@Swen
Könntest du die Quellen für deine Zahlen offenlegen? Ich frage mich, ob deine Zahlen dem Bund nicht vorgelegen haben und wie die auf ihre gekommen sind.
Eine weitere Betrachtung des Gesetzentwurfs erübrigt sich von daher eigentlich bereits. Der Entwurf nimmt an zentraler Stelle eine evident sachwidrige Bemessung vor, die der Bundesregierung explizit untersagt worden ist und führt von daher den "konzertierten Verfassungsbruch" ebenfalls wissentlich und willentlich weiter fort. Die für München auf Grundlage der WoGV zugrunde gelegten kalten Unterkunftskosten von 1.171,50 € unterschreiten das aktuelle 95 %-Perzentil für Bayern um mehr als 200,- €; es liegt für das Jahr 2021 bei 1.379,- €. Damit führt das evident sachwidrige Verfahren zu einer evident unzureichenden Bemessung der entsprechenden Kosten, die nicht realitätsgerecht erfolgt und um rund 15 % zu gering bemessen werden.
Sind die Statistiken öffentlich aus denen hervorgeht, dass das 95 %-Perzentil für München bei 1.379 Euro liegt? Gibt es dieses auch für andere Städte oder ist das jeweils auf das Bundesland bezogen?
Für die realitätsgerechte Bemessung der Heizkosten ist in Bayern auf eine 90 qm große Wohnung abzustellen. Der aktuelle Heizspiegel mit den Werten für das Vorjahr legt 25,91 € für (1. ) Wärmepumpen und 24,71 € für (2.) Fernwärme je Quadratmeter zugrunde. Da weiterhin vom tatsächlichen Bedarf auszugehen ist, ist hier der höhere Wert zu beachten. Die jährlichen Herizkosten belaufen sich folglich auf (1) 2.331,90 € bzw. (2) 2.223,90 € bzw. auf monatlich (1) 194,33 bzw (2.) 185,33 € und nicht auf 129,72 €, die der Entwurf zugrunde legt (S. 56). Damit werden mindestens 30 % zu geringe Heizkosten angesetzt.
Sind die 90 qm für die Bemessund der Heizkosten nur auf Bayern festgeschrieben oder gilt das bundesweit?
Welche Statistik ist hier maßgeblich?
Darüber hinaus werden Krankenkassenbeiträge auf Basis neuer Bemessungsgrenzen hervorgehoben (S. 2, vgl. Art. 11 Ziff. 4, S. 32). Auf dieser Grundlage erfolgt eine nicht transparente Ermittlung der PKV-Kosten, die mit monatlich 413,24 € bemessen werden (vgl. S. 57). Bislang waren PKV-Kosten in Höhe von monatlich 633,70 € für das Jahr 2021 laut PKV-Verband zugrundezulegen. Es dürfte deutlich zu bezweifeln sein, dass die geplante gesetzliche Regelung die dargestellten deutlich Folgen haben wird und also die PKV-Kosten um fast 35 % senkt. Darüber hinaus bleibt ebenfalls fraglich, dass vom Nettogehalt am Ende noch Rundfunkbeiträge und Sozialtarife abgezogen werden (S. 57). Es ist davon auszugehen, dass auch das so nicht statthaft sein dürfte. Denn sie sind entsprechend dem Grundsicherungsniveau hinzuzuzählen und dann mit dem Faktor 1,15 zu multiplizieren.
Ich habe versucht die PKV-Kosten in Höhe von 633,70 zu recherchieren, jedoch konnte ich diese nirgendwo finden. Wo kann man diese nachlesen? Sind die 633,70 Euro die offizielle Summe, die das BVerfG auch annehmen würde?
Mal wieder vielen Dank für deinen unermüdlichen Einsatz und Input in dieser Thematik. Hoffentlich zahlt es sich irgendwann mal aus, dass ein verfassungsmässiges Ergebnis herauskommt.
