Autor Thema: Völlige Entkoppelung von Besoldung und Gehalt nach BVerfG Urteil  (Read 41054 times)

JahrhundertwerkTVÖD

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Ich frage mich, warum nicht erkannt wird, dass:

1: Die Sozialleistungen zu hoch sind. Der Staat leistet sich viel zu hohe Sozialleistungen, so dass sich arbeiten gehen nicht mehr wirklich lohnt.

2: Die Kinderzuschläge, sowie sonstige steuerliche Erleichterungen von Familien nicht über die Grundbesoldung zu erfolgen ist, sondern über entsprechende Versteueuerungen und Freibeträge. Die Arbeitsleistung ist gleich zu Werten, egal ob einer 1 Kind oder 4 Kinder hat

MoinMoin

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Spannend auf jeden Fall.

Hubertus Heil hat doch immer abgestritten, dass das möglich ist..... dass jemand weniger hat im Vergleich.

Schade, dass ich meinen Einkommenssteuerbescheid schon im April bekommen habe... Widerspruch ist ja nur ein Monat möglich oder?

Sollte man das für 2024 aber beantragen offenbar; scheint ja noch nicht geklärt zu sein:

https://www.merkur.de/wirtschaft/verstoss-gegen-die-verfassung-buergergeld-empfaenger-haben-oft-mehr-als-arbeitnehmer-zr-93381873.html#google_vignette
Kannst du mir bei dem Artikel mal auf die Sprünge helfen, wo sie die These im Headliner begründen? Stehe da auf dem Schlauch, sie zeigen im Video ja schön, dass man als Kassierer keine 200€ mehr bekommt, als der unfähig oder unwillige Bürgergeldempfänger.

Ich frage mich, warum nicht erkannt wird, dass:

1: Die Sozialleistungen zu hoch sind. Der Staat leistet sich viel zu hohe Sozialleistungen, so dass sich arbeiten gehen nicht mehr wirklich lohnt.
Wie weit könnte man denn die Sozialleistungen runterschrauben?

Ein erwerbsfähige Arbeitsloser sollte in meinen Augen keinen Anspruch auf Sozialleistungen für die Sozialteilhabe etc. haben, dass würde das Bürgergeld so um 50-100€ senken.

Zumindest solange es genügend einfache Jobs gibt, die ein jeder auch ohne Sprachkenntnisse oder besonderen körperlichen oder geistigen Fähigkeiten gibt.


Aber ansonsten bin ich ebenfalls der Meinung, dass alle Menschen, die unter 20€ die Stunde verdienen, ebenfalls freie Klassenfahrten, Zugang zur Tafel und die anderen Sozialleistungen neben dem Bürgergeld haben sollten.

Und natürlich muss der Mindestlohn entsprechend hoch und die Freibeträge für Aufstocker und der Grundfreibetrag hoch, könnte man doch schön ans BG oder Existenzminimum Koppel und automatisch errechnen (Das ein Mindestlohnempfänger noch ESt bezahlt, ist doch mist

Rentenonkel

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Ich frage mich, warum nicht erkannt wird, dass:

1: Die Sozialleistungen zu hoch sind. Der Staat leistet sich viel zu hohe Sozialleistungen, so dass sich arbeiten gehen nicht mehr wirklich lohnt.


Ich frage mich, warum nicht erkannt wird, dass das soziale Existenzminimum und das steuerliche Existenzminimum stark unterschiedlich definiert werden und so je nach Wohnort ein Berufstätiger zunächst weniger Nettoeinkommen haben kann als ein vergleichbarer Bürgergeldempfänger.



2: Die Kinderzuschläge, sowie sonstige steuerliche Erleichterungen von Familien nicht über die Grundbesoldung zu erfolgen ist, sondern über entsprechende Versteueuerungen und Freibeträge. Die Arbeitsleistung ist gleich zu Werten, egal ob einer 1 Kind oder 4 Kinder hat

Der Grund, warum die Sozialleistungen so hoch sind, hat vielmehr damit zu tun, dass Wohnen und Heizen im Sozialrecht (im Gegensatz zum Steuerrecht) grundrechtsgleich ausgestaltet wurden, während gleichzeitig die Kosten für das Wohnen und Heizen in den letzten Jahren überproportional gestiegen sind. Wenn es mehr politische Anstrengungen geben würde, Wohnen und Heizen bezahlbarer zu machen, würden auch die Sozialausgaben (und damit auch die Beamtenbesoldungen) langfristig wieder sinken können.

