Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1468569 times)

Bastel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1095 am: 04.02.2021 11:07 »
In dieser Deutlichkeit war mir die Problematik (bei aller Affinität zum Thema) so nicht präsent.
Eine weitere Kennzahl, die vom Gesetzgeber verballhornt wurde:
Während das Einkommen der Beamten sich von 2002-2017 um 20,7% erhöhte,
erhöhte sich das Einkommen der Tarifbeschäftigte von 2002-2017 um 29,4%
Also -8,7% und reißt damit die 5% Marke.
Das ist der Gap, der meiner Meinung aufzuholen ist.
Daher denke ich dass man nicht umhin kommt die Grundbesoldung um ~5% anzuheben, damit diese (historische) Diskrepanz eingefangen wird.
Und den Rest bzgl. der 115% Marke kann via FamZuschlag erledigt werden.
Im Zeitraum  2006 bis 2020 gelangt der Senat zu dem Parameterwert von - 0,41, also aus Ihrer Sicht alles Palletti.

Man lässt einfach die richtig schlechten Jahre weg. So kann man es auch machen.

BStromberg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1096 am: 04.02.2021 12:27 »
In dieser Deutlichkeit war mir die Problematik (bei aller Affinität zum Thema) so nicht präsent.
Eine weitere Kennzahl, die vom Gesetzgeber verballhornt wurde:
Während das Einkommen der Beamten sich von 2002-2017 um 20,7% erhöhte,
erhöhte sich das Einkommen der Tarifbeschäftigte von 2002-2017 um 29,4%
Also -8,7% und reißt damit die 5% Marke.
Das ist der Gap, der meiner Meinung aufzuholen ist.
Daher denke ich dass man nicht umhin kommt die Grundbesoldung um ~5% anzuheben, damit diese (historische) Diskrepanz eingefangen wird.
Und den Rest bzgl. der 115% Marke kann via FamZuschlag erledigt werden.
Im Zeitraum  2006 bis 2020 gelangt der Senat zu dem Parameterwert von - 0,41, also aus Ihrer Sicht alles Palletti.

Klingt aus die Schnelle nach einem gangbaren Prozedere, wenn ich nichts grob aus den Augen verloren habe, was das BVerfG so alles ins Hausaufgabenbuch geschrieben hat.

+5% zzgl. erhöhte Kinderzuschläge RÜCKWIRKEND ab Einlegung meiner individuellen, mit Rechtsmitteln dargebrachten Beanstandung im Jahre 2008... holla die Waldfee... ich bestell schon mal 'nen Porsche  ;D
"Ich brauche Informationen.
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was_guckst_du

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1097 am: 04.02.2021 12:56 »
...eher wird mit Zweidrittelmehrheit das GG geändert und die Abschaffung des Berufsbeamtentums eingeläutet.. 8)
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1098 am: 04.02.2021 13:41 »
Die ganze Problematik hat ihren Ursprung darin, dass Regierungen und Gesetzgeber die vierköpfige Familie als Maßstab zugrundelegen. Wenn sie dies kippen – was geht, da es (noch) kein hergebrachter Grundsatz des Beamtentums ist –, muss man möglicherweise nicht viel ändern und könnte ggf. sogar sparen. Das bräuchte aber eine konzertierte Aktion aller Besoldungsgesetzgeber. Da trauen sie sich jedoch nicht ran, weil es dann einen "Shitstorm" der verheirateten Beamten und der Beamten mit Kindern geben würde, wie unsozial und familienunfreundlich der Staat doch ist. Dabei bekommt heutzutage außer den Beamten ja eigentlich kein Angestellter mehr "Ehe- und Fortpflanzungsprämien" als Lohn-/Gehaltsbestandteil.  ::)

Aufgrund des Allimetationsprinzips (das wohl kaum gekippt werden dürfte), hätten die Familien am Ende genauso viel.
Der Shitstorm käme wohl eher von den Singles, die dann auf einmal nur noch so viel bekommen bräuchten, dass es für sie alleine reicht statt für eine vierköpfige Familie... die Singles profitieren doch am meisten von der "Normfamilie".
Tun sie das tatsächlich? Familien bekommen vielfach zusätzliche staatliche Unterstützung, die nur teilweise bei der Berechnung des BVerfG Berücksichtigung findet. Und dann die ganze Steuerproblematik, die nur pauschal betrachtet wird.