Hey Unknown,
wichtige Daten für die jeweiligen Bemessungsgrundlagen sind nicht öffentlich zugänglich, so insbesondere für das 95 %-Perzentil, das von der BfA länderspezifisch erhoben wird. Es gibt entsprechend für jedes Land ein 95 %-Perzentil, das die entsprechenden laufenden Unterkunftskosten (für Bayern 1.159,- €) und die entsprechenden laufenden Betriebskosten (für Bayern 220 €) und damit die kalten Unterkunftskosten, wie sie das Bundesverfassungsgericht in der aktuellen Entscheidung als realitätsgerecht betrachtet hat, wiedergibt. Die BfA erhebt sie offensichtlich regelmäßig ein Mal im Jahr, zumeist im Mai. Die aktuelle Erhebung stammt vom 13.05.2022 und bildet die Jahresdurchschnittwerte für 2021 ab. Da keine aktuelleren Werte vorliegen, sind diese als realitätsgerecht auch für das Jahr 2022 zu betrachten. Die Heizkosten kann man tatsächlich über öffentlich zugängliche Quellen, nämlich anhand des Heizspiegels von CO2-online erstellen (
https://www.heizspiegel.de/fileadmin/hs/heizspiegel/heizspiegel-2022/heizspiegel-2022.pdf). Hier ist die S. 4 relevant; dabei ist regelmäßig von den Höchstwerten auszugehen, solange die Kommunen nicht ihrem Recht nachkommen, eigene Heizspiegel zu erstellen. Heranzuziehen ist grundsätzlich der Heizspiegel des aktuellen Jahres, der die Kosten des Vorjahrs abbildet. Das Bundesverfassungsgericht hat 2020 die Werte für Fernwärme als Höchstwert herangezogen (aktuell 24,71 €/qm), da es die Kategorie Wärmepumpe (aktuell 25,91 €/qm) für den Betrachtungszeitraum 2009 bis 2015 noch nicht gab. Der Quadratmeterpreis ist mit der Wohnfläche zu multiplizieren, die nach den Ausführungsbestimmungen der Länder sozialrechtlich zugrundezulegen sind (die Werte differieren zwischen den Ländern zwischen 85 und 90 qm für eine vierköpfige Familie). Ein Zugriff auf die Werte für die Kosten für Bildung und Teilhabe und Sozialtarife gibt es darüber hinaus nicht, nur auf die Regelsätze, die bei der Bemessung ebenfalls zu beachten, allein aber nicht hinreichend sind. Über die weiteren Bemessungskriterien für die Kosten für Bildung und Teilhabe sowie die Sozialtarife wird zukünftig - davon ist auszugehen - noch massiv gestritten werden, solange jene vom Bundesverfassungsgericht nicht vorgegeben werden (was es so im Hinblick auf die Zukunft nicht tun kann, nur hinsichtlich der Vergangenheit; darüber hinaus hat es präzise in den Rn. 64-71 festgelegt, was der Gesetzgeber zu beachten hat).
Die Bruttobesoldung kann den Tabellenwerten entnommen werden. Hier sind die in jenem Jahr allen Beamten einer Besoldungsgruppe gewährten Bezügebestandteile neben dem Grundgehalt wie bspw. Familienzuschläge und ggf. Stellenzulagen, Sonderzahlungen und Urlaubsgeld (neuerdings auch vermehrt wieder der Ortszuschlag) heranzuziehen. Zur steuerlichen Veranlagung wird der Steuerrechner des Bundesfinanzministerium herangezogen. Hier wird ein 30-jähriger Beamter vorausgesetzt (Geburtsjahr), die Steuerklasse III, Zahl der Kinderfreibeträge: 2 (sie spielen in der Regel keine die Nettobesoldung verändernde Rolle), keine Kirchensteuer, keine Versorugngsbezüge, keine gesetzliche Rentenversicherung, private Krankenversicherung ohne Arbeitgeberzuschuss, kein Zusatzbeitrag zur gesetzlichen KV, keine Pflegeversicherung. Schließlich ist der nicht öffentlich zugängliche BEG-Anteil beim monatlichen Beitrag zur PKV anzugeben. Jener folgt einer Mitteilung des PKV-Verbands und betrug 2021 510,70 €. Von der so bemessenen Nettobesoldung ist die ebenfalls vom PKV-Verband mitgeteilte Summe der Kosten abzuziehen (2021 633,70 €) und darüber hinaus ist das Kindergeld zu addieren. Das ist die ganze Zauberei - mit Ausnahme der komplexen Kosten der Bedarfe für Bildung und Teilhabe und der Sozialtarife benötigt niemand länger als zehn Minuten, um die entsprechenden Bemessungen vorzunehmen - vorausgesetzt, ihm liegen die genannten Daten vor. Diese liegen allen Besoldungsgesetzgebern vor wie auch vielen Gewerkschaften. Ohne dass ich jetzt noch einmal jeden der genannten Posten anhand der aktuellen Rechtsprechung nachweise (das habe ich in der Vergangenheit wiederholt getan), sind all die von mir hervorgehobenen Bemessung(sgrundlag)en so vom Bundesverfassungsgericht als realitätsgerecht betrachtet worden. Der Besoldungsgesetzgeber kann andere Bemessungsgrundlagen heranziehen, muss dann aber gewährleisten, dass auch diese realitätsgerecht sind. Realitätsgerecht dürften sie dann sein, wenn sie zu weitgehend ähnlichen Ergebnissen kommen.
