Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3924795 times)

NordWest

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6720 am: 16.11.2024 15:28 »
Nach letzten Umfragen ist die CDU in Niedersachsen wohl vorne in der Wählergunst..

Hier mal ein Statement zur Besoldung von MdL Martina Machulla

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/martina-machulla/fragen-antworten/warum-bezahlt-niedersachsen-seine-beamte-vergleichsweise-so-schlecht-und-ggf-verfassungswidrig

Hoffentlich erinnert sie sich auch noch daran, falls die CDU die nächste Regierung in Niedersachsen anführt

Nichts ist so zuverlässig wie der sofortige Rollentausch von Regierung und Opposition in Sachen Besoldung nach einem Regierungswechsel... völlig unabhängig von den Farben.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6721 am: 16.11.2024 16:33 »
@ Rentenonkel

Ich kann das, was Du schreibst, über weite Strecken gut nachvollziehen, wenn ich auch an mehreren Punkten Ergänzungen und/oder Einwände hätte. Aber darauf kommt es meiner Meinung nach nicht an, weil der Ausgangspunkt, den Du zugrunde legst, prinzipiell ungeeignet, weil nicht sachgerecht ist, um die Höhe des Kindesunterhalts im Hinblick auf die Betrachtung familienbezogener Besoldungskomponenten in Augenschein zu nehmen. Darauf bin ich in meinem letzten Beitrag bereits eingegangen, weshalb ich diesen Teil der Argumentation nicht oder nur angerissen wiederholen muss.

I. Die Mindestalimentation als Kontrollmaßstab

Wie ich in meinem letzten Beitrag bereits ausgeführt habe, hat die Mindestalimentation in der Besoldungsrechtsprechung des Senats ausschließlich die Funktion eines Kontrollmaßstabs, der als solche allein keine Aussagen über die Höhe der amtsangemessenen Alimentation zulässt. Die Mindestalimentation als der um 15 % erhöhte realitätsgerecht bemessene Grundsicherungsbedarf formuliert nur den Betrag der gewährten Alimentation, in den keine Einschnitte möglich sind. Er ist in diesem Sinne materiell-rechtlich die vom absoluten Alimentationsschutz umfasste Untergrenze einer amtsangemessenen Alimentation, in die dem Besoldungsgesetzgeber keine Einschnitte gestattet sind. Materiell-rechtlich muss die gewährte Nettoalimentation in jedem Fall oberhalb der Mindestalimentation liegen, ansonsten ist der Kontrollmaßstab verletzt und die von der Verletzung unmittelbar betroffenen Beamten stellen sich als verfassungswidrig unteralimentiert dar.

Darüber hinaus hat die Mindestalimentation noch eine indizielle Funktion: Übersteigt die sachgerecht ermittelte Nettoalimentation in der untersten Besoldungsgruppe die auf einem realitätsgerechen Grundsicherungsniveau basierende Mindestalimentation, ist das auf der ersten Prüfungsstufe des bundesverfassungsgerichtlichen "Pflichtenhefts" ein Indiz dafür, dass die gewährte Nettoalimentation auch in den höheren Besoldungsgruppen amtsangemessen ist.

Sie stellt also in beiden Fällen ein Kontrollmaßstab dar, der wie im letzten Beitrag anhand der Rn. 30 der aktuellen Entscheidung gezeigt prinzipiell ungeeignet ist, um daraus ableiten zu wollen, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Genau das versuchst Du allerdings (genauso wie mittlerweile faktisch alle Besoldungsgesetzgeber ebenfalls). Damit verkennst Du im Sinne der gerade genannten Randnummer die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats, was ich nachfolgend noch etwas weiter ausführen will, ohne zu tief und zu lang in entsprechende Ausführungen einzusteigen.

II. Keine hinreichende Konkretisierung der Mindestalimentation

Wie ich das ebenfalls in meinen Beiträgen hier im Forum dargelegt habe, lassen sich die vom Bundesverfassungsgericht seiner Bemessung zugrunde gelegten einzelnen Bedarfsposten zur Bemessung des Grundsicherungsniveaus als Ausgangspunkt zur Betrachtung der Mindestalimentation mit Ausnahme der Regelbedarfe und der Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie des monetären Gegenwerts der Sozialtarife nicht hinreichend konkretisieren, worin sich die gerade zitierte prinzipelle Ungeeignetheit der Mindestalimentation zur Betrachtung einzelner Besoldungsbestandteile - in diesem Fall der kinderbezogenen Besoldungskomponenten - bricht. Denn sowohl der 95 %-Perzentil (1.) als auch die Bemessungsmethodik der Heizkosten (2.) lassen keine konkreten Rückschlüsse auf den je tatsächlichen Bedarf des einzelnen Grundsicherungsempfängers der vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft zu, was auch - wie gerade dargelegt  - nicht ihr Zweck wäre. Denn der Zweck der Mindestalimentation ist ja ausschließlich der eines Kontrollmaßstabs, der als solche alleine keine sachgerechten Rückschlüsse auf die Höhe einer amtsangemessenen Alimentation zulässt.

1. Unterkunftskosten

Das 95 %-Perzentil gibt nur den Betrag an sozialrechtlich als angemessen gewährten Unterkunftskosten an, der oberhalb der entsprechend gewährten Beträge liegt, welche den anderen 94,9 % der vierköpfigen Bedarfsgemeinschaften gewährt wird, und der unterhalb der entsprechend gewährten Beträge liegt, welche den restlichen 4,9 % der vierköpfigen Bedarfsgemeinschaften gewährt wird. Es ist als solche eine reine Setzung des Bundesverfassungsgerichts, das davon ausgeht, dass jener Betrag an Unterkunftskosten ausreicht, um am Ende eine Höhe der Mindestalimentation vorzufinden, die als Kontrollmaßstab sicherstellt, dass für Beamte die freie Wohnortswahl im Rahmen ihres Sonderstautsverhältnisses garantiert ist (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 55 ff., insbesondere die Rn. 59; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html). Eine konkrete Aussage zu sozialrechtlichen Bedarfen, wie sie Grundsicherungsempfängern hinsichtlich ihres Wohnorts gewährt werden, ist mit dem 95-Perzentil - außer eben, dass es genau auf Höhe jener 95 % liegt - nicht verbunden. Es ist eine Setzung, der keine konkreten Bedarfe zugeordnet werden.

2. Heizkosten

Ebenso verhält es sich mit der Methodik zur Bemessung der Heizkosten. Hier wird die sozialrechtlich im jeweiligen Rechtskreis als angemessen zu betrachtende Wohnungsgröße herangezogen (vgl. die Rn. 62 f.), die als solche einen Rückschluss auf jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zuließe, um dann jedoch die Höchstbeträge des genannten Heizspiegels für Deutschland heranzuziehen, um auch hier sicherzustellen, dass am Ende ein Kontrollmaßstab gebildet wird, der garantiert, dass eine amtsangemessene Alimentation nicht durch überproportional hohe Heizkosten über Gebühr beschädigt werden könnte. Auch dieser Höchstbetrag lässt sich nun nicht hinsichtlich der tatsächlichen Bedarfe von Grundsicherungsempfängern hinreichend konkretisieren, worin sich ebenfalls widerspiegelt, dass das realitätsgerecht bemessene Grundsicherungsniveau in seiner um 15 % erhöhten Form der Mindestalimentation keine hinreichend konkreten Aussagen über den tatsächlichen Bedarf von Grundsicherungsempfängern zulässt, um daraus nun sachgerecht eine Höhe familienbezogener Beamtenbesoldungskomponenten ableiten zu wollen. Darauf weist das Bundesverfassungsgericht zugleich in einer weiteren Betrachtung hin, die ich im nächsten Abschnitt betrachten will.

III. Qualitativer Unterschied zwischen Grundsicherung und Beamtenalimentation

In seiner aktuellen Entscheidung führt der Senat in der Rn. 47 aus (Hervorhebungen durch ST.):

"Beim Mindestabstandsgebot handelt es sich – wie beim Abstandsgebot – um einen eigenständigen, aus dem Alimentationsprinzip abgeleiteten Grundsatz. Es besagt, dass bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, hinreichend deutlich werden muss (vgl. BVerfGE 81, 363 <378>; 99, 300 <321 f.>; 140, 240 <286 f. Rn. 93 f.>)."

Hier wird nun deutlich gemacht, dass das Beamtenrecht kein Feld des Sozialrechts ist, weshalb das Sozialrecht prinzipiell ungeeignet ist, um aus ihm sachgerecht die amtsangemessene Höhe der zu gewährenden Besoldung und Alimentation ableiten zu wollen. Der ungeeignete Charakter bricht sich dabei in zwei Qualitäten, die man bei der Betrachtung des Besoldungsrechts nicht ausklammern kann:

1) Der Beamte befindet sich in einem Beschäftigungsverhältnis, während die vier Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft allesamt keiner Beschäftigung nachgehen und als solche von der staatlichen Gemeinschaft mit der Höhe des steuerfreien Existenminimums in ihrem tatsächlichen Bedarf unterstützt werden, die sich als angemessen darstellen lässt.

2) Der Beamte befindet sich in einem Dienst- und Treueverhältnis, das von einem beamtenrechtlichen Sonderstuatusverhältnis geprägt wird, das also mit maßgeblichen Grundrechtseinschränkungen verbunden ist, welche letztere wiederum mit einer amtsangemessenen Alimentation zu kompensieren sind.

Auch und gerade wegen des qualitativen Unterschieds zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, stellt sich die Mindestalimentation als mittelbar um 15 % angehobener Ausfluss des spezifisch unkonkret bemessenen Grundsicherungsniveaus als prinzipiell ungeeignet dar, um an ihr Aussagen über die sachgerechte Höhe einzelner Besoldungsbestandteile begründen zu wollen.

Denn dabei bliebe neben den bislang genannten Einwänden weiterhin in Rechnung zu stellen, dass der Grundsicherungsempfänger keinen eigenen Beitrag zur Deckung des tatsächlichen Bedarfs seiner Kinder einbringt, was sich hinsichtlich der einer Beschäftigung nachgehenden Bevölkerung so nicht darstellt. Denn sie erwirtschaftet - je nach der jeweiligen Einkommenshöhe - den Unterhalt ihrer Kinder in einem weitgehenden bis ausschließlichen Maße selbst. Auch deshalb findet die Düsseldrofer Tabelle nicht nur bei anderen Beschäftigten ihre Anwendung, sondern ebenso bei Beamten.

Denn auch der sich von seinem Ehepartner trennende Beamte unterliegt im Unterhaltsrecht den als Richtmaß fungierenden Beträgen der Düsseldorfer Tabelle. Damit wird nicht außer Betracht gelassen, dass der Beamte sich gegenüber allen anderen Beschäftigten in einem Dienst- und Treueverhältnis befindet, das nicht so ohne Weiteres arbeitsrechtlich betrachtet werden könnte; das Dienst- und Treueverhältnis als Beschäftigungsverhältnis ist aber als nicht so grundverschieden von anderen Beschäftigungsverhältnissen anzusehen, als dass der Beamte im Unterhaltsrecht anders zu betrachten wäre als ein Beschäftigter, der sich in keinem Dienst- und Treueverhältnis befindet. Dahingegen zeigt sich der qualitative Unterschied zwischen Grundsicherungsempfängeren und Beamten auf der einen und anderen Beschäftigen auf der anderen Seite auch darin, dass ein Grundsicherungsempfänger, der sich von seinem Ehepartner trennt, nicht zu Unterhaltszahlungen verpflichtet werden kann.

