Autor Thema: Völlige Entkoppelung von Besoldung und Gehalt nach BVerfG Urteil  (Read 40745 times)

UNameIT

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@Rentenonkel, bezüglich der Zuschläge für die ersten beiden Kinder sage ich Zweierlei:

@UNameIT, auch an dich die Frage: Gegen wen und auf Basis welchen Artikels welchen Gesetzes soll ein Angestellter (oder auch der Bund der Steuerzahler) in deinen Augen klagen, wenn er mit seinem Gehalt unzufrieden ist?

Thema: Haushaltsuntreue

vielleicht wäre das dann auch eher ein Thema für die Kommunalaufsicht oder die Rechnungshöfe - einfach aus dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung.

Warum?

Weil ein einfacher Postbote dann (nach deiner Argumentation) das Gehalt eines Studierten in der PW erhält - somit besteht hier weder die Wirtschaftlichkeit noch die Ordnungsmäßigkeit sondern reine Steuerverschwendung. Abgesehen von dem ganzen sozialen Ratenschwanz was das ganze mit sich ziehen wird. Denn "Die Besoldung muss angemessen sein, also dem übertragenen Amt entsprechen."

MoinMoin

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Mit "ganz überwiegend" ist nach meinem Verständnis gemeint, dass in nahezu allen Fällen (und nicht nur insgesamt mehrheitlich) diese Bedarfe überwiegend aus familienneutralen Bezügen stammen müssen.

Aufgrund dieser unterschiedlichen Interpretation kommen wir auch auf unterschiedliche Ergebnisse, da ich durch diese unterschiedliche Interpretation mehr Spielraum bei den familienbezogenen Zuschläge sehe als Du.
Kann man daraus ableiten (und der von SimsiBumbu genannte 60% Grenze), dass wenn der Beamte für sein Kind noch 200€ vom Besoldungsgesetzgeber bekommen muss, um die 115% Marke zu erreichen, da er den Rest via Kindergeld o.ä. zur Verfügung gestellt bekommt, er 120€ aus der Grundbesoldung bestreiten muss und 0-80€ der Spielraum für ein Zuschlage wäre?
Und dann der Zuschlag nicht gg widrig hoch wäre?

UNameIT

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@UNameIT, auch an dich die Frage: Gegen wen und auf Basis welchen Artikels welchen Gesetzes soll ein Angestellter (oder auch der Bund der Steuerzahler) in deinen Augen klagen, wenn er mit seinem Gehalt unzufrieden ist?
Wieso hätte das was mit der Zufriedenheit und seinem Gehalt zu tun, es hat alleinig etwas mit der Lebensrealität in der sich die Amtsangemessenheit messen muss zu tun, hier bezogen auf die Entlohnung der vergleichbaren Bürger.
Und wenn ein Beamter das Doppelte eines vergleichbaren Angestellten erhält, dann ist es genauso wenig amtsangemessen wie wenn er die Hälfte erhält.
Deswegen muss die R Besoldung auch wesentlich stärker angehoben werden, da hier die Besoldung längst nicht mehr amtsangemessen ist und die Bestenauslese nimmer mehr funktioniert.

Ganz genau.

wie Rentenonkel hier sagte: Man muss hier die Quadratur des Kreises finden und ich befürchte die liegt darin, das Bewertungsschema anzupassen. Nach meinem Verständnis steht das Geld einer 4K-Bürgergeldfamilie ja auch nicht zu 100% dem Mann zu, sondern die Kinder bekommen Geld, die Mutter bekommt Geld, der Vater bekommt Geld - sonst reden wir hier von einem sehr patriarchalischem Weltbild.

Und das Alleinverdienermodell ist einfach nicht mehr Lebensrealität. Daher müsste der Staat hier ansetzen.   

Rentenonkel

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@SimsiBumbu:

Vielen Dank für Deinen Beitrag. Diese Definition weicht etwas von meiner Erinnerung ab, ich denke aber, Du hast damit den Nagel auf den Kopf getroffen und ich habe mich an der Stelle etwas geirrt.

