Moin in die Runde,
ich bin zwar seit 2016 Bundesbeamter aber erst in diesem Jahr so richtig in die Diskussion zur amtsangemessenen Alimentation eingestiegen. Dickes Lob

dazu an dieses Forum, besonders SwenTawortsch, ohne dessen Ausführungen ich erst gar nicht an dem Thema dran geblieben wäre.
Jetzt zu meiner eigenen aktuellen Auseinandersetzung mit den jüngsten Beschlüssen des BVerfG.
Die Besoldung ist doch m.W. ein Dauerverwaltungsakt. Demnach müsste dieser Dauerverwaltungsakt doch wegen der Beschlüsse des BVerfG rechtswidrig geworden sein. Dann wäre er einer Aufhebung nach § 44 Abs. 1 VwVfG zugänglich (Aufhebung mit Rückwirkung).
Soweit meine individuelle Besoldung das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an amtsangemessener Alimentation unterschreiten sollte, wäre es also rechtswidrig geworden und neu festzusetzen. Ich frage mich deshalb ob ein Widerspruch überhaupt der zutreffende Rechtsweg wäre und nicht vielmehr ein Antrag auf Neuberechung und rückwirkende Neufestsetzung der amtsangemessenen Alimentation.
Hinsichtlich der Erreichung der 80% Schwelle beim Alleinverdienermodell (auf dieses stellt der Beschluss ja ab) darf das Kindergeld nicht als Einkommensquelle herangezogen werden (Rn115): „Der Gesetzgeber [wollte] die Besoldung so bemessen [...], dass eine vierköpfige Familie durch einen Beamten als Alleinverdiener amtsangemessen unterhalten werden kann, ohne dass es weiterer Einkommensquellen [...] bedarf."
Ist damit nicht bereits geklärt, dass das Kindergeld gerade nicht herangezogen werden darf? Ich dachte, Kindergeld ist bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der amtsangemessenen Alimentation nicht als Einkommen des Beamtenhaushalts anzusetzen. Das BVerfG stellt m.E. klar, dass das Kindergeld eine allgemeine sozialrechtliche Familienleistung ist und nicht Bestandteil der beamtenrechtlichen Alimentation. Es darf daher nicht zur Kompensation alimentativer Defizite herangezogen werden. Für die Beurteilung, ob die Mindestalimentation nach Art. 33 Abs. 5 GG unterschritten ist, ist dann ausschließlich die Nettoalimentation ohne Kindergeld maßgeblich. Korrigiert mich gerne hier, falls meine Einschätzung dazu falsch liegen sollte.
Demnach wäre m.E. die zutreffende Berechnung für das Netto Äquivaleneinkommen z.B. bei einer Familie mit drei Kindern (wie bei mir):
Nettoäquivalenzeinkommen = Haushaltsnettoeinkommen / Äquivalenzgewicht
Haushaltsnettoeinkommen =
Bruttobesoldung (Grundgehalt + Familienzuschläge)
- Steuern
- Sozialversicherungsbeiträge
- Private Krankenversicherung (gesamte Familie)
+ ggf. Einkommen weiterer Haushaltsmitglieder (hier liegt der Teufel im Detail...)
Berechnung des Äquivalenzgwichts nach OECD-Skala
Erste erwachsene Person: Gewicht 1,0
Weitere erwachsene Person: Gewicht 0,5
Kinder unter 14 Jahren: je Gewicht 0,3
Für meine Familie (5 Personen):
Ich: 1,0
Ehepartnerin: 0,5
Kind 1 (geb. 2013): 0,3 (bis 2027 unter 14)
Kind 2 (geb. 2016): 0,3 (bis 2030 unter 14)
Kind 3 (geb. 2020): 0,3 (bis 2034 unter 14)
Äquivalenzgewicht: 1,0 + 0,5 + 0,3 + 0,3 + 0,3 = 2,4
Kritisch und hier bereits immer wieder im Forum diskutiert ist die Frage, ob (siehe Bayern) der Dienstherr (berechtigt oder nicht sei angesichts der dazu hinlänglich geführten Diskussionen und Beiträge dazu im Forum mal dahingestellt) ein wie auch immer geartetes Einkommen des Ehepartners bis zu einer gewissen Schwelle pauschal anrechnet (20.000 Euro z.B.) - denn dann ist "schön" gerechnet die Alimentation immer angemessen.
Soweit aber wie auch wieder im Beschluss des BVerfG ein Alleinverdiener mit vierköpfiger Familie als Vergleich herangezogen wird und der Gesetzgeber hierzu keine Klarheit schafft, ist für eine Familie mit drei oder mehr Kindern OHNE zusätzliche Einnahmequelle (Einkommen/ Besoldung Ehepartner) von einer Unterdeckung der Alimentation auszugehen (mal bei mir durchgerechnet zwischen 25.000 und 50.000 Euro für 2020 bis 2025 inkl. Verzugszinsen nach §288 BGB bzw. §236 AO).
Es gab inzwischen laut VBOB/ DBB drei Referentenentwürfe zur amtsangemessenen Alimenation, die ganz offensichtlich nicht zu einem Kabinettsbeschluss gereicht haben (vor allem wegen Dissens zum BMF). Die medial verstreuten Nebelkerzen hierzu (1,2 Milliarden) von Herrn Dobrindt dienen m.E. vor allem der Beruhigung der Belegschaft zur Vermeidung aufwändiger Einzelfallprüfung von Anträgen und Widersprüchen.
Das BMI-Rundschreiben vom 14.06.2021 (D3-30200/94#21 und 178#6) besagt, dass für die Jahre 2020–2025 keine haushaltsnahe Geltendmachung erforderlich sei (siehe auch Mitteilung auf der BVA Website dazu). ABER:
Dies ist hat ja überhaupt keine Bindungswirkung gegenüber der Rechtsprechung.
Warum wäre das Rundschreiben sogar ein Signal, besonders aufmerksam zu sein? Weil das BMI mit dieser Formulierung versucht Beschäftigte von der Geltendmachung abzuhalten, dadurch drohen später Abweisungen wegen angeblich mangelnder Rüge. Damit kann das BMI versuchen, den finanziellen Umfang späterer Nachzahlungen zu begrenzen. Nachtigall, Ick hör Dir trapsen

...
Aus Gründen der Rechtsklarheit, der Wahrung möglicher Rückforderungsansprüche und der Vorbereitung einer etwaigen Klage sollte man aktenkundig entweder einen Widerspruch oder einen Antrag stellen, siehe meine obigen Ausführungen dazu.
Vielleicht könnt Ihr mir helfen, da noch weiter Licht ins Dunkel zu bringen...