Da ich in einigen besoldungsrechtlichen Verfahren, die bereits die Ebene der Verwaltungsgerichtsbarkeit verlassen haben, und in anderen, die sich dort noch befinden, recht tiefen Einblick habe, kann ich nur darstellen, was Sache ist. Aus Gründen der Effektivität wird genau das regelmäßig so vollzogen: Denn am Anfang des Verfahrens kann keine Kammer und kein Richter wissen, wohin die Sache sich entwickelt (denn wüssten sie es, könnte umgehend Recht gesprochen werden, da die Arbeit zur Entscheidung bereits weitgehend getan wäre), auch wenn jeder Kammer und jedem Richter klar ist oder zumeist bereits klar sein dürfte, wohin in etwa sie sich entwickelt. An diesem Punkt erfolgt dann die von mir dargelegte Entscheidung, die formal zulässig ist und deshalb mit dem Zweck des Effizienzgewinns so gewählt wird.
Das Vorgehen mag ggf. in einer rechtlichen Grauzone geschehen, aber ist offensichtlich nicht angreifbar; denn sonst würde es nicht recht regelmäßig vollzogen werden. Der Einzelrichter wird dann nach Rückübertragung Berichterstatter, nachdem er zuvor längere Zeit als Einzelrichter tätig gewesen ist.
M.E. ist es keine rechtliche Grauzone, sondern entspricht klar nicht der VwGO. Effizienzgründe können nicht angeführt werden, da der Berichterstatter dem Vorsitzenden weitgehend gleichgestellt ist. Es ist deshalb – im Gegenteil – ineffizient, wenn eine Streitsache, bei der schon aus dem Antrag ersichtlich ist, dass die Verfassungsmäßigkeit des Besoldungsgesetzes angezweifelt wird, zunächst auf den Einzelrichter übertragen wird. Die Kammer müsste dann der Meinung sein, dass die Sach- und Rechtslage geklärt ist und eine Vorlage an das BVerfG oder ein LVerfG nicht in Betracht kommt.
Fälle, die du begleitest, mögen das so gehandhabt haben, was es jedoch nicht richtig macht. In meinem Verfahren wurde jedenfalls nichts auf den Einzelrichter übertragen.
Ich kann das nicht beurteilen, weil wir uns hier in den Tiefen formellen Rechts befinden und es so ist, wie ich es regelmäßig schreibe, nämlich dass die Tiefen formellen Rechts so komplex sind, dass ich mir hier als juristischer Laie vielfach kein hinreichendes Urteil erlauben kann. Ich weiß nur das, was ich weiß:
1. Es gibt Verfahren, über die ich Kenntnis habe, in denen Kammern so verfahren.
2. Ich habe mich vor längerer Zeit damit anhand der VwGO beschäftigt, weil Kammern so verfahren, um für mich nachzuvollziehen, wieso und auf welcher Grundlage sie so verfahren.
3. Ich habe darüber auch schon mindestens einmal länger irgendwo geschrieben, entweder hier im Forum oder in einer Korrespondenz oder in einem anderen Zusammenhang, ohne dass ich mich noch erinnerte, wo das der Fall war.
4. Ich habe auch ansonsten diesbezüglich weitgehend alles vergessen, weil ich in der Beschäftigung zu dem Schluss gekommen bin, dass das eine gerichtsinterne Angelegenheit ist, die für meine Beschäftigung mit dem Thema keine Relevanz hat. Womit sich der Mensch nicht regelmäßig beschäftigt, vergisst er; da ich nicht jünger werde, gehe ich davon aus, dass das auch bei mir der Fall ist, und zwar höchstwahrscheinlich mittlerweile stärker, als mir das bewusst ist und lieb wäre, wenn es mir hinreichend bewusst wäre.
5. Am Ende sieht sich das Gericht veranlasst - wenn es das bundesverfassungsgerichtliche Pflichtenheft abarbeiten will; will es das nicht, wird es das ggf. nicht tun (diese Fälle habe ich noch nicht selbst erlebt, interessant dürfte es sein, wie sich die Gerichtsakte im aktuellen Fall des VG Karlsruhe darstellt, insbesondere also, wie umfangreich sie ist) -, eine Vielzahl an Daten diverser Behörden einzuholen und das beinhaltet ein stetiges Klinkenputzen vonseiten des Gerichts, da es nicht in allen Fällen offene Türen einrennt und i.d.R. nicht schon nach ein paar Tagen eine Antwort mitsamt der notwendigen Unterlagen erhält.
6. Dieses stetige Klinkenputzen ist zumeist mit einem gehörigen Zeit- und Kraftaufwand verbunden, der besoldungsrechtliche Klageverfahren aus der Sicht einer Kammer sicherlich nicht unendlich attraktiv machen dürfte und der sich ggf. nicht immer an der schriftlichen Entscheidungsbegründung ablesen lässt, sich aber in der Gerichtsakte dokumentiert findet.
