Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2091790 times)

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11055 am: 12.03.2024 09:44 »
Eigentlich wollte ich mit meinem Beitrag von vorgestern auf gestern Nacht nur feststellen, dass ich von meiner Seite alles zum Thema einer m.E. nicht gegebenen Mitverantwortung des Zweiten Senats am spezifischen Handeln der 17 Besoldungsgesetzgeber gesagt habe, dass also die betreffenden Argumente auf dem Tisch liegen und hier im Forum nachzulesen sind, sodass ich gegen jene andere Sicht auf das Thema und die m.E. damit verbundenen politischen Konsequenzen nicht mehr weiterschreiben werde. Da mich clarion am gestrigen morgen direkt angesprochen hat und sie mir sympathisch ist, habe ich ihr geantwortet, um danach erneut klarmachen zu wollen, dass ich wenig Sinn darin sehe, jene betreffende Diskussion über die Verantwortung des Senats an der Politik der betreffenden Verantwortungsträger in allgemeiner Form entsprechend weiterzuführen. Ein Rückzug aus dem Forum war damit nicht geplant.

Zugleich haben mich die nachfolgenden Beiträge von verschiedenen von euch hier und als PM gefreut und möchte ich mich für diese bedanken, sofern ich das nicht bereits getan habe. Unser Thema hier ist in verschiedener Hinsicht speziell und wiederkehrend durchaus anstrengend - umso mehr freut man sich über Wertschätzung: Danke für diese!

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11056 am: 12.03.2024 09:48 »
Ich nehme an, dass die Damen und Herren auch ganz schöne Probleme haben werden, die Verbänderückmeldungen zu widerlegen. Soweit ich mich an Swens Ausführungen erinnern kann, gehört das zum Prozess der Prozeduralisierung dazu und wird später auch von den Gerichten betrachtet.

Es gibt sogar ein Buch über die Prozeduralisierung des Rechts, kostet aber 94,00 €.
https://www.lehmanns.de/shop/recht-steuern/38317457-9783161551840-prozeduralisierung-des-rechts#:~:text=%22Prozeduralisierung%20des%20Rechts%22%20lenkt%20den,Verfahren%20und%20Prozesse%20der%20Normerzeugung.

Warzenharry

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11057 am: 12.03.2024 09:48 »
Lieber Sven,

as freut sicher sehr Viele hier, einschließlich meiner Person.

Bleib bitte weiter am Ball.


LG

tigertom

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11058 am: 12.03.2024 09:56 »
Von meiner Seite aus auch hohe Anerkennung für Dich, Swen.

Hummel2805

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11059 am: 12.03.2024 10:44 »
Ja das ist ein Schmierentheater - aber hier stehen die Gewerkschaften Schmiere!

DeGr

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11060 am: 12.03.2024 11:02 »
@Swen

Schön zu hören, dass sich deine Aussage nur auf die endlosen Diskussionen zur behaupteten Mitverantwortung des 2. Senats beziehen sollten.

Ich habe in Erinnerung, dass du bislang immer Niedersachsen und Sachsen in der Pole-Position für drohende Vollstreckungsanordnungen gesehen hast. In deinem Beitrag #10989 gehst du nun davon aus, dass Berlin an Nr. 1 stehen könnte und die Vollstreckungsanordnung bereits nächstes Jahr drohen könnte.

Woher kommt der Sinneswandel? Resultiert dieser aus der bekannt gewordenen Anfrage des BVerfG an den Berliner Gesetzgeber - u. a. zur bisher ausgebliebenen Übertragung der 2020er Entscheidung auf die A-Besoldung?

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11061 am: 12.03.2024 12:22 »
@Swen: Auch von meiner Seite herzlichen Dank für deinen unermüdlichen Einsatz "für uns"!
Ich freue mich schon sehr auf deine fachkundige Einordnung, sobald es News aus Karlsruhe geben wird.

Und selbstverständlich sitzen die "Antihelden" nicht im Zweiten Senat, sondern bei den 17 Besoldungsgesetzgebern.

Lediglich bezüglich der Außendarstellung/Kommunikation sehe ich gegebenenfalls ein wenig Luft nach oben:
- In der Jahresvorausschau für 2022 wurden Entscheidungen zur Besoldung in Bremen angekündigt.
- In der Jahresvorausschau für 2023 wurden Entscheidungen zur Besoldung in Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen angekündigt.
- Heute (also am 12.03.2024) gibt es noch keine Jahresvorausschau für 2024.

