Worin wir vollständig einer Meinung sind, ist, dass sowohl (I.) eine andere Besteuerung als auch (II.) das Anheben der Transferleistungen für Unterhaltslasten von Kindern sowie (III.) eine generelle Veränderung der sog. Hartz IV-Gesetzgebung ebenso Veränderungen in der Bemessung der Mindestalimentation mit sich bringen können.
I. Gesamtgesellschaftlich vorgenommene steuerliche Entlastungen führten dazu, dass auch eine Beamter weniger Steuern zahlen muss, sodass entsprechend auch die Bruttobesoldung sinken kann, um so zu einem identischen Alimentationsniveau zu gelangen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Grundsicherungsempfänger keine Steuern zahlen, da das Existenzminimum steuerfrei gestellt ist. Von daher würde sich das bei der Bemessung der Mindestalimentation zu Grund zu legende Grundsicherungsniveau nicht ändern bzw. dürfte der Existenzminimumbetrag tendenziell durch die dann mit hoher Wahrscheinlichkeit höheren Steuerfreibeträge eher steigen (ansonsten blieben Grundsicherungsempfänger von der gesamtgesellschaftlichen Entlastung ausgenommen), woraus folgt, dass am Ende die zu gewährende Nettoalimentation identisch bleiben bzw. von der Tendenz eher steigen müsste. Eine gesamtgesellschaftlich entsprechend vollzogene steuerliche Veränderung hätte von daher mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen substanziell negativen Einfluss auf die Höhe der als absolute Untergrenze zu beachtenden Mindestalimentation.
II. Das Anheben der Transferleistungen für Unterhaltslasten von Kindern müsste en detail betrachtet werden. Denn hier gilt erst einmal dasselbe wie das gerade unter der Nr. I Gesagte. Sofern von den Transferleistungen der Grundsicherung unterworfene Familien nicht unmittelbar betroffen sein sollten, änderte sich nichts an der Bemessung des Grundsicherungsniveau und der Mindestalimentation. Sofern eine staatliche Leistung analog dem Kindergeld gesamtgesellschaftlich - also für alle Kinder, die nicht der Grundsicherung unterworfen sind, einheitlich - eingeführt oder die Kindergeldsätze erhöht werden, dann müsste das alimentativ beachtet werden, analog der direktiven Tatsache, dass nach der steuererlichen Bemessung der Bruttobesoldung zur Berechnung der Mindestalimentation das Kindergeld von der Nettobesoldung abzuziehen ist. Jedoch würde dann gleichfalls wieder gelten, was ich zuletzt mehrfach hervorgehoben habe: Die höhere Transferleistung für Kinder müsste am Ende im Hinblick auf die Unterhaltslasten von Kindern beachtet werden, wenn der Besoldungsgesetzgeber die Familienzuschläge bemisst. Die Familienzuschläge können dann also ggf. geringer ausfallen, was - je näher die gewährte Nettoalimentation an die absolute Untergrenze der Mindestalimentation heranreicht - tendenziell eher dazu führen sollte, dass nichtfamilienbezogene Gehaltsbestandteile nun im Vergleich höher ausfallen sollten. Auch in diesem Fall dürften kaum einschneidende Verringerungen der nichtfamilienbezogenen Bruttobestandteile der Besoldung die Folge eine solchen Entscheidung sein.