AVP

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1. Die wenigsten Familien in Deutschland haben 3 Kinder. Der Durchschnitt liegt bei ~1,4 Kinder pro Frau. Bei höherem Bildungsabschluss sogar weniger

2. Die Familienzuschläge sind zeitlich begrenzt. Von ~40 Dienstjahren wir man grob (wenn überhaupt) nur die Hälfte dieser Zeit die Kinderzuschläge erhalten

3. Bei Beamtenfamilien erhält nur ein Beamter die Zuschläge, die Jahressonderzahlung hingegen erhalten zB 2 Tarifbeschäftigte Eheleute auch zusammen 2x.

4. Im TVÖD gibt es deutlich höhere Zulagen für Wochenend-, Nacht-, und Sonntagsarbeit etc.

5. Im TVÖD gilt eine geringere Wochenarbeitszeit

6. Der TVÖD verhandelt zeitlich früher als die Landesbeamtenbesoldung. Landesbeamte haben vor 3 Tagen gerade erst ihre +200€ brutto erhalten, die +5,5% gibts erst nächstes Jahr. Der TVÖD verhandelt vorher bereits erneut um die nächsten +8%.

7. Die „günstige“ PKV der Beamten wird bei Teilzeit oder Elternzeit ziemlich teuer, da einkommensunabhängig

8. Der TVÖD hat lediglich 6 Erfahrungsstufen, höhere Stufen und die Endstufe werden viel früher erreicht als eine Stufe 12 in der Landesbesoldung

9. In den meisten Konstellationen (ohne viele Kinder) verdient man im TVÖD aktuell besser als in der Besoldung (zB E11 Stufe 4 vs A 11 Stufe 5 NBesO)

10. Die Gehälter im TVÖD sind Verhandlungssache. Hier können die Gewerkschaft viel verhandeln. Schaut man sich z.B. die Gehaltsentwicklung bei IGM an, dann ist bei gutem Organisationsgrad sehr viel möglich. Die Beamtenalimentation bemisst sich derzeit am tiefsten gerade noch so verfassungskonformen Maß (oder sogar darunter).

AVP

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Aber ansonsten bin ich ebenfalls der Meinung, dass alle Menschen, die unter 20€ die Stunde verdienen, ebenfalls freie Klassenfahrten, Zugang zur Tafel und die anderen Sozialleistungen neben dem Bürgergeld haben sollten.

Solche Kipppunkte sind der absolute Quatsch. Eine bekannte Familie hat extra die Arbeitszeit reduziert um in der Kita Gebühren zu sparen (war im Endeffekt +/- Null, aber 3 Stunden die Woche weniger arbeiten). Gleichzeitig erhalten sie sich dadurch einkommensabhängige Ansprüche auf KfW Darlehen (sofern sie diese zukünftig in Anspruch nehmen machen sie durch die Teilzeit sogar viel Plus).

Die einzige richtige Lösung hier ist Kitebetreuung, Schulbücher, Schulbedarfe, Klassenfahrten, Schulmensa und co für alle kostenlos. Dafür auf hohe Gehälter halt progressiv höhere Steuern. Damit stellt man sicher, dass ein höherer Verdienst IMMER zu mehr echten Lebensstandard führt.

BAT

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Das ist ja bei einem Stundenlohn als Richtschnur nicht einschlägig, der bleibt ja unabhängig von der Arbeitszeit in der Höhe gleich.

@MoinMoin: und natürlich kann man viel "Sozialleistungen" abbauen bzw. abschaffen, evtl. sogar die meisten. UVG komplett, Wohngeld auf den alten Stand, Rente mit 63, Mütterrente, Elterngeld, etc.

Rentenonkel

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1. Die wenigsten Familien in Deutschland haben 3 Kinder. Der Durchschnitt liegt bei ~1,4 Kinder pro Frau. Bei höherem Bildungsabschluss sogar weniger


Aus Kinderperspektive entstammt deutlich mehr als ein Drittel aller Kinder aus einer kinderreichen Familie mit drei und mehr Kindern. Knapp eine Million Kinder lebt sogar mit drei Geschwistern zusammen (17,2 bzw. 5,2 Prozent). Rund 474.000 Kinder lebten sogar mit vier oder mehr Geschwistern in einem Haushalt (2,5 Prozent aller Kinder). Der Anteil der Familien mit drei Kindern beträgt 9,4 Prozent an allen Familien. Der Anteil der Familienhaushalte mit vier Kindern liegt bei 2,1 Prozent. In nur etwa 86.000 Familien lebten 2019 fünf oder mehr Kinder – 0,7 Prozent aller Familienhaushalte.

