Meine Sicht auf die Dinge ist teilweise eine andere
Das Gericht wollte eine einfach zu handhabende Größenordnung, die jeder Beamte mindestens haben muss und so er zu wenig hat, auch einklagen kann.
Der Rechenweg, der sich mir auftut, ist daher folgender:
Ermittlung der Bezugsgröße, abgeleitet aus dem Beschluss des BVerfG.
Mindesbesoldung (Prekaritätsschwelle)
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2025/09/ls20250917_2bvl002017.htmlDas Bundesverfassungsgericht arbeitet mit einer Modellfamilie, um zu prüfen, ob das Gehalt eines Beamten verfassungsgemäß ist. 4-Personen-Haushalt mit zwei Kindern in unterschiedlichen Altersstufen. Diese Konstellation ist bewusst gewählt, weil das klassische Leitbild des Besoldungsrechts war: Ein Beamter in der Eingangsstufe soll als Alleinverdiener eine vierköpfige Familie eigenständig amtsangemessen ernähren können.
- Beamter (Alleinverdiener)
- Ehepartner ohne eigenes Einkommen
- 1 Kind unter 14
- 1 Kind ab 14
Wie daraus die „Bezugsgröße“ entsteht (Äquivalenzskala):
https://de.wikipedia.org/wiki/OECD-SkalaDamit man Haushalte vergleichen kann, arbeitet man mit der modifizierten OECD-Äquivalenzskala. Die setzt jedem Haushaltsmitglied ein „Gewicht“ zu:
• 1. erwachsene Person: 1,0
• jede weitere erwachsene Person oder Person ab 14: 0,5
• jedes Kind unter 14: 0,3
Für unsere 4-K-Beamtenfamilie heißt das:
• Beamter: 1,0
• Ehepartner: 0,5
• Kind unter 14: 0,3
• Kind ab 14: 0,5
Gesamtgewicht: 1,0 + 0,5 + 0,3 + 0,5 = 2,3
Wie die 80-%-Schwelle (Mindestniveau) berechnet wird
https://www.statistikportal.de/de/sbe/ergebnisse/einkommen-armutsgefaehrdung-und-soziale-lebensbedingungen/armutsgefaehrdung-und-9Man nimmt das Median-Äquivalenzeinkommen pro Kopf aus der Statistik und multipliziert es mit 2,3, um das Median-Einkommen für genau diese Familienkonstellation zu bekommen.
Dabei darf der Besoldungsgesetzgeber auch auf seine Leistungsfähigkeit abstellen. Mithin ist das Median-Einkommen zu nehmen, was in seinem Rechtskreis gilt. Demnach ist es für den Bund der bundesdeutsche Durchschnitt, für Bayern ist es Bayern, für Baden Württemberg ist es BW, usw. Damit will das BVerfG einen Bezug zu der Leistungsfähigkeit des Dienstherrn nehmen.
1. Aus dem Mikrozensus / den amtlichen Daten wird das → Median-Äquivalenzeinkommen pro Äquivalenzeinheit genommen.
2. Dieses wird mit dem Faktor 2,3 multipliziert → ergibt das Median-Nettoeinkommen für eine Familie: Beamter + Partner + 1 Kind <14 + 1 Kind ≥14.
3. Dann zieht Karlsruhe die Prekaritätsgrenze bei 80 % dieses Wertes: → Median (Familie) × 0,8 = Mindest-Nettoeinkommen
Das ist die unterste Grenze, unter der das Gehalt dieser Modellfamilie nicht mehr verfassungsgemäß ist.
Was auf der Beamtenseite gerechnet wird
Auf der anderen Seite wird berechnet, was bei der kleinsten 4 K Beamtenfamilie tatsächlich unterm Strich ankommt:
Grundbesoldung (unterste Stufe der Besoldungsgruppe)
+ Familienzuschlag (Ehepartner + Kind <14 + Kind ≥14)
– Steuern (Lohnsteuer, Soli, Kirche)
– Beiträge für private Kranken- und Pflegeversicherung (AN Anteil PKV, PPV)
+ Kindergeld für 2 Kinder
Ergebnis: Nettoeinkommen der 4-K-Beamtenfamilie.
Dann wird verglichen:
Liegt dieses Netto mindestens bei 80 % des gesellschaftlichen Medianwerts (für so eine 4-K-Familie)? Wenn nein → Gebot der Mindestbesoldung verletzt → Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG.
Bis hierhin sind die meisten von uns, so denke ich, einer Meinung.
Und jetzt komme ich allerdings im nächsten Schritt zu einem anderen Ergebnis:
Sollte die Gesamtbesoldung des Modellbeamten hinter der Präkariatisschwelle liegen, muss die Grundbesoldung
des Modellbeamten solange angehoben werden, bis das Nettoeinkommen das Präkariatsniveaus erreicht.
Dieses Delta ist dann der Betrag, um den die Besoldung für
alle Beamten dieser Besoldungsgruppe angehoben werden muss.
Das führt bedauerlicherweise zum Ergebnis, dass je kleiner die Besoldungsgruppe ist, der Betrag, um den die Besoldung angehoben werden muss, größer wird.
Sollte man zu dem Ergebnis kommen, dass die Nettobesoldung größer ist als die Präkariatsgrenze, ist die Prüfung jedoch noch nicht vorbei.
Wenn man nach der weiteren Prüfung, die BVerfGBeliever aus meiner Sicht zutreffend zusammengestellt hat, zu dem Ergebnis kommen sollte, dass auch Besoldungsgruppen betroffen sind, deren Besoldung nicht unmittelbar sondern nur mittelbar verletzt ist, ergibt sich für mich folgendes Bild:
Diese Beamten bekommen das Delta der letzten Besoldungsgruppe, deren Nettobesoldung unter der Prekaritätsschwelle liegt.
Vorteil: Es gibt leicht zu handhabende Zahlen und insbesondere für die unteren Einkommensgruppen, die ja im Zweifel eher prekär besoldet wurden, gibt es jetzt einen effektiven Rechtsschutz. Auch ist diese Lösung zwar für die Besoldungsgesetzgeber teuer, aber nicht so teuer, als wenn alle Besoldungsstufen dasselbe an Zuschlag bekommen müssten wie die unterste.
Nachteil/Kritik: Dadurch, dass bis hin zu A 11 das Mindestbesoldungsniveau nicht erreicht ist, wird das Leistungsprinzip und das Abstandsgebot bis dahin ausgehebelt. Es bekommen unter dem Strich alle Eingangsstufen dasselbe. Auch die darüber liegenden Besoldungsstufen erhalten wenig, teilweise auch gar nichts, obwohl nach dem Abstandsgebot und Leistungsgebot sie eigentlich mehr bekommen müssten, wenn die Tabelle von Anfang an rechtmäßig gewesen wäre.
Lösung: Die bisherige A Tabelle ist obsolet. Der Gesetzgeber muss eine umfassende Besoldungsreform auf den Weg bringen. Dabei muss er nicht nur die bisherigen hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums beachten, sondern zwei neue:
1. Mindestbesoldung
2. Fortschreibungspflicht
Feuer frei für Eure Kritik an meiner Sichtweise