Hier bin ich ein wenig bei clarion: Wenn in meinem Umfeld so mit Deadlines umgegangen würde (egal ob extern oder selbstgesetzt), dann wäre aber was los..  :)

BWBoy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11062 am: 12.03.2024 12:24 »
Eigentlich wollte ich mit meinem Beitrag von vorgestern auf gestern Nacht nur feststellen, dass ich von meiner Seite alles zum Thema einer m.E. nicht gegebenen Mitverantwortung des Zweiten Senats am spezifischen Handeln der 17 Besoldungsgesetzgeber gesagt habe, dass also die betreffenden Argumente auf dem Tisch liegen und hier im Forum nachzulesen sind, sodass ich gegen jene andere Sicht auf das Thema und die m.E. damit verbundenen politischen Konsequenzen nicht mehr weiterschreiben werde. Da mich clarion am gestrigen morgen direkt angesprochen hat und sie mir sympathisch ist, habe ich ihr geantwortet, um danach erneut klarmachen zu wollen, dass ich wenig Sinn darin sehe, jene betreffende Diskussion über die Verantwortung des Senats an der Politik der betreffenden Verantwortungsträger in allgemeiner Form entsprechend weiterzuführen. Ein Rückzug aus dem Forum war damit nicht geplant.

Zugleich haben mich die nachfolgenden Beiträge von verschiedenen von euch hier und als PM gefreut und möchte ich mich für diese bedanken, sofern ich das nicht bereits getan habe. Unser Thema hier ist in verschiedener Hinsicht speziell und wiederkehrend durchaus anstrengend - umso mehr freut man sich über Wertschätzung: Danke für diese!

Also ich hoffe ja, dass du mich wenn es so weit ist bei der Klagebegründung für die amtsangemessene Alimentation von Singlebeamten unterstützt. So besteht nämlich die Chance, dass ich das nicht verbocke. ;D Darüber hinaus habe ich erst durch deine Beiträge überhaupt verstanden um was es überhaupt geht.

Pendler1

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11063 am: 12.03.2024 12:33 »
Möchte  ich den Kollegen anschließen und mich bei Swen für seine Arbeit bedanken.

Obwohl die Texte für mich als MINT-Mensch manchmal schwierig zu lesen sind - aber das ist eine andere Geschichte.😁

bgler

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11064 am: 12.03.2024 13:09 »
Auch ich möchte diesen "Moment" nutzen und dir, Swen, meinen Dank und meine Wertschätzung für deine Informationen und Mühen aussprechen!

untersterDienst

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11065 am: 12.03.2024 13:37 »
Danke Swen,
wenn man sich andere Kommentare tatsächlich antuen möchte, dann bestimmt oft nicht aus Gründen der sachlichen Meinungsbildung, sondern aus anderen.
Herzlichen Dank für Deine Mühen.

Beste Grüße aus Oberbayern

Treudiener

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11066 am: 12.03.2024 13:38 »
Danke sehr Swen! :)

ErnstHaft

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11067 am: 12.03.2024 13:51 »
Von mir auch ein großes DANKE an Swen!

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11068 am: 12.03.2024 14:42 »
@Swen

Schön zu hören, dass sich deine Aussage nur auf die endlosen Diskussionen zur behaupteten Mitverantwortung des 2. Senats beziehen sollten.

Ich habe in Erinnerung, dass du bislang immer Niedersachsen und Sachsen in der Pole-Position für drohende Vollstreckungsanordnungen gesehen hast. In deinem Beitrag #10989 gehst du nun davon aus, dass Berlin an Nr. 1 stehen könnte und die Vollstreckungsanordnung bereits nächstes Jahr drohen könnte.

Woher kommt der Sinneswandel? Resultiert dieser aus der bekannt gewordenen Anfrage des BVerfG an den Berliner Gesetzgeber - u. a. zur bisher ausgebliebenen Übertragung der 2020er Entscheidung auf die A-Besoldung?

Zunächst: Hab(t) ebenfalls vielen Dank auch für eure Worte, Warzenharry und Tigertom.

