Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3961295 times)

Zugroaster

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7365 am: 08.04.2025 08:51 »
Erst einmal geht es ja um das Grundgehalt. Darüber wird entschieden. Wenn dann das BVerfG sagt, dies muss eine Größe X (mittels Berechnung oder ähnlichem) haben, dann ist das die Basis. Was dann noch obendrauf kommt, wie zB. Zuschlag bei Partnereinkommen etc. ist dann Sache der Länder. Ich gehe jedoch davon aus, dass diese ganzen in den letzten Jahren erfundenen Zuschläge ganz schnell wieder verschwinden werden, wenn denn das BVferG wirklich mal eindeutige Berechnungen für die Mindestalimentation definiert.

Im Grundsatz gebe ich Dir Recht. Bezogen auf das Verschwinden der Zuschläge muss ich Dir allerdings ein Stück weit widersprechen.

Tatsächlich bezog sich HansGeorg auf

Zitat
in den letzten Jahren erfundenen Zuschläge

Damit dürfte er schon Recht haben, denn letztlich wurde erst durch diese Zuschläge eine vermeintlich "amtsangemessene Alimentation" nach Maßstab des Dienstherren erreicht. Diese neuen Zuschläge würden mit 100prozentiger Sicherheit wieder verschwinden, müsste das Grundgehalt angepasst werden.

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7366 am: 08.04.2025 10:31 »
Die wohnortbezogenen Zuschläge sind ja erst durch das Urteil überhaupt ins Leben gerufen worden. Dem Grunde nach sind sie sicherlich verfassungsgemäß. Ich zitiere mal wieder:

Der Besoldungsgesetzgeber ist allerdings nicht verpflichtet, die Mindestbesoldung eines Beamten oder Richters auch dann an den regionalen Höchstwerten auszurichten, wenn dieser hiervon gar nicht betroffen ist. Der Gesetzgeber muss nicht pauschalieren, sondern kann den maßgeblichen Bedarf individuell oder gruppenbezogen erfassen (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>). Insbesondere ist er frei, Besoldungsbestandteile an die regionalen Lebenshaltungskosten anzuknüpfen, etwa durch (Wieder-)Einführung eines an den örtlichen Wohnkosten orientierten (Orts-)Zuschlags (vgl. hierzu BVerfGE 117, 330 <345 ff.>), wie es derzeit regelmäßig bei einer Auslandsverwendung (vgl. § 1b Abs. 1 Nr. 1 LBesG BE i.V.m. § 52 Abs. 1 BBesG i.d.F. vom 6. August 2002) und teilweise auch innerhalb eines Landes (vgl. Art. 94 BayBesG) praktiziert wird. Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>). Mit den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, stünde ein leicht zu handhabendes Kriterium bereit.

Diese Abstufung muss jedoch begründet sein. Daher habe ich mal einen modifizierten ROMZ ins Spiel gebracht. Mit der Suchfunktion wird sich die Diskussion sicherlich wiederfinden lassen.

Es geht bei den Zuschlägen also weniger um das ob, sondern mehr um die Frage wer genau und wieviel. Der Unterhalt der Familie muss im Wesentlichen durch die familienneutralen Bestandteile gedeckt werden, allerdings nicht ausschließlich.

Daher glaube ich eher, dass von diesen Zuschläge tendenziell zu wenig Beamte profitieren und die eher ausgeweitet werden, derzeit allerdings willkürlich sind und in dieser Höhe nicht objektiv begründet werden können.

Sollte der Bundesbesoldungsgesetzgeber jedoch wie angekündigt auch im Recht der sozialen Grundsicherung demnächst nur noch mit Pauschalen arbeiten, dürfte sich das allerdings wiederum auch auf die Beamtenbesoldung auswirken. Hier bleibt es, so denke ich, spannend, was in den Koalitionsgesprächen als Ergebnis präsentiert wird.

