Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2670036 times)

HansGeorg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3030 am: 20.01.2022 08:59 »
Naja die die das Ausbaden sitzen im DLZP und im AIT und die gehören nachgeordnet zum FM.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3031 am: 20.01.2022 10:40 »
Ausbaden müssen das aber eventuell auch alle weiteren Minsterien, da der Verwaltungsaufwand zwar im Dienstleistungszentrum Personal zusammenlaufen wird (s. SH-Drs. 19/3428, S. 9). Jedoch ist anzunehmen, dass in den einzelnen Dienststellen ein Vorsortieren der jeweiligen Anträge zur entsprechenden Entlastung des Dienstleistungszentrums vollzogen werden wird. Hierzu müssten entsprechende Verwaltungsvorschriften erstellt werden. Darüber hinaus geht es durch die geplante Neuregelung im Hinblick auf die Ehepartner und ggf. zum Familieneinkommen beitragenden Kinder um die Persönlichkeitsrechte dritter, die in keinem unmittelbaren Verhältnis zum Land stehen. Es ist also davon auszugehen, dass an irgendeiner Stelle des Landesdiensts der Frust losbricht und dann irgendwann den Weg in die Medien findet. Diese werden aber nicht unbedingt die 200 Seiten hier oder vertiefende juristische Literatur lesen, sondern den Umstand so darlegen, wie er sich und wo er sich ihnen zeigt.

Ich würde dann nicht unbedingt gerne Innenministerin sein, wenn der Frust sich bei der Polizei Bahn bricht, oder Kultusministerin, wenn's im schulischen Verantwortungsbereich losginge usw. Entsprechende Schlagzeilen im Vorfeld des 8. Mais dürfte das Wahlvolk eventuell nicht goutieren, da ja rund 50 % der Betroffenen (sofern die Kinder ausgenommen werden, was allerdings aus Gleichheitsgründen eventuell nicht möglich sein könnte) keine Beamten sind - und rund 50 %, weil es weiterhin auch Ehepaare gibt, die beide Landesbeamte (oder dem Besoldungsgesetz als weitere Beamte unterworfen sind). Insbesondere auf die Klärung, wie nun mit ihnen verfahren wird, die beide für sich das grundgesetzgleiche Recht auf eine amtsangemessene Alimentation haben, bin ich weiterhin gespannt.

Aber sicherlich sehe ich zu schwarz und stattdessen wird die Berichterstattung ganz bestimmt - jedenfalls in der Vorstellung des Finanzministeriums - etwa so verlaufen (Dithmarscher Landeszeitung vom 05.03.2023):