Karlsruhe hat 2022 mit der Ankündigung, über die Bremer Normenkontrollverfahren zu entscheiden, und mit der 2023 erfolgten Erweiterung der Entscheidungsankündigung auf Niedersachsen und Schleswig-Holstein deutlich gemacht, dass die Berliner Entscheidungen nicht als nächstes anstanden. Insofern war bislang nicht absehbar, wann Berlin wieder auf der Karlsruher Tagesordnung auftauchen würde.

Nun zeigt sich in der Möglichkeit zur Stellungnahme, dass die Entscheidung über die Berliner A-Besoldung offensichtlich bereits konkret weiter vorbereitet ist, als das im letzten Jahr erwartbar gewesen ist. Dass der Zweite Senat dabei explizit eine Stellungnahme darum erbittet, dass der Berliner Gesetzgeber den 2020 unmittelbar festgestellten verfassungswidrigen Gehalt der gewährten Nettoalimentation für mindestens in den unteren Besoldungsgruppen gezielt aufrechterhalten hat, indem die SenFin gezielt keinen entsprechenden Gesetzentwurf erstellt und der Senat von Berlin also keinen entsprechenden Gesetzentwurf zur Reparatur auch der A-Besoldung im Zeitraum zwischen 2009 bis 2015 in das Abgeordnetenhaus eingebracht hat, weist darauf hin, dass Karlsruhe der Landesregierung die Möglichkeit gibt, ihr seit 2020 vollzogenes Handeln sachgerecht zu begründen. Eine solche sachgerechte Begründung ist ihr jedoch nicht möglich, da vonseiten der SenFin hier in der Vergangenheit nur sachlich abwegige Darlegungen erfolgt sind. Von daher darf man davon ausgehen, dass der Zweite Senat das Handeln des Berliner Besoldungsgesetzgebers hinsichtlich der A-Besoldung als eine seit 2020 fortbestehende Untätigkeit oder ein Handeln, das der Untätigkeit gleichkommt, betrachten wird. Denn das betreffende Handeln des Senats, nicht tätig zu handeln, zeigt sich als unbegründet.

Sofern nun der Zweite Senat darüber hinaus zu dem Schluss kommt, dass der Berliner Gesetzgeber durch die 2020 mit Gesetzeskraft erfolgte Entscheidung verpflichtet gewesen wäre, für eine amtsangemessene Alimentation der Berliner A-Besoldung im Zeitraum von 2009 bis 2015 mindestens für die unmittelbar von der Entscheidung vom 04. Mai betroffenen Beamten zu sorgen, dürfte es eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit geben - so interpretiere ich die Möglichkeit der Stellungnahme, die der Zweite Senat gegeben hat -, dass Karlsruhe in der Entscheidung über die Berliner A-Besoldung die notwendige Akzessorietät als solche herstellt und also den Berliner Gesetzgeber bis zu einem bestimmten Datum auferlegt (i.d.R. ein Jahr nach dem Entscheidungs- oder Veröffentlichungsdatum), für eine amtsangemessene Alimentation in der Besoldungsordnung A unmittelbar für den Zeitraum 2008/09 bis 2015 zu sorgen, und darüber hinaus für den Fall, dass der Berliner Gesetzgeber bis zum Ende der Frist nicht für eine verfassungskonforme Beamtenbesoldung und -Alimentation sorgt, die Verwaltungsgerichtsbarkeit über § 35 BVerfGG anweist, ab jenem Datum die Entscheidung des Zweiten Senats zu vollstrecken.

Sofern nun also die Entscheidungen 2 BvL 5/18 bis 2 BvL 9/18 über die Berliner A-Besoldung, den Zeitraum 2008 bis 2015 betreffend, für 2024 oder 2025 angekündigt werden sollten, wäre die Wahrscheinlichkeit so verstanden meiner Meinung nach nicht gering, dass der Berliner Gesetzgeber der erste wäre, der sich nun mit einer Vollstreckungsanordnung, die ab einem bestimmten Datum im Raum stände (wie gesagt in der Regel ein Jahr nach der Entscheidung bzw. der Veröffentlichung), konfrontiert sähe.

Für Niedersachsen gehe ich weiterhin davon aus, dass wegen des "verfassungsrechtlichen Faustpfands" mit einer Vollstreckungsanordnung eher noch nicht in der angekündigten, sondern mit einiger Wahrscheinlichkeit erst in der darauffolgenden Entscheidung zu rechnen sein könnte. Diese würde - sofern die Entscheidung über die Berliner A-Besoldung tatsächlich bereits weiter vorangeschritten wäre, als sich das bis vor Kurzem angedeutet hatte - dann mit einiger Wahrscheinlichkeit erst nach der Entscheidung über die Berliner A-Besoldung erfolgen.

