in 2022 bei ca. 32% für  eine 4k Familie, wenn ich mich recht entsinne. Der daraus errechnete Fehlbetrag zur indiziellen Grundbesoldung liegt demnach bei ca. 40%. Das sich daraus eine Anhebung der gesamten Besoldungstabelle um 40% ergibt steht noch gar nicht fest.

emdy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8087 am: 25.10.2023 16:36 »
Aus der Rechtsprechung des BVerfG geht hervor, dass die Besoldung einer höheren Besoldungsgruppe noch verfassungskonform sein kann obwohl das Mindestabstandsgebot gerissen wird. Das Verwaltungsgericht hat dies also für die R-Besoldung so gesehen. Das Binnenabstandsgebot ist offenkundig noch nicht mit einer mathematischen Genauigkeit beschrieben worden (was auch nicht Auftrag oder Selbstverständnis des BVerfG ist).

Dazu Rn 49 des Beschlusses 2 BvL 4/18:
Ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt, lässt sich daher nicht mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist umso größer, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt.

Ich weise darauf hin, dass der streitgegenständliche Zeitraum 2021 endet. Seit Anfang 2022 haben wir eine lange Zeit nicht mehr gekannte Inflation.

Floki

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8088 am: 25.10.2023 16:43 »
Das Verwaltungsgericht hat auch ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, dass die Stellen nicht mehr besetzt werden können. Das ist in NRW schlichtweg falsch. Es gibt seit Jahren etliche Stellen bei Gericht und Staatsanwaltschaft die nicht besetzt werden können. Der dargelegte Sachverhalt beim Amtsgericht ist somit bereits fehlerhaft und das ohne juristische Würdigung.

Ozymandias

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8089 am: 25.10.2023 17:45 »
@bastel

Sicher ist ein VerwG nicht die letztendliche Instanz, aber es ist doch schon interessant wie das VerwG zu diesem Urteil gekommen ist.
Zum einen stellt man fest die 15% Grenze ist verletzt, aber im Rahmen einer Gesamtabwägung kommt man zu einem anderen Ergebnis.
Welche "Zitat: weiteren alimentationsrelavanten Kriterien" hat man hinzugezogen und wie bewertet ?
Und inwieweit begründet das VerwG dass diese "alimentationsrelavanten Kriterien" das Abstandsgebot in seiner Bedeutung überwiegen ?
Leider gibt der Text dazu weiter nichts detailliertes her.
Aber am deutlichsten worum es immer wieder geht ist doch der letzte Satz in Bezug auf die Schuldenbremse.
Damit stellt sich doch das VerWg auch auf die Seite derer, die Besoldung/Alimentation nach Kassenlage regeln.

Das VG Berlin hatte übrigens ähnlich geurteilt.

https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=VG%20Berlin&Datum=16.06.2023&Aktenzeichen=26%20K%20245.23

Rn. 28

Zitat
An diesen Maßstäben gemessen sind die Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG für die Besoldungsgruppe R 1 in den Besoldungsjahren 2018 bis 2021 nicht verletzt. In den streitgegenständlichen Jahren ist jeweils ein Parameter der verfassungswidrigen Unteralimentation – eine Unterschreitung des Mindestabstandsgebots – auf der ersten Prüfungsstufe erfüllt (vgl. B.II.1.g)). Die mithin „offene“ Gesamtabwägung lässt aber nicht auf eine evidente Sachwidrigkeit der Besoldung schließen (vgl. B.II.2.). Die Besoldung in den Jahren 2018 bis 2021 genügt zudem nicht nur den materiellen Alimentationsvorgaben, sondern es liegt auch keine Verletzung der besonderen prozeduralen Begründungspflichten vor (vgl. B.II.4.).

Immerhin wurde in Arnsberg die Berufung zugelassen.
Die Verwaltungsgerichte missachten hierbei aus meiner Sicht eindeutig die Rechtssprechung des BVerfG.

