Autor Thema: Erwartungshaltung Urteil zur amtsangemessenen Alimentation  (Read 36005 times)

BWBoy

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München war ja auch nur ein Extrembeispiel was ich genannt habe um mal den Blick in die andere Richtung zu lenken. Denn viele schauen halt nur auf sich selbst, und wie sie selbst hinkommen. Das fängt teilweise bei den Besoldungsgruppen an, wo Teile des hD nicht verstehen warum sie denn unterbezahlt wären wo sie doch so gut hinkommen, und geht weiter bei den Wohnorten, wo der eine vielleicht ein Haus geerbt hat oder als Bundesbeamter in einer günstigen Region eingesetzt wurde, während der andere vielleicht in München, Frankfurt, Hamburg oder auch Erding oder Oberjettenberg eingesetzt ist.

Ich selbst bin in Niedersachsen gelandet, was natürlich als Bundesbeamter durchaus von Vorteil ist, da Niedersachen insgesamt ein niedrigeres Lohnniveau hat als der Bund. Somit bleibt mir in der Theorie mehr für mich selbst als zum Beispiel den Kollegen in München. Dennoch muss auch der von seinem Job leben können.

Nur vom Auskommen her, könnte ich mich persönlich nicht beklagen, auch wenn es in meinem Grenzkaff für die strukturschwache Region echt ziemlich hohe Immobilienpreise gibt, was hauptsächlich aber der Tatsache geschuldet ist, dass Wohnen auf der anderen Seite der Grenze noch sehr viel teurer ist. Dennoch liege ich wie gesagt vom Einkommen in meiner Nachbarschaft eher im unteren Mittelfeld. Vielleicht sticht meine Straße da auch heraus, das weiß ich natürlich nicht.


Lange Rede kurzer Sinn, mir geht es in erster Linie nicht darum, dass ich nicht hinkomme, sparsam geht das durchaus sehr gut. Ich habe jedoch auch Kollegen die in niedrigeren Besoldungsgruppen und anderen Familienkonstellationen, zudem Kollegen die an teureren Dienstorten eingesetzt sind, und die müssen auch leben.

Den Blick von denen, die bei der Einplanung damals Oberjettenberg oder Erding bekommen haben vergesse ich nicht.

Darüber hinaus ist mit eben auch die Wertigkeit des Amtes und der Aufgaben wichtig, und wenn ich so gucke was für Aufgaben an mich abgeschichtet wurden in den letzten Jahren, und wer die vorher so bearbeitet hat, dann fühle ich mich doch irgendwie etwas unterbezahlt auch wenn ich dank der Region hier gut hinkomme.   ::)

Zum Glück ist die Arbeit in meinem Fall wenigstens spannend.

Bundesjogi

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Und genau da sind wir doch wieder dort wo man früher oder später immer landet. Nur weil der A8er in München relativ arm ist muss der A8er in Brandenburg nicht besser bezahlt werden. Und nur weil eine Beamtenfamilie mit 5 Kindern sich keinen angemessenen Wohnraum in Hamburg leisten kann muss nicht die Siebenköpfige Familie in Bottrop mehr Geld bekommen. Die Lösung der wichtigsten Probleme läge in Ortszuschlägen und Kinderzuschlägen (gerne auch in Kombination oder Abhängigkeit). Im Grunde so wie es der erste Gesetzentwurf vorgesehen hatte.

HochlebederVorgang

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Nein, dort liegt die Lösung der wichtigsten Probleme eben nicht.

Auf diese Art und Weise drehen wir uns hier im Kreis und fangen ständig von vorne an. Die Voraussetzungen des BVerfG sind doch relativ eindeutig. Vielleicht liest man zunächst die Beschlüsse.

Grundannahme des GG sind übrigens "gleichwertige Lebensverhältnisse". Insoweit ist die Anwendung des 95%-Perzentils bei den Wohnkosten nur konsequent. Hierdurch werden übrigens absolute Spitzen ausgeschlossen, die der Gesetzgeber dann mit Zuschlägen abfangen kann, soweit er dies für nötig hält.

Klarstellen möchte ich auch noch einmal, da es offenbar missverstanden wird:

Den Begriff "Bedarf" verwendet das BVerfG ausschließlich im Zusammenhang mit der Emittlung der Höhe der Grundsicherung, also des Abgrenzungskriteriums.

Bei der Alimenation spricht es von "unterhalten".

