Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2089037 times)

Rentenonkel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8070 am: 24.10.2023 12:22 »
Was du hier anführst ist nur eine Weiterführung der Grundforderung.

Das BVerfG konkretisiert in seinem am 28. Juli 2020 veröffentlichen Beschluss (2 BvL 4/18) seine Rechtsprechung zur amtsangemessenen Besoldung aus dem Jahr 2015.
Nach geltender Rechtsprechung des BVerfG muss sich die Beamtenbesoldung vom Niveau der sozialrechtlichen Grundsicherung jedenfalls um 15 % abheben. Das BVerfG hat jetzt klargestellt, dass dieses Mindestabstandsgebot bei der Prüfung der Parameter der 1. Stufe (systeminternen Besoldungsvergleich) in den Blick zu nehmen sei.
Eine Fehlerhaftigkeit des Besoldungsniveaus in den unteren Besoldungsgruppen würde zwangsläufig das gesamte Besoldungsgefüge betreffen.
Hinsichtlich der Ermittlung und Berechnung des Mindestabstands der Beamtenbesoldung zum sozialhilferechtlichen Grundsicherungsniveau stellt das Gericht klar, dass beispielsweise bei Miet- und Heizkosten die tatsächlichen Bedürfnisse und nicht nur Pauschalierungen zu Grunde gelegt werden müssen.
Damit erteilt das Gericht pauschalen Bewertungen eine Absage, die lediglich auf die durchschnittliche Betrachtung im Existenzminimumbericht abstellen.

Zur Klarstellung, damit nicht zwei unterschiedliche juristische Probleme miteinander vermischt werden:

Der Strang der Besoldung der kinderreichen Familien ist von dem Strang der Familien mit bis zu zwei Kindern bzw. der Frage der amtsangemessenen Besoldung zu trennen.

Während die Rechtsprechung zu den kinderreichen Familien eigentlich abgeschlossen ist, ist die Frage der amtsangemessenen Besoldung für Beamte mit bis zu zwei Kindern eben noch nicht abgeschlossen geklärt. Das von dir zitierte Urteil bezieht sich alleine auf die Frage, ob die Besoldung für Beamte mit bis zu 2 Kindern amtsangemessen ist. Das von mir zitierte Urteil bezieht sich allein auf die Frage der Besoldung kinderreicher Familien.

Die von mir zitierten Leitsätze beziehen sich allein auf die Frage, wieviel mehr (Netto-)Besoldung einem Beamten mit drei Kindern im Vergleich zu einem Beamten mit zwei Kindern mindestens zusteht. Dieser Zuschlag orientiert sich nach dem Willen des BVerfG eben nicht an dem Amt des Beamten, sondern an dem sozialhilferechtlichen Grundsicherungsniveau zzgl. 15 %. Allerdings muss der Besoldungsgesetzgeber dafür Sorge tragen, dass dieser Betrag netto übrig bleibt. Daher darf der (netto-) Familienzuschlag für das dritte Kind für einen Beamten in A 6 genauso hoch sein wie für einen Beamten in A 16. 

Allerdings beinhaltet das sozialhilferechtliche Grundsicherungsniveau auch einen Anteil für Miete und Heizung, welches je nach Mietenstufe unterschiedlich hoch ist. Daher stellt sich aus meiner Sicht die Frage, warum in NRW der Familienzuschlag für Kind 1 und 2 sich an der Mietenstufe orientiert, aber ab dem dritten Kind die Wohnsituation allerdings keine Rolle mehr spielen soll. Das erscheint zumindest willkürlich und nicht immer sachgerecht... ist aber, wie oben erwähnt, ein anderes Thema und gehört nicht in diesen Thread ...

Malkav

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8071 am: 24.10.2023 12:37 »
Während die Rechtsprechung zu den kinderreichen Familien eigentlich abgeschlossen ist, ist die Frage der amtsangemessenen Besoldung für Beamte mit bis zu zwei Kindern eben noch nicht abgeschlossen geklärt.