Der langen Rede kurzer Sinn (vor allem wegen dieser Quintessen schreibe ich diese Zeilen): Ich halte es für wahrscheinlich, dass sich jenes Klinkenputzen in dem Verfahren vor dem VG Karlsruhe - d.h. in der Gerichtsakte - nicht wiederfindet, da die Kammer auf entsprechende Unterlagen nach dem von mir bislang nur überblicksmäßigen Lesen der Entscheidungsbegründung nicht zurückgreift, was Kammern hingegen ansonsten regelmäßig tun, wenn sie entsprechend Klinken geputzt haben, denn dann dokumentieren sie wiederkehrend (wenn auch nicht ausnahmslos und immer) ihr Handeln auch in der Entscheidungsbegründung.
Damit kann man aus Klägersicht ggf. Anhaltspunkte bilden, wo die Prüfung hätte vertieft stattfinden können, wo also ggf. indirekte Mängel von der Kammer in der Klagebegründung gerügt werden, sodass sich hier in der Berufung mit genau jenen Mängeln beschäftigt werden sollte, also bspw. (und damit wären wir wieder beim Grundsatz, dass es klägerseitig zu begründen, zu begründen, zu begründen gelte, um das Gericht so in der Auseinandersetzung mit dem Gegenstand in die gewünschte Richtung zu lenken; zugleich gebe ich damit Hinweise für weitere Kläger in anderen Verfahren, die hier mitlesen):
- Rn. 34: Der erste Parameter der ersten Stufe des "Pflichtenhefts" ist vom Gericht nicht noch einmal selbst geprüft worden, entsprechend weist die Kammer darauf hin, dass den Berechnungen des Gesetzgebers, die in der Gesetzesbegründung vorgenommen worden und die sich auf die Entwicklung der Besoldung und der Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst beziehen, gefolgt wird, da diese klägerseitig im Verfahren
unwidersprochen geblieben sind.
- Ab der Rn. 35 dürften klägerseitig auch hier keine eigenen Berechnungen durchgeführt worden seien, was sicherlich wie auch bezogen auf meine weiteren Anmerkungen nicht dem Kläger, sondern dem Prozessvertreter angekreidet werden muss und was es in der Berufung sicherlich dringend zu präzisieren gilt, nicht zuletzt sicherlich auch mittels sachgerechter "Spitzausrechnungen" (ich habe mir den Fall noch nicht hinreichend angeschaut, insofern ist das, was ich hier schreibe, zunächst einmal nur eine Vermutung): also ebenso hinsichtlich des Nominallohn- und Verbraucherpreisindex in der Betrachtung des zweiten und dritten Parameters. Auch hier folgt die Kammer der Gesetzesbegründung, da sie klägerseitig nicht in Zweifel gezogen worden ist, vgl. die Rn. 37 und 40, wo jeweils erneut - so würde ich das lesen - bemängelt wird, dass sie klägerseitig im Verlauf des Verfahrens unwidersprochen geblieben sind.
- In der Rn. 48 wird eine nicht hinreichende Bemessungsmethodik klägerseitig bemängelt.
- Sofern nun in der Betrachtung der ersten drei Parameter eine deutlichere Indizierung der Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation gegeben sein dürfte (wovon im Zuge einer sachgerechten "Spitzausrechnung" auszugehen sein dürfte), könnte auch den Bemessungen aus der Rn. 53 ein größeres Gewicht beigemessen werden können, um so zu begründen, dass die zweifellos gegebene Einschmelzung von Abständen im Kontext der weiteren Parameter ggf. doch ebenfalls Relevanz haben, jedenfalls dann ggf. nicht unberücksichtigt bleiben könnte, wobei in der Rn. 56 ein weiteres Mal ein deutlicher Mangel in der Argumentation des Prozessvertreters gerügt wird.
- Hinsichtlich des Mindestabstandsgebot wird bereits einleitend mehr oder minder deutlich hervorgehoben, dass klägerseitig keine eigene Erschütterung des Gesetzesbegründung vorgenommen worden ist (Rn. 60).
- Zu den Wohnkosten ab der Rn. 63 habe ich bereits geschrieben.