Geboten ist durch das Alimentationsprinzip nach der Rechtsprechung nur die Versorgung des Beamten und die Sicherstellung von Unterhaltspflichten. Man könnte deshalb als Norm einen Beamten nehmen und dann durch Zuschläge dafür sorgen, dass er bei Nachweis seiner gesetzlich bestehenden Unterhaltspflichten diese erfüllen kann. Ob dann das gleiche für Familien herauskommt, bezweifle ich. Insbesondere ist der Ehegattenzuschlag kein hergebrachter Grundsatz. In der heutigen Zeit ist auch nicht mehr davon auszugehen, dass der typische Beamtenehegatte zuhause sitzt und sich um Haus und Hof kümmert, sondern dass er/sie ebenfalls Geld verdient und sich selbst versorgen kann.
Hintergrund: ALG II sieht für Verheiratete oder eheähnliche Gemeinschaften für jeden Partner 389 Euro (2020) vor, für den einzelnen jedoch 432 Euro. Der Bedarf wird deshalb um 346 Euro ALG-II-Satz (Differenz zwischen 2*389 Euro und 432 Euro), also 397,90 Euro (inkl. 15% Abstandsgebot) für den Ehegatten aufgebläht. Die Streichung des Ehegatten könnte deshalb schon einiges bewirken. Gleiches gälte für die Beschränkung auf die bestehenden Unterhaltspflichten. Daher kommt auch die Düsseldorfer Tabelle.

Die legislative und exekutive Gewalt können diese Bemessungsgrundlagen nicht "kippen", da sie dazu keine verfassungsrechtliche Handhabe haben. Einzig das BVErfG könnte entsprechende Rechtsnormen beschließen, wird das aber aus den genannten Gründen nicht tun, da das jursistisch widersinnig wäre. Die Besoldungsgesetzgeber sind folglich an die geltenden Rechtsnormen gebunden. Verstoßen sie gegen diese in evidenter Weise, ist das entsprechende Gesetz rechtswidrig. Das ist in Berlin offensichtlich auf Grundlage vielfach willkürlicher Bemessungen der Fall.
Doch haben sie. Siehe dazu BVerfG v. 04.05.2020, 2 BvL 4/18, Rn. 47 (vgl. auch BVerfG v. 04.05.2020, 2 BvL 6/17, Rn. 30): "[…] Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann, so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf (vgl. BVerfGE 44, 249 <272 f.>; 81, 363 <377 f.>; 99, 300 <315 f.>). Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung. Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 44, 249 <267>; 81, 363 <376>; 99, 300 <315>). Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen."

Und das BVerfG beschließt keine Normen. Es urteilt über die Verfassungsmäßigkeit von Handlungen der Legislativen und Exekutiven. Ein Verfassungsverstoß liegt auch nicht nur dann vor, wenn ein Gesetz evident gegen das Grundgesetz verstößt. Die Evidenz/Offensichtlichkeit der Nichtigkeit spielt bei der Betrachtung von Verwaltungsakten eine Rolle (vgl. § 44 VwVfG), nicht aber bei Gesetzen. Deine Ausführungen sind in der Regel nachvollziehbar, aber juristisch teilweise ungenau und – aus juristischer Sicht – eher polemisch verfasst. Ein bisschen mehr Genauigkeit hinsichtlich der Verwendung von Begriffen und der üblichen juristischen Argumentations- und Vorgehensweise sowie mehr Beachtung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Gewaltenteilung wäre wünschenswert.

Ok, das, was Du zur Polemik schreibt, kann man prinzipiell so sehen. Und auch ist das, was ich zur Norm geschrieben habe, an jenen Punkt nicht sinnvoll formuliert, auch da hast Du Recht - allerdings dürfte das in diesem Fall eher der Schneligkeit der Formulierung geschuldet gewesen sein, denke ich; denn ich meinte direktiv und nicht normativ, was ja nun auch auf der Hand liegt.

Darüber hinaus ist das, was Du darüber hinaus schreibst, so allgemein gehalten, dass es sinnvoll wäre, das am Einzelfall zu konkretisieren. Der Einzelfall wäre hier nun die direktiv zu begreifende Bemessungsgrundlage sowohl des sozialhilferechtlichen Grundsicherungsniveaus auf der einen und der Nettoalimentation auf der anderen Seite. Dein recht langes Zitat ist schön und gut, sinnvoll dürfte es nun aber sein, daraus in eigenen Worten präzise und konkrete Ableitungen zu tätigen, die Deine Ausgangsthese mit Leben füllte. Die sehe ich aber in dem, was Du schreibst, bislang nicht (vielleicht ist mir das entgangen). Also, mach's mal konkret, das würde mich interessieren...