Eigentlich ist ja schon seitens des BVerfG "abschließend geklärt" wie eine verfassungskonforme Besoldung aussehen kann (extrem stark runtergebrochen: Unterste Besoldungsgruppe in der niedrigsten Erfahrungsstufe + FZ in der Höhe vor den "Reformen" + Kindergeld = mind. 115 % des Bürgergeldes einer vierköpfigen Familie unter Berücksichtigung und Einhaltung aller sozialrechtlichen Regelungen). Die übrigen Werte der Tabelle muss man dann entsprechend anpassen, damit das Abstandsgebot jeweils eingehalten wird.

Alle Diskussionen hier und im Länderforum drehen sich doch eigentlich nur noch um die Rückzugsgefechte der Dienstherren, welche diese als "Reformen" zu verkaufen suchen. Die oben beschriebenen Berechnungen sind für jede Ministerialbürokratie ein Klacks. Das dortige "Problem" sind alleine der politischen Vorgabe geschuldet, dass die Wiederherstellung einer amtsangemessenen Besoldungsordnung praktisch nichts kosten darf.

Jambalaya

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8072 am: 24.10.2023 12:41 »
Danke Rentenonkel. Die gemachten Klarstellungen waren mal wieder nötig! Andererseits kann man es den Leuten kaum verdenken, denn nach jeden 100-200 Seiten zusätzlicher Seiten vergisst man schon wieder, was genau denn jetzt die Fakten waren. Die Lebenszeit hier ist verschwendet. Widerspruch einlegen und gut ist. Wer aus der kommenden Reform ein paar Euro mitnehmen darf, ok, nimmt man gerne. Ansonsten ist es fast mal an der Zeit den Thread neu zu starten. Die wesentlichen Fakten/Formulare etc. in dem neuen Thread sind ja vorhanden, die kann man dann ggf. um neue Entwürfe für Widersprüche ergänzen etc. Das hier ist nur reines Auskotzen und man fühlt sich immer irgendwie genötigt, doch mal wieder reinzuschauen.

Wieviel Gutes kann man tun, wenn man die Zeit anders nutzt?

Rentenonkel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8073 am: 24.10.2023 13:29 »
Während die Rechtsprechung zu den kinderreichen Familien eigentlich abgeschlossen ist, ist die Frage der amtsangemessenen Besoldung für Beamte mit bis zu zwei Kindern eben noch nicht abgeschlossen geklärt.

Eigentlich ist ja schon seitens des BVerfG "abschließend geklärt" wie eine verfassungskonforme Besoldung aussehen kann (extrem stark runtergebrochen: Unterste Besoldungsgruppe in der niedrigsten Erfahrungsstufe + FZ in der Höhe vor den "Reformen" + Kindergeld = mind. 115 % des Bürgergeldes einer vierköpfigen Familie unter Berücksichtigung und Einhaltung aller sozialrechtlichen Regelungen). Die übrigen Werte der Tabelle muss man dann entsprechend anpassen, damit das Abstandsgebot jeweils eingehalten wird.

Alle Diskussionen hier und im Länderforum drehen sich doch eigentlich nur noch um die Rückzugsgefechte der Dienstherren, welche diese als "Reformen" zu verkaufen suchen. Die oben beschriebenen Berechnungen sind für jede Ministerialbürokratie ein Klacks. Das dortige "Problem" sind alleine der politischen Vorgabe geschuldet, dass die Wiederherstellung einer amtsangemessenen Besoldungsordnung praktisch nichts kosten darf.

Stark vereinfacht ausgedrückt ist lediglich die Frage geklärt, wieviel einer vierköpfigen Beamtenfamilie tatsächlich mindestens zustehen muss.

Ungeklärt ist die Frage, inwieweit das Einkommen der Ehefrau mit in die Berechnung der Besoldung einfließen darf und wie hoch die Zuschläge für die ersten beiden Kinder überhaupt sein dürfen, wie sich also die konkrete Besoldung zusammensetzen darf.