PolareuD

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Und genau da sind wir doch wieder dort wo man früher oder später immer landet. Nur weil der A8er in München relativ arm ist muss der A8er in Brandenburg nicht besser bezahlt werden. Und nur weil eine Beamtenfamilie mit 5 Kindern sich keinen angemessenen Wohnraum in Hamburg leisten kann muss nicht die Siebenköpfige Familie in Bottrop mehr Geld bekommen. Die Lösung der wichtigsten Probleme läge in Ortszuschlägen und Kinderzuschlägen (gerne auch in Kombination oder Abhängigkeit). Im Grunde so wie es der erste Gesetzentwurf vorgesehen hatte.

Ortszuschläge dürfen nicht die Ämterwertigkeit nivellieren. Insofern können Ortszuschläge nur regionale Spitzen ausgleichen. Das Amt, welches man inne hat, ist das entscheidende Kriterium, es geht nicht um einen reinen Kaufkraftausgleich. Swen hatte mal ausgeführt, dass ein Ortszuschlag vermutlich nur um die 100€ betragen kann.

Rollo83

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Und genau da sind wir doch wieder dort wo man früher oder später immer landet. Nur weil der A8er in München relativ arm ist muss der A8er in Brandenburg nicht besser bezahlt werden. Und nur weil eine Beamtenfamilie mit 5 Kindern sich keinen angemessenen Wohnraum in Hamburg leisten kann muss nicht die Siebenköpfige Familie in Bottrop mehr Geld bekommen. Die Lösung der wichtigsten Probleme läge in Ortszuschlägen und Kinderzuschlägen (gerne auch in Kombination oder Abhängigkeit). Im Grunde so wie es der erste Gesetzentwurf vorgesehen hatte.

Ich empfinde genau das Gegenteil, wieso sollte jemand für den gleichen Job höhere Dienstbezüge bekommen weil er sich (freiwillig) für Kinder entschieden hat und freiwillig in einer sehr teuren Stadt wohnt.
Die Dienstbezüge sollten sich ganz klar nach der Tätigkeit richten die durchgeführt werden.
Kinder sind teuer, das ist ein Fakt den jeder kennt genau so wie jeder weiß das es teuer ist in zB München/Hamburg/Köln usw zu leben aber deswegen kann doch der jenige nicht besser besoldet werden als der Kollege ein Büro weiter der den gleichen Job macht aber (vielleicht sogar unfreiwillig) kinderlos ist und dazu eine Stunde Fahrtweg auf sich nimmt um nicht direkt im Ballungsgebiet zu wohnen.
Orts und Kinderzuschläge sind für mich der gröbste Unfug den es überhaupt geben kann.

Bundesjogi

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Und genau da sind wir doch wieder dort wo man früher oder später immer landet. Nur weil der A8er in München relativ arm ist muss der A8er in Brandenburg nicht besser bezahlt werden. Und nur weil eine Beamtenfamilie mit 5 Kindern sich keinen angemessenen Wohnraum in Hamburg leisten kann muss nicht die Siebenköpfige Familie in Bottrop mehr Geld bekommen. Die Lösung der wichtigsten Probleme läge in Ortszuschlägen und Kinderzuschlägen (gerne auch in Kombination oder Abhängigkeit). Im Grunde so wie es der erste Gesetzentwurf vorgesehen hatte.

Ortszuschläge dürfen nicht die Ämterwertigkeit nivellieren. Insofern können Ortszuschläge nur regionale Spitzen ausgleichen. Das Amt, welches man inne hat, ist das entscheidende Kriterium, es geht nicht um einen reinen Kaufkraftausgleich. Swen hatte mal ausgeführt, dass ein Ortszuschlag vermutlich nur um die 100€ betragen kann.

Genau so wie der erste Satz mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig ist, ist der zweite Teil falsch. Überhaupt eine absolute Zahl zu nennen ist ziemlich verwegen, da das Verfassungsgericht hierzu gerade noch keine Festlegung getroffen hat. Gleichzeitig reicht schon ein Blick in die Vergangenheit um die Höhe von 100 Euro zu widerlegen. Als 1957 die Beamtenbesoldung reformiert wurde gab es Ortszuschläge, die in Stufe A1 bis knapp unter 10 Prozent der Gesamtbesoldung ausmachten. Ich sehe keinerlei Grund wieso das heute anders sein sollte, immerhin gab es auch damals das in diesen Punkten nicht so wesentlich andere Grundgesetz.