III. 1) Ein genereller Umbau des heutigen "Hartz IV"-Systems, den die Ampelkoalition eventuellen in Teilen plant, hat nun wiederum unmittelbaren Einfluss auf die Mindestalimentation. Denn sofern in Deutschland die grundsicherungsrechtlichen Transferleistungen, die einer von dem Sozialsystem abhängigen vierköpfigen Familie zuerkannt werden, sinken sollten, würde das ebenfalls anteilig für die Mindestalimentation gelten. Andererseits soll die geplante Reform offensichtlich nach dem Willen mindestens der SPD und der Grünen eher zum Gegenteil führen, nämlich insbesondere die Transferleistungen von Kindern, die der Grundsicherung unterworfen sind, erhöhen. Sofern sich diese Erhöhung ausschließlich auf die Transferleistung von der Grundsicherung unterworfenen Kindern bezöge, hätte das die unmittelbare Folge, dass dann gleichfalls auch die Mindestalimentation steigen würde, weil das Gesamtvolumen der Leistungen von der Grundsicherung unterworfenen Familien steigen würde, wobei mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit mittelbar ein Teil wiederum in eine kinderbezogene Besoldungsdifferenzierung einbezogen werden könnte. Allerdings sollte auf's Ganze gesehen auch hier eher davon ausgegangen werden, dass das zu einem nicht geringen Teil ebenfalls zu einer Erhöhung von Besoldungsbestandteilen führen müsste, die nicht der kinderbezogenen Differenzierung unterworfen sind. 2) Erst eine generell völlig neue Systematik der Grundsicherung, die als Systemwechsel zu bewerten wäre und also zu einem Ergebnis führte, das wir heute noch nicht kennten, könnte eine weitergehende Neubewertung der Sachlage zur Folge haben. Da wir eine solche Planung aber nicht kennen und da eine solche umfassende Planung nicht von einem Tag auf den anderen käme, würde ich solche Überlegungen genauso wie Du erst einmal nicht anstellen, da sie über das Reich des Spekulativen nicht hinausreichen dürften.
Der langen Rede kurzer Sinn: Innerhalb der heutigen Rechtslage lässt sich zeigen, dass die Nettoalimentation in Teilen der Republik um deutlich mehr als 25 % zu gering bemessen ist; nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht im letzten Jahr für das Land Berlin im Zeitraum zwischen 2009 bis 2015 einen noch deutlich höheren Prozentwert angezeigt. Jene gezeigt gewaltige Unteralimentation ist im Bund und allen Ländern bis 2020 offensichtlich in Teilen verringert worden, jedoch durch die von den Ländern nur im geringen Maß vorgenommene Besoldungserhöhungen in diesem Jahr (sie liegt zumeist bei 1,4 %), die nicht tabellenwirksame Einmalzahlung im nächsten Jahr und die im Hinblick auf die hohe Inflationsrate mindestens bislang nicht ausreichende Besoldungserhöhung Ende des nächsten Jahres wird mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit das Ergebnis sein, dass der positive Trend nun erst einmal wieder gebrochen ist. Das führt nur umso mehr dazu, dass davon auszugehen ist, dass die Besoldung - und darin insbesondere die Grundgehaltssätze - zukünftig (also ab 2023) deutlich steigen muss, um die Alimentation wieder in den amtsangemessenen Bereich zu führen. Schauen wir uns mal Baden-Württemberg an, weil es ganz oben in der Tabelle steht:
Jahr Besoldungserhöhung Inflationsrate (Deutschland)
2019 3,2 % 1,4 %
2020 3,2 % 0,5 %
2021 1,4 % 2,9 %
Index 108,0 104,9
Die Schätzung der Inflationsrate für 2021 findet sich hier:
https://www.inflationsrate.com/#2020-2Für 2020 war in Baden-Württemberg davon auszugehen, dass die Alimentation um deutlich mehr als 25 % zu gering bemessen worden ist; 2021 sollte sich dieser Wert also bereits wieder deutlich erhöht haben. Für Rheinland-Pfalz hat das VGH die Unteralimentation für das Jahr 2020 unlängst auf 24,3 % beziffert; auch dieser Wert dürfte in diesem Jahr bereits wieder höher liegen (
https://www.vbe-hessen.de/aktuelles/aktuelle-news/artikel/gericht-gibt-dbb-hessen-recht-besoldung-von-beamte/). Diese gewaltigen Lücken sind erst einmal zu korrigieren - und dann schauen wir uns an, ob sich zukünftig eine andere Besoldungsgesetzgebung entwickeln sollte, die das heutige Niveau extremer Unteralimentation flugs in einen Born amtsangemessener Alimentation verwandelte - ich für meinen Teil habe doch eher leichte Zweifel, dass dieses Ansinnen im Rahmen unserer Verfassung gelingen mag. Aber vielleicht verstehe ich auch zu wenig von der Materie (Pardon, Rentenonkel, für den am Ende leicht ironischen Duktus, wenn ich mich richtig verstehe, bezieht er sich eher nicht auf Dich).