Die Besoldungsgesetzgeber versuchen derzeit lediglich, für kinderreiche und Beamten mit Kindern eine möglichst centgenaue, gerade noch so eben verfassungsgemäße Besoldung zu erreichen und verlieren dabei das Amt und somit die amtsangemessene Besoldung völlig aus dem Blick. Wie Swen hier schon mehrfach und wiederholt geschrieben hat, erscheinen exorbitant hohe Familienzuschläge für Familien mit bis zu zwei Kindern kaum sachgerecht. Eine generelle Erhöhung der Grundbesoldung für alle Beamten erscheint der einzige Weg, eine solche verfassungskonforme Besoldung wieder herzustellen.

Die Antwort auf diese Frage ist auch für diejenigen interessant, die von den Zuschlägen derzeit profitieren, da sich ein höheres Grundgehalt im Gegensatz zu den Familienzuschlägen auch bei der Pension bemerkbar machen dürfte.

Pendler1

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8074 am: 24.10.2023 14:47 »
@Rentenonkel

Ach ja, das mit den Zulagen vs. Tabellensteigerung habe ich hier schon öfters angebracht, wurde aber oft dafür angemacht.

Verstehe ich überhaupt nicht.

Bei der Immobilienfinanzierung z.B. wird um jedes Zehntel Prozent gekämpft, bei der eigenen Besoldung aber ... anscheinend egal.

Wie Du sehr richtig schreibst, jeder Prozentpunkt, der nicht in die Tabellensteigerung geht, der wird gerade den Jüngeren später bei der Pension schmerzlich fehlen ... rechnen im Alltag😁

Aber was solls. Wer auf Zulagen steht (die, wie ich in meiner 45jährigen Beamtenlaufbahn schon öfters bemerkt habe, auch ganz schnell wieder gestrichen werden können), der soll damit glücklich werden.

Bundi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8075 am: 25.10.2023 10:17 »
@Rentenonkel

Ach ja, das mit den Zulagen vs. Tabellensteigerung habe ich hier schon öfters angebracht, wurde aber oft dafür angemacht.

Verstehe ich überhaupt nicht.

Bei der Immobilienfinanzierung z.B. wird um jedes Zehntel Prozent gekämpft, bei der eigenen Besoldung aber ... anscheinend egal.

Wie Du sehr richtig schreibst, jeder Prozentpunkt, der nicht in die Tabellensteigerung geht, der wird gerade den Jüngeren später bei der Pension schmerzlich fehlen ... rechnen im Alltag😁

Aber was solls. Wer auf Zulagen steht (die, wie ich in meiner 45jährigen Beamtenlaufbahn schon öfters bemerkt habe, auch ganz schnell wieder gestrichen werden können), der soll damit glücklich werden.

Stimme dir voll zu.

emdy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8076 am: 25.10.2023 10:31 »
Absolut richtig. Von daher ist das Abfeiern des AEZ nicht nur unsolidarisch sondern auch dumm. Natürlich verstehe ich jeden, der jeden zusätzlichen Euro gerne annimmt. Aber es zu feiern, mit einer verfassungswidrigen Lösung abgespeist zu werden kann nicht der Weg sein, das kann man nicht oft genug sagen.


Sputnik1978

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8078 am: 25.10.2023 10:57 »
Ich fürchte zwischenzeitlich, dass vor dem 1. Juli 2024 keine Gesetzesänderung in Kraft treten wird.

Man wird zuerst die Besoldungsanpassung zum 1. März 2024 abwarten, um die Themen zu entzerren.

Jörn85

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8079 am: 25.10.2023 13:54 »
Während die Rechtsprechung zu den kinderreichen Familien eigentlich abgeschlossen ist, ist die Frage der amtsangemessenen Besoldung für Beamte mit bis zu zwei Kindern eben noch nicht abgeschlossen geklärt.

Eigentlich ist ja schon seitens des BVerfG "abschließend geklärt" wie eine verfassungskonforme Besoldung aussehen kann (extrem stark runtergebrochen: Unterste Besoldungsgruppe in der niedrigsten Erfahrungsstufe + FZ in der Höhe vor den "Reformen" + Kindergeld = mind. 115 % des Bürgergeldes einer vierköpfigen Familie unter Berücksichtigung und Einhaltung aller sozialrechtlichen Regelungen). Die übrigen Werte der Tabelle muss man dann entsprechend anpassen, damit das Abstandsgebot jeweils eingehalten wird.