"Der Student Max B. (23) arbeitet zum 2.3.2023 weit über die Hälfte des Jahres für umsonst. Nach einem romantischen Flitterwochenende an unserer schönen Ostseeküste ist das glücklich Paar nun wieder zurück im trauten Heim. Max B.: 'Klar hätten wir uns nach unserer Heirat längere Flitterwochen gewünscht und wären echt gerne auch etwas länger und weiter weggefahren. Aber jetzt nach unserer Heirat können wir uns das nicht mehr leisten, weil sich unser Einkommen nach der Heirat total verringert hat. Aber ich liebe meine Frau Lydia dennoch, sie kann ja nichts dafür, dass sie Beamtin geworden ist.' Zum Hintergrund: Max B. studiert im siebten Semester im Masterstudiengang BWL und hofft, in der Regelstudienzeit durchzukommen. Das ist auch dringend nötig, da ihm nun nach seiner Heirat ein Großteil der vorherigen Verdienste als Fahrradkurier verloren geht. 'Natürlich ist das auch doof gerade für unsere kleine Lucia, die jetzt mit uns in eine deutlich kleinere Ein-Zimmer-Wohnung ziehen muss, da wir anders die Miete nicht mehr stemmen können. Aber wenn ich erst fertig mit meinem Studium bin, wird es für uns bestimmt besser und vielleicht macht ja meine Frau doch noch irgendwann was Richtiges, jetzt wo überall gut qualifizierte Leute gesucht werden.' Zum Hintergrund: In Schleswig-Holstein hat der Landtag per Gesetz festgelegt, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, weshalb hier nun neuerdings verheiratete Paare über ein deutlich geringeres Familieneinkommen verfügen als unverheiratete - jedenfalls wenn einer der beiden Beamter ist. Max B.: 'Klar ist das doof in unserem Freundeskreis, dass sich gerade die ganzen Kolleginnen und Kollegen meiner Frau scheiden lassen, weil sie sich wegen der überall steigenden Kosten den Luxus einer Ehe einfach nicht mehr leisten können. Aber man kann ja auch unverheiratet glücklich sein.' Auf Rückfrage hat uns die Landesregierung mitgeteilt, dass sie diesbezüglich leider nichts tun könne. Sie würde gerne die steuerrechtlichen Voraussetzungen ändern, dass irgendwann auch für Beamte wieder eine Ehe erschwinglich werden könnte. Finanzministerin Heinold: 'Aber wir haben als Landesregierung nur einen geringen Einfluss auf die Steuergesetzgebung, die vor allem vom Bund bestimmt wird. Deshalb raten wir allen Beamten im Land, suchen Sie sich doch einen netten Partner in ihrer Dienststelle. Denn Vollbeamtenehen müssen wir wegen der Rechtslage anders betrachten als Halbbeamtenehen. Damit unterscheidet sich Schleswig-Holstein von allen anderen Bundesländern, was es nur umso attraktiver macht, hier an der begehrten Küste in ein Dienstverhältnis einzutreten.' Und so sieht das auch das glücklich vermählte Paar mit ihrer kleinen Lucia. Max B.: 'Ich kann das ebenfalls nur unterstützen, meine Frau ist ganz happy und hofft, dass die Landesregierung vielleicht bald auch schon wöchentlich zwei Busfahrkarten unentgeltlich als Qualitätsoffensive zur Verfügung stellt'. Lydia B.: 'Das wäre so toll, wenn ich jetzt nur noch vier Mal die Woche die 30 Kilometer zu Fuß zu meiner Dienststelle laufen müsste. Aber wenigstens spare wir so auch die Kosten für's Fitnessstudio. Man kann das nicht anders sagen, aber die Planungen der Landesregierung sind schon echt durchdacht.' Und so sieht das glückliche Halbbeamtenehepaar der Zukunft doch hoffnungsvoll entgegen, wie auch die Kommunen ebenso glücklich wegen der mit einem Mal sprunghaft gestiegenen Bewerberzahlen sind, über die wir hier in der nächsten Woche berichten werden."

Finanzer

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3032 am: 20.01.2022 11:09 »
@SvenT: und ein weiterer Kaffee, der dank Ihnen über mein Handy gekippt habe. Köstlich der Beitrag ;D

Ich fürchte nur, das ein nicht geringer Anteil der Beamten selbst dies mit sich machen lassen würde.

Bastel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3033 am: 20.01.2022 11:22 »
Halbbeamtenehepaar... Der Brüller ;D

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3034 am: 20.01.2022 11:42 »
Soweit ich mich erinnern kann, haben die Verbände zu dem Gesetzentwurf bereits Stellung genommen und leider in ihren Stellungnahmen nie klar zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzentwurf verfassungswidrig ist. Da frage ich mich schon, haben die kein geeignetes Personal um so einen Gesetzentwurf auf Verfassungsmäßigkeit zu prüfen? Das finde ich echt schwach, und in der Berichterstattung des Sachvortrages wird dann immer schön darauf hingewiesen, dass die Verbände keine Verfassungswidrigkeit festgestellt haben und sind damit schön aus dem Schneider.

HansGeorg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3035 am: 20.01.2022 12:16 »
Hier in SH sind die Verbände leider Handzahm. Im wesentlichen profilieren die sich über den Kampf um das Weihnachtsgeld für Beamte und das schon ewig, ohne Erfolg.

Malkav

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3036 am: 20.01.2022 14:44 »
Dem Vorwurf an die Verbände guten Gewissens widersprechen. Im FM interessieren die kritischen Argumente nur niemanden, weil man so oder so fest mit entsprechenden Klagen rechnet. Dass es nur darum geht Zeit zu gewinnen und sich möglichst viele Ansprüche durch unterbleibender zeitnaher Geltendmachung zu entledigen, dürfte mittlerweile jedem der Beteiligten klar sein.

