Autor Thema: [Allg] Tarifrunde TV-L 2023  (Read 333741 times)

Grandia

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #915 am: 01.12.2023 07:21 »
Ich glaube, der Lehrermangel wird in hohem Maße zu einem „brauchbaren“ Tarifergebnis beitragen.
Wie seht ihr das?

Es gibt keinen "Lehrermangel". Es gibt lediglich einen Mangel an Lehrern, die Vollzeit arbeiten könnten oder wollten.

Der Job hat auch unangenehme Spitzen und je nach Familienplanung kann eine volle Stelle schnell zur Überfordern führen. Zumindest gibt es Kollegen, die sich "den Mist" nicht doppelt so viel vorstellen können.

Schmitti

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #916 am: 01.12.2023 08:34 »
Und wieso ging das bei den Lehrern früher besser? Zumindest kann ich mich nicht an derart hohe Teilzeitquoten oder "Überforderungen" erinnern, wie man es heute teilweise vorfindet.
Das wird z.T. an dem Job und den Anforderungen liegen, aber z.T. eben auch an den Lehrern selber.

Ich gönne jedem seine Teilzeit, aber Teilzeit bedeutet eben auch Teilgehalt, und auch deshalb wird der "Lehrermangel" nicht als Argument für ein besseres Tarifergebnis taugen: Vielen reicht ja offensichtlich schon ein Anteil.

RagnarDanneskjoeld

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #917 am: 01.12.2023 12:13 »
Und wieso ging das bei den Lehrern früher besser? Zumindest kann ich mich nicht an derart hohe Teilzeitquoten oder "Überforderungen" erinnern, wie man es heute teilweise vorfindet.
Das wird z.T. an dem Job und den Anforderungen liegen, aber z.T. eben auch an den Lehrern selber.

Ich gönne jedem seine Teilzeit, aber Teilzeit bedeutet eben auch Teilgehalt, und auch deshalb wird der "Lehrermangel" nicht als Argument für ein besseres Tarifergebnis taugen: Vielen reicht ja offensichtlich schon ein Anteil.

Warum es früher besser ging? Weil

1.) die qualitativen Anforderungen/Erwartungshaltung gestiegen sind (schwierigere Schüler und Eltern)
2.) die quantitativen Anforderungen gestiegen sind (Erhöhung des Deputats, Bürokratie in Form von Konferenzen, etc.)
3.) heute immer mehr Frauen unterrichten. Und die kümmern sich eben deutlich öfter um Familie/Pflege/Haushalt.

An den Lehrern selber liegt es nicht. Die typischen Lehrer von vor dreißig Jahren gibt es weiterhin und die arbeiten auch oft Vollzeit. Es gibt sie aber immer weniger.

Aber ja, ich stimme Ihnen zu: aus genau diesem Grund der hohen Teilzeitquote ist der "Lehrermangel" kein Argument für signifikant höhere Löhne.   

Grandia

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #918 am: 01.12.2023 12:39 »
Und wieso ging das bei den Lehrern früher besser? Zumindest kann ich mich nicht an derart hohe Teilzeitquoten oder "Überforderungen" erinnern, wie man es heute teilweise vorfindet.
Das wird z.T. an dem Job und den Anforderungen liegen, aber z.T. eben auch an den Lehrern selber.

Ich gönne jedem seine Teilzeit, aber Teilzeit bedeutet eben auch Teilgehalt, und auch deshalb wird der "Lehrermangel" nicht als Argument für ein besseres Tarifergebnis taugen: Vielen reicht ja offensichtlich schon ein Anteil.