Wir sehen das so, die Gerichte sehen das anders.

"Zwar sei der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau von 15 % in der untersten Besoldungsgruppe in den Jahren 2017 bis 2021 nicht eingehalten worden. Die Kammer kommt allerdings im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung unter Einbeziehung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien zu dem Ergebnis, dass eine evidente verfassungswidrige Unteralimentation der Kläger als (pensionierte) Richter der Besoldungsgruppen R1 bis R3 gleichwohl nicht gegeben ist. Insoweit findet die Kammer zu dem Ergebnis, dass die übrigen Vergleichsgrößen bei der Ermittlung der amtsangemessenen Bezahlung zum einen nicht verletzt sind und zum anderen die Verletzung des Abstandsgebots zum Grundsicherungsniveau in ihrer Bedeutung hier überwiegen."

Entscheidung von vorgestern, Verwaltungsgericht Arnsberg: Bezahlung der Richter in Nordrhein-Westfalen 2017-2021 rechtmäßig https://www.vg-arnsberg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/07_231023/index.php

Bastel

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« Antwort #8080 am: 25.10.2023 14:08 »
Niemand interessiert ein popeliges Verwaltungsgericht. Der Krieg wird in Karlsruhe gewonnen und nicht in Hintertupfingen.

Malkav

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8081 am: 25.10.2023 14:22 »
Niemand interessiert ein popeliges Verwaltungsgericht. Der Krieg wird in Karlsruhe gewonnen und nicht in Hintertupfingen.

Ach ich wäre auch dankbar, wenn ein LVerfG mitmischen würde. Die dürften auch gerne z.B. in Schleswig, Greifswald oder Dessau-Roßlau sitzen bleiben.

Und Karlsruhe ist jetzt (außerhalb der Justiz-Bubble) auch nicht unbedingt als Metropole von Weltrang bekannt  ;)

Bundi

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« Antwort #8082 am: 25.10.2023 14:38 »
@bastel

Sicher ist ein VerwG nicht die letztendliche Instanz, aber es ist doch schon interessant wie das VerwG zu diesem Urteil gekommen ist.
Zum einen stellt man fest die 15% Grenze ist verletzt, aber im Rahmen einer Gesamtabwägung kommt man zu einem anderen Ergebnis.
Welche "Zitat: weiteren alimentationsrelavanten Kriterien" hat man hinzugezogen und wie bewertet ?
Und inwieweit begründet das VerwG dass diese "alimentationsrelavanten Kriterien" das Abstandsgebot in seiner Bedeutung überwiegen ?
Leider gibt der Text dazu weiter nichts detailliertes her.
Aber am deutlichsten worum es immer wieder geht ist doch der letzte Satz in Bezug auf die Schuldenbremse.
Damit stellt sich doch das VerWg auch auf die Seite derer, die Besoldung/Alimentation nach Kassenlage regeln.



was_guckst_du

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« Antwort #8083 am: 25.10.2023 14:39 »
...letztendlich ist das ein juristisches Hin- und Hergeschiebe...es muss sich nur endlich mal jemand trauen, eine wirkliche Rechnung mit konkreten Zahlen aufzumachen...leider drücken sich die Gerichte davor
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

PolareuD

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« Antwort #8084 am: 25.10.2023 14:49 »
Das Problem scheint mir zu sein, dass das BVerfG noch keine konkreteren Aussagen zum Binnenabstandsgebot verkündet hat, nur das auf Basis einer Mindestalimentation ein gesamtes Besoldungsgefüge aufgebaut werden muss. In welcher Form ist aber teilweise noch im dunklen. Insofern wäre es sinnvoll gewesen, wenn das Verwaltungsgericht ein Normenkontrollverfahren beim BVerfG eingeleitet hätte. Warum das nicht geschehen ist geht aber aus der Website hervor.