Ich glaube zumindest nicht, dass alle Mitglieder des Finanzausschusses individuell (ohne Input von außen) aufgrund einer eigenen intensiven juristischen Prüfung verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dem Regierungsentwurf entwickelt hätten  ;)

semper fi

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3037 am: 20.01.2022 14:52 »
@SvenTanortsch

Sehr, sehr geil. Kann das nicht anders sagen. Ich als Sarkasmusfreund habe mich köstlich über diesen sehr guten Text amüsiert. Gut, ich konnte das auch, weil ich meinen Dienst nicht in SH verrichte. Die Kollegen in SH, insbesondere die, die "Halbbeamtenehen" führen, tun mir aber sehr leid. Ich würde ja sagen kommt her und wechselt nach Thüringen aber hier ist die Sachlage jetzt auch nicht ganz so pralle.

Man muss sich schon des Öfteren Fragen, was zum Teufel nehmen die Gesetzgeber eigentlich für Drogen? Und vor allem, wo bekomme ich die? Einmal in meinem Leben, nur einen einzigen Tag lang, möchte ich auch auf so einem Trip sein, wie die es scheinbar eine ganze Legislaturperiode durchweg sind.

Das kann man sich eigentlich gar nicht alles ausdenken. Das ist alles so wirr, hohl und unsagbar dämlich, dass ich mir echt um den Geisteszustand der Verantwortlichen Sorgen mache. Kenne mich in der Landesgesetzgebung von SH nicht aus aber in den meisten Bundesländern ist Voraussetzung für die Wählbarkeit in den Landtag, dass man 18 Jahre alt ist, Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt im Land haben muss und die Wählbarkeit darf nicht durch Richterspruch aberkannt werden. Ich gehe aufgrund des Gesetzesentwurfs in SH davon aus, dass dort als zusätzliche Voraussetzung ein IQ zwischen 20 und 40 vorhanden sein muss, keines Falls darüber hinaus. Es sei denn man will Finanzminister werden, da reicht auch ein IQ in der nähe von Toastbrot. Wenn man also nicht unfallfrei aus dem Bus winken kann, dann ist man prädestiniert für einen Posten im Landtag von Schleswig-Holstein.

Wobei, wenn ich mich so im thüringischen Landtag umschaue, dann hat Thüringen diese Regelung wahrscheinlich übernommen.

Es bleibt zu hoffen, dass eines Tages Hirn vom Himmel regnet und unsere Gesetzgeber an diesem Tag keinen Regenschirm dabei haben.

Willi1967

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3038 am: 21.01.2022 08:37 »
Hallo zusammen!
Ich frage mich, ob die Berechnungen des Bundesverfassungsgerichts nicht ggf. auch die Berechnungsgrundlage für Beamte haben im Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit indirekt betrifft.
Müsste nicht auch die Mindestversorgung neu festgelegt werden und ggf. die Berechnung der darüberliegenden Ansprüche neu gestaltet werden?
Swen, kannst Du dazu vielleicht etwas sagen?

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3039 am: 21.01.2022 16:51 »
Hallo zusammen!
Ich frage mich, ob die Berechnungen des Bundesverfassungsgerichts nicht ggf. auch die Berechnungsgrundlage für Beamte haben im Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit indirekt betrifft.
Müsste nicht auch die Mindestversorgung neu festgelegt werden und ggf. die Berechnung der darüberliegenden Ansprüche neu gestaltet werden?
Swen, kannst Du dazu vielleicht etwas sagen?

Die Frage hinreichend zu beantworten, ist höchstwahrscheinlich nicht so einfach möglich, da es bislang keine konkrete Direktiven seitens des BVerfG gibt, wie hinsichtlich der Versorgung zu verfahren ist. Ich denke aber, dass es von der Struktur her wie folgt argumentieren dürfte. Es ist ist sicherzustellen, dass der im aktiven Dienst stehende Beamte amtsangemessen alimentiert wird. Sofern das der Fall ist, steht es dem Besoldungsgesetzgeber zu, auf dieser Basis Versorgungsempfänger geringer zu alimentieren, da davon auszugehen ist, dass im Regelfall die Kinder betreffenden Unterhaltspflichten nicht mehr gegeben sind (die betreffenden Unterhaltspflichten waren zuvor weit überwiegend aus der Grundbesoldung zu verrichten, was bei der Bemessung der Grundgehaltssätze zu beachten ist) und dass darüber hinaus der Versorgungsempfänger über die ihm während seines aktiven Dienstes amtsangemessene gewährte Alimentation ausreichend Rücklagen gebildet haben wird, sodass der erwartbar von geringeren Kosten geprägte Lebenszuschnitt von ihm gewahrt bleiben kann.