- In der Rn. 67 kommt die Kammer hinsichtlich der Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe auf das "Evidenzerlebnis" zurück und sieht keine evident unangemessene Kostenaufstellung, was in Anbetracht des vom baden-württembergischen Gesetzgebers herangezogenen geringen Betrags in Höhe von 110,84 € bezweifelt werden kann. Auch hier wird in den weiteren Randnummern - die Kammer referiert nur Faktoren aus der Gesetzesbegründung und folgt ihr also - deutlich, dass die Kammer keine Klinken geputzt hat und also nicht den mit zweifllos zumeist hohen Aufwand verbundenen Weg gegangen ist, selbst ggf. andere Beträge mittels Abfragen zu ermitteln. Entsprechend wird ab der Rn. 67 wiederkehrend darauf verwiesen, dass keine evident sachwidrigen Vorgehensweisen der Gesetzesbegründung zu entnehmen sind, wobei hier nun deutliche - und berechtigte! - Kritik an der Gesetzesbegründung formuliert wird: "Diesen [bundesverfassungsgerichtlichen; ST.] Anforderungen genügen die Darstellungen zu den Aufwendungen für Schulausflüge und Klassenfahrten in der Gesetzesbegründung gerade noch." (Rn. 74)
- Ab der Rn. 80 vollzieht sich das gerade dargelegte Vorgehen ebenso hinsichtlich der "Sozialtarife", auch hier kommt die Kammer zu keinem "Evidenzerlebnis", wobei hier hinsichtlich der von erheblicher praktischer Bedeutung seienden Kinderbetreuungskosten ggf. eine Betrachtung des Faktors Zeit in der Betreuung eine Rolle spielen könnte, dazu müsste sich aber sicherlich noch einmal die Gesetzesbegründung tiefer angeschaut werden. Denn ggf. geht der Gesetzgeber hier von kürzeren Betreuungszeiten aus - zugleich dürfte es interessant werden, ob Karlsruhe sich in den angekündigten Entscheidungen mit diesem komplexen Feld nun umfangreicher auseinandersetzen wird.
- Ebenso dürfte sich die Betrachtung der Bemessung der Nettoalimentation ab der Rn. 85 ggf. hinterfragen lassen, so bspw. dahingehend, dass der ab dem 01.12.2022 in die Besoldungsgruppe A 7 eingruppierte Musterbeamte bis dahin niedriger eingruppiert und entsprechend besoldet worden ist, was sich begründet in die Bemessung der niedrigsten Besoldung im Jahr 2022 so betrachten lässt. Dabei dürfte es m.E. hier unerheblich sein, ob die Ämterneubewertung sachgerecht oder nicht sachgerecht erfolgt. Die Frage muss sein, ob im Gesamtjahr 2022 dem in der niedrigsten Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe eingruppierten Musterbeamten eine Nettoalimentation gewährt worden ist, die 15 % oberhalb des realitätsgerecht ermittelten Grundsicherungsniveaus gelegen hat. Dazu können in der Ermittlung nur Besoldungsbestandteile herangezogen werden, die dem Musterbeamten auch tatsächlich gewährt worden sind, da es um sein Gehalt als
Ganzes geht. Das aber gilt es zu hinterfragen und also die tatsächlich gewährte Nettoalimentation hier als evident unzureichend nachzuweisen, um daraus Indizien auch für höhere Besoldungsgruppen abzuleiten. Die Zusammenfassung der Rn. 95 ist dabei gänzlich unerheblich.
- Ebenso zeigt die Rn. 96, dass die Kammer keine eigenen Daten vom PKV-Verband abgefragt hat; auch hier kann die Argumentation - denke ich - erschüttert werden, da offensichtlich ein nicht geringer Fehlbetrag durch die Methodik, die der Gesetzgeber verwendet hat, und der, die das Bundesverfassungsgericht darstellt, gegeben ist.
- Entsprechend sollte sich auf Grundlage dessen, was ich hier und in der Vergangenheit bereits dargelegt habe, zeigen lassen, dass die Rn. 98 zu keinem hinreichenden Schluss kommt. Im Anschluss wären dann bspw. Äquivalenzberechnungen durchzuführen, um zu indizieren, bis wohin die Besoldungssystematik der Besoldungsordnung A vor dem 01.12.2022 nicht konsistent war, sodass daraus Ableitungen auch für die höheren Besoldungsgruppen vollzogen werden können.
- Entsprechend muss dann das Oberverwaltungsgericht dazu veranlasst werden, sich im Zuge des Untersuchungsgrundsatzes tiefgehender mit der zweiten Prüfungsstufe zu beschäftigen (vgl. für die Kammer ab der Rn. 102), wozu es sich veranlasst sehen muss, sobald auf der ersten Prüfungsstufe hinreichende Indizien für die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation gebildet worden sind. Nicht umsonst hat die Verwaltungsgerichtsbarkeit - jedenfalls mindestens, wenn eine Vorlage gefasst werden soll - immer einer Gesamtabwägung durchzuführen.
- Ob es dann noch notwendig wäre, sich mit dem Prozeduralisierungsgebot als zweite Säule des Alimentationsprinzips auseinanderzusetzen, sollte sich zeigen; ggf. auch nach den angekündigten Entscheidungen aus Karlsruhe. Darüber hinaus habe ich die weiteren unionsrechtlichen Ausführung nur überflogen, was der Uhrzeit des heutigen Lesens geschuldet ist.
Damit liegen m.E. Mängel auf dem Tisch, sodass weitere Kläger für sich betrachten können, wie es um ihre Klagebegründung bestellt ist. Ich gehe insbesondere davon aus, dass neben der Betrachtung des Mindestabstandsgebots vor allem den ersten drei Parametern eine überbordene Rolle in der Indizierung der Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation zukommt.