Für Sachsen ist weiterhin nicht absehbar, ob hier im Verlauf dieses oder des nächsten Jahres eine Karlsruher Entscheidung zu erwarten wäre. Sofern das der Fall wäre, muss das Land ebenfalls offensichtlich mit einer Vollstreckungsanordnung rechnen. Denn Karlsruhe hat am 05. Mai 2015 in der Entscheidung 2 BvL 17/09 festgestellt, dass die sächsische R-Besoldung in den Jahren 2008 bis 2010 verfassungswidrig gewesen ist, ist in der Entscheidung vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 - in einem weiteren Normenkontrollverfahren, nun über die A-Besoldung im Jahr 2011, zu dem selben Ergebnis gelangt, um in der am 23. Mai 2017 entschiedenen Verfassungsbeschwerde - 2 BvR 883/14 - auch für die Jahre 2008 und 2009 hinsichtlich der A-Besoldung zum selben Ergebnis gekommen zu sein.

Die daraufhin jeweils vom Land verabschiedeten Reparaturgesetze stellen sich im Lichte der 2020er Entscheidung als nicht verfassungskonform dar, sodass das entsprechende Handeln des Gesetzgebers mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls als einer Untätigkeit gleichkommend zu betrachten sein sollte, und zwar mindestens für den Zeitraum 2008 bis 2010 (ggf. aber, sachlich begründet über die Abstandsgebote, auch für das Jahr 2011). Sofern nun also das Bundesverfassungsgericht in den drei anhängigen Normenkontrollverfahren, die Besoldungsgruppen R 1 und R 3 sowie die Jahre 2011 bis 2016 betreffend (2 BvL 1/19 bis 2 BvL 2/19 und 2 BvL 4/19), erneut zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Besoldung sich hier ebenfalls als verfassungswidrig dargestellt hat - wovon weiterhin auszugehen sein dürfte -, dürfte es m.E. ebenfalls mit einiger Wahrscheinlichkeit für den Zweiten Senat geboten sein, so vorzugehen, wie das ebenfalls wie dargelegt für Berlin und Niedersachsen erwartbar sein dürfte. So verstanden dürfte man sich auch in Sachsen mit einiger Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer zukünftigen Vollstreckungsanordnung ausgesetzt sehen.

Das dürfte m.E. mit hoher Wahrscheinlichkeit der Hauptgrund dafür sein, dass nun Sachsen als erstes Land tatsächlich aus der konzertierten Einigkeit der Besoldungsgesetzgeber ausschert und also zwar ebenfalls eine m.E. weiterhin verfassungswidrige Besoldungsgesetzgebung plant, dabei aber als erstes Land dauerhaft erkennbare Konzessionen in Richtung einer verfassungskonformen Alimentation macht, weshalb man dort offensichtlich gleich auch besser die Hände von spezifischen Doppelverdienermodellen lässt, weil man auch in Dresden wissen wird, wie chancenlos die bislang seit 2022 eingeführten Modelle vor dem Zweiten Senat sein werden.

Ich würde also das sächsische Vorgehen, nun als erstes Land eine außerplanmäßige und dabei zugleich dauerhafte Anhebung aller Besoldungsgruppen vorzunehmen, als eine Art Konzessionsentscheidung bewerten, die metaphorisch als "Beschwichtigungsopfer" gelesen werden kann und von heute aus betrachtet von drei Vorteilen profitiert, die das Land gegenüber anderen hat:

1. Die Verletzung des Mindestabstandsgebots hat sich in Sachsen 2020 als bundesweit mit einem Fehlbetrag von 9,8 % als geringste in den 17 Rechtskreisen herausgestellt, was auch Folge der genannten drei Karlsruher Entscheidungen gewesen sein dürfte (vgl. den bekannten DÖV-Beitrag aus dem Jahjr 2022, hier die S. 206). Als Folge dieser drei Entscheidungen zeigte sich Dresden entsprechend ab 2015 bereits wiederkehrend auf dem Weg (und konnte ggf. bis zur aktuellen Entscheidung vom 04. Mai 2020 davon ausgegangen sein, diesen Weg vergangenheitsbezogen und ggf. auch 2020 aktuell vollzogen zu haben, was sich nach dem 04. Mai 2020 als Trugschluss erwiesen hat und was nun, Anfang 2024, einigen Druck auf die Landesregierung ausüben dürfte, da seit einem guten Vierteljahr allenthalben sichtbar wird, dass Karlsruhe jetzt umfassender in Aktion tritt).

