In der Tat ist das nochmal eine recht prägnante Zusammenfassung der rechtlichen Argumentation, so schwer ist es übrigens gar nicht die zugrundeliegende Logik nachzuvollziehen.
Man kann nun allerdings nicht die rechtliche Seite von der ökonomischen und politischen vollends trennen...Die politische Seite hat zudem immer noch die Möglichkeit, die rechtliche Seite zu modifizieren oder auch grundlegend zu verändern...(dazu würde die politische Seite sich - hoffentlich - gezwungen sehen, falls sich die rechtliche Auffassung von Sven sich in der Rechtsprechung durchsetzen sollte)
Leider ist meine Frage unbeantwortet geblieben, wie denn nun (in Euro!!) eine verfassungsgemäße Alimentation nach der eben nochmal ausgeführten rechtlichen Argumentation aussehen würde...
Tja, man käme dann vermutlich dazu, dass das GESAMTE Besoldungsniveau im Beamtenbereich für identische Arbeitsinhalte ca. netto doppelt so hoch wäre, wie im Tarifbereich (wie jetzt in Thüringen bei A9 mit 6 Kindern)...im gesamten Bereich...
Diese politischen und ökonomischen Implikationen kann man ja nun nicht vollends getrennt von der Betrachtung der rechtlichen Seite trennen....und ausweichen, indem man sich jeder Diskussion außerhalb der formal-rechtlichen Ebene verweigert (übrigens eine klassische Strategie von Beamtenvertretern, die man sich hier im Forum aber nicht 'aufzwingen lassen braucht)
Also. wie sähe denn in € (!!) z.B. eine verfassungsgemäße Besoldung nach Swens Vorstellungen (oder derjenigen welche seine Argumentation vertreten) denn nun ungefähr aus?
Das ist recht einfach und hier und anderer Stelle auch schon mehrfach durchexerziert worden:
Der Besoldungsgesetzgeber prüft anhand der Bemessung der Mindestalimentation, ob er in der ersten Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe für einen verheirateten Beamten mit zwei Kindern eine amtsangemessene Nettolaimentation gewährt. Sofern das der Fall ist, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass die von ihm gewährte Nettoalimentation amtsangemessen ist. Sofern darüber hinaus die weiteren fünf Parameter ebenfalls nicht eine nicht amtsangemessene Alimentation indizieren, darf der Besoldungsgesetzgeber davon ausgehen, dass die von ihm gewährte Nettoalimentation in allen Besoldungsgruppen amtsangemessen ist. Nichtsdestotrotz hat er nun noch die zweite und dritte Prüfungsstufe zu betrachten und eine Gesamtabwägung vorzunehmen, die allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit zu keinem anderen Ergebnis kommen sollte, sofern das gerade Genannte gegeben ist.
Sofern das gerade genannte Ergebnis nicht gegeben ist, hat der Besoldungsgesetzgeber ggf. Korrekturen herzustellen. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Mindestalimentation um die absolut niedrigste Vergleichsschwelle handelt: eine unterhalb dieser Schwelle angesiedelte Alimentation ist verfassungswidrig, weil sie grundgesetzgleiches Recht verletzt - und das ist derzeit bzw. seit rund anderthalb Jahrzehnten in allen Ländern der Fall.
Insofern haben die Besoldungsgesetzgeber für jene vierköpfige Familie erst einmal eine Nettoalimentation zu gewähren, die alle Besoldungsgruppen oberhalb der Mindestalimentation alimentiert und dabei für alle Besoldungsgruppen ebenfalls das systeminterne Abstandsgebot beachtet - soll heißen (sofern nun jemand das Gefühl hat, das bliebe eher vage und allgemein): Schaue die hier und an anderer Stelle vollzogenen Berechnungen zur Mindestalimentation an und beachtet weiter, dass insbesondere die Familienzuschläge eine gewisse Höhe nicht überschreiten dürfen. Die gesamte Thematik wird hier noch einmal umfassender dargelegt:
https://www.berliner-besoldung.de/berliner-besoldung-bis-weit-in-den-gehobenen-dienst-hinein-unterhalb-der-grundsicherung/Und hier noch einmal noch umfassender:
https://www.berliner-besoldung.de/gutachten-bestaetigt-berlbvanpg-2021-vorsaetzlich-verfassungswidrig/Die zu beachtenden Voraussetzungen sind umfangreich und komplex, aber wenn man es erst einmal durchdrungen hat, auch nicht unendlich kompliziert.
@ Fahnder
Die Lösung wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf das, was Schnarchnase schreibt, nicht gleichheitsgerecht und insofern nicht mit Art 3 Abs. 1 GG in Einklang zu bringen. Auch dazu wurde hier schon verschiedentlich geschrieben (was in Anbetracht der vielen Seiten natürlich kaum mehr nachzuvollziehen ist). Vereinfacht ausgedrückt: Die Erfahrungsstufen bilden ab, dass davon ausgegangen wird, dass mit einer größeren Erfahrungszeit eine größere Qualität der Arbeit gegeben ist. Eine entsprechende Reform würde von daher dem Leistungsprinzip widersprechen - und dabei zugleich dem Gleichheitssatz, da nun rechtlich weniger leistungsfähige Beamte leistungsfähigeren gleichgestellt werden. Damit würde wesentlich Ungleiches gleich behandelt, was Art. 3 Abs. 1 GG zuwiderliefe. Darüber hinaus hätte die Reform einzig und allein ein Ziel: nämlich an Personalkosten zu sparen. Diese Ziel ist aber als maßgebliches nicht mit Art. 33 Abs. 5 GG in Einklang zu bringen - noch dazu, solange sich die Besoldung insgesamt nahe an der Grenze zu einer nicht mehr amtsangemessenen Alimentation befände, und noch viel mehr, wenn diese - wie es derzeit der Fall ist - massiv unterschritten wird.