Fazit

Wie gesagt, ich kann Deine Ausführungen nachvollziehen, wenn ich auch nicht in jedem Deiner Schlüsse mit Dir d'accord gehen würde - darauf kommt es aber auch nicht an, da eben das zur Bemessung des Kontrollmaßstabs der Mindestalimentation spezifisch bemessene Grundsicherungsniveau prinzipiell ungeeignet ist, um die sachgerecht Höhe familienbezogener Besoldungskomponenten betrachten zu wollen. Dahingegen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten der vier bislang maßgeblich erfolgten Rechtsprechungen zum alimentationsrechtlichen Mehrbedarf von Beamten mit mehr als zwei Kindern ausgeführt und meines Wissens das bislang hinsichtlich der Düsseldorfer Tabelle nicht anderweitig korrigiert:

"Die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit stellt, wenn auch in ihren einzelnen Ausgestaltungen unterschiedliche, so doch im Hinblick auf die in Frage kommenden globalen Größenordnungen insgesamt aussagefähige Maßstäbe dafür zur Verfügung, wie die wirtschaftliche Belastung zu veranschlagen ist, die sich aus der Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung, Erziehung und Betreuung von Kindern ergibt. In Frage kommen hier z. B. die statistisch ermittelten Ausbildungskosten für ein heranwachsendes Kind, die Unterhaltsrichtsätze des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, die Versorgungsbezüge für Waisen, die Sozialhilfesätze, die Unterhaltssätze im Familienrecht und der Regelunterhalt für nichteheliche Kinder (vgl. § 1 der auf § 1615 f Abs. 2 BGB gestützten Verordnung zur Berechnung des Regelunterhalts - Regelunterhalt-Verordnung - in der Fassung vom 30. Juli 1976 - BGBl. I S. 2042 - samt den sog. Berliner, Düsseldorfer und Kölner Tabellen, NJW 1977, S. 289 f. und S. 1143)." (BVerfGE 44, 249 <274>; https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv044249.html)

Während sich das Sozialrecht seitdem stark verändert hat und die Berliner sowie Kölner Tabelle heute nicht mehr als solche erstellt werden, wird die Düsseldorfer Tabelle nach wie vor maßgeblich zur Betrachtung von Unterhaltsforderungen im Familienrecht herangezogen. Sie kann nicht so verwendet werden, dass aus ihr die Höhe sachgerechter familienbezogener Besoldungskomponenten centgenau berechnet werden könnte. Sie kann aber als eine Maßgabe herangezogen werden, um sachgerechte Beträge zu begründen bzw. diese von offensichtlich nicht sachgerechten zu unterscheiden zu helfen. Entsprechend sollte mein letzter Beitrag zu verstehen sein, nicht zuletzt auch die beispielhafte Berechnung und die daraus abgeleiteten Schlüsse, wie ich sie am Ende des Beitrags erstelle.
« Last Edit: 16.11.2024 16:42 von SwenTanortsch »

BVerfGBeliever

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6722 am: 17.11.2024 15:46 »
@Swen, wie immer herzlichen Dank für deine Ausführungen.

Habe ich dich richtig verstanden, wenn ungefähr Folgendes gilt (korrigiere mich gerne, wenn ich irgendwo falschliege):

1.) Der Kontrollmaßstab für die Mindestalimentation ist der Grundsicherungsbedarf einer vierköpfigen Bürgergeldfamilie. Dieser beträgt zurzeit bis zu 3.860 € monatlich (Regelbedarf 1.850 €, Unterkunftskosten 1.550 €, Heizkosten 240 €, Bildung/Teilhabe 80 €, Sozialtarife 140 €).
2.) Somit hat eine vierköpfige Bundes-Beamtenfamilie einen Anspruch auf eine Netto-Mindestalimentation von mindestens 4.440 €.
3.) Abzüglich 500 € Kindergeld und zuzüglich 660 € PKV-Kosten ergibt sich daraus eine äquivalente Netto-Mindestbesoldung von rund 4.600 €.
4.) Laut Steuerrechner entspricht dies einer äquivalenten Brutto-Mindestbesoldung von rund 5.225 € (unter der Annahme, dass 530 € der PKV-Kosten steuerlich absetzbar sind).

Mit anderen Worten: Die Brutto-Besoldung der vierköpfigen Bundes-Beamtenfamilie muss unter den aktuellen steuerlichen und weiteren Bedingungen materiell-rechtlich mindestens 5.225 € betragen, um nicht gegen das Mindestabstandsgebot zu verstoßen.


Und jetzt die Gretchenfrage: Welche "Leitplanken" gelten für den Gesetzgeber bezüglich der Ausgestaltung dieser Brutto-Mindestbesoldung, insbesondere hinsichtlich der Aufteilung zwischen leistungsbezogenen/familienneutralen sowie leistungslosen/familienbezogenen Bestandteilen? Aus meiner persönlichen Sicht sind diese tendenziell "eng" zu interpretieren, um nicht dem Leistungsprinzip nach Art. 33 GG zu widersprechen.

[Und nur nochmal zur Klarstellung: Wir reden hier lediglich von der Einhaltung des materiell-rechtlichen Mindestabstandsgebots und noch lange nicht von einer amtsangemessenen Besoldung!]
« Last Edit: 17.11.2024 15:52 von BVerfGBeliever »

LehrerBW

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« Antwort #6723 am: 17.11.2024 16:20 »
@ BVerfGBeliever
Woher kommen denn die Unterkunftskosten? Bin ja selbst Vermieter, und 1550€ kalt kommt mir doch stark überzogen vor für zustehende 90qm 🤔

BVerfGBeliever

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« Antwort #6724 am: 17.11.2024 16:29 »
@LehrerBW: Siehe Seite 10 in Swens Ausarbeitung (es sind sogar 1.553 €  ;)):
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,120049.msg366847.html#msg366847

Bei euch in Ba.-Wü. dürfte der Wert vermutlich etwas niedriger liegen.

SwenTanortsch

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« Antwort #6725 am: 17.11.2024 16:37 »
@Swen, wie immer herzlichen Dank für deine Ausführungen.