Zitat
ird bei der zur Prüfung gestellten Besoldungsgruppe der Mindestabstand zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht eingehalten, liegt allein hierin eine Verletzung des Alimentationsprinzips. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation einer höheren Besoldungsgruppe, bei der das Mindestabstandsgebot selbst gewahrt ist, lässt sich eine solche Schlussfolgerung nicht ohne Weiteres ziehen. Eine Verletzung des Mindestabstandsgebots betrifft aber insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich der vom Besoldungsgesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Das für das Verhältnis zwischen den Besoldungsgruppen geltende Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber dazu, bei der Ausgestaltung der Besoldung ein Gesamtkonzept zu verfolgen, das die Besoldungsgruppen und Besoldungsordnungen zueinander in Verhältnis setzt und abhängig voneinander aufbaut. Erweist sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts als verfassungswidrig, weil für die unterste(n) Besoldungsgruppe(n) die Anforderungen des Mindestabstandsgebots missachtet wurden, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung in Frage gestellt. Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen." (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 –, BVerfGE 155, 1-76, Rn. 48).

Die Unabhängigkeit der Richter gibt es nur auf dem Papier. Welcher einfache Verwaltungsrichter möchte für Milliardennachzahlungen verantwortlich sein? Das würde für junge Richter das Ende der Karriere bedeuten. Über die Nominierungen an höhere Gerichte wird auch politisch gepokert.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8090 am: 25.10.2023 17:46 »
Das Problem scheint mir zu sein, dass das BVerfG noch keine konkreteren Aussagen zum Binnenabstandsgebot verkündet hat, nur das auf Basis einer Mindestalimentation ein gesamtes Besoldungsgefüge aufgebaut werden muss. In welcher Form ist aber teilweise noch im dunklen.

Das Binnenabstandsgebot ist offenkundig noch nicht mit einer mathematischen Genauigkeit beschrieben worden (was auch nicht Auftrag oder Selbstverständnis des BVerfG ist).

Hierzu habe ich im Netz folgenden Text gefunden:

"Bei der Untersuchung der Amtsangemessenheit („1. Säule“) ist die Einhaltung des Abstandsgebots auf der 1. Prüfungsstufe im Rahmen des systeminternen Besoldungsvergleichs (4. Parameter) in den Blick zu nehmen. Wird dort festgestellt, dass die Abstände zwischen einer oder mehreren Besoldungsgruppen um mindestens 10% in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden, liegt ein gewichtiges Indiz für eine unzureichende Alimentation vor. Diese Indizwirkung fließt in die Gesamtabwägung aller Parameter der 1. und 2. Prüfungsstufe ein. [...]
 
Losgelöst vom Kriterium der Amtsangemessenheit der Besoldung kann die Verletzung des Abstandsgebots, das ein eigenständiger hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums ist, alleiniger Grund für die Verfassungswidrigkeit eines Besoldungsgesetzes sein. Auf diese Variante wird im Folgenden näher eingegangen:

[...] Angesichts dieser „Turbulenzen“ stellte das Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung vom 23.5.2017 – 2 BvR 883/14 –, ES /C I Nr. 23, die Verfassungswidrigkeit der einschlägigen sächsischen Besoldungsvorschriften fest, soweit sie die Besoldung aus der Besoldungsgruppe A 10 in den Jahren 2008 und 2009 betrafen [...]. Die Amtsangemessenheit der Besoldung spielte bei der Entscheidung keine Rolle; die Verletzung des Abstandsgebots führte unmittelbar zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit. [...]"

[Quelle: https://www.rehm-verlag.de/eLine/portal/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27BeamtenRBuLa_Ges_cf142202a0f2e105be2eb65caca9467e%27%20and%20%40outline_id%3D%27BeamtenRBuLa_Ges%27%5D]


Insbesondere den zweiten Punkt finde ich spannend (dass eine Verletzung des Binnenabstandsgebots anscheinend unmittelbar einen Verfassungsbruch darstellen kann). Eventuell kann Swen ja noch weitere Infos ergänzen..


SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8091 am: 25.10.2023 23:22 »
Uns liegt ja die Begründung des Verwaltungsgerichts noch nicht vor. Die Begründung als solche wird dann Aufschluss über die Argumentation und ihrer Güte geben. Zunächst einmal gilt hinsichtlich der beiden Abstandsgebote offensichtlich die Struktur, die ich wiederkehrend darlege:

Die Mindestalimentation umfasst materiell-rechtlich das vom absoluten Alimentationsschutz umfasste Rechtsgut, in das dem Besoldungsgesetzgeber keine Einschnitte gestattet sind. Der über die Mindestalimentation hinausreichende Teil der gewährten Nettoalimentation unterliegt nur dem relativen Alimentationschutz. Hier sind dem Besoldungsgesetzgeber Kürzungen und Einschnitte gestattet, sofern sie durch solche Gründe sachlich gerechtfertigt werden können, die im Bereich des Systems der Beamtenbesoldung liegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 –, Rn. 111). So verstanden ist ausnahmslos jede R-Besoldung weiterhin "nur" vom relativen Alimentationsschutz umfasst, da sie ausnahmslos über den Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau hinausreicht. Sofern es sich also sachlich rechtfertigen lässt, dürfen hier Kürzungen und Einschnitte vorgenommen werden.

Das Verwaltungsgericht wird zu dem Schluss gekommen sein, dass die sachliche Rechtfertigung im Gesetzgebungsverfahren hinreichend gewesen sein soll, sodass die ggf. identifizierten Kürzungen und Einschnitte in die Alimentation als sachgerecht betrachtet worden sind. Denn andernfalls hätte es seine Entscheidung nicht so treffen können, wie es das augenscheinlich getan hat. Am Ende wird es also wie zumeist im Besoldungsrecht auf die Begründung der Entscheidung ankommen. Ich gehe davon aus, dass in der Begründung argumentative Schwächen zu finden sein werden - diese werden mit hoher Wahrscheinlichkeit insbesondere darin zu finden sein, dass das Verwaltungsgericht das Zusammenspiel beider Abstandsgebote nicht hinreichend erkannt haben dürfte; die Komplexität und das Zusammenspiel beider Abstandsgebote, das letzteres (das Zusammenspiel) den vierten Parameter der ersten Prüfungsstufe zu einem einzigen Parameter macht, sind weiterhin nicht einfach zu erkennen, nicht zuletzt, weil auch dazu bislang kaum Literatur vorliegt -; diese Schwächen werden wiederum einem Verwaltungsgericht kaum vorgeworfen werden können. Denn die weiterhin nicht vollständig ausgeformte neue Dogmatik zum Besoldungsrecht dürfte auch für Juristen, die nicht jeden Tag mit dem Thema konfrontiert sind, ein ziemlich sperriges Ding sein, deren Haken man wiederkehrend erst erkennt, wenn man sich regelmäßig mit der Materie beschäftigt, denke ich.

Zugleich wirft indiziell das Problem, dass die Zeiten der massiven Besoldungkürzungen ab 2003/05 zunehmend aus dem Prüfhoriziont verschwinden, seinen dunklen Schatten auf die derzeitigen und zukünftigen Klageerhebungen, was einen ganzen Strauß an ungelösten Problemen mit sich bringt: Und insbesondere das kann ein Verwaltungsgericht, wenn es nicht zugleich über hinreichende Kenntnis von Statistik verfügt, ebenfalls kaum erkennen - und wenn es das Problem erkennt, steht es dennoch vor dem Folgeproblem, dass das Problem der aus dem Prüfhorizont verschwindenen Jahre hoher Besoldungseinsparungen noch keine Betrachtung des Bundesverfassungsgerichts gefunden hat. Die Verwaltungsgerichte bleiben aber an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden, sodas sie also auf der ersten Prüfungsstufe den 15-Jahreszeitraum abarbeiten und nun zunehmend zu dem Ergebnis kommen werden, wenn die Kläger die Gerichte nicht auf die Probleme hinweisen und sie umfassend nachweisen (sie also ihre Klage nicht hinreichend substantiieren), dass die Prüfparameter mit Ausnahme des verletzten Mindestabstandsgebots keine Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation indizieren. Davon sind - s.o. - insbesondere all die Klagen potenziell betroffen (oder können es sein), die von Klägern aus höheren Besoldungsgruppen angestrengt werden, deren Rechtsgut also nicht vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist (oder genauer: deren über die Mindestalimentation hinausreichendes Rechtsgut nur einen relativen Alimentationsschutz findet).

