Gemerkt hat es nur keiner und geklagt auch nicht, warum???
Kurze Antwort: Unter anderem, weil es damals beispielsweise das 115%-Kriterium noch gar nicht gab (und man es somit logischerweise auch nicht zur Prüfung heranziehen konnte).
Das ist doch keine Antwort, da es dieses Kriterium und diese theoretische Lebenssituation natürlich schon gab, es nur nicht postuliert wurde.
Es hat eben keiner geklagt, so dass das BVerfG die Besoldungsgesetze von 1951ff als GG widrig erkannt hätte.
Denn das BVerfG wird ja nicht von sich aus tätig und beschäftigt sich nur mit den Dingen, die als Klage herangetreten werden.
Oder bist du etwa der Meinung, dass der Beamte damals mit 2 Kinder und Partner in der untersten Besoldungsgruppe schon über die Marke gekommen ist.
Nehmen wir das Existenzminimum als Leitplanke, erster Bericht hierzu stammt aus 1996.
Da kommt man auf 20118+2x6288 also 32694 DM somit müsste die Mindestalimenation damals bei 37600DM gelegen haben.
Guckst du:
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund/a/1995?id=beamte-bund-1995&g=A_1&s=1&f=4&z=100&fz=100&zulage=
Besoldungsgruppe A 1, Dienstaltersstufe 1, Tabelle 01.05.1995 - 29.02.1997
Monatsbeträge
Grundgehalt: 1512.39 DM
Familienzuschlag: 1269.31 DM Familienzuschlag Stufe 4
2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder: 100.00 DM
Monats-Brutto: 2881.70 DM
Jahresbeträge1
Grundgehalt: 18148.68 DM
Sonderzuwendung: 2642.62 DM
Familienzuschlag: 15231.72 DM Familienzuschlag Stufe 4
2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder: 1200.00 DM
Jahres-Brutto: 37223.02 DM
durchschn. Monatsgehalt: 3101.91 DM
37223 DM Brutto < 37600DM Existenzminimum+15%
Also kann man feststellen, dass sehr wahrscheinlich die Besoldung GG widrig niedrig war, oder?
FunFact: Die Grundbesoldung war nur 53% der Gesamtbesoldung (na sowas aber auch, darf doch nicht! Hat auch keiner gegen geklagt!)
Und diesen Widerspruch, dass die Wertigkeit des Dienstposten sinken würde, wenn man das Kindergeld erhöht, denn konnte mir eben noch keiner erklären.
Ich buddel die Berechnung nochmal kurz aus: Zum einen kommt zu dem Ergebnis noch das Kindergeld von pro Kind pro Monat netto 200,- DM dazu, was aufs Jahr 4800,- DM ausgemacht hat.
Zum anderen vergleichst Du hier A1 mit dem 115 % der Grundsicherung. Meiner Meinung nach hat das BVerfG die 115 % jedoch bei A4 gezogen, weil A4 eben keine ganz einfachen Hilfsarbeitertätigkeiten sind. Auch wurde seinerzeit noch Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt. Ob die 15 % Abstand auch bei A1 gegolten hätten, bin ich mir nicht sicher. Nach der damaligen Definition von Sozialhilfe sollte die ja gerade auf dem Niveau des einfachsten Arbeiters sein. Somit müsste man hier eine A4 Familie heranziehen und, wenn man das tut, erkennt man, dass jemand mit A4 deutlich mehr als Sozialhilfe erhalten hat:
Monatsbeträge
Grundgehalt: 1806.98 DM
Familienzuschlag: 1269.31 DM Familienzuschlag Stufe 4
2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder: 100.00 DM
Monats-Brutto: 3176.29 DM
Jahresbeträge1
Grundgehalt: 21683.76 DM
Sonderzuwendung: 2922.48 DM
Urlaubsgeld: 650.00 DM
Familienzuschlag: 15231.72 DM Familienzuschlag Stufe 4
2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder: 1200.00 DM
Jahres-Brutto: 41687.96 DM
durchschn. Monatsgehalt: 3473.99 DM
Nach der Lohnsteuertabelle hätte man etwa pro Monat nur 150 DM Steuern zahlen müssen, also war das durchschnittliche Nettogehalt seinerzeit:
3300 DM plus 400 DM Kindergeld = 3700 DM
aufs Jahr gerechnet somit grob: 3700,- DM * 12 = 44.400,- DM
gegenüber 37.600 DM Sozialhilfe, davon 115 % = 43.240,- DM
Somit hätte seinerzeit eine Klage keine Aussicht auf Erfolg geboten ...