Ich gebe dir Recht. Zum Teil gibt es einen schlechteren Arbeitsethos als ich das von meinen Großeltern und Eltern kenne. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, siehe oben. Das eine bedingt das andere gewissermaßen.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #919 am: 01.12.2023 13:03 »
Hier noch ein paar Zahlen und daraus abgeleitete Folgerungen: Die Berufstätigkeit an Schulen hat sich in den letzten gut 20 Jahren grundlegend geändert, was insbesondere mit dem Anteil an Ganztagsschulen und dem Geschlechterverhältnis als Folge des sozialen Wandels zusammenhängt. Während die Ganztagsschulbeteiligung 2002 bei 9,8 % lag und damit im Durchschnitt jede zehnte Schule über einen Ganztagsbetrieb verfügte, liegt die Quote heute bei 71,5 %, womit mehr als sieben von zehn Schulen heute über einen Ganztagsbetrieb verfügen, der personell zu besetzen ist. Während 2000 der weibliche Anteil an Lehrkräften bei durchschnittlich 61,4 % gelegen hat, liegt er heute im Durchschnitt bei 73 %. Darüber hinaus vollzieht sich in den letzten rund zehn Jahren ein generationeller Umbruch in den Kollegien, der mit deren Verjüngung und damit mit einer deutlich Erhöhung von Elternschaft mit Klein- und jüngeren Kindern einhergeht. So sind heute 7,5 % der Lehrkräfte unter 30 Jahre alt, 13,6 % unter 35 und 15,3 % unter 40 Jahre alt; die letzt genannte Kohorte der 34- bis 39-Jährigen ist zurzeit an deutschen Schulen die zahlenmäßig Größte; das Durchschnittsalter von Frauen bei der Geburt des ersten Kinds liegt heute in Deutschland bei 30,1 Jahren. Da weiterhin vor allem Frauen die Betreuung des Nachwuchses übernehmen, zugleich aber wiederkehrend insbesondere die KiTa-Betreuung im Kleinkindalter an Nachmitagen nicht gewährleistet werden kann und diese zugleich mit einer deutlichen finanziellen Belastung verbunden ist, kann in diesem Gesamtrahmen - deutlich mehr Unterricht als noch vor 20 Jahren ist an Nachmittagen zu verrichten, deutlich mehr Lehrkräfte als noch vor 20 Jahren sind weiblich, deutlich mehr Kollegen als noch vor 20 Jahren sind Eltern mit (Klein-)Kindern; der Anteil der häuslichen Betreuungsarbeit hat sich zwischen den Geschlechtern nicht in jenem deutlichen Maße geändert - nur ein höherer Anteil von Erwerbstätigen in Teilzeit das Ergebnis sein. Alles andere wäre gesellschaftlich erstaunlich, und zwar auch deshalb, da sich auf der anderen Seite der zu leistenden privaten Betreuungsarbeit eine seit Jahren zunehmend größer werdende Sorgearbeit um die ältere Generation einstellt, die sich aus der Alterung der Gesellschaft ergibt und die ebenfalls weit überwiegend von Frauen geleistet wird.

Wer das ändern wollte, wird kaum damit erfolgreich sein, den Teilzeitfaktor für Lehrkräfte verpflichtend verringern zu wollen, wie das Teilen der KMK vorschwebt, sondern wird sich andere Lösungswege überlegen müssen, wenn er mit seinen Überlegungen Erfolg haben will. Denn zum einen gibt es das Recht auf freiwillige Teilzeitbeschäftigung, nicht zuletzt im Beamtenrecht hinsichtlich einer Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen (die weit überwiegende Zahl der genehmigten Teilzeittägikeit beruht auf Anträgen aus familiären Gründen); zum anderen würde die rechtlich kaum mögliche Eischränkung von Teilzeitbeschäftigung von Lehrkräften zu dem Ergebnis führen, dass die Attraktivität des Lehrerberufs insbesondere für Frauen sinken müsste, die nun wiederum fast drei Viertel der beschäftigten Lehrkräfte ausmachen. In Anbetracht von 14.500 unbesetzten Vollzeitlehrerstellen in Deutschland dürfte eine solche Idee also im Kontext eines generellen Fachkräftemangels kaum sinnvoll sein.

