Und hier die Fortsetzung
Denn zwar werden Folgen von Digitalisierung und dem verstärkten Einsatz innerparteilicher Partizipationsinstrumente im Rahmen der Gesetzgebung hinreichend als einschneidende Veränderungen der Verhältnisse bei der Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes dargelegt (Rn. 150), womit sie als allgemeine Betrachtung und Begründung zulässig sind. Allerdings bleibt diese Darlegung innerhalb des Gesetzgebungsverfahren zu wenig konkret, um genau jene gesetzliche Höhe des materiellen Rechtsguts hinreichend zu begründen, die am Ende von dem Gesetz festgelegt wird (ebd.). Damit lässt sich hier bereits ein erster wesentlicher Grundsatz festlegen: Das eine ist offensichtlich die allgemeine Begründung, das Sachverhalte ursächlich für Gesetzesregelungen vorhanden sind; das andere ist nun die Konkretisierung der jeweiligen Höhe, mit der die anvisierte gesetzliche Regelung in die gesellschaftliche Realität eingreift. Auch sie ist hinreichend zu begründen, da sie sich ja nicht als ein fester und exakt bezifferbarer Betrag der Verfassung unmittelbar zu entnehmen ist. Mit diesen Ausführungen erfolgt nun eine weitere Konkretisierung des Prozeduralisierungsgebots, die offensichtlich einige Bedeutung auch für die Besoldungsgesetzgebung als formal ähnlich gelagertem Fall entfaltet. Die konkretisierende Kritik des Bundesverfassungsgerichts stützt sich in dem gestern entschiedenen Fall auf vier Punkte (nachfolgend stelle ich die Kritik jeweils zunächst an jenem Fall dar, um dann erste Ableitungen für das Besoldungsrecht in gesperrter Hervorhebung anzuschließen):
a) Weder dem Gesetzentwurf noch den nachfolgenden Gesetzesberatungen sind nachvollziehbare Anhaltspunkte für die Bestimmung der Höhe des durch die einschneidende Veränderung der Verhältnisse verursachten zusätzlichen Finanzbedarfs der politischen Parteien zu entnehmen. Liegt eine einschneidende Veränderung der Verhältnisse vor, hat der Gesetzgeber darzulegen, welche Faktoren für die Annahme ausschlaggebend sind, und dass der von ihm festgelegte Betrag für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Parteiensystems unerlässlich ist (Rn. 151). Eine hinreichende Konkretisierung, in welcher Größenordnung derartige Investitionen und laufende Kosten anfallen oder zu erwarten sind, bleibt im Gesetzgebungsverfahren offen (Rn. 152), obgleich der Gesetzgeber auf die Notwendigkeit der Konkretisierung aus dem Parlament wie auch von unabhängigen Sachverständigen hingewiesen worden ist (Rn. 153). Stattdessen hätte eine deutlich konkretere Begründung erfolgen müssen, die die Höhe des materiellen Guts konkret prozeduralisiert (Rn. 154)
Übertragen auf die Besoldungsgesetzgebung sollte das bedeuten, die konkreten Erhöhungen der familienbezogenen Besoldungsbestandteile, die in den letzten zwei Jahren fast durchgehend vollzogen worden sind (um das Mindestabstandsgebot in der eigenen Vorstellung erfüllen zu wollen) wären präzise in ihrem materiellen Gehalt, also der jeweiligen Höhe und der Unterschiede in der Höhe, wie sie verschiedenen Besoldungsgruppen, aber auch einer unterschiedlichen Kinderzahl gewährt werden, zu begründen. Die Begründung kann sich dabei nicht darauf zurückziehen, dass es darum gehen würde, das Mindestabstandsgebot zu erfüllen. Denn das wäre keine sachgerechte Begründung - sachgerecht ist es, nachzuweisen, dass ein konkreter Bedarf mit diesen Zuschlägen gedeckt werden soll. Das hat in den letzten zwei Jahren keine Gesetzesbegründung vollzogen. Darüber hinaus sind nicht nur der Thüringer, Niedersächsische und Schleswig-Holsteinische Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren auf entsprechende Problematiken und darüber hinausgehende Problematiken hingewiesen worden, ohne dass diese Hinweise im Gesetzgebungsverfahren sachgerecht entkräftet worden wären, auch sind in diesen und allen anderen Gesetzgebungsverfahren der letzten zwei Jahren vielfach innerhalb der Anhörung viele der in den jeweiligen Gesetzentwürfen vorgefundenen Probleme thematisiert worden, wobei diese Kritik zumeist nur wenig konkret zurückgewiesen worden ist. Auch das dürfte kaum hinreichend (gewesen) sein, um das Prozeduralisierungsgebot im Besoldungsgesetzgebungsverfahren hinreichend zu erfüllen, wie es sich jetzt zeigt. Denn die sachliche Kritik hätte sachlich entkräftet und dabei konkret werden müssen - insbesondere hinsichtlich des neuen Zuschlagswesens, dessen konkreten Beträge hinreichend zu rechtfertigen gewesen wären.