Da also die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht eindeutig ist und insbesondere eine realitätsgerechte Bemessung des Grundsicherungsniveaus, der Mindest- und gewährten Nettoalimentation fordert, um den Mindestgehalt der vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Alimentation zu bemessen und zu prüfen, ob kein Verstoß gegen den Grundsatz des Mindestabstandsgebots vorliegt (was nicht bedeutet, dass damit zwangsläufig eine amtsangemessene Alimentation gewährt wird; das kann nur das Prüfprogramm als Ganzes ermitteln; insofern dürfte es - hinsichtlich von Werten aus dem Vorjahr - keine Rolle spielen, ob die Mindestalimentation unter der erst später möglichen Heranziehung von Daten aus dem aktuellen Jahr nicht höher ausfallen würde; denn eine Alimentation auf Höhe der Mindestalimentation sollte in den weit überwiegenden Fällen nicht ausreichen, um eine amtsangemessene Alimentation zu gewährleisten; die Mindeatalimentation ist kein Mittel zur Bemessung der zu gewährenden Alimentation, sondern ein Mittel, um zu prüfen, ob die Alimentation nicht wegen des Verstoßes gegen den absoluten Alimentationsschutz von vornherein schon verfassungswidrig ist), kann die Antwort auf Deine Frage, wieso wiederkehrend die vom Bundesverfassungsgericht als sachgemäß betrachteten Bemessungsgerundlagen nicht angewendet oder die Bemessung anderweitig sachwidrig vorgenommen werden, nur lauten (außer hinsichtlich einzelnen Fehlern, die ggf. geschehen könnten, jedoch dann nicht systematisch und also in verschiedener Ausprägung bei allen Besoldungsgesetzgebern): Es werden wissentlich und willentlich sachwidrige Bemessungen vorgenommen, was sich daran zeigt, dass die Gesetzgeber in ihren Begründungen regelmäßig auch die Bemessungsgrundlagen zunächst korrekt anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts referieren, um sie dann ohne sachlichen Grund wiederkehrend beiseitezulassen, sobald sie das Grundsicherungsniveau und die gewährte Nettoalimentation bemessen. Darin liegt der Grund, wieso Ulrich Battis zurecht von einem konzertierten Verfassungsbruch spricht. Der notorische Verfassungsbruch hat darüber hinaus seit 2020 eine ganz neue Dimension angenommen, da er erst seitdem als solcher anhand der Mindestalimentation so betrachtet werden kann und weil alle Besoldungsgesetzgeber seitdem wissentlich und willentlich und mittlerweile in verschiedenen Rechtskreisen auch wiederholt so vorgehen und es bislang in keinem Rechtskreis eine Veranlassung daüfr geben würden, dass sie das in der nächsten Gesetzgebung ändern wollten. Ich schätze mal, dass deshalb mit der ersten Gesetzgebung nach der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Untersuchung dieser Gesetzgebung im Titel gefragt hat, ob nun "willkürliche Bemessungsverfahren als Zukunft deutscher Beamtenbesoldung" Einzug erhalten sollten (
https://www.berliner-besoldung.de/gutachten-bestaetigt-berlbvanpg-2021-vorsaetzlich-verfassungswidrig/). Die Frage lässt sich bislang beantworten, und zwar knapp: Ja.