Das Bundesverfassungsgericht hat in der aktuellen Entscheidung hervorgehoben:
"Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung. Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 44, 249 <267>; 81, 363 <376>; 99, 300 <315>). Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen." (Rn. 47)
Diese nicht weiter konkretisierte Darlegung erscheint nun zunächst einmal eher kryptisch. Sie erlangt aber ihren Sinn, wenn man in Rechnung stellt, dass es vor 2020 bereits zwei Rechtskreise gegeben haben, die Doppelverdienermodelle betrachtet und das - wenn auch insgesamt noch eher allgemein - auch begründet haben, nämlich:
1) Mit der Einführung der §§ 41 ff in der Landesbesoldungsgesetz hat Rheinland-Pfalz am 18.06.2012 rückwirkend zum 01.01.2012 das Überwiegen von Doppelverdienerehen in der gesellschaftlichen Realität des Landes festgestellt und das zum Anlass genommen, kostenneutrale Umschichtungen im Besoldungsniveau vorzunehmen: Dazu wurde zunächst als Einsparung der Verheiratetenzuschlag auf 60 € halbiert, um zugleich das Ziel zu erfüllen, den Kindezuschlag in einer Umschichtung zu stärken; denn zugleich wurden die Kinderzuschläge für die ersten beiden Kinder um entsprechende Beträge erhöht, sodass das Land damit insgesamt keine Kosteneinsparungen vorgenommen hat:
"Der Gesetzgeber wies weiter darauf hin, dass mit der Neustrukturierung des Familienzuschlags lediglich eine teilweise Umschichtung innerhalb der Bezahlungsvolumina hin zum Kinderanteil für das erste und zweite Kind vorgenommen wurde. Der Verheiratetenanteil in seiner ursprünglichen Form sei vor dem Hintergrund, dass der ursprünglichen Konzeption des Verheiratetenanteils im Familienzuschlag [...] das Leitbild der Alleinverdiener-Ehe zugrunde lag, heute nicht mehr gerechtfertigt. Die heutige gesellschaftliche Realitäten seien vielfach durch die Doppelverdiener-Ehe geprägt, wo sich Familienphasen, in denen ein Ehepartner sich der Erziehung der Kinder widmet, mit Arbeitsphasen abwechselten." (Becker/Tepke, ZBR 2016, S. 27 <30>).
2) Auch Brandenburg hat mit der Neuregelung seines Besoldungsrechts vom 20.11.2013 Änderungen zum 01.01.2015 beschlossen, die es mit der Darlegung begründete, dass das Familienbild der "Alleinverdiener-Ehe" nicht mehr der gesellschaftlichen Wirklichkeit in Brandenburg entsprechen würde (vgl. auch im Folgenden ebd., S. 30 f.). Das Land hat daraufhin den Verheiratetenzuschlag vollständig abgeschafft. Im Gegenzug wurden nun die Grundgehälter aller Beamten sowie darüber hinaus die Beträge der Familienzuschläge für die ersten beiden Kinder erhöht, sodass auch hier die Neuregelung zu keinen Kosteneinsparungen führte.
Betrachtet man nun diese beiden Neuregelungen, dann wird deutlich, worauf sich der Zweite Senat in der oben zitierten Darlegung bezog, verschwindet also der vordergründig kryptische Gehalt der Darlegung: Der Senat stellte in Aussicht, dass er die beiden Neuregelungen in dieser Form, wie sie die beiden genannten Länder 2012 und 2015 umgesetzt haben, als verfassungskonform betrachten könnte, sofern sie beklagt werden würden, legte sich dabei aber nicht konkret fest, da in der Berliner Entscheidung kein Doppelverdienermodell zu betrachten gewesen war - dies ist ein typisches Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts: Es machte die Gesetzgeber implizit auf mit hoher Wahrscheinlichkeit legitime Möglichkeiten aufmerksam, Doppelverdiener-Modelle zu betrachten; so erhält der letzte Satz des Zitats seinen Sinn:
"Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen."
Denn genau das haben die beiden genannten Besoldungsgesetzgeber vollzogen, und zwar kostenneutral, also ohne das Ziel zu verfolgen, damit Kosteneinsparungen vorzunehmen, was sich an den jeweiligen Kosten nachweisen ließ: Sie haben durch Halbierung des Verheiratetenzuschlags (Rheinland-Pfalz) bzw. dessen Abschaffung Mittel generiert, um zugleich höhere Familienzuschläge bereits für die ersten beiden Kinder finanzieren zu können und so die Besoldung stärker als bisher (also stärker als im Alleinverdienermodell) von den tatsächlichen Lebensverhältnissen im jeweiligen Rechtskreis abhängig zu machen.
Was nun allerdings die Besoldungsgesetzgeber seit 2022 durch Doppelverdienermodelle vollziehen, ist, auf Grundlage dieser Modelle massive Kosteneinsparungen vorzunehmen, um zugleich für nicht arbeitende Ehepartner von Beamten exorbitant hohe Verheiratetenzuschläge zu gewähren, die faktisch wie eine Herdprämie wirken. Dabei hat Karlsruhe in seiner bisherigen Rechtsprechung nirgendwo auch nur in einem erkennbaren Ansatz erkennen lassen, dass solche Regelungen verfassungskonform sein könnten. Darüber hinaus lässt sich zeigen, dass diese seit 2022 eingeführten Regelungen in der sozialen Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland mittelbar geschlechterdiskriminierend wirken, da jene Zuschläge - in der nachfolgenden Passage vereinfacht dargelegt - vor allem für die Ehepartner von Beamten attraktiv sind, die nur über ein geringes eigenes Einkommen verfügen. Für diese Ehepartner wird es also attraktiv, eine geringfügige Beschäftigung oder eine Teilzeittätigkeit aufzugeben bzw. eine Teilzeittätigkeit weiter einzuschränken, um so die Anspruchsberechtigung für die mit den neuen Doppelverdienermodellen einhergehenden Zuschläge wahren zu können.