Der Grad der Stigmatisierung ist gegenüber kinderreichen Familien besonders hoch, dabei verfügt die Mehrheit der Mütter mit drei Kindern und mehr über einen mittleren bis hohen Bildungsabschluss und ist der gesellschaftlichen Mitte zuzurechnen. 14% der Akademikerinnen (Jahrgänge 1971-1993) haben drei und mehr Kinder, wobei sich 35% drei und mehr Kinder wünschen.

Die Geburtenrate eines Jahres, auf die Du Dich beziehst, gibt an, wie viele Babys im Durchschnitt eine Frau im Laufe ihres Lebens bekommen würde, wenn die Verhältnisse dieses Jahres unverändert blieben. Dabei werden auch Frauen in die Statistik einbezogen, die kinderlos sind. Besonders hoch ist dabei der Anteil der Akademikerinnen, von denen sogar 27 Prozent zeitlebens keine Kinder haben.

Rentenonkel

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Gemerkt hat es nur keiner und geklagt auch nicht, warum???

Kurze Antwort: Unter anderem, weil es damals beispielsweise das 115%-Kriterium noch gar nicht gab (und man es somit logischerweise auch nicht zur Prüfung heranziehen konnte).
Das ist doch keine Antwort, da es dieses Kriterium und diese theoretische Lebenssituation natürlich schon gab, es nur nicht postuliert wurde.
Es hat eben keiner geklagt, so dass das BVerfG die Besoldungsgesetze von 1951ff als GG widrig erkannt hätte.
Denn das BVerfG wird ja nicht von sich aus tätig und beschäftigt sich nur mit den Dingen, die als Klage herangetreten werden.
Oder bist du etwa der Meinung, dass der Beamte damals mit 2 Kinder und Partner in der untersten Besoldungsgruppe schon über die Marke gekommen ist.
Nehmen wir das Existenzminimum als Leitplanke, erster Bericht hierzu stammt aus 1996.
Da kommt man auf 20118+2x6288 also 32694 DM somit müsste  die Mindestalimenation damals bei 37600DM gelegen haben.
Guckst du:
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund/a/1995?id=beamte-bund-1995&g=A_1&s=1&f=4&z=100&fz=100&zulage=
Besoldungsgruppe A 1, Dienstaltersstufe 1, Tabelle 01.05.1995 - 29.02.1997

Monatsbeträge

Grundgehalt:                  1512.39 DM
Familienzuschlag:             1269.31 DM Familienzuschlag Stufe 4

2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder:       100.00 DM
        
Monats-Brutto:                2881.70 DM
Jahresbeträge1

Grundgehalt:                 18148.68 DM
Sonderzuwendung:              2642.62 DM   
Familienzuschlag:            15231.72 DM Familienzuschlag Stufe 4

2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder:      1200.00 DM
Jahres-Brutto:               37223.02 DM
durchschn. Monatsgehalt:      3101.91 DM

37223 DM Brutto <  37600DM Existenzminimum+15%

Also kann man feststellen, dass sehr wahrscheinlich die Besoldung GG widrig niedrig war, oder?

FunFact: Die Grundbesoldung war nur 53% der Gesamtbesoldung (na sowas aber auch, darf doch nicht! Hat auch keiner gegen geklagt!)

Und diesen Widerspruch, dass die Wertigkeit des Dienstposten sinken würde, wenn man das Kindergeld erhöht, denn konnte mir eben noch keiner erklären.

Ich buddel die Berechnung nochmal kurz aus: Zum einen kommt zu dem Ergebnis noch das Kindergeld von pro Kind pro Monat netto 200,- DM dazu, was aufs Jahr 4800,- DM ausgemacht hat.