A9A10A11A12A13

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7367 am: 08.04.2025 12:58 »
Normenkontrollverfahren zur amtsangemessenen Besoldung anhängig ... drei aus Sachsen

"Das [BVerf]Gericht will sich viele Konstellationen anschauen. Eine Entscheidung dazu wird frühesten ab dem Sommer 2025 erwartet."

erwartet, vom wem? Denn "Das SMF will auf das Urteil warten, längstens aber zwei Jahre,"

Dann eine DGB Falschaussage:
"Das SMF wird auch nicht die offenen Verfahren vor einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bescheiden, dies gäbe großen Unfrieden. "

denn in der gleichen Veröffentlichung heißt es ja:

Das SMF will längstens aber zwei Jahre bis zur Bescheidung der offenen Verfahren warten.

https://sachsen.dgb.de/themen_1/++co++ab38d18c-13c2-11f0-844d-37fe8d44199b

zwei Jahre? optimistisches SMF!

Sachsen 01.04.2025:
"Zwischenstand"
Widersprüche zur Amtsangemessenen Alimentation und zum Entschließungsantrag
 
Am 27. März 2025 fand im Sächsischen Staatsministerium der Finanzen ein Gespräch statt.

Auf der Tagesordnung stand der generelle Umgang mit offenen Widersprüchen zur Amtsangemessenen Alimentation und dem aktuellen Stand zum Entschließungsantrag des Sächsischen Landtages zur Reform des Besoldungs- und Versorgungssystems.

Weiterführende Informationen:
https://slv-gewerkschaft.de/widersprueche-zur-amtsangemessenen-alimentation-und-zum-entschliessungsantrag/
« Last Edit: 08.04.2025 13:10 von A9A10A11A12A13 »

Callisto

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7368 am: 08.04.2025 14:14 »
(...) Man kann darüber hinaus m.E. der Kammer nur tiefen Respekt für den enormen Aufwand zollen, den sie auf sich genommen hat, und zwar das unabhängig davon, dass ich an verschiedenen Stellen der Entscheidungsbegründung zu anderen Schlüssen kommen würde. Um diese ins Feld zu führen, sind sie aber vom Kläger zu substantiieren, was hier offensichtlich nicht immer geschehen ist.

Zur Vermeidung von Missverständnissen:

Im Verwaltungsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, § 86 VwGO. Die Frage, inwieweit das Vorbringen der Beteiligten substantiiert ist, kann dafür relevant werden, inwieweit sich das Gericht - schon aus diesem Grund und unabhängig von der daneben stehenden Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen - damit sachlich auseinandersetzen muss (Anspruch auf rechtliches Gehör).

Um bestimmte Aspekte ins Feld zu führen und um sich mit bestimmten Sachen auseinanderzusetzen, ist das Verwaltungsgericht (anders als zum Teil Zivilgerichte) aber keinesfalls darauf angwiesen, dass einer der Beteiligten diese substantiiert vorträgt. 

Zitat von: § 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO:
"Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden."

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7369 am: 08.04.2025 14:53 »
(...) Man kann darüber hinaus m.E. der Kammer nur tiefen Respekt für den enormen Aufwand zollen, den sie auf sich genommen hat, und zwar das unabhängig davon, dass ich an verschiedenen Stellen der Entscheidungsbegründung zu anderen Schlüssen kommen würde. Um diese ins Feld zu führen, sind sie aber vom Kläger zu substantiieren, was hier offensichtlich nicht immer geschehen ist.

Zur Vermeidung von Missverständnissen:

Im Verwaltungsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, § 86 VwGO. Die Frage, inwieweit das Vorbringen der Beteiligten substantiiert ist, kann dafür relevant werden, inwieweit sich das Gericht - schon aus diesem Grund und unabhängig von der daneben stehenden Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen - damit sachlich auseinandersetzen muss (Anspruch auf rechtliches Gehör).

Um bestimmte Aspekte ins Feld zu führen und um sich mit bestimmten Sachen auseinanderzusetzen, ist das Verwaltungsgericht (anders als zum Teil Zivilgerichte) aber keinesfalls darauf angwiesen, dass einer der Beteiligten diese substantiiert vorträgt. 

Zitat von: § 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO:
"Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden."