Habe ich dich richtig verstanden, wenn ungefähr Folgendes gilt (korrigiere mich gerne, wenn ich irgendwo falschliege):

1.) Der Kontrollmaßstab für die Mindestalimentation ist der Grundsicherungsbedarf einer vierköpfigen Bürgergeldfamilie. Dieser beträgt zurzeit bis zu 3.860 € monatlich (Regelbedarf 1.850 €, Unterkunftskosten 1.550 €, Heizkosten 240 €, Bildung/Teilhabe 80 €, Sozialtarife 140 €).
2.) Somit hat eine vierköpfige Bundes-Beamtenfamilie einen Anspruch auf eine Netto-Mindestalimentation von mindestens 4.440 €.
3.) Abzüglich 500 € Kindergeld und zuzüglich 660 € PKV-Kosten ergibt sich daraus eine äquivalente Netto-Mindestbesoldung von rund 4.600 €.
4.) Laut Steuerrechner entspricht dies einer äquivalenten Brutto-Mindestbesoldung von rund 5.225 € (unter der Annahme, dass 530 € der PKV-Kosten steuerlich absetzbar sind).

Mit anderen Worten: Die Brutto-Besoldung der vierköpfigen Bundes-Beamtenfamilie muss unter den aktuellen steuerlichen und weiteren Bedingungen materiell-rechtlich mindestens 5.225 € betragen, um nicht gegen das Mindestabstandsgebot zu verstoßen.


Und jetzt die Gretchenfrage: Welche "Leitplanken" gelten für den Gesetzgeber bezüglich der Ausgestaltung dieser Brutto-Mindestbesoldung, insbesondere hinsichtlich der Aufteilung zwischen leistungsbezogenen/familienneutralen sowie leistungslosen/familienbezogenen Bestandteilen? Aus meiner persönlichen Sicht sind diese tendenziell "eng" zu interpretieren, um nicht dem Leistungsprinzip nach Art. 33 GG zu widersprechen.

[Und nur nochmal zur Klarstellung: Wir reden hier lediglich von der Einhaltung des materiell-rechtlichen Mindestabstandsgebots und noch lange nicht von einer amtsangemessenen Besoldung!]

LehrerBW

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« Antwort #6726 am: 17.11.2024 16:57 »
@LehrerBW: Siehe Seite 10 in Swens Ausarbeitung (es sind sogar 1.553 €  ;)):
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,120049.msg366847.html#msg366847

Bei euch in Ba.-Wü. dürfte der Wert vermutlich etwas niedriger liegen.
Danke 👍
Ganz unabhängig davon kommt mein Besoldungsgesetzgeber auch auf den Wert von 1500🤷‍♂️
Er kommt aber im neuen Gesetzentwurf bei der Berechnung des Grundbedarfs nur auf 3554.- monatlich.
https://oeffentlicher-dienst.info/pdf/bw/bw-bvanp-aeg-2024-2025-vorlage.pdf
S.88 und 89
Regelbedarf 1012
Kinder 834
Wohnkosten 1500
Teilhabe Bildung 134
Sozialtarife 65
Gesamtbetrag 3554

Daraus folgende Mindestalimentation 4087

Unterschlägt er die Heizkosten mutwillig?

BVerfGBeliever

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« Antwort #6727 am: 17.11.2024 17:20 »
Unterschlägt er die Heizkosten mutwillig?

Dein Gesetzgeber scheint die Kosten für Unterkunft und Heizung unter dem Begriff "Wohnkosten" zusammenzufassen (siehe Seite 63 in deinem verlinkten Dokument).

SwenTanortsch

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« Antwort #6728 am: 17.11.2024 18:04 »
@Swen, wie immer herzlichen Dank für deine Ausführungen.

Habe ich dich richtig verstanden, wenn ungefähr Folgendes gilt (korrigiere mich gerne, wenn ich irgendwo falschliege):

1.) Der Kontrollmaßstab für die Mindestalimentation ist der Grundsicherungsbedarf einer vierköpfigen Bürgergeldfamilie. Dieser beträgt zurzeit bis zu 3.860 € monatlich (Regelbedarf 1.850 €, Unterkunftskosten 1.550 €, Heizkosten 240 €, Bildung/Teilhabe 80 €, Sozialtarife 140 €).
2.) Somit hat eine vierköpfige Bundes-Beamtenfamilie einen Anspruch auf eine Netto-Mindestalimentation von mindestens 4.440 €.
3.) Abzüglich 500 € Kindergeld und zuzüglich 660 € PKV-Kosten ergibt sich daraus eine äquivalente Netto-Mindestbesoldung von rund 4.600 €.
4.) Laut Steuerrechner entspricht dies einer äquivalenten Brutto-Mindestbesoldung von rund 5.225 € (unter der Annahme, dass 530 € der PKV-Kosten steuerlich absetzbar sind).

Mit anderen Worten: Die Brutto-Besoldung der vierköpfigen Bundes-Beamtenfamilie muss unter den aktuellen steuerlichen und weiteren Bedingungen materiell-rechtlich mindestens 5.225 € betragen, um nicht gegen das Mindestabstandsgebot zu verstoßen.


Und jetzt die Gretchenfrage: Welche "Leitplanken" gelten für den Gesetzgeber bezüglich der Ausgestaltung dieser Brutto-Mindestbesoldung, insbesondere hinsichtlich der Aufteilung zwischen leistungsbezogenen/familienneutralen sowie leistungslosen/familienbezogenen Bestandteilen? Aus meiner persönlichen Sicht sind diese tendenziell "eng" zu interpretieren, um nicht dem Leistungsprinzip nach Art. 33 GG zu widersprechen.

[Und nur nochmal zur Klarstellung: Wir reden hier lediglich von der Einhaltung des materiell-rechtlichen Mindestabstandsgebots und noch lange nicht von einer amtsangemessenen Besoldung!]

Das, was Du schreibst und zusammenfasst, gilt es tatsächlich zu differenzieren, BVerfGBeliever, was ich nachfolgend vollziehe (vorhin habe ich aus Versehen den noch nicht geschriebenen Beitrag abgeschickt):

Zu Nr. 1) Die Mindestalimentation kann man als einen Kontrollmaßstab verstehen. Sie legt die Grenze zur Unteralimentation fest und umfasst entsprechend den Betrag der zu gewährenden Nettoalimentation, der vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist und in den der Besoldungsgesetzgeber von daher keine Einschnitte vornehmen darf. Die von Dir genannten Beträge folgen der von Dir nachfolgend genannten Quelle. Die realitätsgerecht bemessenen Heizkosten sind durch den zwischenzeitlich erschienen aktuellen Heizspiegel für Deutschland niedriger anzusetzen als in der von Dir genannten Betrachtung, die ich im Sommer angestellt habe, als der aktuelle Heizspiegel noch nicht erschienen war. Heranzuziehen sind für den bayerischen Rechtskreis eine 90 qm große Unterkunft und Heizkosten von 31,91 € je Quadratmeter (vgl. die Seite 4 unter https://www.heizspiegel.de/fileadmin/hs/heizspiegel-2024/Heizspiegel_Flyer_2024_Web.pdf mit dem Energieträger Erdgas). Entsprechend kann man den von Dir ausgewiesenen Beträgen sachlich folgen, ist also von einem realitätsgerecht bemessenen Grundsicherungsniveau in Höhe von 3.859,53 € (und nicht von 3.917,28 € auf Basis des letztjährigen Heizspiegels) auszugehen, was zu einer Mindestalimentation in Höhe von 4.438,46 € für den bayerischen Rechtskreis führt (nebenbei: Für Baden-Württemberg habe ich im Frühjahr auf Basis des im Januar dieses Jahres ausgewiesenen 95 %-Perzentils für Baden-Württemberg im Jahr 2022 in Höhe von 1.270 € realitätsgerechte kalte Unterkunftskosten 1.362,- € für das Jahr 2024 bemessen).

Zur Nr. 2) Die Mindestalimentation im bayerischen Rechtskreis beträgt also 4.438,46 € und kann ebenso für den Bund zugrunde gelegt werden. Der von Dir herangezogene gerundete Betrag ist also ebenfalls schlüssig.

Zur Nr. 3) Will man die indizielle Mindestbesoldung bemessen, die weiterhin keine materiell-rechtliche Bemessung darstellt, sondern anhand derer ausschließlich eine indizielle Aussage über den Verletzungsgrad einer Besoldungsordnung möglich ist, kann man von dieser Mindestalimentation ausgehen und dann entsprechend so vorgehen, wie ich das in der Darstellung ab der S. 20 getan habe. Die äquivalente Nettobesoldung im Bund (und nicht in Bayern, da hier im Anschluss die Komponenten der Bundesbesoldung herangezogen werden) stellt auf dieser Basis einen indiziellen Vergleichsbetrag dar, hat aber, anders als von Dir betrachtet, keine unmittelbar materiell-rechtliche Bedeutung. Insofern sind dir von Dir im Anschluss gemachten Ausführungen so nicht möglich. Zunächst einmal bemesse ich, ausgehend von der aktuellen Mindestalimentation, die äquivalente Nettobesoldung und das indizielle Grundgehaltsäquivalent und folge dabei der gerade genannten Darstellung, setze entsprechend nur die aktuellen Beträge ein:

Die Höhe der realitätsgerecht bemessenen Mindestalimentation beträgt im Jahr 2024 53.268,- €.
Subtrahiert man von ihr das im selben Jahr gewährte Kindergeld in Höhe von 6.000,- € und addiert
die Kosten für die die Beihilfeleistungen ergänzende Kranken- und Pflegeversicherung in jährlicher
Höhe von 7.845,- €, erhält man die äquivalente jährliche Nettobesoldung in Höhe von 55.113,- €,
die also exakt auf Höhe der Mindestalimentation liegt. Die anhand des Steuerrechners des Bundesfi-
nanzministeriums mittels der oben genannten Beträge bemessene Steuerlast beträgt 7.388,- €. Das
Besoldungsäquivalent zur Mindestalimentation weist folglich eine Höhe von 62.501,- € auf. Denn
subtrahiert man von ihm die Steuerlast in Höhe von 7.388,- €, erhält man die äquivalente Nettobe-
soldung von 55.113,- €. Subtrahiert man vom Besoldungsäquivalent zur Mindestalimentation – dem
in der Prüfung fiktiven Besoldungsniveau – sämtliche gewährte Besoldungskomponenten mit Aus-
nahme des Grundgehalts, erhält man die indizielle Höhe des Grundgehaltsäquivalents, das also ex-
akt auf Höhe der Mindestalimentation liegt. Hierbei liegt es in Anbetracht des oben bereits doku-
mentierten materiell-rechtlichen Verletzungsgrads auf der Hand, dass auch die indizielle Betrach-
tung zu keinem anderen Ergebnis gelangen kann; nicht umsonst erweist sich die materiell-rechtliche
Verletzung der Besoldungsordnung A als eklatant. So verstanden erscheint es sinnvoll, die familien-
bezogenen Besoldungskomponenten, die den höherwertigen Ämtern gewährt werden, heranzuzie-
hen. Sie betragen 2024 insgesamt 5.475,- €. Im Ergebnis beträgt der Jahresbetrag des Grundgehalts-
äquivalents hier folglich 57.026,- € bzw. der monatliche Betrag 4.753,- €.

Zur Nr. 4) Das Besoldungsäquivalent beträgt im Jahr 62.501,- €, also pro Monat 5.209,- €, das Grundgehaltsäquivalent monatlich 4.753,- €.

