...Fakt ist, es stehen verschiedene verfassungsgerichtliche Entscheidungen im Raum, die die Politik im Rahmen ihrer Besoldungsgesetzgebung umsetzen muss..in welcher Form sie dies versucht, haben wird ja bereits an einigen Beispielen gesehen...in keinem Beispiel, zeigt sich eine Erhöhung der Alimentation durch die ganze Bandbreite der Besoldung ohne Rücksicht auf den jeweiligen Familienstand...von Abstandgeboten ist nie die Rede..
...natürlich geht "mehr immer", aber ich persönlich würde es in meinem Fall absurd finden, wenn ich, der ich bereits verwundert feststellen musste, dass ich zu den oberen 10% gehöre, die noch vom Solidaritätszuschlag berührt werden, verfassungsrechtlich als unteralimentiert gelten würde...das passt doch hinten und vorne nicht...
...wenn es aber gleichwohl so wäre, sehe ich die eigentliche "Sprengkraft" der verfassungsrechtlichen Urteile in dem Umstand, dass diese Entscheidungen die Tür zur Abschaffung des Berufsbeamtentum aufgestoßen haben...
...was wäre denn in einem solchen Fall wohl von einer Rot-Grün-Roten Bundesregierung (die Gefahr besteht ja mittlerweile) zu erwarten?....ich denke, es gäbe dann Bestrebungen zur Änderung von grundgesetzlichen Regelungen...und die Öffentlichkeit würde dazu laut klatschen
Ich sehe das meiste, was du schreibst, genauso - nicht zuletzt auch mit Blick auf meine eigene Alimentation, wobei ich mich zugleich auch frage (Niedersachsen ist seit recht langer Zeit nicht gerade auch in den höheren Gehaltsgruppen ein Hochbesolder), wie es anders sein könnte. Gefühlsmäßig geht's da wohl auch eher um die Wertschätzung, Arbeitsbelastung und Qualität und weniger um's Geld: Denn was nix kostet, ist in Deutschland bekanntlich leider zumeist auch nix wert. Solange man uns unteralimentieren kann (weil man es kann), wird man auch in anderen Bereichen schauen, was dort geht (weil man es kann). Darüber hinaus wird die Qualität unserer Arbeit seit Jahren nicht besser, weil auch hier entgrenzt immer mehr draufgepackt wurde und wird. Und zugleich ist es einfach unanständig, die unteren Besoldungsgruppen in dieser Art und Weise auszubeuten, wie das seit mindestens 15 Jahren ausnahmslos geschieht.
Letztlich geht's also insbesondere um Entgrenzung, so wie in den meisten anderen gesellschaftlichen (und ökonomischen) Bereichen auch - und von daher dürfte sicherlich einiges Interesse auch in verschiedenen politischen Richtungen vorhanden sein, dem Beamtentum ans Schlafittchen zu gehen. Andererseits hat das BVerfG mit seiner Entscheidung zum Streikverbot (BVerfG, Urt. v. 12.6.2018, 2 BvR 1738/12) das Beamtentum noch einmal besonders gestärkt (das habe ich im Sommer 2018 noch anders gesehen; über die Beschäftigung mit der Besoldungsmaterie hat sich hier mein Bild grundlegend gewandelt), indem es die Einheit des einen Beamtentums in den Mittelpunkt gerückt, also entschieden hat, dass es nicht ein Beamtentum erster und zweiter Ordnung gibt. Abschaffen lässt sich das eine Beamtentum nicht so einfach bzw. gar nicht, da es nicht zuletzt in Art. 33 GG verbrieft ist und als Einheit nicht so einfach an ihm herumgebrochen werden kann. Denn da die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern aufeinander bezogen sind, ist der politische Spielraum mit Blick auf das eine Berufsbeamtentum arg begrenzt, was anders wäre, würde es eines erster und zweiter Ordnung geben.
Und schließlich wird sich auf Dauer auch die Grundbesoldung zurechtruckeln, da die Politik zwar nicht nur jetzt, sondern auch zukünftig versuchen wird, Schlupflöcher auf Schlupflöcher zu finden - diese werden aber, wenn sie verfassungsrechtlich so offensichtlich unsinnig vollzogen und zugleich zumeist auch noch so schlampig prozeduralisiert werden, wie das derzeit der Fall ist, nach und nach vom Bundesverfassungsgericht geschlossen werden. Irgendwann wird der Punkt kommen, wo sich die Politik wird fragen müssen, wie sehr sie sich selbst zukünftige Handlungsoptionen verstellt, indem sie das BVerfG immer weiter zwingt, immer kleinschrittigere Vorgaben machen zu müssen, da es von ihr gezwungen wird, über den ganzen Unsinn zu entscheiden, der da in Vergangenheit und Gegenwart produziert wurde und wird. Das haben nach 2015 bereits 2017 Sachsen (BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvR 883/14), 2018 Baden-Württemberg (BVerfG, Urt. v. 16.10.2018, 2 BvL 2/17) und nun 2020 Berlin zu spüren bekommen - und damit alle anderen Länder ebenfalls. Und das werden im Verlauf des nächsten Jahres mindestens Berlin, höchstwahrscheinlich aber auch noch andere Länder erfahren; und da auch jene Entscheidungen Recht setzen werden, werden davon erneut ebenfalls alle Besoldungsgesetzgeber betroffen sein.
Einer Politikergeneration unseren Alters kann das eventuell noch egal sein, da sie zunehmend eine große Zukunft hinter sich hat - in jüngeren Generationen wird sich eventuell dann im Verlauf der nächsten Jahre nach und nach die Einsicht durchsetzen, dass offensichtlich gezielt verfassungswidrige Entscheidungen ihnen ihre eigene gegerwärtige und zukünftige Gestaltungsmöglichkeiten raubt, sodass sie sich (oder Teile von ihnen) aus rein pragmatischen Gründen zunehmend wird lossagen müssen. Wären Bund und Länder nach 2015 nicht so borniert gewesen, in Kontinuität weitgehend weiter zu machen wie zuvor, sondern hätten wenige, aber schlüssige Korrekturen vorgenommen, dann hätte das BVerfG 2020 kaum so dezidierte Vorgaben zur Bemessung von Grundsicherung, Mindest- und Nettoalimentation gemacht, wie sie sie nun gemacht hat. Wenn die Politik also so weitermacht als wie zuvor, wird's ihr eine Freude werden, was das BVerfG in Zukunft noch alles entscheiden wird, so ist zu vermuten...