Der Ermittlungsgrundsatz in besoldungsrechtlichen Verfahren erstreckt sich regelmäßig auf das bundesverfassungsgerichtliche "Pflichtenheft", das also die Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Prüfung der im Klagezeitraum gewährten Alimentation heranzuziehen hat. Betrachtet man nun die Entscheidungsbegründung, stellt man fest, dass das hier geschehen ist, wofür der Kammer kein besonderer Respekt zu zollen wäre, da sie bis hierhin nur ihrer Aufgabe nachgekommen ist. Darüber hinaus ist aber die Kammer in eine deutlich umfangreichere Prüfung eingetreten, die sie nach meinem Empfinden in vorbildlicher Art und Weise dokumentiert hat, auch wenn ich nicht mit jeder der Argumentation der Kammer übereinstimme. Für diese deutlich tiefgehendere Prüfung zolle ich der Kammer in meinem Beitrag meinen Respekt. Denn sie ist mit einem gehörigen Mehraufwand verbunden, wie das allein der Umfang der Begründung bereits zeigt. Sie ist also nicht selbstverständlich und kann so auch nicht erwartet werden. Das gilt es m.E. zu respektieren.

Denn der Ermittlungsgrundsatz beihaltet nun nicht, dass sich die Verwaltungsgerichtsbarkeit veranlasst sehen müsste, eine Klage aus sämtlich möglichen Blickwinkel heraus zu betrachten. Es liegt also zunächst einmal am Kläger, Argumente, die über das bundesverfassungsgerichtliche "Pflichtenheft" hinausgehen, selbst ins Feld zu führen, so die Klage zu substantiieren und dem Gericht entsprechend die Möglichkeit zu geben, diese Argumente zu prüfen und ggf. in die eigene Entscheidung mit einzubeziehen.

In dem von mir angeführten Link finden sich nun einige umfassend begründete Argumente, die nachzuweisen versuchen, dass die im Klagezeitraum gewährte Alimentation evident sachwidrig ist. Das Gericht sieht sich dabei weder gezwungen noch veranlasst, diese im Gesetzgebungsverfahren vorgebrachten Argumente von sich aus zu prüfen. Denn es ist zunächst einmal Sache des Klägers, seine Klage hinreichend zu substantiieren. Argumente, die über den Rahmen des "Pflichtenhefts" hinausgehen, vom Kläger aber nicht in die Klage eingebracht werden, müssen entsprechend von der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht zur Kenntnis genommen zu werden, allein schon deshalb, weil unklar ist, ob sie ihr überhaupt bekannt sind. Sie zur Kenntnis zu bringen, also die eigene Klage zu substantiieren, ist hingegen weiterhin Aufgabe des Klägers. Darauf wollte ich mit meinen Zeilen hinweisen. Denn das wird auch in der Sprungrevision, sofern sie vom Kläger in Angriff genommen wird, so der Fall sein oder kann so der Fall bleiben. Auch darauf wollte ich mit meinen Zeilen hinweisen.

Insofern sollte man sich tatsächlich vor Missverständnissen hüten, wenn man in ein Klageverfahren eintritt. Zu glauben, der Ermittlungsgrundsatz führte schon von allein zum Erfolg, ist m.E. ein gefährlicher Irrglauben. Denn die Verwaltungsgerichtsbarkeit prüft regelmäßig die Gesetzesbegründung - und die ist so gehalten, dass sie selbst davon ausgeht und es entsprechend so darstellt, sachgerecht zu sein. Sie kann dabei von der Gerichtsbarkeit nur als sachwidrig betrachtet werden, sofern das evident ist. Das - eine evidente Sachwidrigkeit - ist aber vielfach auf den ersten (und ggf. auch zweiten) Blick nicht zu erkennen, also sollte der Kläger sich anschicken, diese Evidenz nachzuweisen, eben seine Klage hinreichend zu substantiieren. Nichts anderes führe ich aus. Denn der vorliegende Fall zeigt ja nun, dass die Klage nicht hinreichend substantiiert worden ist. Denn wäre sie hinreichend substantiiert gewesen, wäre die Kammer zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Ich gehe weiterhin davon aus, dass die in Hamburg 2022 gewährte Alimentation nicht amtsangemessen gewesen ist. Und ich gehe weiterhin davon aus, dass sich das hinreichend nachweisen lässt. Also sollte man das als Kläger tun, wenn man sicherstellen will, dass der eigenen Klage Erfolg beschieden sein soll. Das war die Quintessenz meines Beitrags, aus dem Du zitierst.