Zum anderen vergleichst Du hier A1 mit dem 115 % der Grundsicherung. Meiner Meinung nach hat das BVerfG die 115 % jedoch bei A4 gezogen, weil A4 eben keine ganz einfachen Hilfsarbeitertätigkeiten sind. Auch wurde seinerzeit noch Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt.  Ob die 15 % Abstand auch bei A1 gegolten hätten, bin ich mir nicht sicher. Nach der damaligen Definition von Sozialhilfe sollte die ja gerade auf dem Niveau des einfachsten Arbeiters sein. Somit müsste man hier eine A4 Familie heranziehen und, wenn man das tut, erkennt man, dass jemand mit A4 deutlich mehr als Sozialhilfe erhalten hat:


Monatsbeträge

Grundgehalt:                  1806.98 DM
Familienzuschlag:             1269.31 DM Familienzuschlag Stufe 4

2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder:       100.00 DM
        
Monats-Brutto:                3176.29 DM
Jahresbeträge1

Grundgehalt:                 21683.76 DM
Sonderzuwendung:              2922.48 DM   
Urlaubsgeld:                   650.00 DM   
Familienzuschlag:            15231.72 DM Familienzuschlag Stufe 4

2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder:      1200.00 DM
Jahres-Brutto:               41687.96 DM
durchschn. Monatsgehalt:      3473.99 DM

Nach der Lohnsteuertabelle hätte man etwa pro Monat nur 150 DM Steuern zahlen müssen, also war das durchschnittliche Nettogehalt seinerzeit:

3300 DM plus 400 DM Kindergeld = 3700 DM

aufs Jahr gerechnet somit grob: 3700,- DM * 12 = 44.400,- DM

gegenüber 37.600 DM Sozialhilfe, davon 115 % = 43.240,- DM

Somit hätte seinerzeit eine Klage keine Aussicht auf Erfolg geboten ...

AVP

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Das ist ja bei einem Stundenlohn als Richtschnur nicht einschlägig, der bleibt ja unabhängig von der Arbeitszeit in der Höhe gleich.

Bei einem Stundenlohn gäbe es ebenfalls entsprechende Fallstricke.

1. In Tarifverträgen schwankt der Stundenlohn je nach Monat. Das monatliche Tabellenentgelt ist immer gleich, die zu arbeitenden Tage schwanken aber je nachdem wie viele Tage ein Monat hat und wie die Wochenende liegen. Im TV-L EG 1 Stufe 2 wurde dieses Jahr deswegen an einigen Monaten der Mindestlohn unterschritten, an anderen nicht. Im Zweifelsfall würde die Lage der Wochenenden und die Monatslänge entscheiden ob mehrere 100€ selbst bezahlt werden müssten oder nicht.

2. Es ist auch gängig in körperlich anspruchsvolleren Berufen die Arbeitszeit zu kürzen. Beispielsweise § 6 TV-L, in Autobahnmeistereien gilt die 38,5 Std/Woche, in der Verwaltung ~40. Wenn beide in der gleichen Entgeltgruppe sind ist der Stundenlohn in der Autobahnmeisterei höher, hier könnte also der Anspruch entfallen obwohl beide monatlich das gleiche Geld erhalten.

3. Insgesamt wird die Motivation für Qualifikation und die Übernahme anspruchsvollerer Aufgaben weiter unattraktiv gemacht - was insgesamt Wirtschaft und damit auch dem Budget des Sozialstaates schadet

4. Zudem wären Beamte aufgrund des niedrigeren Bruttos hier auch wieder im Vorteil

BAT

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Nein, wenn man sich andere Leistungen des Staates anschaut, wird doch eigentlich nie auf einen Monat geschaut, sondern ein längerer Zeitraum als Vergleich herangezogen (und eigentlich sollten hierzu auch Kapitalerträge, Vermietung und Verpachtung, etc. gehören).

Davon ab, wurde ja schon angemerkt, dass man endlich mal diese Leistungen gratis bekommt. Dann hat sich das Thema ehe erledigt.

AVP

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Gemerkt hat es nur keiner und geklagt auch nicht, warum???

Kurze Antwort: Unter anderem, weil es damals beispielsweise das 115%-Kriterium noch gar nicht gab (und man es somit logischerweise auch nicht zur Prüfung heranziehen konnte).
Das ist doch keine Antwort, da es dieses Kriterium und diese theoretische Lebenssituation natürlich schon gab, es nur nicht postuliert wurde.
Es hat eben keiner geklagt, so dass das BVerfG die Besoldungsgesetze von 1951ff als GG widrig erkannt hätte.
Denn das BVerfG wird ja nicht von sich aus tätig und beschäftigt sich nur mit den Dingen, die als Klage herangetreten werden.
Oder bist du etwa der Meinung, dass der Beamte damals mit 2 Kinder und Partner in der untersten Besoldungsgruppe schon über die Marke gekommen ist.
Nehmen wir das Existenzminimum als Leitplanke, erster Bericht hierzu stammt aus 1996.
Da kommt man auf 20118+2x6288 also 32694 DM somit müsste  die Mindestalimenation damals bei 37600DM gelegen haben.
Guckst du:
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund/a/1995?id=beamte-bund-1995&g=A_1&s=1&f=4&z=100&fz=100&zulage=
Besoldungsgruppe A 1, Dienstaltersstufe 1, Tabelle 01.05.1995 - 29.02.1997