Gleichzeitig rührt die Hoffnung, das gesamte Besoldungsgefüge möge angehoben werden ja daher, dass Familien in Ballungsräumen unter die Untergrenze fallen. Allerdings sind die Förderungen für Familien auch noch nicht ansatzweise ausgereizt,  die Rechtsprechung hat die zusätzlichen Kosten für das dritte Kind ja recht genau ermittelt und den Familienzuschlag entsprechend angepasst (weil bisher die Grundlage eine vierköpfige Familie ist und man deshalb ab dem dritten Kind keinen Anteil der Grundbesoldung mehr für den Zweck der Finanzierung von Kindern mehr übrig hat). Sofern man das Problem "elegant" lösen wollte könnte man vom Bild der vierköpfigen Familie weg gehen und dann bis zu 270 Euro pro Kind ausschütten, einfach mit der Begründung, dass das nun mal die realen Kosten dieses Kindes sind (damit hätte man dann die Alimentation für die gesamte Familie tatsächlich umgesetzt). Und zusätzlich kommt dann der Spielraum eines Ortszuschlags. Wenn ich das zusammennehme (und ich tue das im vollen Bewusstsein, dass diese Zahlen nicht punktgenau korrekt sein werden, nur der Größenordnung wegen), komme ich bei einem A11er auf einen Spielraum von um die 1000 Euro aus diesen beiden Komponenten für eine vierköpfige Familie. Aber so oder so, eine Erhöhung der Besoldung für alle mit der Gießkanne wird es nicht geben, da mag man noch so schlaue (oder weniger schlaue) Überlegungen auf Grundlage der Verfassung und von Gerichtsurteilen anstellen.

emdy

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Gleichzeitig rührt die Hoffnung, das gesamte Besoldungsgefüge möge angehoben werden ja daher, dass Familien in Ballungsräumen unter die Untergrenze fallen. Allerdings sind die Förderungen für Familien auch noch nicht ansatzweise ausgereizt,  die Rechtsprechung hat die zusätzlichen Kosten für das dritte Kind ja recht genau ermittelt und den Familienzuschlag entsprechend angepasst...

Dein dritter Absatz ist einfach falsch und entspricht der Rechtsprechung eben nicht. Ab dem dritten Kind ist der Mehrbedarf vollständig zu decken. Darunter besteht eben kein hinmelweiter nicht ausgeschöpfter Spielraum sondern es besteht noch ein moderater Spielraum. In Konstellationen mit bis zu zwei Kindern muss der Kinderlose im höheren Amt grundsätzlich mehr Sold erhalten als der im niedrigeren Amt mit zwei Kindern. Jedwede Zuschläge sind nur als Detaillösung zulässig. Es ist damit möglich, Personalkosten durch sachgerechte Differenzierung zu sparen. Mehr nicht. Auch mein Beitrag vereinfacht etwas, aber soweit zum rechtlichen Rahmen laut den Beschlüssen vom 04.05.2020.

Im Übrigen wird die Gießkanne auch bei jeder Übertragung von Tarifabschlüssen rausgeholt, wieso sollte das nicht möglich sein wenn es verfassungsrechtlich geboten ist. Dass man das für undenkbar hält zeigt nur berechtigtes Misstrauen gegenüber den politischen Akteuren an.
« Last Edit: 08.05.2025 12:02 von emdy »

SwenTanortsch

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Und genau da sind wir doch wieder dort wo man früher oder später immer landet. Nur weil der A8er in München relativ arm ist muss der A8er in Brandenburg nicht besser bezahlt werden. Und nur weil eine Beamtenfamilie mit 5 Kindern sich keinen angemessenen Wohnraum in Hamburg leisten kann muss nicht die Siebenköpfige Familie in Bottrop mehr Geld bekommen. Die Lösung der wichtigsten Probleme läge in Ortszuschlägen und Kinderzuschlägen (gerne auch in Kombination oder Abhängigkeit). Im Grunde so wie es der erste Gesetzentwurf vorgesehen hatte.

Ortszuschläge dürfen nicht die Ämterwertigkeit nivellieren. Insofern können Ortszuschläge nur regionale Spitzen ausgleichen. Das Amt, welches man inne hat, ist das entscheidende Kriterium, es geht nicht um einen reinen Kaufkraftausgleich. Swen hatte mal ausgeführt, dass ein Ortszuschlag vermutlich nur um die 100€ betragen kann.