A9A10A11A12A13

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7370 am: 08.04.2025 14:58 »
Zur Vermeidung von Missverständnissen:

Im Verwaltungsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, § 86 VwGO.

Im Verwaltungsverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz, § 24 VwVfG.
die erschöpft sich in der Feststellung, dass ein Dienstherr durch ein Besoldungsgesetz mit einem auf Null reduziertem Ermessen in seiner Entscheidung gebunden ist. Es ist nicht hinterfragbare Hörigkeit angeordnet. Zweifel an einer verfassungsfeindlichen Anordnung ist im Keim erstickt.
(bereits gerichtlich entschieden)

(mit der Methodik der Verantwortungsentlastung haben sich z. B. auch viele für ihr tun auf Geheiß in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts gerechtfertigt.)

Verfassungskonformität könnte nur im Gesetzgebungsverfahren - passiert nicht oder falsch - berücksichtigt werden und dann erst wieder im verfassungsgerichtlichen Verfahren - passiert nicht oder sehr sehr schleppend (Agenda "2065" als Zwischenetappe)
« Last Edit: 08.04.2025 15:09 von A9A10A11A12A13 »

Zerot

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7371 am: 09.04.2025 11:36 »
Am 10.04.2025 erfolgt die Jahrespressekonferenz vom VG Karlsruhe. Bin gespannt ob da etwas spannendes für unsere Verfahren dabei rauskommt.

NordWest

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7372 am: 10.04.2025 01:42 »
Ich gehe weiterhin davon aus, dass die in Hamburg 2022 gewährte Alimentation nicht amtsangemessen gewesen ist. Und ich gehe weiterhin davon aus, dass sich das hinreichend nachweisen lässt. Also sollte man das als Kläger tun, wenn man sicherstellen will, dass der eigenen Klage Erfolg beschieden sein soll. Das war die Quintessenz meines Beitrags, aus dem Du zitierst.

Weißt Du eigentlich etwas über den Klagehintergrund? Ist das ein Hamburger Einzelkämpfer, wird er von einer Gewerkschaft unterstützt oder evtl. von einem bekannten Anwalt?

Es wäre jedenfalls m.E. sehr wichtig, dass der Kläger sämtliche argumentative Unterstützung für die potentielle Sprungrevision erhält, und es wirkt ja bislang als haben mehrere wichtige Argumente im VG-Verfahren noch keine Rolle gespielt.

Wie lässt sich ein solcher Kontakt ggf. aufbauen?

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7373 am: 10.04.2025 07:02 »
Ich gehe weiterhin davon aus, dass die in Hamburg 2022 gewährte Alimentation nicht amtsangemessen gewesen ist. Und ich gehe weiterhin davon aus, dass sich das hinreichend nachweisen lässt. Also sollte man das als Kläger tun, wenn man sicherstellen will, dass der eigenen Klage Erfolg beschieden sein soll. Das war die Quintessenz meines Beitrags, aus dem Du zitierst.

Weißt Du eigentlich etwas über den Klagehintergrund? Ist das ein Hamburger Einzelkämpfer, wird er von einer Gewerkschaft unterstützt oder evtl. von einem bekannten Anwalt?

Es wäre jedenfalls m.E. sehr wichtig, dass der Kläger sämtliche argumentative Unterstützung für die potentielle Sprungrevision erhält, und es wirkt ja bislang als haben mehrere wichtige Argumente im VG-Verfahren noch keine Rolle gespielt.

Wie lässt sich ein solcher Kontakt ggf. aufbauen?