@ WasDennNun, mit den Werten (eine rund 5 %-ige Anhebung der Grundbesoldung) wirst Du nicht ganz hinkommen, wie die angedeutete Gesamtbetrachtung in der Untersuchung zeigt (S. 7-21 und 47-50). Und was Du zu den Familienzuschlägen schreibst, wird durch ständiges Wiederholen nicht richtiger. Der von Dir anvisierte Weg ist, wie Du selbst leicht nachlesen kannst, so nicht gangbar, da die exorbitante Erhöhung von Familienzuschlägen nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen wäre.

WasDennNun

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1099 am: 04.02.2021 14:20 »
Die legislative und exekutive Gewalt können diese Bemessungsgrundlagen nicht "kippen", da sie dazu keine verfassungsrechtliche Handhabe haben. Einzig das BVErfG könnte entsprechende Rechtsnormen beschließen, wird das aber aus den genannten Gründen nicht tun, da das jursistisch widersinnig wäre.
Du behauptest also, das der Gesetzgeber nicht die zukünftige Besoldungsstruktur radikal und grundlegend auf der Basis des GG ändern kann/darf?

Er dürfte also nicht ein gut begründetes, komplett neues Gesetz zur Besoldung konstruieren, in dem er eine GrundbesoldungV2 als die reine Grundbesoldung für einen Single deklariert und alle! familiennotwendigen Alimentationsanteile als solche spezifiziert.?



WasDennNun

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1100 am: 04.02.2021 14:22 »
In dieser Deutlichkeit war mir die Problematik (bei aller Affinität zum Thema) so nicht präsent.
Eine weitere Kennzahl, die vom Gesetzgeber verballhornt wurde:
Während das Einkommen der Beamten sich von 2002-2017 um 20,7% erhöhte,
erhöhte sich das Einkommen der Tarifbeschäftigte von 2002-2017 um 29,4%
Also -8,7% und reißt damit die 5% Marke.
Das ist der Gap, der meiner Meinung aufzuholen ist.
Daher denke ich dass man nicht umhin kommt die Grundbesoldung um ~5% anzuheben, damit diese (historische) Diskrepanz eingefangen wird.
Und den Rest bzgl. der 115% Marke kann via FamZuschlag erledigt werden.
Im Zeitraum  2006 bis 2020 gelangt der Senat zu dem Parameterwert von - 0,41, also aus Ihrer Sicht alles Palletti.

Man lässt einfach die richtig schlechten Jahre weg. So kann man es auch machen.
Ne, dass kommt später, die Nuller Jahre sind da ja noch drin.
Der Gap zwischen Tarif und Beamte ist ja massgeblich durch die Streichung der JSZ entstanden, ansonsten kommt man ja da auf den <1% Unterschied.

WasDennNun

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« Antwort #1101 am: 04.02.2021 14:27 »
Der von Dir anvisierte Weg ist, wie Du selbst leicht nachlesen kannst, so nicht gangbar,
Wir werden sehen, zumindest laufen ja bisher alle der kläglichen Versuche der Gesetzgeber in der von mir skizierten Richtung, schauen wir mal wann endlich mal eine Gestz kommt, welches handwerklich vernünftig gemacht wird.

 
Zitat
da die exorbitante Erhöhung von Familienzuschlägen nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen wäre.
Seltsam, dass aber das BVerG eben eine solche Exobitante Erhöhung von Familienzuschläge fordert.

WasDennNun

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1102 am: 04.02.2021 14:30 »
@ WasDennNun, mit den Werten (eine rund 5 %-ige Anhebung der Grundbesoldung) wirst Du nicht ganz hinkommen, wie die angedeutete Gesamtbetrachtung in der Untersuchung zeigt (S. 7-21 und 47-50).
Welcher Betrag ist denn notwendig für die Erfüllung der 5 Prüfschritte ?
7%?

Also unabhängig von der Erhöhung der Mindestalimenation wg.115% Grenze.



Bastel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1103 am: 04.02.2021 14:42 »
In dieser Deutlichkeit war mir die Problematik (bei aller Affinität zum Thema) so nicht präsent.
Eine weitere Kennzahl, die vom Gesetzgeber verballhornt wurde:
Während das Einkommen der Beamten sich von 2002-2017 um 20,7% erhöhte,
erhöhte sich das Einkommen der Tarifbeschäftigte von 2002-2017 um 29,4%
Also -8,7% und reißt damit die 5% Marke.
Das ist der Gap, der meiner Meinung aufzuholen ist.
Daher denke ich dass man nicht umhin kommt die Grundbesoldung um ~5% anzuheben, damit diese (historische) Diskrepanz eingefangen wird.
Und den Rest bzgl. der 115% Marke kann via FamZuschlag erledigt werden.
Im Zeitraum  2006 bis 2020 gelangt der Senat zu dem Parameterwert von - 0,41, also aus Ihrer Sicht alles Palletti.