2. Sachsen weist eine vergleichsweise geringe Zahl an Beamten auf, sodass hier die Erhöhung der Beamtenbesoldung ebenfalls eine auf's Ganze gesehen geringere monetäre Wirkung nach sich zieht als in den meisten anderen Ländern, insbesonderen den westdeutschen. Zwar ist in Sachsen die Zahl der Landesbeamten insbesondere deshalb, weil man sich auch in Dresden seit dem 01.01.2019 gezwungen sieht, neueingestellte Lehrer wieder zu verbeamten, von 33.736 am 30.06.2015 bis zum 30.06.2022 auf 45.190 angestiegen (vom 30.09.2018 zum 30.06.2019 ist die Zahl an Beamten von 33.846 auf 39.430 gestiegen). Denen standen aber 2015 163.624 und 2022 170.315 (Tarif-)Beschäftigte gegenüber. Insofern waren Mitte 2022 nur gut 20 % der Beschäftigten in Sachsen Beamte. In Baden-Württemberg standen dahingegen bspw. zum 20.06.2021 220 740 Beamten 392 580 Arbeitnehmer gegenüber; hier waren also 36 % der Beschäftigten Beamte (https://www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2022095).

3. Die Verschuldung pro Kopf ist in Sachsen mit 2.133 € die niedrigste in Deutschland (Stand: 30.09.2023; vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/629/umfrage/oeffentliche-pro-kopf-verschuldung-nach-bundeslaendern/). Sachsen kann sich also den Weg hin zu einer wieder amtsangemessenen Alimentation noch am Ehesten leisten.

Ergo: In der Güterabwägung dürfte die Landesregierung intern zu dem Schluss gekommen sein, zu versuchen, Karlsruhe von sich abzulenken, indem man sich konzessionsbereit zeigt (ähnlich hat sich zunächst Hessen nach der Entscheidung des Hessischen VGH zu zeigen versucht, um dann jedoch sogleich politisch ins Stocken zu geraten). Ob man damit in Sachsen kurzfristig Erfolg haben wird - also demnächst nicht zum vierten Mal auf die Karlsruher Tagesordnung gelangt -, wird sich zeigen. Die besoldungsrechtliche Entscheidung der Landesregierung, als erstes Land dauerhaft eine erste deutlichere Erhöhung der Grundgehaltssätze aller Landesbeamten zu vollziehen, dürfte im Vorfeld der anstehenden Karlsruher Entscheidungen zunächst einmal zeigen, dass das bislang festgefügte Konzert der 17 Besoldungsgesetzgeber Dissonanzen aufzuweisen beginnt.

Dieser Prozess wird nach den Karlsruher Entscheidungen nicht mehr enden, insbesondere, wenn für die Besoldungsgesetzgeber offensichtlich wird, dass nach den drei angekündigten Entscheidungen weitere absehbar werden - und die Entwicklungen in Berlin und Brandenburg genauso wie die Stellungnahme von BvR Ulrich Maidowski aus dem letzten Dezember weisen gleichfalls in jene Richtung (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/vb20231221_vz000323.html).

All das ist den 17 Besoldungsgesetzgebern bekannt, sodass es zunehmend interessanter werden dürfte, wie sie zukünftig innerhalb der konkurrenzföderalistischen Strukturen und in Anbetracht eines immer größer werdenden Fachkräftemangels zu gemeinsamen Abstimmungen im Besoldungsrecht kommen wollen - wenn sie oder Teile von ihnen das dann noch wollen. Nach den angekündigten Entscheidungen werden - auch in Abhängigkeit von der Begründungstiefe dieser Entscheidungen - komplexe neue Debatten und Entwicklungen beginnen, die - da zwischenzeitlich mit Ausnahme des Bunds alle 16 Landesbesoldungsgesetzgeber das Besoldungsniveau gegenüber 2020 deutlich angehoben haben - auf einen anderen Boden gedeihen werden, als das nach der aktuellen Entscheidung der Fall gewesen ist.