Die im Anschluss an die Nr. 4 von Dir getätigten Aussagen können auf Basis der indiziellen Beträge, wie ich sie gerade bemessen habe, nicht vollzogen werden, da Du hier materiell-rechtliche Aussagen machst. Dem steht aber weiterhin die Rn. 30 der aktuellen Entscheidung entgegen:

"Die Parameter [der ersten Prüfungsstufe; ST.] sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen." (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html)

Die sich daran anschließende Gretchenfrage lässt sich entsprechend aus den gerade vollzogenen Bemessungen, die ausschließlich dazu dienen, Indizien für den Verletzungsgrad der Besoldungssystematik zu erstellen, nicht beantworten. Vielmehr sieht sich der Besoldungsgesetzgeber als Folge der seit 2012 erfolgten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gezwungen, die Höhe der jeweiligen Besoldungskomponenten sachgerecht zu begründen. Entsprechend habe ich mit den in Reaktion auf Rentenonkels Beiträgen erstellten Gedanken und Bemessungen einen Rahmen zu skizzieren versucht, auf dessen Grundlage man abschätzen kann, welche tatsächlichen Bedarfe dem Beamten aus seinen Kinder erwachsen, sodass man von hieraus und mit diesen Gedanken und Bemessungen eine sachgerechte Höhe kinderbezogener Besoldungsbestandteile begründen kann. Auch diese lassen sich aber nicht cent- oder eurogenau berechnen, da das Besoldungsrecht kein Zweig der Mathematik, sondern Ausfluss des Art. 33 Abs. 5 GG ist.

@ LehrerBW

Der baden-württembergische Besoldungsgesetzgeber legt ein nicht sachgerechtes 95 %-Perzentil zugrunde, das also die kalten und warmen Unterkunftskosten gemeinsam ausweist. Jenes darf aber nicht herangezogen werden, da im Sozialrecht der Mietzins unabhängig von den Nebenkosten betrachtet werden muss. Legt man das von mir oben genannte und von mir extrapolierte 95 %-Perzentil von 1.362,- € zugrunde (von dem ich ausgehe, dass ich es eher zu gering angesetzt habe) und addiert die in Baden-Württemberg gleichfalls auf Basis einer 90 qm großen Unterkunft zu bemessenen Heizkosten in Höhe von 239,33 €, so erhält man als Kosten in Höhe von 1.601,33 € (und nicht von 1.500,- €, die der Besoldungsgesetzgeber ausweist). Lege ich die von Dir genannten Beträge sowie die weiteren von Dir genannten zugrunde, ergibt sich das folgende Bild für das Grundsicherungsniveau (die Kosten der Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie des monetären Gegenwerts der Sozialtarife dürften ebenfalls zu gering bemessen sein, sodass das ERgebnis am Ende nicht realitätsgerecht ist):

Regelbedarfe:                                                1.846,- €
Unterkunfskosten:                                          1.362,- €
Heizkosten:                                                      239,33 €
Kosten der Bedarfe für Bildung und Teilhabe:      134,- €
monetärer Gegenwert Sozialtarife:                      65,- €
Grundsicherungsniveau:                                 3.646,33 €
Mindestalimentation:                                     4.193,28 €

Die Bemessung des Gesetzgebers erfolgte also um rund 100,- € zu gering, was - da das Land bislang noch nie eine sachgerechte Bemessung durchgeführt hat - auch nicht anders zu erwarten war.

LehrerBW

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« Antwort #6729 am: 18.11.2024 04:30 »

@ LehrerBW

Der baden-württembergische Besoldungsgesetzgeber legt ein nicht sachgerechtes 95 %-Perzentil zugrunde, das also die kalten und warmen Unterkunftskosten gemeinsam ausweist. Jenes darf aber nicht herangezogen werden, da im Sozialrecht der Mietzins unabhängig von den Nebenkosten betrachtet werden muss. Legt man das von mir oben genannte und von mir extrapolierte 95 %-Perzentil von 1.362,- € zugrunde (von dem ich ausgehe, dass ich es eher zu gering angesetzt habe) und addiert die in Baden-Württemberg gleichfalls auf Basis einer 90 qm großen Unterkunft zu bemessenen Heizkosten in Höhe von 239,33 €, so erhält man als Kosten in Höhe von 1.601,33 € (und nicht von 1.500,- €, die der Besoldungsgesetzgeber ausweist). Lege ich die von Dir genannten Beträge sowie die weiteren von Dir genannten zugrunde, ergibt sich das folgende Bild für das Grundsicherungsniveau (die Kosten der Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie des monetären Gegenwerts der Sozialtarife dürften ebenfalls zu gering bemessen sein, sodass das ERgebnis am Ende nicht realitätsgerecht ist):

Regelbedarfe:                                                1.846,- €
Unterkunfskosten:                                          1.362,- €
Heizkosten:                                                      239,33 €
Kosten der Bedarfe für Bildung und Teilhabe:      134,- €
monetärer Gegenwert Sozialtarife:                      65,- €
Grundsicherungsniveau:                                 3.646,33 €
Mindestalimentation:                                     4.193,28 €

Die Bemessung des Gesetzgebers erfolgte also um rund 100,- € zu gering, was - da das Land bislang noch nie eine sachgerechte Bemessung durchgeführt hat - auch nicht anders zu erwarten war.
Vielen lieben Dank Swen
Man kommt sich mittlerweile einfach nur noch von seinem Besoldungsgesetzgeber verarscht vor dem kein Rechentrick zu billig ist um die Alimentation zu drücken.
Wir werden richtiggehend durch das Machtgefälle ausgenutzt...und dann sollen wir uns noch für die Jobsicherheit bedanken.