Man lässt einfach die richtig schlechten Jahre weg. So kann man es auch machen.
Ne, dass kommt später, die Nuller Jahre sind da ja noch drin.
Der Gap zwischen Tarif und Beamte ist ja massgeblich durch die Streichung der JSZ entstanden, ansonsten kommt man ja da auf den <1% Unterschied.

Ok, stimmt. Richtig abgehängt wurde der ÖD nach der Finanzkrise.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1104 am: 04.02.2021 14:46 »
Die legislative und exekutive Gewalt können diese Bemessungsgrundlagen nicht "kippen", da sie dazu keine verfassungsrechtliche Handhabe haben. Einzig das BVErfG könnte entsprechende Rechtsnormen beschließen, wird das aber aus den genannten Gründen nicht tun, da das jursistisch widersinnig wäre.
Du behauptest also, das der Gesetzgeber nicht die zukünftige Besoldungsstruktur radikal und grundlegend auf der Basis des GG ändern kann/darf?

Er dürfte also nicht ein gut begründetes, komplett neues Gesetz zur Besoldung konstruieren, in dem er eine GrundbesoldungV2 als die reine Grundbesoldung für einen Single deklariert und alle! familiennotwendigen Alimentationsanteile als solche spezifiziert.?

"Innerhalb seines weiten Spielraums politischen Ermessens darf der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen" (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, Rn. 148). Dabei hat er aber die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu beachten. Einer dieser Grundsätze ist das 15 %-ige Mindestabstandsgebot. Jenes wird direktiv an der vierköpfigen Familie bemessen. Andere entsprechende Direktiven gibt es nicht. Was sollte "gut begründet" werden, wenn es für eine entsprechende Begründung keine judikative Grundlage gibt?

Es geht also nicht um eine "gute Begründung", sondern um eine sachliche. Und für eine sachliche Begründung hat der Besoldungsgesetzgeber mit der Dogmatik des BVerfG zum Alimentationsprinzip alle für ihn nötigen Voraussetzungen zur Hand. Er muss die Direktiven des BVerfG einfach nur beachten und dann innerhalb seines weiten Ermessensspielraum eine amtsangemessene Alimentation gewähren. Das ist nicht sonderlich schwierig - im Ergebnis nur ungleich teurer als eine nicht amtsangemessene Alimentation auf Grundlage evident unsachgemäßer Bemessungsverfahren.

SwenTanortsch

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« Antwort #1105 am: 04.02.2021 15:04 »
Der von Dir anvisierte Weg ist, wie Du selbst leicht nachlesen kannst, so nicht gangbar,
Wir werden sehen, zumindest laufen ja bisher alle der kläglichen Versuche der Gesetzgeber in der von mir skizierten Richtung, schauen wir mal wann endlich mal eine Gestz kommt, welches handwerklich vernünftig gemacht wird.

 
Zitat
da die exorbitante Erhöhung von Familienzuschlägen nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen wäre.
Seltsam, dass aber das BVerG eben eine solche Exobitante Erhöhung von Familienzuschläge fordert.

Es fordert sie nicht, sondern es ermöglicht sie - und das ist auch ganz logisch, da die Düsseldorfer Tabelle nach dem Nettoeinkommen gestaffelt ist. Sobald die Alimentation als solche deutlich steigt, steigt auch der Anspruch an Kindesunterhalt. Insofern macht das BVerfG die Besoldungsgesetzgeber darauf aufmerksam, dass das nötige höhere Alimentationsniveau ebenfalls höhere Familienzuschläge ermöglicht - oder genauer: dass ein deutlich höheres Alimentationsniveau - für 2015 muss die Alimentation laut BVerfG (vgl. aktuell unter Rn. 154) um knapp 40 % angehoben werden (sie ist rund 28 % zu gering bemessen) - eine deutliche höher Familienzulage ermöglicht (nichts anderes wird in Rn. 47 gesagt; von daher bin ich gespannt, was lumer schreiben wird). Das ist insofern so folgerichtig wie banal.