@MoinMoin:

Daraus würde ich ableiten, dass der Familienzuschlag bis zu 40 % des Gesamtbedarfes des Kindes abzüglich des Kindergeldes ausmachen darf, ohne dass er verfassungsrechtlich zu beanstande wäre.

Da der Bedarf stark abhängig vom Wohnort ist, kann er auch allerdings je nach Wohnort und Alter des Kindes unterschiedlich hoch sein.

Machen wir mal ein einfaches Beispiel:

Gesamtbedarf des Kindes im Sinne des Bürgergeldes: 600,00 EUR
zzgl 15 %: +90,00 EUR
abzgl. Kindergeld: -250,00 EUR
verbleiben: 440,00 EUR
davon 40 %: 176 EUR (netto),

Somit wäre bei diesem Beispiel ein Familienzuschlag pro Kind bis zu monatlich 176 EUR (netto) pro Kind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

BVerfGBeliever

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Damit ist doch klar: 51% ist zu wenig, aber 80% oder gar 90% zur Deckung aus den familienneutralen Bestandteilen ist deutlich zu viel.

Nochmal: Zurzeit sind es für einen B11 weder 51% noch 80% noch 90%, sondern 97,2%!


Ansonsten hat das BVerfG beispielsweise in 1 BvR 1586/89 (6. Oktober 1992) geschrieben, dass 15 Mio. DM von 16,5 Mio. DM (also 91%) "ganz überwiegend" seien:
Zitat
Die anteiligen Kosten für dieses Programm betrugen anfänglich 16,5 Mio. DM [...]. Sie wurden zunächst ganz überwiegend aus den Werbeerträgen des Dritten Fernsehprogramms gedeckt, die etwa 15 Mio. DM betrugen.

Rentenonkel

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Nochmal: Zurzeit sind es für einen B11 weder 51% noch 80% noch 90%, sondern 97,2%!


Nochmal: Es zählt nicht das Verhältnis von Familienzuschlägen zu Gesamtbesoldung, sondern das Verhältnis von Familienzuschlägen zum Kindesbedarf zzgl. 15 %, der sich an den Regelsätzen, die von der Rechtsordnung als angemessen für das Kind im Bürgerrecht angesehen werden, orientiert.

Der durch die Rechtsordnung geschützte (Mindest-)Bedarf des Kindes ändert sich nicht durch die Höhe der Grundbesoldung, sondern lediglich durch die Wahl des Wohnortes und des Alters des Kindes.

Wenn der Beamte meint, er müsse mehr für sein Kind ausgeben, als 115 %, dann muss er dass vollständig aus den familienneutralen Bestandteilen tun und genau dieser Teil, der über den nach der Rechtsordnung angemessenen Teil hinausgeht, ist dann tatsächlich "Privatsache".

SimsiBumbu

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Damit ist doch klar: 51% ist zu wenig, aber 80% oder gar 90% zur Deckung aus den familienneutralen Bestandteilen ist deutlich zu viel.

Nochmal: Zurzeit sind es für einen B11 weder 51% noch 80% noch 90%, sondern 97,2%!

"Ganz überwiegend" heißt, es müssen mindestens mehr als 60 % sein gemäß Rechtsprechung zum Unterhaltsvorschuss. Natürlich können es auch 80%, 90% oder 97,2% sein. Aber bei 60,1% hätte das Bundesverwaltungsgericht keinen Grund für eine Beanstandung.

Ansonsten hat das BVerfG beispielsweise in 1 BvR 1586/89 (6. Oktober 1992) geschrieben, dass 15 Mio. DM von 16,5 Mio. DM (also 91%) "ganz überwiegend" seien:
Zitat
Die anteiligen Kosten für dieses Programm betrugen anfänglich 16,5 Mio. DM [...]. Sie wurden zunächst ganz überwiegend aus den Werbeerträgen des Dritten Fernsehprogramms gedeckt, die etwa 15 Mio. DM betrugen.

Natürlich hat das BVerfG hier den Begriff ganz überwiegend verwendet. 91 % ist ja auch mehr als 60 %.