Auf dieser Grundlage wäre davon auszugehen, dass sich das BVerfG auf den Standpunkt stellte, dass der 15 %ige Abstand zum Grundsicherungsniveau hinsichtlich der Versorgungsempfänger nicht zu beachten wäre - andererseits ist davon auszugehen, dass das BVerfG einen selbst in der unteren Besoldungsgruppe deutlich oberhalb des Sozialhilfesatzes liegenden Alimentationsanspruch als amtsangemessen betrachten wird.

Die Mindestalimentation oder zumindest das Grundsicherungsniveau werden also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ebenfalls eine argumentative Rolle spielen - ich halte es aber für eher unwahrscheinlich, dass es zu einem ähnlich der Mindestalimentation vollzogenen Bemessungsverfahren hinsichtlich der Versorgung kommen dürfte. Denn das Familienmodell ist nicht übertragbar und dürfte verfassungsrechtlich wiederum nicht von einem verheirateten und kinderlosen oder einem nicht (mehr) verheirateten kinderlosen Versorgungsempfänger ausgehen können. Auch sollte davon auszugehen sein, dass nicht die erste Erfahrungsstufe, sondern die letzte Erfahrungsstufe Grundlage für die Betrachtung einer argumentativen Begründung dienen kann, aber nicht die Grundlage eines mathematisch vollzogenen Prüfverfahrens darstellen könnte: denn hinsichtlich der Mindestalimentation kann in jedem Fall die erste Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe als der in jedem Fall absolut niedrigste Ausgangspunkt gewählt werden - hinsichtlich der zunehmenden sozialen Differenzierung der Gesellschaft und der gesetzlich möglichen Form von außerhalb des öffentlichen Dienstes erworbene Fähigkeiten zur Berücksichtigung der dem Beamten bei Aufnahme seines Dienstverhältnisses zuzuerkennenden Erfahrungsstufe sowie dem Faktum, dass die Endstufe der untersten Besoldungsgruppe eine höhere Bruttobesoldung gewähren kann, als das in einer höheren Besoldungsgruppe geschehen könnte, sofern dort nicht die Endstufe erreicht werden würde, gäbe es offensichtlich hinsichtlich der Versorgung nicht den einen klaren Ausgangspunkt zur Prüfung einer "Mindestversorgung".

Dabei ist insgesamt ebenfalls zu beachten, dass die derzeit von den Besoldungsgesetzgebern vollzogene Bemessung der Mindestalimentation keine Aussage darüber macht, ob eine Alimentation amtsangemessen ist, sondern nur, dass sie in jenem Fall weder das absolute Maß einer nicht per se verfassungswidrigen Alimentation unterschreitet noch indiziell darauf hinweist, dass gegebenenfalls eine verfassungswidrige Unteralimentation vorliegt - soll heißen: Die Besoldungsgesetzgeber verkennen wiederkehrend damit, dass sie die Mindestalimentation zum Fixpunkt ihrer Betrachtung zur Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation machen, die methodische Zielrichtung der bundesverfassungsgerichtlichen Besoldungsrechtsprechung. Denn die Mindestalimentation hat in dessen Rechtsprechung einen Prüfcharakter: "Die Parameter sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen." (Rn. 30 der aktuellen Entscheidung)

Willi1967

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3040 am: 21.01.2022 20:01 »
Hallo zusammen!
Ich frage mich, ob die Berechnungen des Bundesverfassungsgerichts nicht ggf. auch die Berechnungsgrundlage für Beamte haben im Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit indirekt betrifft.
Müsste nicht auch die Mindestversorgung neu festgelegt werden und ggf. die Berechnung der darüberliegenden Ansprüche neu gestaltet werden?
Swen, kannst Du dazu vielleicht etwas sagen?