Da Frauen - und zwar insbesondere jüngere, weil sie sich deutlich häufiger als Männer um die Kinderbetreuung kümmern, als auch ältere, die wiederum deutlich häufiger als Männer die Pflege der noch einmal älteren Generation übernehmen - aber weit überwiegend häufiger als Männer einer geringfügigen Beschäftigungen und insbesondere einer Teilzeittätigkeit in geringer Stundenzahl nachgehen, wird es also genau für diese Beschäfigtengruppe attraktiv, eine geringfügige Beschäftigung oder eine Teilzeittätigkeit aufzugeben bzw. eine Teilzeittätigkeit weiter einzuschränken, um so die Anspruchsberechtigung für die mit den neuen Doppelverdienermodellen einhergehenden Zuschläge wahren zu können.
Solche Regelungen aber sind verboten. Denn der Gesetzgeber hat auch hinsichtlich der Geschlechter die sogenannte "neue Formel" des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zu beachten, nach der das Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 GG "vor allem dann verletzt [ist], wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten" (
Nußberger, in: Sachs-Battis, GG, 8. Aufl., 2018, Art. 3, Rn. 8 ff.). Das ist aber zunächst einmal hier der Fall, da Art. 3 Abs. 2 GG festlegt: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."
Entsprechend verbietet Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG unter anderem ebenfalls die Benachteiligung wegen des Geschlechts; denn vielmehr - wie im Zitat deutlich wird - verlangt der Staatsauftrag die Beseitigung bestehender Nachteile zwischen Männern und Frauen und gestattet so entsprechend durchaus eine Ungleichbehandlungf zwischen den Geschlechtern - allerdings ausschließlich dort, wo in der Gesellschaft Nachteile für Frauen bestehen und hier also eine Bevorzugung von Frauen, die der Beseitigung bestehender Nachteile dient. Darüber hinaus aber darf das Geschlecht grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden, was auch dann gilt, wenn eine Regelung nicht auf eine solche Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern andere Ziele verfolgt (vgl. BVerfGE 85, 191 <206>). Genau das ist aber am Ende hier der Fall, dadurch, dass die Ehefrauen von Beamten signifikant häufiger als die Ehemänner von Beamtinnen in der sozialen Wirklichkeit der Bundesrepublik einer geringfügigen Beschäftigung bzw. einer Teilzeittätigkeit in geringer Stundenhöhe nachgehen, werden signifikant mehr Frauen als Männer sich dazu veranlasst sehen, die eigene Beschäftigung aufzugeben, um unentgeltliche Familienarbeit - die Kinderbetreuung und die Pflege der älteren Generation - zu übernehmen, worin sich der mittelbar diskriminierende Gehalt offenbart. Denn im Ergebnis gehen mit den Regelungen, Familienergänzungszuschläge für Ehepartner zu gewähren, die nicht oder in nur geringer Form einer Beschäftigung nachgehen, dann unter anderem geringere Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten von Frauen, eine Erschwernis ihrer eigenständigen Existenz- und Alterssicherung, geringere Chancen auf berufliches Fortkommen und auf eine bessere Bezahlung infolge von Erwerbsunterbrechungen und Teilzeitarbeit einher, worin sich der mittelbar geschlechterdiskriminierende Gehalt solcher Regelungen von "Doppelverdienermodellen" offenbart.
Diese Wirkung ist zunächst 2022 anhand der sozialen Wirklichkeit in Niedersachsen empirisch breit nachgewiesen worden, wobei diese Stellungnahme nicht öffentlich zugänglich ist. Sie ist dann 2023 in noch einmal umfassenderer Form ebenso für den Hamburger Rechtskreis nachgewiesen worden. Diese Stellungnahme ist öffentlich einsehbar:
https://bdr-hamburg.de/?p=1146 Sie ist darüber hinaus nach meinem Wissen Anfang dieses Jahres ebenfalls in einem weiteren aktuellen Gesetzgebungsverfahren in gleichfalls umfassenderer empirischer Form für einen weiteren Rechtskreis nachgewiesen worden, ohne dass diese Stellungnahme bislang öffentlich bekannt geworden ist.
Da also der empirische Nachweis der mittelbaren Geschlechterdiskriminierung, der mit den entsprechenden Zuschlägen für Ehepartner von Beamten einhergeht, für drei unterschiedliche Rechtskreise (einem Stadtstaat und zwei Flächenstaaten) auf breiter empirischer Basis vollzogen worden ist, darf man davon ausgehen, dass das ebenso für alle anderen Rechtskreise so möglich ist. Denn dazu sind die Beschäftigungsverhältnisse von Frauen und Männern in Deutschland insgesamt weiterhin zu unterschiedlich, insbesondere, was den sogenannten Gender Time und den sogenannten Gender Pay Gap anbelangt.
Ergo: Der Gesetzgeber hat das Recht, Doppelverdienermodelle zu betrachten, wie das in Rheinland-Pfalz und Brandenburg vor 2020 geschehen ist - Doppelverdienermodelle, die mittelbar geschlechterdiskriminierend wirken, dürfen in der Bundesrepublik Deutschland nicht eingeführt werden - das gilt auch für die aktuelle Fortentwicklung in Rheinland-Pfalz wie auch bspw. für die Doppelverdienermodelle, die die Nordstaaten oder auch das Land Bayern eingeführt haben. Die mit ihnen einhergehenden Zuschläge wirken von ihrer Form und Höhe her wie eine "Herdprämie", die bestehende Nachteile zulasten von Frauen vertieft, was verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist.