Den Hinweis auf die Düsseldorfer-Tabelle verstehe ich nicht in Gänze; inbesondere die limitierende Funktion.
Dass ein Teil des Kinderbedarfes für die Kinder 1 und 2 in der Grundbesoldung inkludiert ist, hindert doch gerade nicht an der Anpassung des Familienzuschlags zur Erreichung der Mindestallimentation. Da im niedrigsten Amt die 115% beim Single überschritten wird, könnte der Besoldungsgetzgeber den Familenzuschlag bei Kind 1 und 2 entsprechend "reduziert" anpassen. Der "Rest" ist ja in der Grundversorgung bereits enthalten.
Es gibt keine Rechtsnorm, anhand derer die Aussage erhärtet werden könnte, dass ein unverheirateter Beamter ohne Kinder eine für ihn zu ermittelnde "Mindestalimentation" erreichte oder nicht. Da es keine entsprechenden Rechtsnormen gibt, sind solche Berechnungen juristisch gegenstandslos (vgl. in der genannten Untersuchung S. 23-25, 35 f.). Die Düsseldorfer Tabelle ist insofern heranzuziehen, um die Höhe familienbezogener Besoldungsbestandteile zu prüfen, und zwar - da allein diese normativ von Belang ist - für eine vierköpfige Familie. Die Summe aus dem Kindergeld und der familienbezogenen Besoldungsbestandteile darf dabei offensichtlich den Vergleichswert der Düsseldorfer Tabelle nicht überschreiten, weil dann in diesem Wert "familienneutrale" Besoldungsbestandteile inkludiert wären, die sachwidrig - da die Familienzuschläge eine Besoldungsdifferenzierung beinhaltet - Beamten ohne Kindern entzogen werden würden.
Zugleich muss die Besoldungsdifferenzierung sachlich begründet werden können; da aber die Familienzuschläge die Höhe der Bruttobesoldung für eine vierköpfige Familie nicht erhöhen, da nicht in die Familienzuschläge einfließende Bestandteile automatisch der Grundbesoldung zugeführt werden und damit dem verheirateten Beamten mit zwei Kindern in exakter Höhe zufließen, kann der sachliche Grund nur in einem geringen Maße mit dem Ziel der Personalkosteneinsparung begründet werden. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn das BVerfG in regelmäßiger Rechtsprechung hervorhebt, dass die zur Grundbesoldung hinzutretenden kinderbezogenen Gehaltsbestandteile erheblich unterhalb der Beträge bleiben können, die die Rechtsordnung als Regelsätze für den Kindesunterhalt als angemessen erachtet und veranschlagt (vgl. in der Untersuchung S. 38, dort auch mit Beleg). Deshalb wird in der genannten Untersuchung von dem mathematischen Nullsummenspiel gesprochen. Denn wenn alle Beamte amtsangemessen alimentiert werden, kann der Kindesunterhalt einer Familie mit einem oder zwei Kindern ganz überwiegend aus den allgemeinen, d.h. „familienneutralen“ Gehaltsbestandteilen bestritten werden, wie es das BVerfG direktiv verlangt (vgl. ebd.).
@ WasDennNun:
Das "Erkennen" ist ein juristisch komplizierter Begriff - denn da sich die Sozialgesetzgebung zunächst im Zuge der sog. Hartz-Reformen grundlegend gewandelt hat, hat sich auch - vereinfacht ausgedrückt - die Höhe der Sozialleistungen im Verlauf der letzten knapp 20 Jahre grundlegend verändert. Diesbezüglich ist vor allem das Wohngeldgesetz von Belang, dass es erst seit gut zwölf Jahren gibt und dass seitdem zurecht eine ständige Ausweitung erfahren hat, da sich die Unterkunftskosten insbesondere in den Agglomerationen im Verlauf der letzten rund zehn Jahren massiv verändert haben. Nicht umsonst geht das Statistische Bundesamt davon aus, dass beispielsweise in Berlin die Unterkunftskosten von 2009 nach 2019 um mehr als 100 % gestiegen sind (vgl. in der Untersuchung S. 28). Mit seiner aktuellen Entscheidung hat nun das BVerfG erstmals Direktiven entwickelt, die zwingend bei der Bemessung des Grundsicherungsicherungsniveaus als Vergleichsmaßstab zur Mindestalimentation beachtet werden müssen, um zu einem realitätsgerechten Ergebnis zu kommen. Dabei formuliert es mit dem 95 %-Perzentil nun eine Rechtsnorm, durch die das Faktum der nicht amtsangemessenen Alimentation "erkannt" wird. Hätte es das Perzentil als 40 oder 45 %-Perzentil formuliert, dann wäre die Alimentation heute womöglich in fast allen Bundesländern und im Bund "amtsangemessen". Da aber zwischen der Besoldung und der Grundsicherungsleistung ein qualitativer Unterschied herrscht, wäre ein solch niedriges Perzentil nicht mit dem Alimentationsprinzip in Einklang zu bringen. Insofern "entdeckt" das BVerfG den verfassungswidrigen Zustand, indem es erst entsprechende Rechtsnormen erstellt, mittels derer dieser Zustand als solcher vorhanden ist.
Und zugleich reagiert es damit auf Zustände, die - wie Du zuvor hervorgehoben hast - durch die weiteren Parameter der ersten Prüfungsstufe erhärtet werden. Nicht umsonst lässt sich zeigen, dass in Berlin heute die inflationsbereinigte Bruttobesoldung um über 9,5 Prozentpunkte unterhalb derer des Jahres 2000 liegt (vgl. ebd., S. 17) und dass die inflationstionsbereinigte Besoldungsentwicklung in Berlin gegenüber der inflationsbereinigten Lohnentwicklung zwischen 2007 und 2019 um knapp 17 Prozentpunkte zurückgeblieben ist (vgl. ebd., S. 20). Auch das macht verständlich, wieso die Berliner Nettoalimentation heute so extrem angehoben werden muss. Denn die in diesem Absatz genannten Werte betreffen eben nicht nur verheiratete Beamten mit zwei Kindern, sondern ausnahmslos alle Beamte. Deshalb können die evident sachwidrigen Bemessungsverfahren des Berliner Senats, die das Abgeordnetenhaus nun durch einen Beschluss ohne Enthaltungen und Gegenstimmen zur Grundlage eines offensichtlich vielfach rechtswidrigen Gesetzes gemacht hat, keinen Bestand vor der Verfassung haben, da sie grundgesetzgleiche Rechte von Beamten willkürlich missachten. Ich schätze mal, dass auch deshalb alle Abgeordneten im Vorfeld der Abstimmung von dem rechtswidrigen Charakter des Gesetzes in Kenntnis gesetzt worden sind:
https://www.berliner-besoldung.de/aktuelles/sie-wussten-was-sie-taten/