Die Frage hinreichend zu beantworten, ist höchstwahrscheinlich nicht so einfach möglich, da es bislang keine konkrete Direktiven seitens des BVerfG gibt, wie hinsichtlich der Versorgung zu verfahren ist. Ich denke aber, dass es von der Struktur her wie folgt argumentieren dürfte. Es ist ist sicherzustellen, dass der im aktiven Dienst stehende Beamte amtsangemessen alimentiert wird. Sofern das der Fall ist, steht es dem Besoldungsgesetzgeber zu, auf dieser Basis Versorgungsempfänger geringer zu alimentieren, da davon auszugehen ist, dass im Regelfall die Kinder betreffenden Unterhaltspflichten nicht mehr gegeben sind (die betreffenden Unterhaltspflichten waren zuvor weit überwiegend aus der Grundbesoldung zu verrichten, was bei der Bemessung der Grundgehaltssätze zu beachten ist) und dass darüber hinaus der Versorgungsempfänger über die ihm während seines aktiven Dienstes amtsangemessene gewährte Alimentation ausreichend Rücklagen gebildet haben wird, sodass der erwartbar von geringeren Kosten geprägte Lebenszuschnitt von ihm gewahrt bleiben kann.

Auf dieser Grundlage wäre davon auszugehen, dass sich das BVerfG auf den Standpunkt stellte, dass der 15 %ige Abstand zum Grundsicherungsniveau hinsichtlich der Versorgungsempfänger nicht zu beachten wäre - andererseits ist davon auszugehen, dass das BVerfG einen selbst in der unteren Besoldungsgruppe deutlich oberhalb des Sozialhilfesatzes liegenden Alimentationsanspruch als amtsangemessen betrachten wird.

Die Mindestalimentation oder zumindest das Grundsicherungsniveau werden also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ebenfalls eine argumentative Rolle spielen - ich halte es aber für eher unwahrscheinlich, dass es zu einem ähnlich der Mindestalimentation vollzogenen Bemessungsverfahren hinsichtlich der Versorgung kommen dürfte. Denn das Familienmodell ist nicht übertragbar und dürfte verfassungsrechtlich wiederum nicht von einem verheirateten und kinderlosen oder einem nicht (mehr) verheirateten kinderlosen Versorgungsempfänger ausgehen können. Auch sollte davon auszugehen sein, dass nicht die erste Erfahrungsstufe, sondern die letzte Erfahrungsstufe Grundlage für die Betrachtung einer argumentativen Begründung dienen kann, aber nicht die Grundlage eines mathematisch vollzogenen Prüfverfahrens darstellen könnte: denn hinsichtlich der Mindestalimentation kann in jedem Fall die erste Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe als der in jedem Fall absolut niedrigste Ausgangspunkt gewählt werden - hinsichtlich der zunehmenden sozialen Differenzierung der Gesellschaft und der gesetzlich möglichen Form von außerhalb des öffentlichen Dienstes erworbene Fähigkeiten zur Berücksichtigung der dem Beamten bei Aufnahme seines Dienstverhältnisses zuzuerkennenden Erfahrungsstufe sowie dem Faktum, dass die Endstufe der untersten Besoldungsgruppe eine höhere Bruttobesoldung gewähren kann, als das in einer höheren Besoldungsgruppe geschehen könnte, sofern dort nicht die Endstufe erreicht werden würde, gäbe es offensichtlich hinsichtlich der Versorgung nicht den einen klaren Ausgangspunkt zur Prüfung einer "Mindestversorgung".

Dabei ist insgesamt ebenfalls zu beachten, dass die derzeit von den Besoldungsgesetzgebern vollzogene Bemessung der Mindestalimentation keine Aussage darüber macht, ob eine Alimentation amtsangemessen ist, sondern nur, dass sie in jenem Fall weder das absolute Maß einer nicht per se verfassungswidrigen Alimentation unterschreitet noch indiziell darauf hinweist, dass gegebenenfalls eine verfassungswidrige Unteralimentation vorliegt - soll heißen: Die Besoldungsgesetzgeber verkennen wiederkehrend damit, dass sie die Mindestalimentation zum Fixpunkt ihrer Betrachtung zur Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation machen, die methodische Zielrichtung der bundesverfassungsgerichtlichen Besoldungsrechtsprechung. Denn die Mindestalimentation hat in dessen Rechtsprechung einen Prüfcharakter: "Die Parameter sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen." (Rn. 30 der aktuellen Entscheidung)