Versuch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6730 am: 18.11.2024 06:16 »

@ LehrerBW

Der baden-württembergische Besoldungsgesetzgeber legt ein nicht sachgerechtes 95 %-Perzentil zugrunde, das also die kalten und warmen Unterkunftskosten gemeinsam ausweist. Jenes darf aber nicht herangezogen werden, da im Sozialrecht der Mietzins unabhängig von den Nebenkosten betrachtet werden muss. Legt man das von mir oben genannte und von mir extrapolierte 95 %-Perzentil von 1.362,- € zugrunde (von dem ich ausgehe, dass ich es eher zu gering angesetzt habe) und addiert die in Baden-Württemberg gleichfalls auf Basis einer 90 qm großen Unterkunft zu bemessenen Heizkosten in Höhe von 239,33 €, so erhält man als Kosten in Höhe von 1.601,33 € (und nicht von 1.500,- €, die der Besoldungsgesetzgeber ausweist). Lege ich die von Dir genannten Beträge sowie die weiteren von Dir genannten zugrunde, ergibt sich das folgende Bild für das Grundsicherungsniveau (die Kosten der Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie des monetären Gegenwerts der Sozialtarife dürften ebenfalls zu gering bemessen sein, sodass das ERgebnis am Ende nicht realitätsgerecht ist):

Regelbedarfe:                                                1.846,- €
Unterkunfskosten:                                          1.362,- €
Heizkosten:                                                      239,33 €
Kosten der Bedarfe für Bildung und Teilhabe:      134,- €
monetärer Gegenwert Sozialtarife:                      65,- €
Grundsicherungsniveau:                                 3.646,33 €
Mindestalimentation:                                     4.193,28 €

Die Bemessung des Gesetzgebers erfolgte also um rund 100,- € zu gering, was - da das Land bislang noch nie eine sachgerechte Bemessung durchgeführt hat - auch nicht anders zu erwarten war.
Vielen lieben Dank Swen
Man kommt sich mittlerweile einfach nur noch von seinem Besoldungsgesetzgeber verarscht vor dem kein Rechentrick zu billig ist um die Alimentation zu drücken.
Wir werden richtiggehend durch das Machtgefälle ausgenutzt...und dann sollen wir uns noch für die Jobsicherheit bedanken.

Und hat das Land nicht auch die Inflationsprämie mit eingerechnet, um dann auf den Mindestwert zu kommen?

Langsam braucht es auch einen guten Musterwiderspruch für 2024.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6731 am: 18.11.2024 07:12 »
Es ist leider genauso, Lehrer. Am Ende kann das nur politischer Druck ändern, der vor allem dann entstehen würde, wenn sich die Medien des Themas annehmen, so wie das bspw. die hessenschau in unregelmäßigen Abständen macht, sodass sich die hessische Landesregierung eben wie im verlinkten Beitrag veranlasst sieht, über das Thema nicht nur zu berichten, sondern auch wie hier führende Politiker zu befragen (https://www.hessenschau.de/tv-sendung/was-beamte-von-der-ausgesetzten-besoldungserhoehung-halten,video-203966.html). Ergo kann man Beamten generell nur empfehlen, mit den Journalisten in ihrer weiteren und näheren Umgebung zu sprechen und nicht auf die Gerichte und Interessenvertreter zu warten, also selbst aktiv zu werden und die Öffentlichkeit und insbesondere die Medien auf das Problemfeld aufmerksam zu machen. Denn man darf annehmen, dass sich die Bevölkerung in der Bundesrepublik weit überwiegend eine funktionierende öffentliche Verwaltung wünscht, die allerdings nicht nur in Hessen zunehmend dysfunktional wird. Wenn mittlerweile knapp ein Fünftel aller Lehrkräfte in Hessen und mehr als jede dritte Grundschullehrkraft nicht mehr durch zwei Staatsexamen ausgewiesen sind (ab Min. 3:07), dann muss man sich nicht wundern, dass der staatliche Bildungsauftrag schon einmal besserer Zeiten erlebt hat. Möchte man bald analog zu den genannten Aushilfslehrern in Hessen zunehmend Aushilfspolizisten, Aushilfsärzte und Aushilfsrichter sowie Aushilfsstaatsanwälte beschäftigen? https://schulaemter.hessen.de/einstellung-in-den-schuldienst/aktuell-gesucht

Darüber hinaus würde ich als hessischer Beamter heute mal bei der hessenschau nachfragen, nachdem ich mich für den Beitrag und auch und gerade die Befragung des Finanzministers bedankt hätte, wieso man ihn so einfach ab Min. 7:46 über den offenen Verfassungsbruch dozieren lässt, ohne hier kritische Rückfragen zu stellen. Denn ich finde es schon erschreckend, dass man einen führenden Landespolitiker für ihn problemlos und ohne Konsequenzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk darüber dozieren lässt, wie man den offenen Verfassungsbruch betreibt: Solche Reden wie die hier präsentierten würde ich als Journalist eigentlich bislang eher nicht von führenden Landespolitikern zur besten Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erwarten. Worüber will man führende Landespolitiker alsbald noch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ohne kritische Rückfrage zur besten Sendezeit dozieren lassen, dass man den staatlichen Bildungsauftrag aus Art. 7 Abs. 1 GG nun leider bis zu einer kommenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr wahrnehmen wolle, weil man sich von jener Entscheidung weitere Anmerkungen erhoffe, wie man eigentlich ein staatlichen Bildungswesen zu organisieren habe, oder dass man bis auf Weiteres in Deutschland den effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG wird aussetzen müssen, weil man davon ausgehe, dass alsbald das Bundesverfassungsgericht seine entsprechende Rechtsprechung weiter ausschärfen werde, oder dass man bis zu einer demnächst ggf. erfolgenden weiteren Präzisierung durch das Bundesverfassungsgericht, was eigentlich Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 genau heiße, den Art. 5 Abs. 1 Satz 3 ab heute anders verstehen wolle als bislang das Bundesverfassungsgericht, man aber doch guten Mutes sei, dass jenes die eigene Sicht auf die Dinge in nächster Zukunft bestätigen werde?