Elur

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Hinzu kam noch, dass ich nur halbtags arbeitete und rund 20 % meines Bruttoeinkommens für die PKV zahlen musste. Warum  jammern denn hier die Tarifangestellten? Steht ja jedem frei, welchen Beruf er wählt. Ich war mit meiner Besoldung nicht zufrieden, also hab ich was geändert und nebenberuflich studiert.

Eben: Selbst gewähltes Schicksal, kein Grund zu Jammern, oder? ;)

Zur PKV: Das ist ein Festbetrag, ergo zahlt man in der A5 prozentual mehr vom Einkommen, als in der A11. In der GKV steigt der Beitrag bis zur BBG stetig mit und landet (inkl. AG-Anteil) schlußendlich bei gut 800€ - ja, das ist der Monatsbeitrag.

Zur Bewertung der Stellen: Unsere Ausschreibungen (Land, technischer Dienst) liegen immer gleichauf, also A11/E11 oder A14/E14. Bei meiner Frau in der Kommunalverwaltung sieht es wie folgt aus: A11/E10 oder A14/E13.

Natürlich ist es selbstgewähltes Schicksal. Nur erziehen sich drei Kinder nicht von alleine. Es stimmt aber nicht die vorherige Aussage, dass Beamte immer mehr Geld erhalten.

BVerfGBeliever

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Nochmal: Zurzeit sind es für einen B11 weder 51% noch 80% noch 90%, sondern 97,2%!

Nochmal: Es zählt nicht das Verhältnis von Familienzuschlägen zu Gesamtbesoldung, sondern das Verhältnis von Familienzuschlägen zum Kindesbedarf zzgl. 15 %, der sich an den Regelsätzen, die von der Rechtsordnung als angemessen für das Kind im Bürgerrecht angesehen werden, orientiert.

Mein Satz bezog sich auf die Falschbehauptung von @MoinMoin in #442, dass 10% Familienzuschläge zu wenig seien, obwohl es im genannten B11-Beispiel in der Realität sogar nur 2,8% sind.


Wenn der Beamte meint, er müsse mehr für sein Kind ausgeben, als 115 %, dann muss er dass vollständig aus den familienneutralen Bestandteilen tun und genau dieser Teil, der über den nach der Rechtsordnung angemessenen Teil hinausgeht, ist dann tatsächlich "Privatsache".

Hierzu nochmals der Hinweis auf das Originalzitat des BVerfG:

"[Es] bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, wenn dieser Betrag [Familienzuschlag für die ersten beiden Kinder, Anm. von mir] in seiner Höhe erheblich unter den Beträgen bleibt, die von der Rechtsordnung als Regelsätze für Kindesunterhalt als angemessen erachtet und veranschlagt werden."

Rentenonkel

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Wenn der Beamte meint, er müsse mehr für sein Kind ausgeben, als 115 %, dann muss er dass vollständig aus den familienneutralen Bestandteilen tun und genau dieser Teil, der über den nach der Rechtsordnung angemessenen Teil hinausgeht, ist dann tatsächlich "Privatsache".

Hierzu nochmals der Hinweis auf das Originalzitat des BVerfG:

"[Es] bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, wenn dieser Betrag [Familienzuschlag für die ersten beiden Kinder, Anm. von mir] in seiner Höhe erheblich unter den Beträgen bleibt, die von der Rechtsordnung als Regelsätze für Kindesunterhalt als angemessen erachtet und veranschlagt werden."

Und genau darauf beziehe ich mich. Die Höhe der verfassungsrechtlich unbedenklichen Beträge beziehen sich (nur) auf die Regelsätze (der Grundsicherung), was im Umkehrschluss genau das bedeutet, was ich geschrieben habe

BAT

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Grundsicherung? Ich denke, die Düsseldorfer Tabelle wird gemeint sein.