Darüber hinaus zeigen Umfragen wiederkehrend, dass nicht wenige weibliche Lehrkräfte gerne mit einem höheren Stundendeputat ihrem Beruf nachgehen würden, wenn sich die Arbeitsbedingungen für sie verbessern würden, also nicht zuletzt und insbesondere die (flexibleren) Betreuungsmöglichkeiten der eigenen Kinder, aber auch die der zu pflegenden älteren Generation verbessert werden würden, womit der Blick grundlegend auf bspw. KiTas gerichtet wird, der sich aber sicherlich auf uns Männer richtet. Denn während die Zahl der Männer, die nach der Geburt des ersten Kinds weiterhin in Vollzeit arbeiten, sich weitgehend kaum verändert und also auf hohem Niveau konstant bleibt, sinkt sie bei Frauen im erheblichen Maße ab. So verstanden hat das Thema auch von dieser Warte aus betrachtet etwas mit der Besoldung zu tun: Denn eine deutlich höhere Besoldung kann durchaus dazu führen, dass der Anteil an Teilzeittägkeit an Schulen größer wird, da nun mit weniger Beschäftigungszeit gleich oder mehr verdient werden könnte - sie könnte aber in Anbetracht dessen, dass fast drei von vier Lehrkräften weiblich sind, auch genau das Gegenteil zur Folge haben: Denn in dem Moment, wo Frauen (deutlich) mehr verdienen und insbesondere mehr verdienen als ihr Partner, verändert sich ihre Vollzeitbeschäftigungsquote ebenfalls, und zwar tendenziell nicht undeutlich nach oben.

Grandia

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #920 am: 01.12.2023 14:18 »
Du bist der beste News-Bot der Welt. Passend zum Pist die richtigen Statistiken.

SAS

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #921 am: 01.12.2023 14:57 »
@SwenTanortsch Danke, dass du diesem Populismus mit Fakten begegnest.

@Der Obelix dieser Beitrag hat mich sehr erheitert. Ich frage mich aber tatsächlich, wie viel Ernst in dieser Antwort steckt.

Danke an @Johann, um mal über die Aufgabe von Gewerkschaften aufzuklären.

Niemand muss Mitglied einer Gewerkschaft sein, jeder ist dazu berechtigt, seinen Lohn auch persönlich auszuhandeln. Gewerkschaften sind keine Dienstleistungsunternehmen, sondern leben von Beteiligung und Engagement. In den USA gelten Tarifverträge übrigens ausschließlich für Mitglieder von Gewerkschaften. Die deutsche Praxis soll verhindern, dass Arbeitnehmer sich organisieren, da dies als Gefahr von der Arbeitgeberseite betrachtet wird.

Der Obelix

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #922 am: 01.12.2023 16:11 »
@SwenTanortsch Danke, dass du diesem Populismus mit Fakten begegnest.

@Der Obelix dieser Beitrag hat mich sehr erheitert. Ich frage mich aber tatsächlich, wie viel Ernst in dieser Antwort steckt.

Danke an @Johann, um mal über die Aufgabe von Gewerkschaften aufzuklären.

Niemand muss Mitglied einer Gewerkschaft sein, jeder ist dazu berechtigt, seinen Lohn auch persönlich auszuhandeln. Gewerkschaften sind keine Dienstleistungsunternehmen, sondern leben von Beteiligung und Engagement. In den USA gelten Tarifverträge übrigens ausschließlich für Mitglieder von Gewerkschaften. Die deutsche Praxis soll verhindern, dass Arbeitnehmer sich organisieren, da dies als Gefahr von der Arbeitgeberseite betrachtet wird.

Ich wollte nur humorvoll mitteilen, dass ich es eigentlich sehr gerne möchte wenn alle auf die Strasse gehen und ihren Unmut auch dorthin bringen wo er gesehen wird. Beamte, Tarifbeschäftigte, Mit Hund und ohne Hund, mit Kindern oder Kinderlos, in der Endstufe oder als Berufsanfänger.