@ BVerfGBeliever
Hab gleichfalls vielen Dank für Deine Worte - wie ich ja schon in meiner letzten Nachricht an clarion geschrieben habe (und zwar ggf. in von der Form her zu harscher Form, clarion, sofern das so gewesen sein sollte, tut mir das leid; ich wollte Dich dort mit meinen Worten nicht persönlich angreifen, was Du ggf. so empfunden haben wirst), kann man die Jahressvorschau nicht mit Zielvereinbarungen in der freien Wirtschaft oder im Beamtenwesen vergleichen. Wegen des Beratungsgeheimnisses haben die beiden Karlsruher Senate nur eine sehr eingeschränkte Möglichkeit, die Öffentlichkeit über den Stand anhängiger Entscheidungen zu informieren. Die Vorschau kommt also einem öffentlichen Interesse nach, und zwar zumeist zu einem Zeitpunkt, da die Senate nicht wissen können, wie sich ihre interne Beratung in jedem einzelnen der genannten anhängigen Verfahren konkret entwickeln wird und über wie viele weitere Verfahren insbesondere durch die Kammern im Verlauf des weiteren Jahres zu entscheiden sein wird. Dabei darf man insgesamt nicht aus dem Blick verlieren, dass es sich bei 98 % der jährlich im Karlsruhe eingehenden Verfahrensarten um Verfassungsbeschwerden handelt und dass derzeit (Stand 2020) rund 6.000 Verfahren insgesamt pro Jahr in Karlsruhe eingehen, von denen also rund 5.900 Verfassungsbeschwerden sind, die allesamt ebenfalls entschieden werden wollen, ohne dass die Senate über deren Zahl und Inhalt sowie ihre jeweilige Komplexität zum Zeitpunkt der Vorschau bezogen auf das noch neun Monate weitergehende Jahr eine hinreichend dezidierte Sicht haben können. Gleicht man die Jahresvorschau, die im März eines jeden Jahres erfolgt (wenn ich mich recht erinnere, zumeist gen Monatsmitte und dort an einem Mittwoch), mit den ausgewählten Neueingängen ab (die im Vorfeld der anstehenden Jahresvorschau gerade aktualisiert worden sind), dann stellt man fest, dass nach dem März eines jeden Jahres eine im März unwägbare Zahl an Neueingängen in Karlsruhe aufschlägt - die "Lügenliste" ist keine "Lügenliste", sondern ein Versuch der Transparenz, der bereits einen Tage nach seiner Veröffentlichung schon nur noch Makulatur sein kann: nämlich je nachdem, was ab dem nachfolgenden Tag der geflügelte Bote der Post (oder erst einmal das gute alte Faxgerät) so an Neuigkeiten bei der Poststelle des Verfassungsorgans abgibt...

Und BWBoy, Pendler1, bgler, untersterDienst, Treudiener und ErnstHaft: Habt gleichfalls vielen lieben Dank für eure Worte, die mich wirklich freuen!

Und an alle, die von meinen langen Beiträgen nicht zuletzt wegen ihrer Länge genervt sind: Ich glaube, es gibt hier im Forum eine Funktion, die Schreiber blockt: Ich kann als Viel- und wiederkehrender Langschreiber verstehen, wenn man durch die Länge meiner Beiträge genervt ist (das wird mir in meinem Leben nicht erst hier im Forum zum ersten Mal gesagt; ich habe auch im realen Leben den einen oder anderen Mitmenschen allein durch die Länge meiner Beiträge nicht immer die allergrößte Freude bereitet und den einen oder anderen weiteren zur regelmäßigen Weißglut getrieben - mir hat einst meine damalige Dienststellenleiterin in einer hitzigen Auseinandersetzung voller Empörung an den Kopf geworfen: "Ich lese Deine Mails nicht mehr!", um sich dann qua Funktion doch gezwungen zu sehen, sie lesen zu müssen; hier muss sich dahingegen keiner entsprechend gezwungen sehen): einfach blocken, das hilft und erspart einem das Genervtsein.
« Last Edit: 12.03.2024 14:54 von SwenTanortsch »

Unlucky

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11069 am: 12.03.2024 16:54 »
Komme gerade vom Außendienst, schön wieder von Dir zu lesen, Swen.