Monatsbeträge

Grundgehalt:                  1512.39 DM
Familienzuschlag:             1269.31 DM Familienzuschlag Stufe 4

2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder:       100.00 DM
        
Monats-Brutto:                2881.70 DM
Jahresbeträge1

Grundgehalt:                 18148.68 DM
Sonderzuwendung:              2642.62 DM   
Familienzuschlag:            15231.72 DM Familienzuschlag Stufe 4

2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder:      1200.00 DM
Jahres-Brutto:               37223.02 DM
durchschn. Monatsgehalt:      3101.91 DM

37223 DM Brutto <  37600DM Existenzminimum+15%

Also kann man feststellen, dass sehr wahrscheinlich die Besoldung GG widrig niedrig war, oder?

FunFact: Die Grundbesoldung war nur 53% der Gesamtbesoldung (na sowas aber auch, darf doch nicht! Hat auch keiner gegen geklagt!)

Und diesen Widerspruch, dass die Wertigkeit des Dienstposten sinken würde, wenn man das Kindergeld erhöht, denn konnte mir eben noch keiner erklären.

Ich buddel die Berechnung nochmal kurz aus: Zum einen kommt zu dem Ergebnis noch das Kindergeld von pro Kind pro Monat netto 200,- DM dazu, was aufs Jahr 4800,- DM ausgemacht hat.

Zum anderen vergleichst Du hier A1 mit dem 115 % der Grundsicherung. Meiner Meinung nach hat das BVerfG die 115 % jedoch bei A4 gezogen, weil A4 eben keine ganz einfachen Hilfsarbeitertätigkeiten sind. Auch wurde seinerzeit noch Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt.  Ob die 15 % Abstand auch bei A1 gegolten hätten, bin ich mir nicht sicher. Nach der damaligen Definition von Sozialhilfe sollte die ja gerade auf dem Niveau des einfachsten Arbeiters sein. Somit müsste man hier eine A4 Familie heranziehen und, wenn man das tut, erkennt man, dass jemand mit A4 deutlich mehr als Sozialhilfe erhalten hat:


Monatsbeträge

Grundgehalt:                  1806.98 DM
Familienzuschlag:             1269.31 DM Familienzuschlag Stufe 4

2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder:       100.00 DM
        
Monats-Brutto:                3176.29 DM
Jahresbeträge1

Grundgehalt:                 21683.76 DM
Sonderzuwendung:              2922.48 DM   
Urlaubsgeld:                   650.00 DM   
Familienzuschlag:            15231.72 DM Familienzuschlag Stufe 4

2 Kinder
Kinderzuschlag 2 Kinder:      1200.00 DM
Jahres-Brutto:               41687.96 DM
durchschn. Monatsgehalt:      3473.99 DM

Nach der Lohnsteuertabelle hätte man etwa pro Monat nur 150 DM Steuern zahlen müssen, also war das durchschnittliche Nettogehalt seinerzeit:

3300 DM plus 400 DM Kindergeld = 3700 DM

aufs Jahr gerechnet somit grob: 3700,- DM * 12 = 44.400,- DM

gegenüber 37.600 DM Sozialhilfe, davon 115 % = 43.240,- DM

Somit hätte seinerzeit eine Klage keine Aussicht auf Erfolg geboten ...

Der unterste Beamte muss 15% über der Grundsicherung liegen. Viele Bundesländer haben die Besoldungsgruppen A1-3 allerdings schon abgeschafft, weshalb dann mit A4 gerechnet wurde. In BaWü ist das Einstiegsamt mittlerweile sogar A7 oder A8 um den Abstand zur Grundsicherung einzuhalten.