"Aber wir stehen jetzt vor dem Problem, wir erwarten ja ein neues Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das möglicherweise auch die Maßstäbe, die ja anzulegen sind, wieder etwas anders interpretieren wird. Wir sollten dieses Urteil jetzt abwarten und dann auf der Basis einer hoffentlich gefestigten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entscheiden, was wir dann noch tun müssen, um eventuell Verfassungskonformität herzustellen." (ab Min. 8:10)

Recht hat der gute Mann in seinem Urlaubsgruß aus dem verfassungsrechtlichen Ausland. Wozu noch heute eventuell Verfassungskonformität in Deutschland herstellen, wenn man nach dem Abwarten der nächsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Gefolge dieser nächsten Entscheidung sicherlich abwarten möchte, was das Bundesverfassungsgericht in dann hoffentlich gefestigter Rechtsprechung in seiner übernächsten Entscheidung ausführen könnte? Das irgendwann zu vollziehende Anliegen von Verfassungskonformität ist offensichtlich eine wichtige Aufgabe, der sich auch die vollziehende Gewalt in Deutschland alsbald in näherer Zukunft eventuell widmen wird, weshalb jetzt schon die Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz festgeschrieben werden soll, um dann danach entsprechende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten, die möglicherweise auch die Maßstäbe, die ja anzulegen sind, wieder etwas anders interpretieren werden, sodass man beruhigt feststellen kann, dass es eigentlich gar keine Bindungswirkung gibt. Großes Kino.

LehrerBW

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6732 am: 18.11.2024 07:19 »
Und hat das Land nicht auch die Inflationsprämie mit eingerechnet, um dann auf den Mindestwert zu kommen?

Langsam braucht es auch einen guten Musterwiderspruch für 2024.
Genau😡
Das Land BW legt sachfremd einen Grundsicherungsbedarf von 42 654.- fest und stellt dem gegenüber eine zu gewährende Mindestbesoldung von 49 052.- gegenüber.
Die wird erreicht, indem das Land BW anrechnet:
3000 Inflationspauschale
6000 Partnereinkommen…woher die Zahl auch immer kommt

Hinzukommen noch brutto
6050 Kinderzuschlag den nur der A7er bekommt
500 A7 Amtszulage die nur der A7er bekommt
1000 Strukturzulage von der wir Lehrer ausgeschlossen sind…warum auch immer 🤷‍♂️

So trickst sich das Land über fragwürdige Zulagen, die es dem gD und hD verwehrt zu einer vermeintlichen verfassungsgemäßen Alimentation.
Dazu kommen noch unsere 41 Stunden
Es ist richtig richtig bitter…in dem Ausmaß ist mir das erst in den letzten Tagen geworden.
Und gerade der Vergleich mit anderen Ländern ist richtig übel geworden.
Dahin hat uns eine grün/rote Finanzpolitik geführt🤬
Denn es war mal anders.

Hoffnungsschimmer ist allerdings, dass es mittlerweile so eklatant ist, dass unser Besoldungsgesetzgeber nach dem nächsten BVerfG Urteil oder zur Wahl im Frühjahr 26 wird umsteuern müssen.
Es gilt nun aber auch unsere Abgeordneten darauf hinzuweisen. Sehe da den Beamtenbund BW ehrlich gesagt in der Pflicht.

*edit*
Und selbst ich mit A13/6 bin Stand jetzt gerademal läppische 11 000 über dem angesetzten Grundsicherungsbedarf. Es ist wirklich richtig was schräg bei uns in theLänd
« Last Edit: 18.11.2024 07:34 von LehrerBW »

Beamtenneuling

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6733 am: 18.11.2024 07:55 »
Rechnet hier eigentlich jedes Land für sich aus, wie hoch die Mindestversorgung sein muss, oder ist das einheitlich?

Wenn es nicht einheitlich der gleiche Betrag ist, was er sein müsste (richtig,  oder?), würde mich interessieren warum das so ist und wie hoch die Differenz zwischen dem niedrigsten und höchsten Wert ist. Hat das jemand um Blick?

Versuch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6734 am: 18.11.2024 07:55 »
Und hat das Land nicht auch die Inflationsprämie mit eingerechnet, um dann auf den Mindestwert zu kommen?

Langsam braucht es auch einen guten Musterwiderspruch für 2024.
Genau😡
Das Land BW legt sachfremd einen Grundsicherungsbedarf von 42 654.- fest und stellt dem gegenüber eine zu gewährende Mindestbesoldung von 49 052.- gegenüber.
Die wird erreicht, indem das Land BW anrechnet:
3000 Inflationspauschale
6000 Partnereinkommen…woher die Zahl auch immer kommt

Hinzukommen noch brutto
6050 Kinderzuschlag den nur der A7er bekommt
500 A7 Amtszulage die nur der A7er bekommt
1000 Strukturzulage von der wir Lehrer ausgeschlossen sind…warum auch immer 🤷‍♂️

So trickst sich das Land über fragwürdige Zulagen, die es dem gD und hD verwehrt zu einer vermeintlichen verfassungsgemäßen Alimentation.
Dazu kommen noch unsere 41 Stunden
Es ist richtig richtig bitter…in dem Ausmaß ist mir das erst in den letzten Tagen geworden.
Und gerade der Vergleich mit anderen Ländern ist richtig übel geworden.
Dahin hat uns eine grün/rote Finanzpolitik geführt🤬
Denn es war mal anders.

Hoffnungsschimmer ist allerdings, dass es mittlerweile so eklatant ist, dass unser Besoldungsgesetzgeber nach dem nächsten BVerfG Urteil oder zur Wahl im Frühjahr 26 wird umsteuern müssen.
Es gilt nun aber auch unsere Abgeordneten darauf hinzuweisen. Sehe da den Beamtenbund BW ehrlich gesagt in der Pflicht.

*edit*
Und selbst ich mit A13/6 bin Stand jetzt gerademal läppische 11 000 über dem angesetzten Grundsicherungsbedarf. Es ist wirklich richtig was schräg bei uns in theLänd
Mit rot grün hat das Mal far nichts zu tun, denn bei schwarz war es genauso und derzeit ist es zudem Schwarze-grün.

Die Polemik finde ich erschreckend.

Zudem geht der bbbw seit Jahren den Weg des geringsten Widerstandes.
Von diesen Menschen erwarte ich 0,0