DüsseldorfUmstrittenes Gesetz
NRW provoziert Klagewelle seiner Beamten
141.000 Einsprüche gegen die Besoldung will der Finanzminister mit einem Trick abräumen: Mit seinem Gesetz zur Tarifübertragung führt er ein fiktives Partnereinkommen ein.
NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) wird in dieser Woche sein umstrittenes Gesetz zur Besoldung durch den Landtag bringen. Eigentlich enthält es eine Wohltat für die Staatsdiener, denn damit wird die für die Tarifbeschäftigten ausgehandelte Erhöhung auf die Landesbeamten übertragen. Problem nur: Das Ministerium verknüpft die Übertragung mit einer grundsätzlichen Reform.
So nimmt der Staat bei der Berechnung der Mindestalimentation künftig an, dass der Beamte mit einem Partner liiert ist, der ebenfalls zum Familieneinkommen beiträgt. Das sogenannte fiktive Partnereinkommen liegt auf dem Niveau eines Minijobs von derzeit 538 Euro. Geld also, dass der Staat nicht für die Beamtenfamilie zur Verfügung stellen muss. Wer keinen berufstätigen Partner hat oder wessen Partner weniger verdient, muss deshalb künftig einen Antrag stellen, um vom Dienstherrn einen sogenannten „Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag“ zu bekommen. Berechtigt sind all jene, deren Nettoalimentation einschließlich des Einkommens des Partners nicht mindestens 15 Prozent über deren grundsicherungsrechtlichem Gesamtbedarf liegt.
Gespart werden soll zudem bei den Familienzuschlägen für dritte und weitere Kinder. Bislang war es so, dass diese deutlich höher ausfielen. Diese werden laut Entwurf jedoch harmonisiert, sprich: Sie werden künftig an die Höhe des ersten und zweiten Kindes angepasst. Wer allerdings schon heute höhere Zuschläge für ein drittes, viertes oder fünftes Kind bekommt, soll von einer Übergangsregelung profitieren.
Die FDP im Düsseldorfer Landtag hat nun das Land aufgefordert, beide Dinge voneinander zu trennen. „Dem unstrittigen Ziel der Tariferhöhung kann niemand zustimmen, der die fragwürdige Hinzurechnung von Partnereinkommen ablehnen will“, sagte Fraktionsvize Ralf Witzel unserer Redaktion. „Mit seinen Rechentricks möchte der Finanzminister Besoldungsklagen wegzaubern, verliert dabei aber das Vertrauen der Bediensteten. Die Tarifanpassung wird immer mehr zum trojanischen Pferd.“
Witzel hatte sich beim Land danach erkundigt, welche Artikel des Reformvorhabens geändert werden müssten, damit am Ende ausschließlich die Eins-zu-eins-Übertragung des Tarifergebnisses übrig bleibt. Allerdings weist Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) in seiner Antwort vorsorglich darauf hin: „Eine schlichte Anpassung der Änderungsbefehle würde damit nicht den vom Bundesverfassungsgericht auferlegten prozeduralen Begründungspflichten des Gesetzgebers genügen und zur formellen Verfassungswidrigkeit eines etwaigen Gesetzes führen.“ Oder einfacher ausgedrückt: Das Gesetz ist so geschrieben worden, dass nur eine Gesamtzustimmung im Paket zu allen Punkten möglich ist und einzelne Aspekte nicht abgetrennt werden dürfen.
Warum sich das Land derart sperrig zeigt, wird deutlich, wenn man sich die Steigerungen etwa bei den Familienzuschlägen anschaut: Für einen verheirateten Beamten gab es bislang zusätzlich zum Familienzuschlag von zwischen 147,18 bis 152,68 Euro im Monat in teuerster Wohnlage bei zwei Kindern noch einmal je nach Besoldungsgruppe zwischen 1512,87 und 1517,83 Euro obendrauf. Bei einem dritten Kind kamen bislang noch einmal zwischen 829,75 und 839,66 Euro hinzu. Für das vierte Kind zwischen 783,76 und 793 Euro und für jedes weitere Kind noch einmal zwischen 790,76 und 800,67 Euro.
