Gibt es eigentlich so etwas wie einen Dialog mit dem Gericht oder zumindest eine Art "Dringlichkeitsliste" seitens der Klagevertreter bezüglich einiger Punkte, die besonders dringend im anstehenden Alimentationsurteil sind?
Ich denke da zuerst an die Betroffenen, die ohnehin schon am wenigsten bekommen, also an die Mindestbesoldung (und Tricks sie kleinzurechnen) und die Mindestversorgung (die nun zunehmend von der Besoldungsentwicklung abgekoppelt wird).
Hier steht Betroffenen das Wasser angesichts der Inflation bis zum Hals und ich hoffe, das macht man auch dem Gericht deutlich.
Kannst Du dazu etwas sagen, @SwenTanortsch ? Du bist ja immer bestens informiert
Danke!
Das Bundesverfassungsgericht wird in einem konkreten Normenkontrollverfahren mit den Streitparteien grundsätzlich weitgehend nur standardisiert sprechen, da es in Fällen des Verfassungsrechts zum einen prinzipiell um Abwägung von gleichrangigen Verfassungsnormen geht (dann kommt zumeist ins Spiel, was man "praktische Konkordanz" nennt) bzw. zum anderen um die Zuordnung, ob ggf. nicht gleichrangige Verfassungsnormen betroffen sind, sodass die höherwertige den ausschlaggebenden Faktor bildet. Was bedeutet dieses etwas vereinfacht dargestellte Schema dieser zwei prinzipiellen Fälle? Andere Gerichte betrachten zuförderst beide Streitparteien und suchen deshalb nicht selten nach einer Einigung, ggf. auch nach außergerichtlichen Lösungen wie eine Schlichtung oder innerhalb des Gerichtsverfahrens nach einem Vergleich, der das Verfahren dann abkürzt, da da dann keine Entscheidung im engeren Sinne getroffen werden muss. Das Bundesverfassungsgericht kann aber prinzipiell so
nicht handeln; denn es betrachtet in einem Normenkontrollverfahren prinzipiell, ob Gesetzestexte (also eine Rechtsnorm) im Rahmen der Verfassung (also einer gegenüber dem einfachen Gesetzestext juristisch höherwertigen Rechtsnorm) stehen oder nicht. Während also die anderen Gerichte in der Regel den individuellen Fall anhand einer Rechtsnorm (dem Gesetzestext) prüfen, prüft das Bundesverfasungsgericht (weiterhin verallgemeinert betrachtet) in einem Normenkontrollverfahren, ob eine Rechtsnorm (der Gesetzestext) im Rahmen der höherwertigen Rechtsnorm (dem Verfassungstext, also dem Grundgesetz) steht, welches letztere (das Grundgesetz) wiederum in mittlerweile 71 Jahren vom Bundesverfassungsgericht dogmatisch und methodisch durchgewalkt worden ist.
Innerhalb diesen vereinfacht dargestellten prinzipiellen Rahmens ist der Ansprechpartner des Bundesverfassungsgericht im konkreten Normenkontrollverfahren weniger der Kläger, sondern der Gesetzestext. Auf die Spitze getrieben, interessiert also - anders als in anderen Gerichtsverfahren - der Kläger gar nicht, sondern ausschließlich der Fall, also ob der Gesetzestext verfassungsrechtlich haltbar ist oder nicht, was unabhängig vom Kläger der Fall ist oder nicht der Fall ist. Von daher stellt das Bundesverfassungsgericht in der Regel keine "Beziehung" zum Kläger her, da seine Motivation, warum er Klage erhoben hat (also dessen eigenen individuellen Empfindungen), für die Entscheidung, ob die Rechtsnorm im Rahmen der Verfassungsnorm steht oder nicht, letztlich keine Rolle spielt.
Innerhalb der Güterabwägung interessiert das Bundesverfassungsgericht hingegen vom Prinzip her also deutlich mehr der Beklagte, also der Gesetzgeber, da er den Gesetzestext verabschiedet hat, und zwar im Rahmen seines verfassungsrechtlichen Auftrags und seiner verfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten. Von daher gibt das Bundesverfassungsgericht wie jedes Gericht sowohl dem Beklagten wie dem Kläger die Möglichkeit, zum Fall Stellung zu nehmen, es wird sich aber mehr für die Motive interessieren, wieso der Beklagte das Gesetz, so wie es verabschiedet worden ist, verabschiedet hat; und darüber hinaus interessiert ihn dessen Begründung, wieso das von ihm verabschiedete Gesetz seiner Meinung nach im Rahmen der Verfassung steht. Hinsichtlich des Klägers interessiert ihn hingegen weniger dessen Motivation, wieso er klagt, sondern ebenso allenfalls dessen Begründung, wieso der Gesetzestext nicht mit der Verfassung in Einklang steht. Am Ende kann es hier prinzipiell keine Art des Vergleichs oder der Schlichtung geben: Denn entweder ist der Gesetzestext am Ende verfassungskonform oder er ist es nicht.
Der langen Rede kurzer Sinn, da das Bundesverfassungsgericht - vereinfacht ausgedrückt - im konkreten Normenkontrollverfahren weniger der Kläger, sondern mehr der Fall (der Gesetzestext) interessiert, wird die Kommunikation, die das Bundesverfassungsgericht mit dem Kläger führt, im Vorfeld eher überschaubar sein. Eine "Dringlichkeitsliste" ist insofern nur bedingt gegeben oder kann nur bedingt gegeben sein, da jeder Fall für sich genommen - innerhalb eines Normenkontrollverfahrens - vom verfassungsrechtlichen Auftrag her, den das Bundesverfassungsgericht zu erfüllen hat, nämlich als Letztinstanz zu entscheiden, ob eine Rechtsnorm verfassungskonform ist oder nicht, dringlich ist, da in jedem dieser Fälle die Frage im Raum steht, ob eine Rechtsnorm (der Gesetzestext) im Rahmen der höherwertigen Rechtsnorm (dem Verfassungstext) steht oder nicht.
Darüber hinaus geschehen - wie von mir schon mehrfach betrachtet - Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eben grundsätzlich nur langsam, ohne dass ich die Gründe hier noch einmal wiederholen müsste. Die prinzipielle Langsamkeit und die grundsätzliche kommunikative Stille gegenüber dem Kläger, weshalb es also seit der letzten Entscheidung vom 04. Mai 2020 vom Bundesverfassungsgericht keinerlei Informationen (außer neuerdings der Verweis, dass für dieses Jahr eine weitere Entscheidung geplant ist) gibt, wie es weitegeht, machen nicht wenigen hier - und noch vielmehr den vielen Klägern - zu schaffen. Aber das Bundesverfassungsgericht kann aus seiner Stellung innerhalb der Verfassungsorgane kaum anders handeln, als es handelt. Dabei dürfte aber zu vermuten sein, dass die acht Richterinnen und Richter des Zweiten Senats auf dem Schirm haben, dass es innerhalb der sich in den letzten zweieinhalb Jahren deutlich zugespitzten gesellschaftlichen Situation nur umso dringlicher eines funktionierenden Beamtenapparats bedarf - und dass auch Beamte ein Leben außerhalb der Dienststelle haben, das von ihnen (den Beamten) gestaltet und nicht nur gefristet werden sollte, damit die Staatsmaschine weiterläuft, und zwar nach Möglichkeit flüssig, aber nicht wie geschmiert.