Genau so wie der erste Satz mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig ist, ist der zweite Teil falsch. Überhaupt eine absolute Zahl zu nennen ist ziemlich verwegen, da das Verfassungsgericht hierzu gerade noch keine Festlegung getroffen hat. Gleichzeitig reicht schon ein Blick in die Vergangenheit um die Höhe von 100 Euro zu widerlegen. Als 1957 die Beamtenbesoldung reformiert wurde gab es Ortszuschläge, die in Stufe A1 bis knapp unter 10 Prozent der Gesamtbesoldung ausmachten. Ich sehe keinerlei Grund wieso das heute anders sein sollte, immerhin gab es auch damals das in diesen Punkten nicht so wesentlich andere Grundgesetz.

Gleichzeitig rührt die Hoffnung, das gesamte Besoldungsgefüge möge angehoben werden ja daher, dass Familien in Ballungsräumen unter die Untergrenze fallen. Allerdings sind die Förderungen für Familien auch noch nicht ansatzweise ausgereizt,  die Rechtsprechung hat die zusätzlichen Kosten für das dritte Kind ja recht genau ermittelt und den Familienzuschlag entsprechend angepasst (weil bisher die Grundlage eine vierköpfige Familie ist und man deshalb ab dem dritten Kind keinen Anteil der Grundbesoldung mehr für den Zweck der Finanzierung von Kindern mehr übrig hat). Sofern man das Problem "elegant" lösen wollte könnte man vom Bild der vierköpfigen Familie weg gehen und dann bis zu 270 Euro pro Kind ausschütten, einfach mit der Begründung, dass das nun mal die realen Kosten dieses Kindes sind (damit hätte man dann die Alimentation für die gesamte Familie tatsächlich umgesetzt). Und zusätzlich kommt dann der Spielraum eines Ortszuschlags. Wenn ich das zusammennehme (und ich tue das im vollen Bewusstsein, dass diese Zahlen nicht punktgenau korrekt sein werden, nur der Größenordnung wegen), komme ich bei einem A11er auf einen Spielraum von um die 1000 Euro aus diesen beiden Komponenten für eine vierköpfige Familie. Aber so oder so, eine Erhöhung der Besoldung für alle mit der Gießkanne wird es nicht geben, da mag man noch so schlaue (oder weniger schlaue) Überlegungen auf Grundlage der Verfassung und von Gerichtsurteilen anstellen.

Am einfachsten wird es sein, dass Du Deine Ansichten an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erläuterst, damit deutlich wird, woran Du Deine Ansichten festmachst, Bundesjogi. Ansonsten fangen wir hier alsbald zum 1001. Mal Diskussionen über die eigene gefühlte Wahrheit an, die nicht weiterführen, weil wir hier 1001. unterschiedliche Meinungen haben, die alle ihre Berechtigung haben, allerdings in den allermeisten Fällen nichts mit dem Verfassungsrecht zu tun haben, das allein der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu entnehmen ist. Nach 1.103 Seiten sollten wir hier genügend Substanz finden, um über Behauptungen hinauszukommen, finde ich.

clarion

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@ Bundesjogi, Du machst mit Deinem Ansatz Beamtenfamilien zu Bedarfsgemeinschaften. Wenn leistungslose Komponenten wesentliche Besoldungsbestandteile ausmachen,  kann nicht mehr von einer Leistungbezogener Besoldung sprechen.

Bastel

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Durgi

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Antw:Erwartungshaltung Urteil zur amtsangemessenen Alimentation
« Antwort #100 am: 12.05.2025 09:30 »
Und genau da sind wir doch wieder dort wo man früher oder später immer landet. Nur weil der A8er in München relativ arm ist muss der A8er in Brandenburg nicht besser bezahlt werden. Und nur weil eine Beamtenfamilie mit 5 Kindern sich keinen angemessenen Wohnraum in Hamburg leisten kann muss nicht die Siebenköpfige Familie in Bottrop mehr Geld bekommen. Die Lösung der wichtigsten Probleme läge in Ortszuschlägen und Kinderzuschlägen (gerne auch in Kombination oder Abhängigkeit). Im Grunde so wie es der erste Gesetzentwurf vorgesehen hatte.