Alle wurden in den letzten 20 Jahren geschröpft, die Einführung des TV-L nach dem BAT war ein riesiges Sparpaket, beamtenrechtlich war die Föderalismusentscheidung ein direkter Weg in den Abstieg.

Never give up! Wir haben weiterhin einen langen Weg vor uns!

SAS

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #923 am: 01.12.2023 16:44 »
@SwenTanortsch Danke, dass du diesem Populismus mit Fakten begegnest.

@Der Obelix dieser Beitrag hat mich sehr erheitert. Ich frage mich aber tatsächlich, wie viel Ernst in dieser Antwort steckt.

Danke an @Johann, um mal über die Aufgabe von Gewerkschaften aufzuklären.

Niemand muss Mitglied einer Gewerkschaft sein, jeder ist dazu berechtigt, seinen Lohn auch persönlich auszuhandeln. Gewerkschaften sind keine Dienstleistungsunternehmen, sondern leben von Beteiligung und Engagement. In den USA gelten Tarifverträge übrigens ausschließlich für Mitglieder von Gewerkschaften. Die deutsche Praxis soll verhindern, dass Arbeitnehmer sich organisieren, da dies als Gefahr von der Arbeitgeberseite betrachtet wird.

Ich wollte nur humorvoll mitteilen, dass ich es eigentlich sehr gerne möchte wenn alle auf die Strasse gehen und ihren Unmut auch dorthin bringen wo er gesehen wird. Beamte, Tarifbeschäftigte, Mit Hund und ohne Hund, mit Kindern oder Kinderlos, in der Endstufe oder als Berufsanfänger.

Alle wurden in den letzten 20 Jahren geschröpft, die Einführung des TV-L nach dem BAT war ein riesiges Sparpaket, beamtenrechtlich war die Föderalismusentscheidung ein direkter Weg in den Abstieg.

Never give up! Wir haben weiterhin einen langen Weg vor uns!

Okay dann hab ich die Ironie richtig gedeutet.

💪

RagnarDanneskjoeld

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #924 am: 02.12.2023 11:28 »
Denn eine deutlich höhere Besoldung kann durchaus dazu führen, dass der Anteil an Teilzeittägkeit an Schulen größer wird, da nun mit weniger Beschäftigungszeit gleich oder mehr verdient werden könnte - sie könnte aber in Anbetracht dessen, dass fast drei von vier Lehrkräften weiblich sind, auch genau das Gegenteil zur Folge haben: Denn in dem Moment, wo Frauen (deutlich) mehr verdienen und insbesondere mehr verdienen als ihr Partner, verändert sich ihre Vollzeitbeschäftigungsquote ebenfalls, und zwar tendenziell nicht undeutlich nach oben.

Ersteres ist der Fall. Nach meiner Erfahrung (anekdotische Evidenz) erhöhen die wenigsten Kolleginnen ihr Deputat signifikant, wenn die Kinder mal älter sind - sie sind dann ja auch oft schon Anfang/Mitte 50 und nicht mehr so belastbar. Steuerklasse V tut ihr übriges.   

Jörn85

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #925 am: 02.12.2023 12:11 »
Denn eine deutlich höhere Besoldung kann durchaus dazu führen, dass der Anteil an Teilzeittägkeit an Schulen größer wird, da nun mit weniger Beschäftigungszeit gleich oder mehr verdient werden könnte - sie könnte aber in Anbetracht dessen, dass fast drei von vier Lehrkräften weiblich sind, auch genau das Gegenteil zur Folge haben: Denn in dem Moment, wo Frauen (deutlich) mehr verdienen und insbesondere mehr verdienen als ihr Partner, verändert sich ihre Vollzeitbeschäftigungsquote ebenfalls, und zwar tendenziell nicht undeutlich nach oben.

Ersteres ist der Fall. Nach meiner Erfahrung (anekdotische Evidenz) erhöhen die wenigsten Kolleginnen ihr Deputat signifikant, wenn die Kinder mal älter sind - sie sind dann ja auch oft schon Anfang/Mitte 50 und nicht mehr so belastbar. Steuerklasse V tut ihr übriges.