Also als Beispiel: Sofern der Gesetzgeber statt die Grundgehaltssätze zu erhöhen eine Anhebung familienbezogener Besoldungskomponenten vornimmt, lässt sich das allgemein erklären, indem auf höhere Kosten des Kindesunterhalt hingewiesen wird, denke ich - das reicht aber konkret nicht aus, um erstens die jeweils konkrete unterschiedlich angehobene Höhe solcher Zuschläge zu begründen. Auch müssten die Folgen konkret für die weiteren Beteiligten betrachtet und abgewogen werden, jedenfalls spätestens ab jenem Moment, in dem einzelnen nun deutlich höhere Zuschläge als anderen gewährt werden, da dieser Gewährung sachlich "eine einschneidende Veränderung der Verhältnisse" zugrunde liegen müsste - und zugleich müsste dann gezeigt werden, dass die von den höheren Zuschlägen Ausgeschlossenen von den einschneidenden Veränderungen der Verhältnisse nicht betroffen wären. Sofern also bspw. Ortszuschläge an die Kinderzahl gebunden werden, müsste in der Begründung gezeigt werden, dass die betreffenden Unterkunftskosten für jene Familien deutlich gestiegen sind und dass sie für die anderen nicht deutlich gestiegen wären, da man sie ansonsten kaum von der Gewährung des größeren materiellen Guts ausschließen könnte, denke ich. Weder das eine noch das andere ist bislang in jenen Gesetzesbegründungen (ich denke gerade insbesondere an NRW) vollzogen worden. Als Folge sollten jene Ortszuschläge in NRW prozedural nicht hinreichend sein, was als weitere Folge zur Verfassungswidrigkeit der Norm führen müsste
b) Zudem findet eine Gegenrechnung mit durch den Prozess der Digitalisierung eröffneten Einsparpotentialen nicht statt (Rn. 156). Eine Gesetzesbegründung hat von daher nicht nur den Kostenfaktor zu betrachten, sondern ebenso das Einsparpotenzial und damit offensichtlich auch dieses hinreichend abzuwägen (ebd.).
Daraus dürfte für unseren Fall folgen: Mit der massiven Anhebung der familienbezogenen Besoldungskomponenten geht ein gehöriges Einsparpotenzial einher - der Gesetzgeber hätte nun aber auch deshalb konkret begründen müssen, denke ich, (1.) wieso genau der jeweilige Zuschlag wem gewährt wird und (2.) welche Folgen aus der damit einhergehenden Einsparung an Personalkosten für all jene resultieren, die von der Erhöhung der familienbezogenen Besoldungskomponenten nicht bzw. nicht so profitieren. Auch das sollte von keinem Gesetzgeber in den letzten zwei Jahren hinreichend so vollzogen worden sein, obgleich i.d.R. vom Gesetzgeber darauf hingewiesen worden ist, dass man die familienbezogenen Besoldungskomponenten (massiv) erhöht hat, da eine Anhebung der Grundgehaltssätze zu erheblichen Mehrkosten geführt hätte.
c) Stattdessen spricht viel dafür, dass sich die Bestimmung der Höhe der absoluten Obergrenze in unzulässiger Weise an den Beträgen orientiert, die als Vergleichsgegenstand nicht sachgerecht sind (Rn. 157). Dabei kommt das Bundesverfassungsgericht auf die Zusammenhänge bzw. Unterschiede zwischen der absoluten und relativen Obergrenze der Parteienfinanzierung zurück (Rn. 157 ff.), was hier nicht als solches im Detail betrachtet werden soll.
Allerdings ist für unseren Fall von Interesse, dass die Gesetzgeber innerhalb ihrer Begründung wiederkehrend genau jenes gerade im letzten Punkt betrachtete Einsparpotenzial als für sie handlungsleitend hervorgehoben haben, obgleich auch jenes eben nicht sachgerecht ist. Einsparungen bedürfen eines sachlichen Grunds, entsprechend ist in den Gesetzgebungsverfahren auch von dritter Seite wiederholt auf die sachfremden Erwägungen hingewiesen worden, von denen sich die Gesetzgeber haben leiten lassen. Sie sind weiterhin als solche weder allgemein noch konkret statthaft, um eine sachgerechte Begründung zu vollziehen. Das war auch schon vor der gestrigen Entscheidung klar, ist jetzt aber noch einmal deutlich umfassender betrachtet worden.
d) Nachträgliche Stellungnahmen sind unerheblich: Die "bestehenden Begründungsmängel können durch die umfänglichen Darlegungen zu digitalisierungs- und partizipationsbedingten Mehrkosten der politischen Parteien, die der Deutsche Bundestag während des vorliegenden Normenkontrollverfahrens vorgetragen hat, nicht geheilt werden, da es sich insofern um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen handelt (s.o. Rn. 131)." (Rn. 160) All jene nur "nachgeschobenen" Begründungen, die also erst nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens, angestellt worden sind, können im Gerichtsverfahren nicht betrachtet werden. Sie sind entsprechend gegenstandslos (Rn. 161).