Vielen Dank für deine ausführliche Einschätzung!

clarion

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3041 am: 21.01.2022 20:57 »
Wobei die Mindestpension ja 65 % der Endstufe eines der unteren Besoldungsgruppen entspricht.  Wenn nun dieser Betrag kräftig  steigt, da nicht amtsangemessen,  muss doch die Mindestpension entsprechend ebenso steigen, oder?

xap

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« Antwort #3042 am: 21.01.2022 21:25 »
Zumal wenn die Bezugsgröße A4  (65%) nach Günstigkeitsprüfung entfällt wenn das Einstiegsamt auf A6 angehoben wird. Intesseranter Fakt.

SwenTanortsch

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« Antwort #3043 am: 21.01.2022 23:01 »
Die 65 %-Regelung ist in Niedersachsen so, muss aber nicht unbedingt überall so gesetzlich geregelt sein, da der Landesgesetzgeber ja seit 2006 ermächtigt ist, die Gesetzgebungskompetenz auf seinem Landesgebiet wieder konkurrenzlos auszuüben - und zugleich ist sie als eine gesetzliche Regelung jederzeit vom Gesetzgeber veränderbar, solange die dann neue Rechtsnorm mit der Verfassung im Einklang steht. Sofern also die Alimentation aktiver Beamter nicht zuletzt durch anzuhebende Grundgehaltssätze (deutlich) steigt, verfügt der Besoldungsgesetzgeber ob seines weiten Entscheidungsspielraums über die Möglichkeit die derzeitige 65 %-Regelung prozentual z.B. auf 60 % oder auf weniger als 60 % abzusenken, sofern er damit nicht den Verfassungsrahmen verlässt.

So verstanden drehen wir uns im Kreis, solange wir uns mit gesetzlichen Regelungen beschäftigen. Von daher war Willis Ausgangsfrage als solche vollauf berechtigt - und wird das Bundesverfassungsgericht, so vermute ich, die Versorgung in dem Moment, wo es eine entsprechende Entscheidung zu treffen hat, genauso an die amtsangemessene Alimentation aktiver Besoldungsempfänger binden, wie es das in übertragener Form auch hinsichtlich der Beamten mit einer kinderreichen Familie tut (und im noch weiter übertragenen Sinne: wie es das ausnahmslos für alle Beamte tut, da hier mit dem Alimentationsprinzip ein besonders wesentlicher hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums vom Gesetzgeber nicht nur zu berücksichtigen, sondern zu beachten ist, der also ausnahmslos auf alle Beamten anzuwenden ist), nur eben auf Grundlage des allgemeinen Gleichheitssatzes entsprechend anders, da als Konsequenz aus Art. 3 Abs. 1 GG wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Auch Versorgungsempfänger haben also als Beamte uneingeschränkt das grundgesetzgleiche Recht, amtsangemessen alimentiert zu werden, da sie als solche (als Beamte) als wesentlich gleich zu betrachten sind. Sie müssen (und können) aber als Versorgungsempfänger aktiven Beamten nicht in allen gesetzlichen Regelungen gleichgestellt werden, da sie als solche (als nicht mehr aktive Beamte) als diesbezüglich wesentlich ungleich und damit diesbezüglich in einem anderen Rechtsverhältnis stehend zu begreifen sind.