Rentenonkel

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Die Düsseldorfer Tabelle wurde durch die Mindestunterhaltsverordnung abgelöst. Dabei orientiert sich der Gesetzgeber bei dem Mindestunterhalt an den unmittelbar nach dem steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum eines minderjährigen Kindes. Die Mindestunterhaltsverordnung staffelt den Barunterhalt nach dem Alter des Kindes (bis zum 6. Lebensjahr, vom 7. bis zum 12. Lebensjahr, und ab dem 13. Lebensjahr). Diese Staffelungen haben auch die Unterhaltstabellen übernommen. Bei der Ermittlung der Höhe des Barunterhalts werden das Kindergeld gemäß § 1612b BGB und andere kindbezogene Leistungen gemäß § 1612c BGB angerechnet.

Da das BVerfG ist seinen letzten Entscheidungen allerdings klar gestellt hat, dass das steuerfreie Existenzminimum nur für Bürger gilt, die in einem Ort mit einer Mietenstufe I wohnen, aber für alle anderen das steuerfreie Existenzminimum dem sozialen Existenzminimum hinter hinkt, und so der Besoldungsgesetzgeber sich an eben diesem sozialen Existenzminimum zu orientieren hat, gehe ich davon aus, dass damit die Regelsätze der sozialen Grundsicherung (und anteilig die Kosten für Wohnung und Heizung) gemeint sein müssen.

Andernfalls wäre es ein Widerspruch, wenn sich der Besoldungsgesetzgeber bei der Gesamtalimentation am sozialen Existenzminimum orientieren müsste, bei der Frage der Familienzuschläge allerdings dagegen an dem davon in der Regel deutlich geringeren Mindestunterhalt der Düsseldorfer Tabelle.

BAT

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Weder hat die VO die Düsseldorfer Tabelle abgelöst (sie war immer schon die Basis für die DT) noch sind Regelsätze überhaupt Kindesunterhalt.

Rentenonkel

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Wie das BVerfG bereits in seiner Entscheidung von 1990 ausgeführt hat, ist bei der Frage der Angemessenheit der Besoldung für die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile von einem Betrag auszugehen, der 15% über dem sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf für ein Kind liegt. (2 BVL 26/91)

Das hat das BVerfG in seiner jüngeren Entscheidung (nach Einführung der sozialen Grundsicherung) über die Angemessenheit der Besoldung für die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile ab dem dritten Kind bezogen auf die heutige Zeit wie folgt näher konkretisiert (vgl. 2 BVL 6/17)

Der zusätzliche Bedarf, der für das dritte und die weiteren Kinder entsteht, ist vom Dienstherrn zu decken. Bei der Bemessung dieses Bedarfs kann der Gesetzgeber von den Leistungen der sozialen Grundsicherung ausgehen. Dabei muss er aber beachten, dass die Alimentation etwas qualitativ Anderes als die Befriedigung eines äußersten Mindestbedarfs ist. Ein um 15 % über dem realitätsgerecht ermittelten grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf eines Kindes liegender Betrag lässt den verfassungsgebotenen Unterschied hinreichend deutlich werden. Das zur Bestimmung der Mindestalimentation herangezogene Grundsicherungsniveau umfasst alle Elemente des Lebensstandards, der den Empfängern von Grundsicherungsleistungen staatlicherseits gewährt wird, also ins-besondere den monatlichen Regelsatz, die anteiligen Kosten für die Unterkunft und Heizung sowie den Bedarf für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft.

Obwohl diese Definition zur Berechnung im Zusammenhang mit dem angemessenen Bedarf ab dem dritten Kind definiert wurde, sehe ich keinerlei Anhaltspunkte, warum für die ersten beiden Kinder eine davon abweichende Definition oder Berechnung gerechtfertigt wäre.

Ausgehend von dem so berechneten Bedarf wäre demnach aus meiner Sicht ein Familienzuschlag, der unter 40 % dieses Bedarfes deckt, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

BAT

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Nun, dann muss sich die höchstrichterliche Rechtsprechung mal entscheiden ob sie die Regelsätze der Grundsicherung/ Sozialleistungen oder jene Regelsätze des Kindesunterhalts als maßgeblich erachtet.

Bereits die beiden letzten wörtlichen Zitate zeigen dort starke Unsicherheiten.