Ich empfinde genau das Gegenteil, wieso sollte jemand für den gleichen Job höhere Dienstbezüge bekommen weil er sich (freiwillig) für Kinder entschieden hat und freiwillig in einer sehr teuren Stadt wohnt.
Die Dienstbezüge sollten sich ganz klar nach der Tätigkeit richten die durchgeführt werden.
Kinder sind teuer, das ist ein Fakt den jeder kennt genau so wie jeder weiß das es teuer ist in zB München/Hamburg/Köln usw zu leben aber deswegen kann doch der jenige nicht besser besoldet werden als der Kollege ein Büro weiter der den gleichen Job macht aber (vielleicht sogar unfreiwillig) kinderlos ist und dazu eine Stunde Fahrtweg auf sich nimmt um nicht direkt im Ballungsgebiet zu wohnen.
Orts und Kinderzuschläge sind für mich der gröbste Unfug den es überhaupt geben kann.
Uff...ich weiss gar nicht, wo ich da mit welchem Farbstift anfangen soll, dir das Prinzip der Alimentation aufzumalen.
Vielleicht gestalte ich es einfacher: Du wirst nicht fuer deine Arbeitstaetigkeit 'bezahlt' sondern fuer dein Treueverhaeltnis zum Staat alimentiert. Der Staat hat auch fuer deine Familie zu sorgen.
Das ist genau der Grund, warum schlechte Beamte genauso hingenommen werden wie gute Beamte....

Das war jetzt sehr vereinfacht und plakativ - aber auf Rollo83's Aussage fiel mir keine bessere Art ein.

Bundesjogi

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Antw:Erwartungshaltung Urteil zur amtsangemessenen Alimentation
« Antwort #101 am: 12.05.2025 10:15 »
Und genau da sind wir doch wieder dort wo man früher oder später immer landet. Nur weil der A8er in München relativ arm ist muss der A8er in Brandenburg nicht besser bezahlt werden. Und nur weil eine Beamtenfamilie mit 5 Kindern sich keinen angemessenen Wohnraum in Hamburg leisten kann muss nicht die Siebenköpfige Familie in Bottrop mehr Geld bekommen. Die Lösung der wichtigsten Probleme läge in Ortszuschlägen und Kinderzuschlägen (gerne auch in Kombination oder Abhängigkeit). Im Grunde so wie es der erste Gesetzentwurf vorgesehen hatte.

Ortszuschläge dürfen nicht die Ämterwertigkeit nivellieren. Insofern können Ortszuschläge nur regionale Spitzen ausgleichen. Das Amt, welches man inne hat, ist das entscheidende Kriterium, es geht nicht um einen reinen Kaufkraftausgleich. Swen hatte mal ausgeführt, dass ein Ortszuschlag vermutlich nur um die 100€ betragen kann.

Genau so wie der erste Satz mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig ist, ist der zweite Teil falsch. Überhaupt eine absolute Zahl zu nennen ist ziemlich verwegen, da das Verfassungsgericht hierzu gerade noch keine Festlegung getroffen hat. Gleichzeitig reicht schon ein Blick in die Vergangenheit um die Höhe von 100 Euro zu widerlegen. Als 1957 die Beamtenbesoldung reformiert wurde gab es Ortszuschläge, die in Stufe A1 bis knapp unter 10 Prozent der Gesamtbesoldung ausmachten. Ich sehe keinerlei Grund wieso das heute anders sein sollte, immerhin gab es auch damals das in diesen Punkten nicht so wesentlich andere Grundgesetz.

Gleichzeitig rührt die Hoffnung, das gesamte Besoldungsgefüge möge angehoben werden ja daher, dass Familien in Ballungsräumen unter die Untergrenze fallen. Allerdings sind die Förderungen für Familien auch noch nicht ansatzweise ausgereizt,  die Rechtsprechung hat die zusätzlichen Kosten für das dritte Kind ja recht genau ermittelt und den Familienzuschlag entsprechend angepasst (weil bisher die Grundlage eine vierköpfige Familie ist und man deshalb ab dem dritten Kind keinen Anteil der Grundbesoldung mehr für den Zweck der Finanzierung von Kindern mehr übrig hat). Sofern man das Problem "elegant" lösen wollte könnte man vom Bild der vierköpfigen Familie weg gehen und dann bis zu 270 Euro pro Kind ausschütten, einfach mit der Begründung, dass das nun mal die realen Kosten dieses Kindes sind (damit hätte man dann die Alimentation für die gesamte Familie tatsächlich umgesetzt). Und zusätzlich kommt dann der Spielraum eines Ortszuschlags. Wenn ich das zusammennehme (und ich tue das im vollen Bewusstsein, dass diese Zahlen nicht punktgenau korrekt sein werden, nur der Größenordnung wegen), komme ich bei einem A11er auf einen Spielraum von um die 1000 Euro aus diesen beiden Komponenten für eine vierköpfige Familie. Aber so oder so, eine Erhöhung der Besoldung für alle mit der Gießkanne wird es nicht geben, da mag man noch so schlaue (oder weniger schlaue) Überlegungen auf Grundlage der Verfassung und von Gerichtsurteilen anstellen.