Das meinte doch ST. Wenn die Lehrerinnen nicht mehr häufig weniger verdienen als ihr Partner, sondern mehr, erhöht sich der Anreiz, nicht oder nicht so viel Teilzeit zu arbeiten.

Wenn man die Geschlechtsverteilung berücksichtigt, arbeiten Lehrkräfte nicht häufiger Teilzeit als andere Berufsgruppen.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #926 am: 02.12.2023 14:35 »
Genau das wollte ich sagen, Jörn. Und zugleich sollte es dem Dienstherrn ja darum gehen, die jüngeren weiblichen Lehrkräfte mit Klein -oder jüngeren Kindern zu motivieren, nach Möglichkeit in Vollzeit oder eben mit einem höheren Teilzeitfaktor ihrem Dienst nachzukommen, Ragnar, da sie - wie Du hervorhebst - in der Regel eine noch stärkere Belastbarkeit aufweisen und da ihre Zahl in den letzten zehn Jahren durchschnittlich signifikant zugenommen hat, sodass hier wie gezeigt starke Kohorten vorhanden sind. Nicht umsonst sind zurzeit über 36 % der bundesdeutschen Lehrkräfte unter 40 Jahre alt. Darüber hinaus wäre das auch aus Gleichstellungsgründen gesellschaftlich erwünscht, da der sogenannte Gender Time Gap weiterhin deutlich vorhanden ist. Eine seiner zentralen Ursachen ist, dass auch und gerade Partner mit Kindern abwägen, was für sie ökonomisch von Vorteil ist - und wegen des ebenfalls siginifikanten gesellschaftlichen Gender Pay Gaps ist es für Paare wiederkehrend finanziell rationaler, dass Frauen ihre Berufstätigkeit einschränken oder ganz aufgeben, sobald sich Kinder einstellen.

Sobald also auch beamtete Lehrkräfte wieder amtsangemessenen alimentiert werden würden, führte das zwangsläufig dazu, dass eine zunehmende Zahl an weiblichen Lehrkräften nun durch ihre Berufstätigkeit einen höheren Verdienst erzielte als ihre männlichen Partner. Entsprechend würde die Wahrscheinlichkeit steigen, dass für entsprechende Paare die weibliche Beschäftigung attraktiver werden würde. In Anbetracht der Tatsache, dass durchschnittlich rund drei von vier Lehrkräften weiblich sind, darf man also davon ausgehen, dass die genannte Zahl von 14.500 unbesetzten Vollzeitlehrerstellen in Deutschland infolge einer amtsangemessenen Alimentation von Lehrkräften abnehmen sollte - unabhängig davon, dass so ebenfalls die Attraktivität für Seiteneinsteiger steigen würde, ohne die die personellen Probleme mittelfristig nicht in den Griff zu bekommen sein werden, ob einem dieses Faktum nun schmeckt oder nicht.

Da die tatsächliche Realität dahingegen so aussieht, dass keine verfassungskonformen Besoldungsgesetze verabschiedet werden und darüber hinaus zur Überwindung des Fehlbetrags zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation eine zumeist extreme Anhebung familienbezogener Besoldungskomponenten vollzogen wird, die zumeist allerdings nur in den unteren Besoldungsgruppen gewährt werden, ändert sich hinsichtlich der Lehrkräftesituation in Deutschland mit Blick auf die Angebotsseite nichts, sodass man davon ausgehen darf, dass sich die offensichtlichen Personalprobleme noch immer weiter zuspitzen werden. Nicht umsonst stagniert die Zahl der Studierenden mit angestrebtem Abschluss Lehramt seit Jahr und Tag bei rund neun % eines Studierendenjahrgangs. Die Zahl reicht nun aber absehbar weder aus, um den aktuellen Bedarf zu decken, noch werden sich so die mittelfristig weiterwirkenden Probleme bewältigt lassen.