Insbesondere die massiven Einsparungen im Zuge der Öffnung des Sonderzahlungsrechts für ländereigene Regelungen ab 2003 haben - zumeist im Zeitraum zwischen 2003 und 2005 - bislang tiefe Spuren im für die ersten drei Parameter des bundesverfassungsgerichtlichen Prüfungsrahmens der ersten Prüfungsstufe wichtigen Vergleichsgegenstand des Besoldungsindex hinterlassen. Mit den Jahren ab 2018 verschwinden nun diese Jahre zunehmend aus dem 15-jährigen Prüfhorizont, was einige sachliche Probleme nach sich zieht, die allerdings rechtwissenschaftlich noch nicht beleuchtet sind, da es dazu keine systematische Literatur gibt. Auch das kann man also den Verwaltungsgerichten nicht vorwerfen - so ärgerlich solche Entscheidungen wie nun auch diese aktuelle für Kläger sind. Die Problematiken werden nun über genau solche Entscheidungen nach und nach Eingang in die rechtswissenschaftliche Literatur finden und eben, sobald die entsprechenden Jahre ab 2018 vor dem Bundesverfassungsgericht landen, auch in dessen Rechtsprechung. Bis dahin wird noch mancher Kläger, der die Problemlage nicht hinreichend durchdringt (bzw. dessen Anwalt sie nicht hinreichend durchdringt), ein böse Überraschung vor "seinem" Verwaltungsgericht erfahren, wenn er insbesondere die letzten Jahre angreifen will und nicht den Zeitraum vor 2018.

Und bevor nun wieder der eine oder andere ggf. steil geht und mir unterstellt, dass ich die dargelegten Probleme und also das Handeln der Verwaltungsgerichte gutheiße, der wiederkehrende Hinweis: Mir geht es in dem, was ich schreibe, zumeist nicht um eine moralische Beschreibung, also um "gut" oder "schlecht" (oder gar "böse", was nun eher schon keine moralische, sondern vor allem eine theologische Kategorie ist), sondern um die Sache, also darum, was sachlich "richtig" oder "falsch" ist. Es wird also auch zukünftig weiterhin darum gehen, die argumentativen Schwachpunkte von Darlegungen auch der Gerichte auf Basis der gegebenen bundesverfassungsgrichtlichen Rechtsprechung in den abweisenden Begründungen der Verwaltungsgerichte zu identifizieren und ihnen dann argumentativ zu entgegnen. Dabei nützt es zumeist wenig, auf Richter und Gerichte mit moralischen Urteilen zu reagieren (die bestenfalls nützen, um die eigene Wut, Verzweiflung oder Resignation bewältigen zu können und die hier also nicht nur ihre Berechtigung, sondern ebenso auch einen nachvollziehbaren Zweck haben); denn jede gerichtliche Entscheidung ist auch von moralischen Wertungen grundiert (die idealerweise auf Grundgesetz zurückzuführen sind, da diese Grundierung die grundlegendste ist). Am Ende geht es aber immer um die Frage, ob etwas sachgerecht ist oder nicht und ob das sachlich begründbar ist oder nicht; entsprechend ist also sie in den Vordergrund zu rücken, wenn man sich mit juristischen Fragen auseinandersetzen will (anders, als wenn's um Politik geht: Da darf die Moral dann nicht fehlen, da es ihr immer auch um die Frage von "gut" und "schlecht", also um Moral geht). Insofern bleibt das, was ich hier schreibe, wenn ich über das juristische Feld schreibe, sachlich und hört sich also ggf. kühl an. Das sollte man aber nicht mit Zustimmung verwechseln, sondern nur als das interpretieren, was es sein soll: der sachliche Versuch einer Problembeschreibung. Denn sie ist juristisch gesehen meistens der erste Schritt, um das Problem zu erkennen, um es dann in einem zweiten bearbeiten zu können.

