@tomhsv, Fühlst Du Dich denn amtsangemessen besoldet, wenn Beamte mit Kindern aus deutlich niedrigeren Besoldungsgruppen mit dem Sold an Dir vorbei ziehen? Findest Du, dass das Abstandsgebot eingehalten wird?
Durch die Ausgleichszahlungen wird das Abstandsgebot vermutlich fast eingehalten oder nur geringfügig verletzt.
Deshalb die Frage, ob es sich lohnt jedes Jahr Widerspruch einzulegen und vermutlich zu Klagen mit entsprechenden Kosten. Eine Klage habe ich ja schon laufen, die hat das Gericht jetzt erstmal ruhend gestellt. Die Klage bezieht sich auf die Jahre ab 2020, aber geht das überhaupt oder muß man nicht jedes Jahr aufs Neue seine Ansprüche gelten machen ?
Hier ist immer der Einzelfall zu betrachten, insbesondere, in welcher Besoldungsgruppe und Erfahrungsstufe man eingruppiert ist, da damit zu rechnen sein wird (das ist eine Vermutung, da es diesbezüglich bislang keine bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung gibt), dass der Nachzahlungsbetrag tendenziell in den unteren Besoldungsgruppen eher höher ausfallen wird als in den höheren. Darüber hinaus ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass der Fehlbetrag zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation 2020 in Hamburg 20,2 % bzw. monatlich 615,66 betrug (wobei hier realitätsgerechte Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie die Sozialtarife noch nicht enthalten sind, deren Beachtung die Werte noch erhöhen werden). Wenn nun also das aktuelle Gesetz eine Angleichungszulage für die Jahre 2021 und 2022 von 33 % und 20 % für die Jahre 2023 bis 2025 mit dem Dezembergehalt gewährt, dann ist offensichtlich, dass das nicht ansatzweise ausreichen kann, um zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren.
Ich habe mich bislang nicht hinreichend genug mit dem im letzten Monat verkündeten Hamburgischen Gesetz beschäftigt, um eine einigermaßen rechtssichere Auskunft geben zu können, mir aber jetzt noch einmal die Berechnung der Mindestalimentation und der dem niedrigst eingruppierten Beamten gewährten Nettoalimentation angeschaut (vgl. HH-Drs. 22/8848 v. 12.07.2022, S. 32 ff. und 71) und die Begründung der Posten aus Zeitgründen nun nicht im einzelnen hinreichend geprüft. Jedoch findet man auch so hier wieder - s. S. 71 - den üblichen sachwidrigen Unsinn in den Bemessungsverfahren. So geht die Begründung von monatlichen kalten Unterkunftskosten in Höhe von 999,90 € monatlich aus. Das VG Hamburg hat allerdings auf Grundlage des korrigierten 95 %-Perzentils im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung für das Jahr 2019 kalte Unterkunftskosten in Höhe von 1.050,- € zugrunde gelegt und das von der Beklagten angewandte Bemessungsverfahren scharf kritisiert, worin das Bundesverfassungsgericht ihm folgen wird, da die Bemessung des VG entsprechend der als von ihm realitätsgerecht befundenen Methodik erfolgt (vgl. im Folgenden meinen Beitrag vom 15.08., an den ich mich gerade erinnere:
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,118787.0.html). Darüber hinaus dürften mindestens die Sozialtarife zu gering bemessen sein, da die Betreuungskosten von unter dreijährigen Kindern - wenn ich das richtig sehe - keinen Eingang gefunden haben. Sie dürften den Betrag des Grundsicherungsniveaus noch einmal beträchtlich steigern. Zugleich kann die Amtszulage bei der Bemessung der gewährten Nettoalimentation in Höhe von monatlich 76,10 € nicht herangezogen werden, sondern nur die allgemeine Stellenzulage in Höhe von 22,73 €. Schließlich dürfte der zugrunde gelegte PKV-Beitrag mit 589,87 € deutlich zu niedrig angesetzt sein. Er beträgt nach der entsprechenden Mitteilung des PKV-Verbands für das Jahr 2021 633,70 €.
Obgleich also auch hier wieder eine wiederholt sachwidrige Bemessung vorliegt, muss die Begründung konstatieren, dass 2022 ein Netto-Fehlbetrag von 5.932,16 € vorliegt (S. 71). Diese liegt in der Realität - wie eben dargelegt - noch einmal um einiges höher (nämlich um mindestens mehr als 2.000,- €; unter Beachtung der Betreuungskosten der unter 3-jährigen Kinder wohl eher um (deutlich) mehr als 3.000 €). Damit dürfte trotz der Angleichungszulage ein monatlicher Netto-Fehlbetrag von monatlich weit mehr als 650,- € bis weit über 750,- € vorliegen. Entsprechend hebt die Begründung hervor, dass das Gesetz die Wiederherstellung einer amtsangemessenen Alimentation gar nicht erst angestrebt: "Um die Einhaltung des Mindestabstands der Beamtenbesoldung zum Grundsicherungsniveau (zweiter Fall des systeminternen Besoldungsvergleichs) im Jahr 2022 zu erfüllen, wird der Senat der Bürgerschaft zeitnah einen Gesetzentwurf mit strukturellen Verbesserungen der Alimentierung von Beamtenfamilien mit Kindern vorlegen" (S. 50).
Dieser Gesetzentwurf ist aber weiterhin, wenn ich es richtig sehe, nicht absehbar, sodass für dieses Jahr von einem Netto-Fehlbetrag von mindestens über 8.000,- € auszugehen ist. Da auch hier wiederum eine Betrachtung der Mindestbesoldung den Schluss nahelegt, dass ein solcher Fehlbetrag in der untersten Besoldungsgruppe nicht durch "strukturellen Verbesserungen der Alimentierung von Beamtenfamilien mit Kindern" geheilt werden kann, sondern wegen des Grundsatzes des Abstandsgebots zwischen den Besoldungsgruppen auf alle Besoldungsgruppen ausstrahlt, dürfte nicht nur heute, sondern auch nach dem geplanten weiteren Gesetz, das also wiederum wohl nur sachwidrig die Erhöhung familienbzogener Besoldungskomponenten vorsehen wird, 2022 (und in den Jahren danach) eine alle Beamte treffende Unteralimentation in beträchtlicher Höhe vorliegen.
Auf Grundlage dieser Informationen muss nun jeder selbst entscheiden, ob er eine Klage anstrengt - und ich werde jeden Kollegen deutlich raten, Widerspruch gegen seine Besoldung einzulegen, jedoch keinem, zu klagen, solange ich nicht den Einzelfall genau betrachtet hätte. Bliebe mir allerdings nur die Wahl - wie in Hamburg, wo Widersprüche negativ beschieden werden -, auf meine offensichtlichen Ansprüche klaglos zu verzichten oder eben diese Ansprüche vor Gericht einzufordern, ich würde unter allen Umständen klagen.