Uns liegt ja die Begründung des Verwaltungsgerichts noch nicht vor. Die Begründung als solche wird dann Aufschluss über die Argumentation und ihrer Güte geben. Zunächst einmal gilt hinsichtlich der beiden Abstandsgebote offensichtlich die Struktur, die ich wiederkehrend darlege:
Die Mindestalimentation umfasst materiell-rechtlich das vom absoluten Alimentationsschutz umfasste Rechtsgut, in das dem Besoldungsgesetzgeber keine Einschnitte gestattet sind. Der über die Mindestalimentation hinausreichende Teil der gewährten Nettoalimentation unterliegt nur dem relativen Alimentationschutz. Hier sind dem Besoldungsgesetzgeber Kürzungen und Einschnitte gestattet, sofern sie durch solche Gründe sachlich gerechtfertigt werden können, die im Bereich des Systems der Beamtenbesoldung liegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 –, Rn. 111). So verstanden ist ausnahmslos jede R-Besoldung weiterhin "nur" vom relativen Alimentationsschutz umfasst, da sie ausnahmslos über den Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau hinausreicht. Sofern es sich also sachlich rechtfertigen lässt, dürfen hier Kürzungen und Einschnitte vorgenommen werden.
Das Verwaltungsgericht wird zu dem Schluss gekommen sein, dass die sachliche Rechtfertigung im Gesetzgebungsverfahren hinreichend gewesen sein soll, sodass die ggf. identifizierten Kürzungen und Einschnitte in die Alimentation als sachgerecht betrachtet worden sind. Denn andernfalls hätte es seine Entscheidung nicht so treffen können, wie es das augenscheinlich getan hat. Am Ende wird es also wie zumeist im Besoldungsrecht auf die Begründung der Entscheidung ankommen. Ich gehe davon aus, dass in der Begründung argumentative Schwächen zu finden sein werden - diese werden mit hoher Wahrscheinlichkeit insbesondere darin zu finden sein, dass das Verwaltungsgericht das Zusammenspiel beider Abstandsgebote nicht hinreichend erkannt haben dürfte; die Komplexität und das Zusammenspiel beider Abstandsgebote, das letzteres (das Zusammenspiel) den vierten Parameter der ersten Prüfungsstufe zu einem einzigen Parameter macht, sind weiterhin nicht einfach zu erkennen, nicht zuletzt, weil auch dazu bislang kaum Literatur vorliegt -; diese Schwächen werden wiederum einem Verwaltungsgericht kaum vorgeworfen werden können. Denn die weiterhin nicht vollständig ausgeformte neue Dogmatik zum Besoldungsrecht dürfte auch für Juristen, die nicht jeden Tag mit dem Thema konfrontiert sind, ein ziemlich sperriges Ding sein, deren Haken man wiederkehrend erst erkennt, wenn man sich regelmäßig mit der Materie beschäftigt, denke ich.
Zugleich wirft indiziell das Problem, dass die Zeiten der massiven Besoldungkürzungen ab 2003/05 zunehmend aus dem Prüfhoriziont verschwinden, seinen dunklen Schatten auf die derzeitigen und zukünftigen Klageerhebungen, was einen ganzen Strauß an ungelösten Problemen mit sich bringt: Und insbesondere das kann ein Verwaltungsgericht, wenn es nicht zugleich über hinreichende Kenntnis von Statistik verfügt, ebenfalls kaum erkennen - und wenn es das Problem erkennt, steht es dennoch vor dem Folgeproblem, dass das Problem der aus dem Prüfhorizont verschwindenen Jahre hoher Besoldungseinsparungen noch keine Betrachtung des Bundesverfassungsgerichts gefunden hat. Die Verwaltungsgerichte bleiben aber an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden, sodas sie also auf der ersten Prüfungsstufe den 15-Jahreszeitraum abarbeiten und nun zunehmend zu dem Ergebnis kommen werden, wenn die Kläger die Gerichte nicht auf die Probleme hinweisen und sie umfassend nachweisen (sie also ihre Klage nicht hinreichend substantiieren), dass die Prüfparameter mit Ausnahme des verletzten Mindestabstandsgebots keine Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation indizieren. Davon sind - s.o. - insbesondere all die Klagen potenziell betroffen (oder können es sein), die von Klägern aus höheren Besoldungsgruppen angestrengt werden, deren Rechtsgut also nicht vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist (oder genauer: deren über die Mindestalimentation hinausreichendes Rechtsgut nur einen relativen Alimentationsschutz findet).