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Würde das Land die Tariferhöhung ohne weitere Anpassungen übernehmen, würden diese Beträge noch einmal zum 1. November und dann noch einmal zum 1. Februar 2025 deutlich steigen. Dann käme derselbe Beamte mit zwei Kindern in bester Wohnlage ab dem kommenden Frühjahr auf einen Familienzuschlag von 162,70 Euro bis 168,76 Euro plus zusätzlich zwischen 1672,05 und 1677,53 Euro. Bei einem dritten Kind kämen dazu noch einmal zwischen 917,06 und 928,01 Euro hinzu, bei einem vierten wären es noch einmal 866,23 bis 877,18 Euro und bei noch mehr Kindern dann jeweils zwischen 873,96 und 884,91 Euro. Durch die Reform ließen sich diese Steigerungen deutlich abmildern.
Schon jetzt warnen Gewerkschaften jedoch davor, dass das Vorhaben nicht nur zu einer Antragsflut beim Landesbesoldungsamt führen wird, sondern auch womöglich eine massive Klagewelle nach sich zieht. Schon jetzt liegt beim Land die Rekordsumme von 141.000 Widersprüchen gegen die Besoldung vor. „Folgenreiche Besoldungsklagen dürften jetzt kaum noch vermeidbar sein“, prognostiziert auch Oppositionspolitiker Witzel. „Mit ihrem bisherigen Vorgehen setzt die Regierung in Zeiten des Fachkräftemangels ohne Not die Attraktivität des öffentlichen Dienstes für dringend benötigte qualifizierte und motivierte Einsteiger aufs Spiel.“
Das NRW-Finanzministerium erklärte auf Anfrage, bei dem Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag handele es sich um eine Ausnahmevorschrift. „In der Regel wird bereits die vom Dienstherrn gewährte Nettoalimentation mehr als 15 Prozent über dem grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf liegen beziehungsweise wird das monatliche Nettoeinkommen des Ehegatten den Betrag von 538 Euro deutlich überschreiten.“ Es werde insofern von einer geringen Zahl von Anspruchsberechtigten ausgegangen, die zu keinem signifikanten Personalmehrbedarf beim Landesamt für Besoldung- und Versorgung NRW führe. Auf die Frage, welche Hilfestellungen denn für die Beamten geplant seien, hieß es, das Landesamt werde zeitnah auf seiner Internetseite ein Antragsformular veröffentlichen, in dem die erforderlichen Angaben abgefragt werden. „Das Antragsformular wird zusätzlich ein Hinweisblatt mit Erläuterungen und Hilfen zur Antragsstellung enthalten“, hieß es aus dem Ministerium.
Roland Staude, Chef des Beamtenbunds NRW, sagte unserer Redaktion: „Mit der Einführung des Partnereinkommens spielt NRW mit der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation. Aufgrund dieser Sachlage wäre die Landesregierung gut beraten, eine Risikorücklage im Hinblick auf anstehende Klagen zu bilden.“ Mit der Einführung des Partnereinkommens führe die Landesregierung hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit einen Ritt auf der Rasierklinge, warnt Staude. „Das Partnereinkommen ist ein rein fiskalisches Mittel, um den Landeshaushalt perspektivisch zu entlasten und so die Verfassungsmäßigkeit herzustellen.“
Das Ministerium erklärte dagegen, in der Gewährung des Anspruches auf einen Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag sei keine Benachteiligung der Ehe ersichtlich. „Im Gegenteil sieht das Landesbesoldungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalens mit den Familienzuschlägen für etwaige ehe- und familienbedingte Mehraufwendungen finanzielle Kompensationen vor“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage.
Quelle: Aachener Zeitung