Und darüber hinaus gilt das, was ich gerade zuvor geschrieben habe. Du wirst also auch nicht mit 7 % Erhöhung der Grundbesoldung hinkommen - wenn man den direktiven Rahmen zu Grunde legt, wird die Alimentationserhöhung in Berlin für 2021 kaum niedriger liegen als 2015, was ja auch wenig verwundert, weil seit 2015 die Zeit weitergelaufen ist, die Alimentation aber nicht erhöht wurde - und jene knapp 40 % wirst man eben nur zu einem recht geringen Teil über deutlich höhere Familienzuschläge ausgleichen können - denn trotz dieser exorbitanten Zuschläge ist die Nettoalimentation in der Besoldungsgruppe A 5 für einen verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der sich in der ersten Erfahrungsstufe befindet, noch immer um knapp 10.000,- zu gering bemessen (vgl. in der Untersuchung auf der S. 34 f.).

WasDennNun

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« Antwort #1106 am: 04.02.2021 15:42 »
Und für eine sachliche Begründung hat der Besoldungsgesetzgeber mit der Dogmatik des BVerfG zum Alimentationsprinzip alle für ihn nötigen Voraussetzungen zur Hand. Er muss die Direktiven des BVerfG einfach nur beachten und dann innerhalb seines weiten Ermessensspielraum eine amtsangemessene Alimentation gewähren. Das ist nicht sonderlich schwierig - im Ergebnis nur ungleich teurer als eine nicht amtsangemessene Alimentation auf Grundlage evident unsachgemäßer Bemessungsverfahren.
und das kann im Ergebnis sein, dass er bei einer neuen Besoldungssystematik die GrundbesoldungV2 komplett an einen Single ausrichtet könnte.

Und nein das BVerG er fordert ein exobitante Erhöhung von Familienzuschläge für die Kinder 3+, da er fordert, dass Netto für die 4K+ Familie gleich viel über bleiben muss.


Also welche Erhöhung der Grundbesoldung (von den genannten 40%) wäre denn deiner Meinung nach das Minimum was mit dem GG vereinbar wäre?


SwenTanortsch

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« Antwort #1107 am: 04.02.2021 16:10 »
Und für eine sachliche Begründung hat der Besoldungsgesetzgeber mit der Dogmatik des BVerfG zum Alimentationsprinzip alle für ihn nötigen Voraussetzungen zur Hand. Er muss die Direktiven des BVerfG einfach nur beachten und dann innerhalb seines weiten Ermessensspielraum eine amtsangemessene Alimentation gewähren. Das ist nicht sonderlich schwierig - im Ergebnis nur ungleich teurer als eine nicht amtsangemessene Alimentation auf Grundlage evident unsachgemäßer Bemessungsverfahren.
1. und das kann im Ergebnis sein, dass er bei einer neuen Besoldungssystematik die GrundbesoldungV2 komplett an einen Single ausrichtet könnte.

2.Und nein das BVerG er fordert ein exobitante Erhöhung von Familienzuschläge für die Kinder 3+, da er fordert, dass Netto für die 4K+ Familie gleich viel über bleiben muss.


3: Also welche Erhöhung der Grundbesoldung (von den genannten 40%) wäre denn deiner Meinung nach das Minimum was mit dem GG vereinbar wäre?

zu 1: Nein, das ist für sich genommen - wie auch schon in der Vergangenheit vielfach dargelegt - nicht möglich. Durch permantene Wiederholung Deiner Vorstellung und ohne Beachtung der zu Grunde zu legenden BVerfG-Judikatur wird's nicht richtiger.

zu 2: Das ist richtig, hier aber nicht unsere Thema, weil es nichts mit der aktuellen Entscheidung 2 BvL 4/18 und damit ebenfalls nichts mit der Frage des zukünftigen Alimentationsniveaus, sondern nur mit der Frage der Familienzuschläge ab dem dritten Kind zu tun hat.

zu 3: Das kann man nicht allgemein sagen, sondern ist von den realitätsgerecht zu beachtenden Umständen in den einzelnen Bundesländern abhängig, da das BVerfG entsprechende Bemessungen von jedem Besoldungsgesetzgeber fordert. Für Berlin habe ich am letzten Wochenende mal entsprechende Berechnungen überschlagsmäßig angestellt, bin aber noch zu keinem Ende gekommen, weil andere Pflichten Vorrang haben. Wenn ich das genau genug betrachtet habe, werde ich auf Deine Frage auch mit der Darlegung der entsprechenden Werte zurückkommen. So viel ist aber ohne genauer Berechnung deutlich: Die Grundbesoldung wird deutlich steigen müssen, wodurch auch die Familienzuschläge deutlich steigen können. Was allerdings sachlich nicht möglich ist, ist, nur die Familienzuschläge deutlich anzuheben, um so keine oder eine nur marginale Anhebung der Grundbesoldung zu vollziehen (und das ist Berlin noch einmal deutlich stärker als in anderen Ländern nicht möglich, da Berlin keine mit der Mindestalimentation in einem mittelbaren Zusammhang stehende Besoldungsdifferenzierung anhand von Ortzuschlägen vollziehen kann).