MEn hat das BverfG hier auch nicht sauber gearbeitet und/oder die Dreistigkeit der Besoldungsgesetzgeber unterschätzt. Grundsätzlich sollte natürlich auch die einfachste Tätigkeit über der Grundsicherung (gar keine Tätigkeit) liegen. Ansonsten macht es ja überhaupt keinen Sinn zu arbeiten und Zeit sowie Kosten für Mobilität (um zur Arbeit zu kommen) zu investieren.

Wenn das so weitergeht wie bisher wird irgendwann jeder Beamte in die B-Besoldung gesteckt wobei B1 dann 115% der Grundsicherung entspricht, A Besoldungsgruppen schafft man einfach ab

MoinMoin

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Zum anderen vergleichst Du hier A1 mit dem 115 % der Grundsicherung. Meiner Meinung nach hat das BVerfG die 115 % jedoch bei A4 gezogen, weil A4 eben keine ganz einfachen Hilfsarbeitertätigkeiten sind.
Wurde nicht die niedrigste mögliche Besoldung rausgesucht? Und A4 war halt hier und da die niedrigste zum  Klagezeitpunkt.
Oder heißt das, dass ein A1er Beamte mit x Kinder durchaus auch unterhalb des Existenzminimums fallen darf, ohne das die Besoldung dadurch GG widrig wird?

Rentenonkel

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Zum anderen vergleichst Du hier A1 mit dem 115 % der Grundsicherung. Meiner Meinung nach hat das BVerfG die 115 % jedoch bei A4 gezogen, weil A4 eben keine ganz einfachen Hilfsarbeitertätigkeiten sind.
Wurde nicht die niedrigste mögliche Besoldung rausgesucht? Und A4 war halt hier und da die niedrigste zum  Klagezeitpunkt.
Oder heißt das, dass ein A1er Beamte mit x Kinder durchaus auch unterhalb des Existenzminimums fallen darf, ohne das die Besoldung dadurch GG widrig wird?

Die Frage ist ja eben, was amtsangemessen ist. Während ein A4 Beamter mit 2 Kindern 15 % mehr haben muss als der Grundsicherungsbedarf, kann es bei A 1 möglicherweise auch nur 100 % oder vielleicht 105 % des Sozialhilfebedarfs sein. Weniger als der Grundsicherungsempfänger kann es in keinem Fall sein. Das ist jetzt jedoch nur noch eine Frage akademischer Natur, weil es eben keine Beamten mehr mit A1 bis A3 gibt.

Es wurde in der Tat die niedrigste Besoldungsgruppe zum Zeitpunkt der Klage genommen und da wurden bezogen auf eine A4 Tätigkeit die 115 % als amtsangemessene Mindestalimentation definiert. Wäre es A1 gewesen, wäre die Definition jedenfalls nach meinem Rechtsverständnis eine andere gewesen.

MoinMoin

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Zum anderen vergleichst Du hier A1 mit dem 115 % der Grundsicherung. Meiner Meinung nach hat das BVerfG die 115 % jedoch bei A4 gezogen, weil A4 eben keine ganz einfachen Hilfsarbeitertätigkeiten sind.
Wurde nicht die niedrigste mögliche Besoldung rausgesucht? Und A4 war halt hier und da die niedrigste zum  Klagezeitpunkt.
Oder heißt das, dass ein A1er Beamte mit x Kinder durchaus auch unterhalb des Existenzminimums fallen darf, ohne das die Besoldung dadurch GG widrig wird?

Die Frage ist ja eben, was amtsangemessen ist. Während ein A4 Beamter mit 2 Kindern 15 % mehr haben muss als der Grundsicherungsbedarf, kann es bei A 1 möglicherweise auch nur 100 % oder vielleicht 105 % des Sozialhilfebedarfs sein. Weniger als der Grundsicherungsempfänger kann es in keinem Fall sein. Das ist jetzt jedoch nur noch eine Frage akademischer Natur, weil es eben keine Beamten mehr mit A1 bis A3 gibt.

Es wurde in der Tat die niedrigste Besoldungsgruppe zum Zeitpunkt der Klage genommen und da wurden bezogen auf eine A4 Tätigkeit die 115 % als amtsangemessene Mindestalimentation definiert. Wäre es A1 gewesen, wäre die Definition jedenfalls nach meinem Rechtsverständnis eine andere gewesen.
Interessanter Aspekt, dann kann ich beruhigt sein, dass seinerzeit die Besoldung wohl doch GG konform war.