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8092 am: 25.10.2023 23:42 »
Jüngere Kollegen, die erst 2017 oder später  verbeamtet wurdn, haben  keine Möglichkeit frühere Besoldungen anzugreifen.  Damit auch junge Beamte profitieren,  wäre es doch umso wichtiger, dass die Musterkläger schob lange verbeamtet sind. Das Gericht  sollte sich sp langsam  mal beeilen bevor die Alten alle wegstecken.

flip

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8093 am: 26.10.2023 06:08 »
Jüngere Kollegen, die erst 2017 oder später  verbeamtet wurdn, haben  keine Möglichkeit frühere Besoldungen anzugreifen.  Damit auch junge Beamte profitieren,  wäre es doch umso wichtiger, dass die Musterkläger schob lange verbeamtet sind. Das Gericht  sollte sich sp langsam  mal beeilen bevor die Alten alle wegstecken.
Man wird abwarten, biss die Boomer weg sind. So kann man eine Menge Geld sparen.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8094 am: 26.10.2023 07:12 »
Jüngere Kollegen, die erst 2017 oder später  verbeamtet wurdn, haben  keine Möglichkeit frühere Besoldungen anzugreifen.  Damit auch junge Beamte profitieren,  wäre es doch umso wichtiger, dass die Musterkläger schob lange verbeamtet sind. Das Gericht  sollte sich sp langsam  mal beeilen bevor die Alten alle wegstecken.

Das ist ein wichtiger Gedanke, clarion - und zugleich kann der Rechtschutz nicht vom Alter und der Beschäftigungsdauer abhängen. Das sachliche Problem ist - das wollte ich gestern abend sagen -, dass die Methodik des vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Prüfverfahrens in sich zwar schlüssig ist, wenn es auch wiederkehrend sachliche Kritik erfahren hat, weshalb es vom Zweiten Senat bereits in seiner letzten Entscheidung bereits hinsichtlich der von den Verwaltungsgerichten verlangten Abwägungsentscheidungen eine deutliche Öffnung deren Spielräume festgelegt hat, dass den Verwaltungsgerichten jedoch nicht klar ist, dass die langen Reihen der Prüfmethodik auf der ersten Prüfungsstufe für den Zeitraum ab 2018 mit Vorsicht zu genießen sind, da es dazu bislang keine rechtswissenschaftlichen Betrachtungen gibt.

So verstanden sollte sich jeder Kläger m.E. genau überlegen, welchen Klagezeitraum er wählt. Zugleich wird sich durch die abschlägigen Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach und nach ein Bewusstsein für sachliche Probleme des Prüfverfahrens entwickeln, sobald es abschlägige Entscheidungen wie jetzt jenes aus NRW gibt. Dieser Prozess der Bewusstseinsbildung wird allerdings ebenfalls Zeit kosten - die gerichtliche Kontrolle hinkt qua ihrer ihr von der Verfassung zugewiesenen Funktion immer der Zeit hinterher, da sie ausnahmslos nachträglich geschieht. Zugleich gehe ich davon aus, dass zur Problematik des Prüfverfahrens für die Zeit spätestens ab 2018 Darlegungen entstehen werden. Sie werden, was die Verwaltungsgerichtsbarkeit betrifft, öffentlich zugänglich werden, da die Gerichte ja gezwungen sind, ihre Entscheidungen zu begründen. Zugleich wird es Darlegungen wie diese in verschiedenen öffentlichen Medien geben, die auf die Problematik(en) aufmerksam machen - und weitere Darlegungen, die sie analysieren und so nach und nach ein Bewusstsein für sie schaffen werden, also der übliche Prozess gerichtlicher und rechtswissenschaftlicher Arbeit.