Am einfachsten wird es sein, dass Du Deine Ansichten an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erläuterst, damit deutlich wird, woran Du Deine Ansichten festmachst, Bundesjogi. Ansonsten fangen wir hier alsbald zum 1001. Mal Diskussionen über die eigene gefühlte Wahrheit an, die nicht weiterführen, weil wir hier 1001. unterschiedliche Meinungen haben, die alle ihre Berechtigung haben, allerdings in den allermeisten Fällen nichts mit dem Verfassungsrecht zu tun haben, das allein der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu entnehmen ist. Nach 1.103 Seiten sollten wir hier genügend Substanz finden, um über Behauptungen hinauszukommen, finde ich.

Ich habe hier kein konkretes Urteil im Kopf und halte es auch für wenig zielführend wenn hier Laien versuchen eine Diskussion zu juristisieren (vielleicht gibt es das Wort nicht aber ich denke man versteht was ich meine). Wenn die ganze Sache so einfach wäre hätten wir doch längst weitere Urteile. Woher der politische Wind weht sieht man doch am Versuch, Beamte in die Rentenkasse zu bringen. Das wiederspricht meiner bescheidenen Einschätzung nach deutlich stärker den Ideen des Beamtentums als ein paar läppische Zuschläge. Mir kommt es einfach so vor, als sei die Diskussion hier in einer Echokammer geführt in der man sich so lange Recht gibt, dass man an Ende glaubt es wäre so. Und im Grunde ist es mir egal, aber da das Thema mich betrifft interessiert es mich halt und ich bin ehrlicherweise entsetzt darüber, welche Ansprüche hier Kolleg*Innen haben und welche Parolen hier verbreitet werden da diese Ansprüche ja nicht erfüllt werden. Dem wollte ich was entgegensetzen aber letztlich wissen wir es doch alle nicht. Ich finde allerdings den Punkt mit den Bedarfsgemeinschaften durchaus erhellend. Weil es mir nach wie vor nicht schlüssig ist, wieso es nicht möglich sein sollte, wenn die Alimentation sich auf Beamte und ihre Familie bezieht und genau und nur da eine Verletzung der Abstände zum Bürgergeld erfolgt eben im Zweifel bis exakt zum zusätzlichen Bedarf für den Unterhalt der Familie zuzuschießen. Ob man das fair findet oder nicht ist eine andere Frage aber die Argumente von wegen Abstände und das alles sind ja witzlos, denn erstens ist auch heute ein Beamter in A9 mit 6 Kindern besser besoldet als ein Single in A14 und zweitens kommt es dabei doch gar nicht auf die absolute Höhe der Besoldung an sondern auf die Lebensumstände. Dieser A9er wird sicherlich weniger Geld für Luxus übrig haben als der A14er und warum? Weil die Kinder eben auch Geld kosten. Und falls der A14 er eine Familie gründen wollte wüsste er ja, dass er die Zuschläge auch bekäme, das ist also kein Hindernis. So lange die Zuschläge nicht höher als die tatsächlichen Kosten sind ist damit gewährleistet dass der A14 das dem Abstand angemessen bessere Leben führt unter allen Umständen. Und in der aktuellen Lage sehe ich es schlicht und ergreifend nicht kommen, dass das Verfassungsgericht per Pinselstrich die Besoldung aller Beamten anhebt. Darf aber jeder gerne anders erwarten.

SwenTanortsch

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Antw:Erwartungshaltung Urteil zur amtsangemessenen Alimentation
« Antwort #102 am: 12.05.2025 10:46 »
Ich gehe davon aus, dass ich thematisch weiß, wovon ich spreche, und dass ich deshalb beurteilen kann, ob jemand und wer sich im Thema hinreichend auskennt, um sich hier sachlich oder nicht sachlich zu äußern. Dabei gibt es hier im Forum neben grundständigen auch Volljuristen sowie einige juristische Laien, die sich wie ich auch durch umfangreiche Lektüre und Beschäftigung mit dem Thema ganz passabel auskennen.

