Vollbeschäftigung ist in der deutschen Wirtschaftspolitik ein fest verankertes Ziel im sogenannten "magischen Viereck" (neben Preisstabilität, angemessenem Wirtschaftswachstum und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht), jedoch wird eine Arbeitslosenquote von unter 2% angestrebt, da eine Quote von 0% unrealistisch ist.
Gründe dafür sind strukturelle Arbeitslosigkeit durch einen Mismatch zwischen Qualifikationen und offenen Stellen sowie die Notwendigkeit, einen gewissen Spielraum für Arbeitsplatzwechsel zu lassen. Zwar ist die Vollbeschäftigung ein wichtiges Ziel, doch muss diese im Kontext der anderen wirtschaftspolitischen Ziele betrachtet werden, um etwa Lohnsteigerungen, die Inflation anheizen könnten, zu vermeiden.
Nach der Wiedervereinigung haben sehr viele Menschen im Beitrittsgebiet ihren Job verloren. Die Planwirtschaft hat Menschen in Jobs ausgebildet, die es nach der Wende nicht mehr gab oder nicht mehr gebraucht wurden. Drei von vier Menschen mussten sich seinerzeit beruflich neu orientieren. Es brauchte daher Zeit und eine große Bereitschaft dieser Menschen, sich beruflich komplett neu aufzustellen, um auf dem veränderten Arbeitsmarkt zu bestehen. Die bisherigen Qualifikationen waren faktisch kaum noch was wert und das hat was mit den Menschen gemacht.
Wenn wir also den Menschen, die zu uns kommen wollen, sagen, ihr seit gar nicht qualifiziert genug, um für DPD, DHL und Amazon Pakete auszuliefern, dann verkennt man, dass der Arbeitsmarkt sehr schnelllebig ist und der DPD Fahrer von heute vielleicht der KI Spezialist von morgen ist und der Arbeitslose im Park dafür der DPD Fahrer von morgen ist. Es ist einfach utopisch zu glauben, dass Politik weiß, welcher Mensch für welchen Beruf besonders geeignet ist oder welche Qualifikationen morgen gebraucht werden. Das hat schon zu DDR Zeiten nicht funktioniert.
Viel wichtige als solche Qualifikationen benötigen die Menschen, die zu uns kommen, ganz andere Soft Skills, um hier zurecht zu kommen. Diese stehen selten auf irgendwelchen Scheinen oder Qualifikationen. Als Beispiele nenne ich da: Umgang mit digitalen und analytischen Aufgaben, Fähigkeiten wie KI-Kompetenz und strategischem Denken, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, eine klare Kommunikation und die Fähigkeit zur selbstständigen Arbeit. Die deutsche Arbeitskultur legt außerdem Wert auf eine starke Arbeitsmoral, Teamarbeit, Offenheit für Feedback, und Bereitschaft, sich ständig fort- und weiterzubilden.