Wieso ich das hier schreibe, liegt auf der Hand: Es nehmen sich hier Verschiedene vor, gegen ihre gewährte Alimentation und Besoldung zu klagen - also versuche ich, sie für Probleme zu sensibilisieren, damit die am Ende entstehenden Klageschriften hinreichend substantiiert werden. Zugleich gehe ich davon aus, dass zu der genannten Problematik im Verlauf der kommenden Zeit auch an anderer Stelle tief(er)gehende Betrachtungen öffentlich zugänglich werden. Insbesondere die von der Verwaltungsgerichtsbarkeit verlangten Abwägungsvorgänge müssen - denke ich - in Klageschriften deutlich weitergehend als für die Zeit vor 2017 begründet werden.

Dabei muss darüber hinaus ebenfalls wiederkehrend betont werden, dass nicht die Gerichte die Verantwortung für die Problematiken tragen, sondern ausnahmslos die wissentlich und willentlich, also zielgerichtet und konzertiert verfassungswidrig handelnden Dienstherrn, wie das Ulrich Battis betont. Die Gerichte können nur ob ihrer Bindung an die Verfassung und die einfachgesetzlichen Rechtsnormen handeln und tun das auch - dass andere Verfassungsorgane sich hinsichtlich des Besoldungsrechts offensichtlich und offensichtlich wiederkehrend nicht so verhalten, liegt nicht in deren Verantwortung. Im Rechtsstaat gilt das Handeln auf Basis von Recht und Gesetz auch dann, wenn man auf einzelne und Gruppen trifft, die nicht im Rahmen von Verfassung oder einfachgesetzlichem Recht handeln. Das dürfte wiederkehrend nicht immer leicht auszuhalten sein. Aber Unrecht darf nicht mit Unrecht beantwortet werden, da das das Unrecht vermehrt. Das ist wiederkehrend bitter - aber nur so kann ein Rechtsstaat funktionieren. Die politisch Handelnden kriegen für ihr Handeln die jeweilige Resonanz, und zwar spätestens an Wahlsonntagen auf den Wahlzetteln. Wer den Rechtsstaat als Verantwortungsträger erodieren lässt, darf sich nicht wundern, wenn insbesondere die stark werden, die Interesse an einem erodierten Rechtsstaat haben.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8095 am: 26.10.2023 08:59 »
Jüngere Kollegen, die erst 2017 oder später  verbeamtet wurdn, haben  keine Möglichkeit frühere Besoldungen anzugreifen.  Damit auch junge Beamte profitieren,  wäre es doch umso wichtiger, dass die Musterkläger schob lange verbeamtet sind. Das Gericht  sollte sich sp langsam  mal beeilen bevor die Alten alle wegstecken.

So verstanden sollte sich jeder Kläger m.E. genau überlegen, welchen Klagezeitraum er wählt.

Das verstehe ich nicht. Der Klagezeitraum ist doch schon durch die zeitnahe Geltendmachung und die Widerspruchseinlegung limitiert, oder?