Ich kann wenig mit dem Argument anfangen, dass sich hier keiner wie man selbst auch hinreichend auskennte, weshalb zum Thema hier letztlich nichts zu sagen sei, um dann doch etwas zum Thema zu sagen, und zwar zugleich wiederkehrend sachlich recht weitgehende Thesen aufstellend.

Ich finde es richtig und gut - es spricht für mich für ein realistisches Selbst- und Weltbild; denn wir kennen uns jeweils nun einmal bestenfalls in wenigen Themen passabel aus -, zuzugeben, dass man sich zu wenig auskennte, um sachlich hinreichend genau etwas zum Thema beizutragen. Aber gleichzeitig verstehe ich nicht, wieso Du Dich gegen bspw. emdys und PolareuDs Darlegungen wendest, die auf einer nachweislich umfangreichen Beschäftigung mit dem Thema beruhen und zugleich im Rahmen ihrer sachlichen Kürze sachgerecht sind, wenn Du doch selbst weiß, dass Du die Güte ihrer Darlegungen nicht hinreichend beurteilen kannst.

Malkav

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Antw:Erwartungshaltung Urteil zur amtsangemessenen Alimentation
« Antwort #103 am: 12.05.2025 11:11 »
Ich finde allerdings den Punkt mit den Bedarfsgemeinschaften durchaus erhellend. Weil es mir nach wie vor nicht schlüssig ist, wieso es nicht möglich sein sollte, wenn die Alimentation sich auf Beamte und ihre Familie bezieht und genau und nur da eine Verletzung der Abstände zum Bürgergeld erfolgt eben im Zweifel bis exakt zum zusätzlichen Bedarf für den Unterhalt der Familie zuzuschießen.

Es ist nicht möglich, weil das BVerfG bereits in seiner letzten Entscheidung aus 2020 2 BvL 4/18 klargestellt hat, dass nur solche Bezügebestandteile bei dem Vergleich mit der Grundsicherung zu berücksichtigen, welche allen Beamten gewährt werden (als auch verbeamteten Zahnärztinnengatten oder verbeamteten Millionärserbinnen mit jährlichen Kapitalerträgen im sechsstelligen Bereich):

Zitat
Rn. 72. Dem Grundsicherungsniveau gegenüberzustellen ist die Nettoalimentation, die einer vierköpfigen Familie auf Grundlage der untersten Besoldungsgruppe zur Verfügung steht.

Rn. 73 (a) Bezugspunkt ist das Gehalt als Ganzes (vgl. BVerfGE 44, 249 <272>). Neben dem Grundgehalt sind daher solche Bezügebestandteile zu berücksichtigen, die allen [Hervorhebung durch mich] Beamten einer Besoldungsgruppe gewährt werden (vgl. BVerfGE 99, 300 <321>; 139, 39 <112 Rn. 93>; 140, 240 <278 Rn. 72>).

Man kann "bedarfsgerecht" zuschießen wie man lustig ist, aber bei der Prüfung des Mindestabstandsgebotes sieht das BVerfG hinsichtlich der Beamtenseite keine Bedürftigkeitsprüfung analog zum Sozialrecht vor, sondern erteilt diesem (nach meiner Interpretation des o.g. Zitats) sogar eine ausdrückliche Absage.

Insgesamt ist es eine Unsitte hinsichtlich der Besoldungsgesetzgeber davon zu sprechen, dass die 115% des Grunfsicherungsnieveaus einen wie auch immer definierten "Bedarf" einer Beamtenfamilien darstellen. Dies ist ausschließlich ein Prüfkriterium unter vielen für eine evidente Unteralimentation der niedrigesten Besoldungsgruppe. Nur weil die 115% Abstand gewahrt werden, heißt dies noch laaaaaange nicht, dass eine Alimentation amtsangemessen ist.

Rentenonkel

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Antw:Erwartungshaltung Urteil zur amtsangemessenen Alimentation
« Antwort #104 am: 12.05.2025 11:34 »
Man kann "bedarfsgerecht" zuschießen wie man lustig ist, aber bei der Prüfung des Mindestabstandsgebotes sieht das BVerfG hinsichtlich der Beamtenseite keine Bedürftigkeitsprüfung analog zum Sozialrecht vor, sondern erteilt diesem (nach meiner Interpretation des o.g. Zitats) sogar eine ausdrückliche Absage.