Denn nicht umsonst liegt die Zahl der über 50-jährigen Lehrkräfte in Dutschland bei 34,5 %, wobei diese Zahl deutlich zwischen den Bundesländern differiert, nämlich von 25,7 % in Bremen bis 58,6 % in Sachsen-Anhalt. Insbesondere in Mitteldeutschland sollte man sich offensichtlich, nachdem man weitgehend dazu übergegangen ist, Lehrkräfte zu verbeamten, ein wenig mehr Gedanken machen, wie man die eigenen Nachwuchsprobleme in den Griff bekommen möchte, nicht umsonst weisen die entsprechenden Zahlen in Thüringen mit 55,5 %, Mecklenburg-Vorpommern mit 52,4 %, Sachsen mit 50,4 % und Brandenburg mit 48,8 % auf ein gehöriges Problem hin, das ohne deutliche Attraktivitätsgewinne für den Lehrerberuf kaum in den Griff zu bekommen sein dürfte. Eventuell kann Berlin als Stadtstaat, der tendenziell attraktiv ist, noch darauf hoffen (mehr allerdings wohl auch nicht, als hoffen), seine Probleme bei einem Wert von 40,4 % in den Griff zu bekommen. Für die genannten Länder sieht hingegen die zu erwartende Situation eher wenig erfreulich aus. Denn mit der deutlich überdurchschnittlichen Zahl an über 50-jährigen Lehrkräften korrespondiert die weiterhin deutlich unterdurschnittliche Zahl an unter 40-Jährigen, die in Sachsen-Anhalt bei 26,7 %, in Mecklenburg-Vorpommern bei 28,6 %, in Thüringen bei 30,0 %, in Sachsen bei 30,4 % und in Brandenburg bei 31,1 % liegt.

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #927 am: 02.12.2023 16:42 »
Gesetzt den Fall, wir erhalten eine Erhöhung, die sich in der 10%-Region befinden wird.
Wieviele Arbeitnehmer im Öffi stoßen bei gleichbleibenden Progressionsstufen (Steuergrenzen) in den Spitzensteuersatz durch und erhalten dort eine neue Eintrittskarte mit der Aufschrift „Herzlich willkommen“?
Und die Soli-Grenzen dürften sich auch nicht verändern, was den einen oder anderen A14er und aufwärts ärgern-, den Staat aber umso mehr freuen könnte?!

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #928 am: 02.12.2023 18:06 »
Wir können das Beispiel ja mal für eine nach A 13 besoldete Lehrkraft durchspielen, um mit konkreten Zahlen argumentieren zu können, was die Sache meistens klarer macht. Dabei ist zwar ein Tarifergebnis, das zu einer Erhöhung der Tariflöhne um 10 % führen dürfte, eher unwahrscheinlich; genauso wie es eher unwahrscheinlich sein dürfte, dass ein solches Tarifergebnis zum 01.01.2024 vereinbart und dann zeitgleich auf die Beamten übertragen werden würde. Aber darum geht es zunächst einmal nicht, sondern nur um eine Veranschaulichung. Als Beispiel nehmen wir unseren verheirateten Musterbeamten mit zwei Kindern, der in Niedersachsen in der Besoldungsgruppe A 13/6 eingruppiert ist, also regelmäßig seit über fünf, aber noch keine neun Jahre im Dienst ist.

Seine Bruttobesoldung beträgt derzeit 64.161,46 € (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/ni?id=beamte-nds&g=A_13&s=6&f=3&fstand=v&zulageid=10.1&zulageid=10.2&z=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=2). Geht man im Sinne unseres Beispiels davon aus, dass mit Ausnahme der Sonderzahlung und kinderbezogenen Sonderzahlung alle anderen Besoldungskomponenten um zehn % erhöht werden würden, dann erhielte er 2024 eine Bruttobesoldung von 70.477,61 €. Damit würde ein solcher Tarifabschluss zu einer Erhöhung der Bruttobesoldung um 9,8 % führen.