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8096 am: 26.10.2023 09:38 »
Da sich der Beamte ja gezwungen sieht, jahresweise gegen die ihm gewährte Alimentation Widerspruch einzulegen, kann er ja durchaus verlangen, den Widerspruch nur für bestimmte Zeiten zu bescheiden. Damit könnte er zunächst einmal von sich aus versuchen, den späteren Klagezeitraum einzugrenzen. Er könnte sich dann zwar nicht zur Wehr dagegen setzen, wenn der gesamte Zeitraum bis zum letzten Datum der Bewiderspruchung beschieden werden würde. Dennoch hat er so die Möglichkeit, erst einmal selbst einen Zeitraum bestimmen zu wollen. Sofern er dann aber bspw. einen Klagezeitraum von 2013 bis 2022 vorfände, da dieser Zeitraum beschieden werden würde, könnte er im Klageverfahren das Verwaltungsgericht darum bitten, den Klagezeitraum zunächst auf die Jahre 2013 bis 2017 zu begrenzen und den weiteren Klagezeitraum ab 2018 bis auf Weiteres erst einmal auszusetzen. Dies könnte er weiter mit der Darlegung methodischer Probleme begründen, die sich wegen der von mir vorhin angerissenen Sachlage im Klageverfahren ab dem Jahr 2018 wiederfinden könnten. Das Gericht muss ihm darin nicht folgen, kann aber durchaus ebenfalls ein Interesse daran haben, den Zeitraum zu begrenzen, da das ihm zunächst einmal Arbeit(szeit) erspart bzw. weil es der vom Kläger dargelegten Sichtweise folgt.

Der (potenzielle) Kläger kann also auf den Klagezeitraum einwirken, wenn er am Ende auch zunächst von der Gegenseite und danach vom Gericht abhängig bleibt.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8097 am: 26.10.2023 10:08 »
@ Swen

Macht es denn aus deiner Sicht überhaupt einen Sinn den Klageweg derzeit zu beschreiten, wenn man z.B. erst ab 2020 Widerspruch gegen die gewährte Besoldung eingelegt hat?

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8098 am: 26.10.2023 10:26 »
@ Swen

Macht es denn aus deiner Sicht überhaupt einen Sinn den Klageweg derzeit zu beschreiten, wenn man z.B. erst ab 2020 Widerspruch gegen die gewährte Besoldung eingelegt hat?

Im eD und mD bestimmt.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8099 am: 26.10.2023 10:37 »
Das ist eine so allgemein nicht zu beantwortende Frage, PolareuD, da es auf viele Sachverhalte ankommt, die nicht in der Hand des Klägers liegen. Zunächst bleibt zu bedenken, dass wir seit 2020 - seit den aktuellen Entscheidungen aus Karlsruhe - nur verhältnismäßig wenige Entscheidungen vonseiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit haben. Damit können die zukünftig entscheidenden Gerichte nur auf relativ wenige Entscheidungen zurückgreifen, die ihnen eine argumentative Stütze hinsichtlich des seit 2020 als solches festgelegte Mindestabstandsgebots, aber auch hinsichtlich der Präzisierung der Abwägungsmöglichkeiten, über die ein Gericht verfügt, geben. Richter greifen gerne auf vormalige Begründungen zurück, da das Zeit spart und weil argumentativ überzeugende Begründungen eine schlüssige Stütze für das eigene Verfahren, über das entschieden werden muss, bieten.

Zugleich dürfte sachlich die Wahrscheinlichkeit, für einen Entscheidungszeitraum ab 2018 einen Vorlagebeschluss zu erreichen, in unteren Besoldungsgruppen tendenziell besser stehen als in oberen, als insbesondere, sofern die Alimentation einer Besoldungsgruppe angegriffen wird, deren Gewährung vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist. Darüber hinaus wird jede Kammer und jeder Richter seine eigene Persönlichkeit ins Verfahren einbringen, was - da wie im ersten Absatz gesagt - auf Basis der weiterhin recht wenigen Entscheidungen, die auf die aktuelle Rechtsprechung aus Karlsruhe zurückgreifen, die Unwägbarkeit von Entscheidungen eher erhöht als verringert. Schließlich stellt sich die Frage nach einem Anwalt und - sofern man auf einen zurückgreift - wie gut er sich im Besoldungsrecht auskennt sowie wie engagiert er ist.

Es wird in nächster Zeit weitere Entscheidungen vonseiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit geben, und zwar nicht erst in allzu ferner Zukunft. Danach sind wir wieder etwas schlauer, denke ich.