Insgesamt ist es eine Unsitte hinsichtlich der Besoldungsgesetzgeber davon zu sprechen, dass die 115% des Grunfsicherungsnieveaus einen wie auch immer definierten "Bedarf" einer Beamtenfamilien darstellen. Dies ist ausschließlich ein Prüfkriterium unter vielen für eine evidente Unteralimentation der niedrigesten Besoldungsgruppe. Nur weil die 115% Abstand gewahrt werden, heißt dies noch laaaaaange nicht, dass eine Alimentation amtsangemessen ist.

Andersrum kann man es allerdings schon sagen, dass die Besoldung dann nicht verfassungsgemäß sein kann, wenn der kleinste 4 K Beamte weniger Einkommen hat als 115 % des Grundsicherungsbedarfes.


Ich habe mich hier sehr lange zurück gehalten, hier etwas zu schreiben, welche Erwartungen ich persönlich habe. Jetzt möchte ich die Gelegenheit nutzen, ein paar Zeilen zu der Ausgangsfrage zu schreiben:

Nach Art. 33 Abs. 5 GG ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums vom Bundes- und Landesgesetzgeber zu regeln und fortzuentwickeln. Historisch begründetes Ziel dieser Regelung ist es, das Berufsbeamtentum in der Verfassung zu verankern, ohne die wohlerworbenen Rechte der Beamtenschaft verfassungsfest zu machen. Art. 33 Abs. 5 GG ist unmittelbar geltendes Recht und enthält zugleich einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber. Durch das 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006 (BGBl. I S. 2034; sog. „Föderalismusreform“; siehe hierzu Degenhart NVwZ 2006, 1209 ff.; Häde JZ 2006, 930 ff.; Nierhaus /Rademacher LKV 2006, 385 ff.; Rengeling DVBl. 2006, 1537 ff.; Selmer JuS 2006, 1052 ff.) wurde dieser Auftrag um eine Fortentwicklungskomponente („… und fortzuentwickeln“) erweitert.

Entsprechend der Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen von CDU/CSU und SPD (BT-Drucks. 16/813, S. 10) wird mit der Ergänzung des Art. 33 Abs. 5 GG „die Notwendigkeit einer Modernisierung und Anpassung des öffentlichen Dienstrechts an sich ändernde Rahmenbedingungen hervorgehoben. So [sic!] sollen Gesetzgebung und Rechtsprechung die Weiterentwicklung des öffentlichen Dienstrechts erleichtern. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums sind auch weiterhin zu berücksichtigen. Unberührt bleibt die verfassungsrechtliche Garantie des Berufsbeamtentums.“

Diese Fortentwicklung bezieht sich auch auf die Besoldung. Vor diesem Hintergrund stelle ich die steile These auf, dass nach dem Urteil die gesamte Beamtenbesoldung neu gedacht werden muss und es nicht reichen wird, entweder mit der Gießkanne über alle einen warmen Geldregen zu schütten, oder hier und da einige Zuschläge anzupassen, sondern man wird das gesamte Besoldungsgefüge neu denken müssen.

Das wird für die Besoldungsgesetzgeber sicherlich eine Herkules Aufgabe werden, aber das ist ihr Auftrag und auch dafür wurden sie gewählt. Das BVerfG wird sicherlich die Planken, in denen sich der Gesetzgeber bewegen darf, einengen und, soweit es die Vergangenheit betrifft, wird eine Heilung der Verfassungswidrigkeit nur durch das Gießkannenprinzip möglich sein.

Dennoch werden, und da bleibe ich dabei, die Beamtenbesoldung in Zukunft auf andere Füße gestellt werden müssen. Dabei wird es viele Gewinner geben, aber auch Verlierer. Für mich wird es spannend sein, zu sehen, ob und inwieweit das BVerfG den weiten Gestaltungsspielraum der Besoldungsgesetzgeber bei der Fortentwicklung des Berufsbeamtentums / der Bemessung der Besoldung und der Nebenbesoldung (Familienzuschläge usw.) einschränken wird.

Das Urteil selbst wird aus meiner Sicht nur ein weiterer, wenn auch wichtiger Meilenstein werden. Erst dass, was dann daraus von der Politik gemacht wird, wird am Ende zeigen, wie es sich für das Berufsbeamtentum im allgemeinen und mich persönlich im besonderen auswirken wird.