Zur Bemessung der steuerlichen Veranlagung wird der BEG-Anteil laut Mitteilung des PKV-Verbands vom 11.07.2023 für das Jahr 2022 herangezogen (für 2023 liegt noch kein Betrag vor); er beträgt 429,- €. Entsprechend erhält man für 2023 eine Nettobesoldung in Höhe von jährlich 55.419,46 € bzw. monatlich 4.618,29 € (https://rechner24.info/lohnsteuer/rechner/5?jahr=2023b&STKL=3&F=&RE4=64161%2C46&LZZ=1&ZKF=2&KG=2&PVK=2u&LAND=ni&KIRCHE=0&LZZFREIB=&LZZFREIB_LZZ=2&LZZHINZU=&LZZHINZU_LZZ=2&RENTE=0&PKV=1&PKPV=429&progwerte=&progwerte=). Unter Beibehaltung der Parameter würde die Nettobesoldung 2024 59.869,61 € bzw. pro Monat 4.989,13 € betragen. Nun könnte man noch die Nettoalimentation bemessen; aber das ist für unser Beispiel zunächst einmal ohne Belang, da auch hier die Parameter wegen der Vergleichbarkeit konstant gehalten werden und nur zu einer relativen Veränderung der Prozentwerte führen würden, die sich darüber hinaus in unserem Beispiel nur geringfügig ändern würden. Entsprechend würde eine pro Monat um 370,84 € bzw. 8,0 % höhere Nettobesoldung gegeben sein.

Unabhängig davon, dass eine solches Tarifergebnis kaum kommen wird, bleibt aber zu bedenken, dass die Basis unserer Bemessung die offensichtlich verfassungswidrigen Beträge des geltenden NBesG sind. Eine verfassungskonforme Nettobesoldung müsste auch in der Besoldungsgruppe A 13 deutlich höher liegen. Und genau da knüpft das an, was ich unlängst geschrieben habe. Denn als Folge des Leistungs- und Alimentationsprinzips muss offensichtlich von einer deutlich höheren Nettobesoldung ausgegangen werden, sobald auch Niedersachsen wieder zu einer amtsangemessenen Alimentation zurükkehrte. Zwar spielen die Dienstherrn regelmäßig den starken Einfluss der Möglichkeit der Einkommensbildung für die Attraktivität eines Beschäftigungsverhältnisses herunter, so als müssten Bedienstete auf einer Insel der Seeligen leben und also könnten auf eine Betrachtung ihres Einkommens weitgehend verzichten; nimmt man hingegen eine etwas realistischere Sicht auf die Dinge ein, dann wird deutlich, dass die weitere Erhöhung der Nettobesoldung wiederkehrend dazu führt, dass eine größer werdende Zahl an Lehrkräften mit ihrer Tätigkeit einen höheren Verdienst erzielen kann als ihr jeweiliger Partner. Das aber sollte letztlich dazu führen, dass Lehrkräfte ihre Stundendeputate eher erhöhen dürften - und zwar in stark krisenhaften Zeiten wie den heutigen, in denen das Anlegen von finanziellen Reserven Familien eher nicht zum Nachteil gereichen wird, ggf. eher noch stärker als in ruhigeren und damit leichter zu überblickenden Zeiten. Genau darin, in der gezielten Unterbindung der Attraktivitätssteigerung eines beamteten Beschäftignugsverhältnisses im öffentlichen Landesdienst, liegt eine der zentralen Ursachen für die auch in Niedersachsen offensichtlich verfassungswidrige Alimentation. Damit verbundene Folgen lassen sich offensichtlich aus den Antworten zu den Fragen 3, ggf. (in Teilen) 9, 10, 11, 13, 16, 17, Anlage 2 aus der Nds-Drs. 19/2110 v. 14.08.2023 (https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_19_02500/02001-02500/19-02110.pdf) entnehmen.

Studienrat

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Antw:[Allg] Tarifrunde 2023
« Antwort #929 am: 02.12.2023 19:00 »
Hochachtung vor deinen Ausführungen!