In diesem Sinne - oder auf dieser Grundlage - waren meine vorherigen Aussagen zu verstehen: Sobald das Bundesverfassungsgericht den weiten Spielraum des Gesetzgebers auch hinsichtlich der Versorgung mittels konkreteren Direktiven, als sie heute bestehen, stärker einschränkt als bisher, ist der Gesetzgeber daran gebunden, diese zu beachten. Das Bundesverfassungsgericht wird dabei aber immer davon ausgehen - so wie ich das vorhin als Auftakt geschrieben habe -, dass die dem (aktiven) Beamten gewährte Alimentation amtsangemessen ist, sodass von dieser Basis aus die Frage nach einer mit dem jeweilig bekleideten Amt amtsangemessenen Versorgung weiter geklärt werden müsste, sofern das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss käme, dass diese Frage weiter geklärt werden muss - und wenn die Besoldungsgesetzgeber so weitermachen wie in den letzten Jahren und nach dem 04. Mai 2020 sogar offensichtlich noch einmal verstärkt, dann wird das Bundesverfassungsgericht nicht umhinkommen, auch hinsichtlich der Versorgung den weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers stärker einzuschränken, so wie es das seit 2012 mit seiner zunehmend weiter ausgeformten neuen Besoldungsdogmatik bereits in allgemeiner Form tätigt und dass darüber hinaus mit seiner Entscheidung 2 BvL 6/17 akuell gleichfalls auch hinsichtlich der Alimentation von Beamten mit kinderreicher Familie getan hat, da auch diesbezüglich der Gesetzgeber über einem langen Zeitraum nicht mehr seiner Pflicht zur Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation nachgekommen ist (zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht seit 1998 diesbezüglich keine grundsätzliche Entscheidung mehr gefällt - seit dem 04. Mai 2020 ist nun auch diesbezüglich der weite Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers als offensichtliche Folge seiner auch diesbezüglichen langjährigen Untätigkeit deutlich eingeschränkt worden).

Genau an dieser Stelle liegt das für die Besoldungsgesetzgeber zentrale allgemeine Problem: Je häufiger wiederholend und dabei je länger sie sich außerhalb des Verfassungsrahmen begeben, desto stärker wird das Bundesverfassungsgericht diesen Rahmen präzisieren (und mit dieser Präzisierung den weiten Entscheidungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers weiter einschränken), um jene Besoldungsgesetzgeber zu ihrem eigenen Besten wieder auf den Boden der verfassungsmäßigen Ordnung zurückzubewegen: Denn sie sind ebenfalls an diese gebunden und verlören ohne sie genauso ihre Existengrundlage wie dann auch ihre Existenzberechtigung. Und das Bundesverfassungsgericht als außerhalb des Instanzenzugs stehendes höchstes deutsches Gericht verfügt über Machtmittel, die ungleich größer sind als die der Exekutive oder Legislative - nicht umsonst sind alle drei Gewalten an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Und wenn die gerade genannten beiden das nicht mehr so empfinden sollten (nur als reine hypothetische Möglichkeit betrachtet), so dürfte das für die judikative Gewalt zu keiner Zeit gelten. Denn die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat sich auch nach dem 04. Mai des vorletzten Jahres (genauso wie davor) penibel auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung bezogen - und das wird solange so weitergehen, bis in Deutschland wieder eine amtsangemessene Alimentation gewährt und auf dem Konto eines jeden Beamten eingeht.

Zu diesen Fragen wird übergreifend, wenn ich es richtig sehe, in nächster Zeit noch einmal eine umfassendere Betrachtung auf der Seite der Berliner-Besoldung erscheinen, wenn auch nicht hinsichtlich der Versorgung, sondern mit Blick auf die amtsangemessene Alimentation aktiver Beamter.

Ichbinshalt

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3044 am: 22.01.2022 08:21 »
Erst einmal vielen Dank für die ganzen Beiträge und Erklärungen, nur dadurch informieren sich wahrscheinlich auch viele Menschen über ihre nicht "gerechte" und verfassungswidrige Alimentation.

Ich habe zwei Fragen:
Ist ein Widerspruch (und danach leider die Klage) auch als Beamter auf Probe gegen die Besoldung ratsam? Eigentlich hat die Besoldung ja nichts mit der Leistung und  Befähigung zu tun, trotzdem bin ich da noch skeptisch.

Der zweite Punkt ist weniger eine Frage, mehr eine in den Raum geworfene These:
Die Erhöhung des Mindestlohns müsste ja irgendwann auch die Regelsätze des neuen "Bürgergeldes" erhöhen und demnach den Abstand zur A6 Besoldung weiter verringern. Dieser Abstand wird doch immer kleiner und eigentlich müssten die Besoldung Gesetzgeber doch erkennen, dass es keine angemessene Alimentation ist oder?