BVerfGBeliever

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Nun deine Berechnungen entstammen eben dem Taka Tuka Land

OK, dann gehen wir doch noch mal kurz nach Taka-Tuka-Land und unterstellen, dass "Fritze" (Merz) nächstes Jahr sein Herz für Kinder entdeckt und eine Kindergrundsicherung einführt.

Welche Auswirkungen hätte dies auf eine Beamtenfamilie mit zwei "mittleren" Kindern (zwischen 6 und 13 Jahren)?

1.) Der Grundsicherungsbedarf einer vierköpfigen Bürgergeldfamilie beträgt wie bekannt bis zu 3.860 € (Regelbedarf 1.850 €, Unterkunftskosten 1.550 €, Heizkosten 240 €, Bildung/Teilhabe 80 €, Sozialtarife 140 €).
2.) Somit hat eine vierköpfige Beamtenfamilie einen Anspruch auf eine Nettoalimentation von mindestens 4.440 €.
3.) Abzüglich zwei Mal 555 € Kindergrundsicherung und zuzüglich 660 € PKV-Kosten ergäbe sich eine äquivalente Netto-Mindestbesoldung von 3.990 €.
4.) Addiert man die zu zahlenden Steuern, erhält man die äquivalente Brutto-Mindestbesoldung in Höhe von 4.390 €, unter der Annahme, dass 530 € der PKV-Kosten steuerlich absetzbar wären.
5.) Diese Brutto-Mindestbesoldung würde sich entsprechend aus rund 4.050 € Grundgehalt, 170 € Partnerzuschlag sowie zwei Mal 85 € Zuschlag für die beiden Kinder zusammensetzen.

Was würde dies für einen Single-Beamten bedeuten?

- Die Brutto-Mindestbesoldung würde 4.050 € betragen.
- Nach Abzug der Steuern läge die Netto-Mindestbesoldung bei 3.300 €, unter der Annahme, dass 240 € PKV-Kosten steuerlich absetzbar wären.
- Nach Abzug der PKV-Kosten von 300 € läge die Nettoalimentation somit bei 3.000 € (im Vergleich zu obigen 4.440 € der vierköpfigen Beamtenfamilie).


Du siehst also, dass ein Single-Beamter selbst nach Einführung einer Kindergrundsicherung Anspruch auf eine Bruttobesoldung von rund 4.050 € hätte. Aktuell sind es jedoch nur 2.700 €. Somit beträgt die Lücke rund 1.350 € bzw. 50 Prozent.

Hallo,

bis 4.) konnte ich folgen. Worauf begründet Du 5.)

@clarion, nach Einführung einer Kindergrundsicherung wären ja nach meinem Verständnis die Grundbedürfnisse aller Kinder durch diese abgedeckt. Somit dürfte es vermutlich gar keine Kinderzuschläge mehr für Beamte geben, um eine sachwidrige und unzulässige Besserstellung von Beamtenkindern zu verhindern (@Swen hatte hierzu irgendwann mal etwas geschrieben). In meiner Beispielrechnung war ich jedoch nicht ganz so "streng" mit den Besoldungsgesetzgebern und hatte ihnen zugestanden, einen Zuschlag von 15%, also im Beispiel zwei Mal 85 €, für die ersten beiden Beamtenkinder zu bezahlen.

Losgelöst von den konkreten Zahlen wollte ich in erster Linie aufzeigen, dass es auch bei einer signifikanten Erhöhung des Kindergelds oder der Einführung einer Kindergrundsicherung trotzdem ZWINGEND zu einer signifikanten Erhöhung der Grundbesoldungen (also insbesondere auch für Single-Beamte) kommen MUSS, um zu einer verfassungsgemäßen Besoldung zurückzukehren. Selbst @MoinMoin scheint diesen Punkt ja mittlerweile - zumindest in Ansätzen - verstanden zu haben.


P.S. Und nur noch mal kurz zur "Einordung", in meiner Beispielrechnung käme es zu folgendem Ergebnis:

1.) Ein 4K-Bürgergeldempfänger würde 0 Stunden arbeiten und bekäme 3.900 € Grundsicherung.
2.) Ein 4K-Beamter müsste 40 Stunden arbeiten und bekäme knapp 4.500 € Nettoalimentation.
3.) Ein Single-Beamter müsste 41 Stunden arbeiten und bekäme rund 3.000 € Nettoalimentation.

Wem gegenüber soll der Single-Beamte "überalimentiert" sein? Gegenüber dem Bürgergeldempfänger? Gegenüber dem 4K-Beamten?