Insbesondere die massiven Einsparungen im Zuge der Öffnung des Sonderzahlungsrechts für ländereigene Regelungen ab 2003 haben - zumeist im Zeitraum zwischen 2003 und 2005 - bislang tiefe Spuren im für die ersten drei Parameter des bundesverfassungsgerichtlichen Prüfungsrahmens der ersten Prüfungsstufe wichtigen Vergleichsgegenstand des Besoldungsindex hinterlassen. Mit den Jahren ab 2018 verschwinden nun diese Jahre zunehmend aus dem 15-jährigen Prüfhorizont, was einige sachliche Probleme nach sich zieht, die allerdings rechtwissenschaftlich noch nicht beleuchtet sind, da es dazu keine systematische Literatur gibt. Auch das kann man also den Verwaltungsgerichten nicht vorwerfen - so ärgerlich solche Entscheidungen wie nun auch diese aktuelle für Kläger sind. Die Problematiken werden nun über genau solche Entscheidungen nach und nach Eingang in die rechtswissenschaftliche Literatur finden und eben, sobald die entsprechenden Jahre ab 2018 vor dem Bundesverfassungsgericht landen, auch in dessen Rechtsprechung. Bis dahin wird noch mancher Kläger, der die Problemlage nicht hinreichend durchdringt (bzw. dessen Anwalt sie nicht hinreichend durchdringt), ein böse Überraschung vor "seinem" Verwaltungsgericht erfahren, wenn er insbesondere die letzten Jahre angreifen will und nicht den Zeitraum vor 2018.
Und bevor nun wieder der eine oder andere ggf. steil geht und mir unterstellt, dass ich die dargelegten Probleme und also das Handeln der Verwaltungsgerichte gutheiße, der wiederkehrende Hinweis: Mir geht es in dem, was ich schreibe, zumeist nicht um eine moralische Beschreibung, also um "gut" oder "schlecht" (oder gar "böse", was nun eher schon keine moralische, sondern vor allem eine theologische Kategorie ist), sondern um die Sache, also darum, was sachlich "richtig" oder "falsch" ist. Es wird also auch zukünftig weiterhin darum gehen, die argumentativen Schwachpunkte von Darlegungen auch der Gerichte auf Basis der gegebenen bundesverfassungsgrichtlichen Rechtsprechung in den abweisenden Begründungen der Verwaltungsgerichte zu identifizieren und ihnen dann argumentativ zu entgegnen. Dabei nützt es zumeist wenig, auf Richter und Gerichte mit moralischen Urteilen zu reagieren (die bestenfalls nützen, um die eigene Wut, Verzweiflung oder Resignation bewältigen zu können und die hier also nicht nur ihre Berechtigung, sondern ebenso auch einen nachvollziehbaren Zweck haben); denn jede gerichtliche Entscheidung ist auch von moralischen Wertungen grundiert (die idealerweise auf Grundgesetz zurückzuführen sind, da diese Grundierung die grundlegendste ist). Am Ende geht es aber immer um die Frage, ob etwas sachgerecht ist oder nicht und ob das sachlich begründbar ist oder nicht; entsprechend ist also sie in den Vordergrund zu rücken, wenn man sich mit juristischen Fragen auseinandersetzen will (anders, als wenn's um Politik geht: Da darf die Moral dann nicht fehlen, da es ihr immer auch um die Frage von "gut" und "schlecht", also um Moral geht). Insofern bleibt das, was ich hier schreibe, wenn ich über das juristische Feld schreibe, sachlich und hört sich also ggf. kühl an. Das sollte man aber nicht mit Zustimmung verwechseln, sondern nur als das interpretieren, was es sein soll: der sachliche Versuch einer Problembeschreibung. Denn sie ist juristisch gesehen meistens der erste Schritt, um das Problem zu erkennen, um es dann in einem zweiten bearbeiten zu können.