@Swen, wie immer herzlichen Dank für deine Ausführungen.
Habe ich dich richtig verstanden, wenn ungefähr Folgendes gilt (korrigiere mich gerne, wenn ich irgendwo falschliege):
1.) Der Kontrollmaßstab für die Mindestalimentation ist der Grundsicherungsbedarf einer vierköpfigen Bürgergeldfamilie. Dieser beträgt zurzeit bis zu 3.860 € monatlich (Regelbedarf 1.850 €, Unterkunftskosten 1.550 €, Heizkosten 240 €, Bildung/Teilhabe 80 €, Sozialtarife 140 €).
2.) Somit hat eine vierköpfige Bundes-Beamtenfamilie einen Anspruch auf eine Netto-Mindestalimentation von mindestens 4.440 €.
3.) Abzüglich 500 € Kindergeld und zuzüglich 660 € PKV-Kosten ergibt sich daraus eine äquivalente Netto-Mindestbesoldung von rund 4.600 €.
4.) Laut Steuerrechner entspricht dies einer äquivalenten Brutto-Mindestbesoldung von rund 5.225 € (unter der Annahme, dass 530 € der PKV-Kosten steuerlich absetzbar sind).
Mit anderen Worten: Die Brutto-Besoldung der vierköpfigen Bundes-Beamtenfamilie muss unter den aktuellen steuerlichen und weiteren Bedingungen materiell-rechtlich mindestens 5.225 € betragen, um nicht gegen das Mindestabstandsgebot zu verstoßen.
Und jetzt die Gretchenfrage: Welche "Leitplanken" gelten für den Gesetzgeber bezüglich der Ausgestaltung dieser Brutto-Mindestbesoldung, insbesondere hinsichtlich der Aufteilung zwischen leistungsbezogenen/familienneutralen sowie leistungslosen/familienbezogenen Bestandteilen? Aus meiner persönlichen Sicht sind diese tendenziell "eng" zu interpretieren, um nicht dem Leistungsprinzip nach Art. 33 GG zu widersprechen.
[Und nur nochmal zur Klarstellung: Wir reden hier lediglich von der Einhaltung des materiell-rechtlichen Mindestabstandsgebots und noch lange nicht von einer amtsangemessenen Besoldung!]
Das, was Du schreibst und zusammenfasst, gilt es tatsächlich zu differenzieren, BVerfGBeliever, was ich nachfolgend vollziehe (vorhin habe ich aus Versehen den noch nicht geschriebenen Beitrag abgeschickt):
Zu Nr. 1) Die Mindestalimentation kann man als einen Kontrollmaßstab verstehen. Sie legt die Grenze zur Unteralimentation fest und umfasst entsprechend den Betrag der zu gewährenden Nettoalimentation, der vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist und in den der Besoldungsgesetzgeber von daher keine Einschnitte vornehmen darf. Die von Dir genannten Beträge folgen der von Dir nachfolgend genannten Quelle. Die realitätsgerecht bemessenen Heizkosten sind durch den zwischenzeitlich erschienen aktuellen Heizspiegel für Deutschland niedriger anzusetzen als in der von Dir genannten Betrachtung, die ich im Sommer angestellt habe, als der aktuelle Heizspiegel noch nicht erschienen war. Heranzuziehen sind für den bayerischen Rechtskreis eine 90 qm große Unterkunft und Heizkosten von 31,91 € je Quadratmeter (vgl. die Seite 4 unter
https://www.heizspiegel.de/fileadmin/hs/heizspiegel-2024/Heizspiegel_Flyer_2024_Web.pdf mit dem Energieträger Erdgas). Entsprechend kann man den von Dir ausgewiesenen Beträgen sachlich folgen, ist also von einem realitätsgerecht bemessenen Grundsicherungsniveau in Höhe von 3.859,53 € (und nicht von 3.917,28 € auf Basis des letztjährigen Heizspiegels) auszugehen, was zu einer Mindestalimentation in Höhe von 4.438,46 € für den bayerischen Rechtskreis führt (nebenbei: Für Baden-Württemberg habe ich im Frühjahr auf Basis des im Januar dieses Jahres ausgewiesenen 95 %-Perzentils für Baden-Württemberg im Jahr 2022 in Höhe von 1.270 € realitätsgerechte kalte Unterkunftskosten 1.362,- € für das Jahr 2024 bemessen).
Zur Nr. 2) Die Mindestalimentation im bayerischen Rechtskreis beträgt also 4.438,46 € und kann ebenso für den Bund zugrunde gelegt werden. Der von Dir herangezogene gerundete Betrag ist also ebenfalls schlüssig.
Zur Nr. 3) Will man die indizielle Mindestbesoldung bemessen, die weiterhin
keine materiell-rechtliche Bemessung darstellt, sondern anhand derer ausschließlich eine
indizielle Aussage über den Verletzungsgrad einer Besoldungsordnung möglich ist, kann man von dieser Mindestalimentation ausgehen und dann entsprechend so vorgehen, wie ich das in der Darstellung ab der S. 20 getan habe. Die äquivalente Nettobesoldung im Bund (und nicht in Bayern, da hier im Anschluss die Komponenten der Bundesbesoldung herangezogen werden) stellt auf dieser Basis einen
indiziellen Vergleichsbetrag dar, hat aber, anders als von Dir betrachtet,
keine unmittelbar materiell-rechtliche Bedeutung. Insofern sind dir von Dir im Anschluss gemachten Ausführungen so nicht möglich. Zunächst einmal bemesse ich, ausgehend von der aktuellen Mindestalimentation, die äquivalente Nettobesoldung und das indizielle Grundgehaltsäquivalent und folge dabei der gerade genannten Darstellung, setze entsprechend nur die aktuellen Beträge ein:
Die Höhe der realitätsgerecht bemessenen Mindestalimentation beträgt im Jahr 2024 53.268,- €.
