Die Beschlüsse des BVerfG schön und gut. Aber hat sich hier irgendjemand schon mal auch die Frage gestellt, warum das BVerfG - völlig fernab vom darauf basierenden Referentenentwurf des BMI - den Mindestabstand zum Sozialhilfeempfänger bei 15% und nicht bei 20% oder 30% oder höher rechtlich für angemessenen gewürdigt hat?
Warum also 15% und nicht noch höher für jemanden, der im Gegensatz zum Nichtarbeitenden arbeitet?
Mir fehlt hier der Wertschätzungs- bzw. Anerkennungsaspekt für den Beschäftigten. Was ist der sozialethische und -moralische Maßstab des BVerfG für diesen finanziellen Unterschied gewesen?
Es geht bei den 15 % ja nicht darum, eine angemessene Alimentation zu berechnen oder darum, den Wert der Arbeit eines Beamten auszudrücken.
Im Zusammenhang mit dem "dritten Kind" (was nichts mit Arbeit zu tun hat) wird vielleicht klar, was das Bundesverfassungsgericht mit den 15% zum Ausdruck bringen sollen, nämlich einen qualitativen Unterschied zwischen Sozialhilfe und Alimentation.
z.B. hier aus 1998, insbesondere, Rn 57 ff
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1998/11/ls19981124_2bvl002691.html
Wenn die Abgrenzung der Alimentation von der Sozialhilfe nicht mehr gewährleistet ist, also wenn auch der Beamte der niedrigsten Besoldungsgruppe unterhalb der 115% liegt, dann stimmt was im System nicht (Verfassungswidrigkeit). Mehr als 115% signalisiert jedoch nicht die Angemessenheit der Besoldung.
Auf Seite 300 hier im Forum hat Swen das recht anschaulich erläutert (ab Noch einmal in Kürze....).
Wenn Dir allerdings dein Dienstherr einen Entwurf vorlegt und meint, 115% dessen was Du auch als Bürgergeldempfänger erhalten würdest ist angemessen und sollte Dir doch bitteschön reichen, dann sind wir vielleicht im Bereich der Wertschätzung- bzw. Anerkennung. Das ist aber etwas ganz anderes.
Auch wenn die Unterschreitung der 115%-Grenze direkt nur die Verfassungswidrigkeit aufgrund der Verletzung des absoluten Alimentationsschutzes indiziert und keine Aussage über die Amtsangemessenheit an sich trifft, so kann diese Grenze doch auch hinsichtlich des Themas Wertschätzung kritisiert werden.
Geht man mit dem Richterbund davon aus, dass sich diese Grenze ursprünglich auf einfachste Tätigkeiten bezieht, so wirkt sie aufgrund der Abschaffung der unteren Besoldungsgruppen mehr und mehr verstörend. Insoweit kann ich die Kritik nachvollziehen.
Und man wird hierauf eine Antwort hinsichtlich der Verortung in der Prüfung finden müssen. Im Vergleich zu dem Indiz der Vergleichbarkeit mit anderen Berufsgruppen dürfte eine Erhöhung der Anforderungen an das Indiz des Mindestabstands schärfer sein und für eine klarere Abgrenzung, auch prozessual, sorgen.
Oder aber es ist schließlich eine Frage der Begründetheit bzw. Amtsangemessenheit im engeren Sinne.
Hieran zeigt sich, dass sich alle Gesetzgeber systematisch in einer Sackgasse befinden. Vor allem, da sich bundesweit mittlerweile eine Vielzahl von Eingangsämtern finden lassen. Sollte es beim Bund die 115% für A3 geben, werden sich die Länder nicht mehr mit 115% für A7 retten können. Dann wäre wohl die Verfassungswidrigkeit diesbezüglich wohl ebenfalls indiziert, allerdings im Vergleich.
Beispiel:
Bund wahrt tatsächlich die 115% in A3, Land X wahrt die 115% in A7. Es liegen vollkommen unterschiedliche Mindestanforderungen an das Eingangsamt vor.
Bund gewährt damit Mindestalimentation, und evtl. ist die Alimentation auch amtsangemessen.
Land kann sich mit den 115% allenfalls über die Grenze Mindestalimentation retten, spätestens im Vergleich und bei der Amtsangemessenheit im engeren Sinne sollte dann Schluss sein.