WasDennNun

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« Antwort #1108 am: 04.02.2021 16:40 »
zu 1.) Tja, geht mir halt nicht in den Kopf, dass der Gesetzgeber eine Systematik nicht ändern darf, obwohl sie mit dem Grundgesetz vereinbar wäre.
Ich verstehen halt nicht warum eine Besoldungssystematik, die von einer Grundbesoldung ausgeht, die nur den Single betrachtet vom BVerG verboten wird.
Wenn man diese Systematik mit dem ersten Besoldungsgesetz so gemacht hätte, wäre sie damals doch nicht verboten gewesen? oder doch?
Ist halt gruselig für mich, wenn dem so ist, dass man alte Zöpfe nicht abschneiden darf, nur weil man es bisher so gemacht hat und die BVerG Urteile auf diese beruhen und es ja nicht angehen kann, dass man jetzt einen anderen Weg einschlägt.


zu 3.) da bin ich gespannt
Um mit den Tarifbeschäftigten gleichzuziehen braucht es ja eine Erhöhung der Grundbesoldung um ~ 8% - 9%
(primär wg.JSZ, also könnte man die ja wieder einführen und alles wäre gut)
Nominallohnindex ist glaube ich ein paar % da drüber.


SwenTanortsch

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« Antwort #1109 am: 04.02.2021 17:21 »
zu 1.) Tja, geht mir halt nicht in den Kopf, dass der Gesetzgeber eine Systematik nicht ändern darf, obwohl sie mit dem Grundgesetz vereinbar wäre.
Ich verstehen halt nicht warum eine Besoldungssystematik, die von einer Grundbesoldung ausgeht, die nur den Single betrachtet vom BVerG verboten wird.
Wenn man diese Systematik mit dem ersten Besoldungsgesetz so gemacht hätte, wäre sie damals doch nicht verboten gewesen? oder doch?
Ist halt gruselig für mich, wenn dem so ist, dass man alte Zöpfe nicht abschneiden darf, nur weil man es bisher so gemacht hat und die BVerG Urteile auf diese beruhen und es ja nicht angehen kann, dass man jetzt einen anderen Weg einschlägt.


zu 3.) da bin ich gespannt
Um mit den Tarifbeschäftigten gleichzuziehen braucht es ja eine Erhöhung der Grundbesoldung um ~ 8% - 9%
(primär wg.JSZ, also könnte man die ja wieder einführen und alles wäre gut)
Nominallohnindex ist glaube ich ein paar % da drüber.

Zu 1) Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums binden nun einmal sowohl die Dienstherrn wie auch die einzelnen Beamten; "Rosinenpicken" ist beiden nicht gestattet (vgl. zuletzt BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12 -, Rn. 13, 98, 158).

Zu 3) Die in Berlin notwendige Erhöhung der Grundbesoldung wird eher - schätze ich - im Bereich von 40 % und nicht im Bereich von 8 bis 9 % liegen, was unmittelbar mit der Explosion der Unterkunftskosten zu tun hat, die sich von 2009 bis 2019 in Berlin mehr als verdoppelt haben. Damit hat sich ein deutlich höherer in der Realität vollzogener Anspruch für Grundsicherungsempfänger ergeben, der nun durch den Bezug der Mindestalimentation zum Grundsicherungsniveau auf die zu gewährende Nettoalimentation zurückschlägt. Das Land Berlin hat übrigens alle Möglichkeiten (in den letzten zwei Jahrzehnten nicht gänzlich unsystematisch versäumt), die entsprechenden Unterkunftskosten zu senken, indem es für ein ausreichendes Angebot an Sozialwohnungen sorgte, was durch die genannte Beziehung von Grundsicherung und Mindestalimentation auch auf die zu gewährende Netoalimentationshöhe zurückwirkte. Unwirksame Alibipolitik führt halt zumeist dazu, dass einem irgendwann die Probleme vor die Füße fallen - und das dürfte nicht nur in Berlin so sein...