Subtrahiert man von ihr das im selben Jahr gewährte Kindergeld in Höhe von 6.000,- € und addiert
die Kosten für die die Beihilfeleistungen ergänzende Kranken- und Pflegeversicherung in jährlicher
Höhe von 7.845,- €, erhält man die äquivalente jährliche Nettobesoldung in Höhe von 55.113,- €,
die also exakt auf Höhe der Mindestalimentation liegt. Die anhand des Steuerrechners des Bundesfi-
nanzministeriums mittels der oben genannten Beträge bemessene Steuerlast beträgt 7.388,- €. Das
Besoldungsäquivalent zur Mindestalimentation weist folglich eine Höhe von 62.501,- € auf. Denn
subtrahiert man von ihm die Steuerlast in Höhe von 7.388,- €, erhält man die äquivalente Nettobe-
soldung von 55.113,- €. Subtrahiert man vom Besoldungsäquivalent zur Mindestalimentation – dem
in der Prüfung fiktiven Besoldungsniveau – sämtliche gewährte Besoldungskomponenten mit Aus-
nahme des Grundgehalts, erhält man die indizielle Höhe des Grundgehaltsäquivalents, das also ex-
akt auf Höhe der Mindestalimentation liegt. Hierbei liegt es in Anbetracht des oben bereits doku-
mentierten materiell-rechtlichen Verletzungsgrads auf der Hand, dass auch die indizielle Betrach-
tung zu keinem anderen Ergebnis gelangen kann; nicht umsonst erweist sich die materiell-rechtliche
Verletzung der Besoldungsordnung A als eklatant. So verstanden erscheint es sinnvoll, die familien-
bezogenen Besoldungskomponenten, die den höherwertigen Ämtern gewährt werden, heranzuzie-
hen. Sie betragen 2024 insgesamt 5.475,- €. Im Ergebnis beträgt der Jahresbetrag des Grundgehalts-
äquivalents hier folglich 57.026,- € bzw. der monatliche Betrag 4.753,- €.
Zur Nr. 4) Das Besoldungsäquivalent beträgt im Jahr 62.501,- €, also pro Monat 5.209,- €, das Grundgehaltsäquivalent monatlich 4.753,- €.
Die im Anschluss an die Nr. 4 von Dir getätigten Aussagen können auf Basis der
indiziellen Beträge, wie ich sie gerade bemessen habe, nicht vollzogen werden, da Du hier
materiell-rechtliche Aussagen machst. Dem steht aber weiterhin die Rn. 30 der aktuellen Entscheidung entgegen:
"Die Parameter [der ersten Prüfungsstufe; ST.] sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen." (
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html)
Die sich daran anschließende Gretchenfrage lässt sich entsprechend aus den gerade vollzogenen Bemessungen, die ausschließlich dazu dienen, Indizien für den Verletzungsgrad der Besoldungssystematik zu erstellen, nicht beantworten. Vielmehr sieht sich der Besoldungsgesetzgeber als Folge der seit 2012 erfolgten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gezwungen, die Höhe der jeweiligen Besoldungskomponenten sachgerecht zu begründen. Entsprechend habe ich mit den in Reaktion auf Rentenonkels Beiträgen erstellten Gedanken und Bemessungen einen Rahmen zu skizzieren versucht, auf dessen Grundlage man abschätzen kann, welche tatsächlichen Bedarfe dem Beamten aus seinen Kinder erwachsen, sodass man von hieraus und mit diesen Gedanken und Bemessungen eine sachgerechte Höhe kinderbezogener Besoldungsbestandteile begründen kann. Auch diese lassen sich aber nicht cent- oder eurogenau berechnen, da das Besoldungsrecht kein Zweig der Mathematik, sondern Ausfluss des Art. 33 Abs. 5 GG ist.
@ LehrerBW
Der baden-württembergische Besoldungsgesetzgeber legt ein nicht sachgerechtes 95 %-Perzentil zugrunde, das also die kalten und warmen Unterkunftskosten gemeinsam ausweist. Jenes darf aber nicht herangezogen werden, da im Sozialrecht der Mietzins unabhängig von den Nebenkosten betrachtet werden muss. Legt man das von mir oben genannte und von mir extrapolierte 95 %-Perzentil von 1.362,- € zugrunde (von dem ich ausgehe, dass ich es eher zu gering angesetzt habe) und addiert die in Baden-Württemberg gleichfalls auf Basis einer 90 qm großen Unterkunft zu bemessenen Heizkosten in Höhe von 239,33 €, so erhält man als Kosten in Höhe von 1.601,33 € (und nicht von 1.500,- €, die der Besoldungsgesetzgeber ausweist). Lege ich die von Dir genannten Beträge sowie die weiteren von Dir genannten zugrunde, ergibt sich das folgende Bild für das Grundsicherungsniveau (die Kosten der Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie des monetären Gegenwerts der Sozialtarife dürften ebenfalls zu gering bemessen sein, sodass das ERgebnis am Ende nicht realitätsgerecht ist):
Regelbedarfe: 1.846,- €
Unterkunfskosten: 1.362,- €
Heizkosten: 239,33 €
Kosten der Bedarfe für Bildung und Teilhabe: 134,- €
monetärer Gegenwert Sozialtarife: 65,- €
Grundsicherungsniveau: 3.646,33 €
Mindestalimentation: 4.193,28 €
Die Bemessung des Gesetzgebers erfolgte also um rund 100,- € zu gering, was - da das Land bislang noch nie eine sachgerechte Bemessung durchgeführt hat - auch nicht anders zu erwarten war.