@ wossen
Es gibt keine strikt "rechtlich-formale Sichtweise" und irgendetwas anderes, das sich daneben befinden sollte. Es gibt eine amtsangemessene Alimentation; diese ist gegeben, wenn sie gegen keine zu beachtenden Forderungen des Grundgesetzes verstößt. Und es gibt eine nicht amtsangemessene Alimentation; diese verstößt gegen mindestens eine der Forderungen. Das, was Du als "rechtlich-formale Sichtweise" betrachtest, nennt man, wenn es gegeben ist, Rechtsstaat; das zweite einen Verstoß gegen rechtsstaatliche Forderungen. Dazwischen gibt es nichts. Da die Rechtsform von Beamten und Arbeitnehmern unterschiedliche sind (darauf habe ich heute morgen hingewiesen), ist es juristisch gänzlich unerheblich, was sich im Tarifbereich abspielt, da unterschiedliche Rechtscharaktere vorliegen. Sofern Du eine politische Diskussion führen willst, die ökonomischen Sachverhalte beinhaltet, wirst Du zunächst dafür Sorge tragen müssen, dass am Ende die Rechte von Beamten auf der einen Seite und Tarifbeschäftigten auf der anderen an keiner Stelle verletzt werden. Ist das der Fall, also das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet, kannst Du anfangen, über den Unterschied von Besoldung und Tariflohn zu sprechen - in dieser Hinsicht habe ich vor ein paar Tagen hier geschrieben: Der neue Grundsatz wird bald sein müssen "Tarif folgt Besoldung", da die Tariflöhne politisch (und nicht juristisch) betrachtet deutlich steigen werden müssen, wenn die Beamten in Deutschland wieder amtsangemessen alimentiert werden. Denn ansonsten wird man kaum jemanden (oder nicht mehr genügend) mehr finden, der im Tarifbereich des öffentlichen Dienstes Arbeitnehmer sein möchte. Rechtlich ist das aber kein Problem - und das Recht muss im Rechtsstaat gewährleistet bleiben.
@ WasDennNun
Zu Deiner Frage: Lies das, was ich heute morgen und gerade weiter oben geschrieben habe, dann kannst Du Deine an mich gerichtete Frage selbst beantworten: Die Alimentation eines Beamten mit zwei Kindern ist identisch mit der von drei Kindern, da beide dasselbe Grundgehalt und dieselben Familienzuschläge für ihre ersten beiden Kinder erhalten. Darüber hinaus wird das dritte Kind entsprechend seine Bedarfs amtsangemessen alimentiert. Der Vergleich kommt folglich zu dem Schluss, dass kein Unterschied zwischen den beiden Beamten vorliegt, egal ob der eine zwei und der andere drei Kinder hat. Die fünfköpfige Familie verfügt am Ende gemäß ihres Bedarfs über eine höhere Alimentation als die vierköpfige - aber die beiden Beamten werden identisch alimentiert.
@ Und nochmal wossen
Das Unbehagen wird es geben und ist nachvollziehbar - nur ist auch der A 16er seit Jahr und Tag nicht amtsangemessen alimentiert worden. Jetzt könnte hier, wenn ich denn dafür im Moment Zeit hätte, gezeigt werden, wie groß in der Vergangenheit die Unterschiede zwischen besoldeten Beamten und Arbeitnehmergruppen in Deutschland gewesen sind und wie sehr es zur Abschmelzung der Besoldung im Verlauf der letzten Jahrzehnte gekommen ist. Dabei interessiert das BVerfG auch die Individualrechte von Beamten, denn es ist ja seine zentrale Aufgaben, den Einzelnen im Sinne des Grundgesetzes gegenüber dem Staat zu schützen, indem es betrachtet und entscheidet, ob die von der Legislative verabschiedeten Gesetze im Einklang mit dem Grundgesetz stehen und also die Grundrechte des Einzelnen beachtet werden. Nicht minder macht sich das BVerfG aber Sorgen, dass irgendwann unser Gemeinwesen nicht mehr funktionstüchtig sein wird, da die massive Absenkung der Besoldung zu einem immer größeren Qualitätsverlust führt, der mittlerweile so weitgehend ist, dass die Standards für die Übernahme in ein Dienstverhältnis immer weiter gesenkt werden müssen, um überhaupt noch eine ausreichende Zahl an Bewerber zu erhalten. Auch und gerade von daher wird das BVerfG halbgar Lösungen vonseiten der Besoldungsgesrtzgeber nicht akzeptieren, da diese dessen Sorgen nicht kleinermachen würden.