Daraus sollte folgen, dass das ebenso für sämtliche Besoldungsgesetze gilt. Es bleibt in der gerichtlichen Prüfung zu betrachten, was in der Gesetzesbegründung, der Ausschussarbeit, der Reaktion auf Einwände wie im Anhörungsverfahren und innerhalb der Debatten im Plenum zur sachlichen Stützung der anvisierten gesetzlichen Regelung vorgebracht worden ist bzw. wird - mit Abschluss des Gesetzgebungsverfahren sind keine nachträglichen Begründungen mehr möglich. Nachträglich angebrachte Materialien können die im Gesetzgebungsverfahren getätigten allgemeinen Begründungen stützen , sofern entsprechende allgemeine Ausführungen dort getätigt worden snd (s. das, was ich zu den Ziff. 2a und 2b zusammengefasst habe), sie können sie aber offensichtlich nicht konkretisieren, also einen konkreten materiellen Gehalt begründen, der nicht schon innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens (hinreichend) begründet worden wäre.
Insgesamt bleibt also die in der gestrigen Entscheidung betrachtete Gesetzesbegründung, sobald es um konkrete Beträge geht, die also auch konkret in ihrer Höhe abzuwägen und also zu begründen sind, floskelhaft, auf jeden Fall nicht präzise genug, so wie das die Antragssteller im Verfahren begründet haben (s.o.). Die Ansicht der Bundesregierung, die Gesetzesbegründung sei nachvollziehbar und im Ergebnis nicht zu beanstanden (s.o.), ist umfassend zurückgewiesen worden. Mit der sachlich erstaunlichen Ansicht des Bundestags, dass besondere Darlegungs- und Begründungspflichten für die gesetzliche Erhöhung der absoluten Obergrenze zur Parteienfinanzierung nicht bestünden (s.o.), setzt sich das Bundesverfassungsgericht schon nicht mehr auseinander, weil sie sachlich offensichtlich bereits soweit von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entfernt gewesen ist, dass es darauf keiner Reaktion mehr bedurfte.
Wie gesagt, ich habe die Darlegungen bislang nur überflogen, sodass mir ggf. die kleinen, feinen (Wider-)Haken entgangen sein werden, die bei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts immer zu beachten und mit denen also jederzeit zu rechnen ist. Aber bereits die dargelegten groben Linien dürften zeigen, dass insbesondere die Besoldungsgesetzgebungsverfahren der letzten rund zwei Jahre mit ihren zumeist vielfach nicht sachgerechten und darüber hinaus vielfach unklaren, weil - wie nun gezeigt - nicht konkret genug erfolgten Begründungen kaum einen Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht haben können, da sie den an sie gerichteten prozedrualen Anforderungen nicht entsprechen - unabhängig von der durchgehend evident unzureichenden Bemessung der Mindest- und gewärten Nettoalimentation, also des materiellen Gehalts der Alimentation. In der Haut der Dienstherrn möchte ich nach dieser gestrigen Entscheidung wahrlich nicht stecken - und zugleich liegt nun genau das vor, von dem ich vor ein paar Tagen gesprochen habe, dass ich mir solche Konkretsierungen in der anstehenden Entscheidung wünschen bzw. mit entsprechenden Konkretisierungen rechnen würde. Denn sie führen die bisherigen Direktiven des Bundesverfassungsgericht schlüssig fort, waren also erwartbar. Man kann sich von daher zunächst einmal nur bei den Freidemokraten, Linken und Bündnisgrünen bedanken, dass sie nun offensichtlich auch für weitere Klarheit hinsichtlich der Besoldungsgesetzgebung gesorgt haben, auch wenn es ihnen hier nicht um die Besoldungsgesetzgebung gegangen ist. Es ist davon auszugehen, dass der Zweite Senat in seiner anstehenden Entscheidung auf die hier präzisierten Anforderungen zurückkommen wird. Und auch die Innen- und Finanzminister in Bund und Ländern sollten sich hinsichtlich der bald anstehenden Besoldungsanpassungsgesetze schon einmal auf die hier präzisierten prozeduralen Anforderungen einstellen. Denn sie dürften spätestens in den Beteiligungsverfahren mit ihnen konfrontiert werden. Die Unterlagen der Anhörung gehen als Teil des Gesetzgebungsverfahrens in die gerichtliche Kontrolle mit ein.