Leider muss man (oder muss ich) das so deutlich sagen: Reisende soll man nicht aufhalten. Ich denke, dass jeder, der meine Expertise in Anspruch nehmen möchte, weiß, wie er den Kontakt zu mir herstellen kann. Darüber hinaus liegt ja die umfangreiche Stellungnahme für den BDR Hamburg öffentlich vor. Es sollte nicht allzu schwer sein, maßgebliche Erkenntnisse mittels copy and paste in eine Klage einzubringen. Das war bis heute so der Fall und wird auch noch morgen so sein.
Um es also auf den Punkt zu bringen: Eines weiß ich als Lehrer aus langer Erfahrung, was ein kluger Pädagoge vor schon langer Zeit sinngemäß wie folgt auf den Punkt gebracht hat: Der Lehrer kann schimpfen, schreien, strafen. Der Lehrer kann fast alles. Nur eines kann der Lehrer nicht. Er kann nicht für den Schüler lernen.
Ergo: Jeder, der klagt, muss selbst wissen, welche Wege er geht. Mein Grundsatz ist auch hier aus längerer Erfahrung: Ich bringe mich gerne ein, wenn ich das Gefühl habe (und mir dieses Gefühl also nachhaltig gegeben wird, nachhaltig heißt, wiederkehrend und nicht nur einmal und dann nie wieder), dass das nicht nur erwünscht ist (das ist es meistens), sondern dass meine Darlegungen auch hinreichende Wirksamkeit erfahren. Ist das nicht hinreichend der Fall, nutze ich meine - auch bei mir nur begrenzte - Zeit lieber anders, da es genügend Baustellen gibt und mein Bauunternehmen nur zwei Hände hat und ich noch nichtmal beidhändig bin.
Ich bin in den letzten Jahren zunehmend desillusioniert - der Begriff hat eine negative Konnotation, ich meine ihn aber für mich positiv, da er der Realität näherkommt als Wolkenkuckuckheime -, was meine eigene Beratungmöglichkeiten anbelangt, die in einigen Fällen erfolgreich war und ist, weshalb ich sie dort dann fortsetze - und in nicht wenigen das nicht war, was für mich in Ordnung ist. Ich überlasse dann anderen die Inititative, was Teil meiner Strategie ist, herauszubekommen, ob mein Handeln nicht nur erwünscht ist, sondern am Ende auch hinreichend wirksam.
Wenn ich nicht das wiederkehrende Gefühl der Selbstwirksamkeit habe, muss ich mich um andere Felder kümmern, derer es in unserem Thema mehr als genügend gibt, wo ich also dann das Gefühl habe, Wirksamkeit entfalten zu können.
Ich sehe diesen Fall möglicher Sprungrevision als ein Geschenk des Himmels an, und zwar das nur umso mehr, als dass die Kammer eine für ein solches Verfahren hervorragende Begründung erstellt und nun dem Kläger seine Klagebegründung geradezu auf den Präsentierteller gelegt hat. Allerdings werde ich den Fall nicht entscheiden, da ich dazu nicht berufen bin. Ich bringe mich aktiv nur ein, wenn das nachhaltig gewollt ist. Ansonsten mache ich mit dem weiter, an dem ich heute sitze, und morgen mit dem weiter, woran ich morgen sitzen werde - und ich denke, dass das genauso weitergeht. Ich arbeite an dem, was Erfolg verspricht, nicht an dem, was mir viel Arbeit macht, um dann absehbar in Sackgassen zu führen.

clarion

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7374 am: 10.04.2025 07:24 »
Lieber Swen,

Ich möchte Dir noch mal vielen Dank für die Mühe machen,  die Du bisher schon in die Sache investiert hast. Deine Texte sind manchmal schwer zu lesen, aber Du leuchtet wirklich alles aus.

Ich war zwischenzeitlich mal euphorisch,  dass das nächste ( baldige) Urteil ein für alle Mal Klarheit herstellt, der Staat peinlich berührt umgehend zu einer verfassungsgemäßen Besoldung zurück kehrt und wir im optimalsten Fall mit ein paar Euro mehr glücklich und zufrieden weiter leben.

Daraus geworden ist eine Vertrauenskrise ggü. Judiktive und Exekutive. Die Judikative ist dermaßen langsam, dass man schon von verweigerten Rechtsschutz sprechen muss, und der Exekutive muss man vorwerfen, dass sie immer abenteuerlichen Konstruktionen nutzt, um die Besoldung klein zu rechnen und dabei hier und da in vollen Bewusstsein handelt, dass das vor Gericht keinen Bestand hat.  Die Exekutive kann sich das offensichtlich leisten, weil es ja vor Gericht Jahre wenn nicht sogar Jahrzehnte dauert.


SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7375 am: 10.04.2025 08:36 »
Lieber Swen,

Ich möchte Dir noch mal vielen Dank für die Mühe machen,  die Du bisher schon in die Sache investiert hast. Deine Texte sind manchmal schwer zu lesen, aber Du leuchtet wirklich alles aus.

Ich war zwischenzeitlich mal euphorisch,  dass das nächste ( baldige) Urteil ein für alle Mal Klarheit herstellt, der Staat peinlich berührt umgehend zu einer verfassungsgemäßen Besoldung zurück kehrt und wir im optimalsten Fall mit ein paar Euro mehr glücklich und zufrieden weiter leben.

Daraus geworden ist eine Vertrauenskrise ggü. Judiktive und Exekutive. Die Judikative ist dermaßen langsam, dass man schon von verweigerten Rechtsschutz sprechen muss, und der Exekutive muss man vorwerfen, dass sie immer abenteuerlichen Konstruktionen nutzt, um die Besoldung klein zu rechnen und dabei hier und da in vollen Bewusstsein handelt, dass das vor Gericht keinen Bestand hat.  Die Exekutive kann sich das offensichtlich leisten, weil es ja vor Gericht Jahre wenn nicht sogar Jahrzehnte dauert.

Hey clarion,
hab zunächst viel lieben Dank für Deine Worte, über die ich mich freue!
Zugleich teile ich Deine Sicht auf das Handeln exekutiver Gewalt, die in Gestalt der jeweiligen Regierungen entsprechende Gesetzentwürfe produziert, obgleich jedem Verantwortungsträger klarsein muss, dass man mit entsprechenden "Hybridbildungen" ein bestehendes Problem nur immer noch größer macht, sodass das dicke Ende am Schluss kommt. Über diese Art der Politikverweigerung durch politische Verantwortungsträger habe ich im Forum ja schon öfter gesprochen - sie ist m.E. ein zentraler, wenn nicht der Hauptgrund für die allenthalben um sich greifende Politikverdrossenheit und die immer größere Wählerschaft der AfD, da sich die Tendenz, Verantwortung zu wollen, zu haben und ihr dann gezielt nicht gerecht werden zu wollen und auch nicht gerecht zu werden, nicht nur in unserem Thema zeigt. Dabei sind zwar die zunehmende Komplexität der Welt und die enger werdenden Handlungsspielräume für politische Verantwortungsträger in Rechnung zu stellen. Das enthebt sie aber nicht, das zu respektieren, wofür sie in unserem demokratischen Rechtsstaat gewählt sind und was bekanntlich die Präsidentin der Oberverwaltungsgericht Hamburg wie folgt auf den Punkt gebracht hat:

"Dass in der Vergangenheit verwaltungsgerichtliche Entscheidungen durch die Exekutive nicht umgesetzt wurden, macht mich nachdenklich. Dies berührt die Grundfesten unseres Rechtsstaates. Es ist wichtig für uns alle, für unser gesellschaftliches Zusammenleben, dass die Regeln des Rechtsstaates von allen Beteiligten befolgt werden." (https://www.welt.de/regionales/hamburg/article213096684/Hamburger-Gerichtspraesidentin-Gross-Justiz-urteilt-nicht-nach-Stimmungen.html)

Und auch wegen dieses Zitats teile ich Deine Sicht auf die Judikative nicht, um auch das kurz mit einem Schlenker zu betrachten: Die Regierung Trump zeigt oder will das zeigen, wie eingeschränkt die Macht der Dritten Gewalt ist, die also darauf angewiesen ist, dass die anderen Gewalten ihre Entscheidungen respektieren und ihr folgen. Die Macht der Gerichte ist allein eine Macht der Worte. Setzt die exekutive Gewalt sie nicht um, endet die Macht der Gerichte am Ausgangstor des Gerichtsgebäudes, wie auch das Hamburger Beispiel zeigt, da ja das Verwaltungsgericht Hamburg mit seiner Entscheidung vom 29.09.2020 - 20 K 7506/17 -, https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/NJRE001445908, die Besoldung in den Jahren 2011 bis 2019 als durchgehend verfassungswidrig betrachtet hat, was den Senat umgehend dazu veranlasst hat, die Widersprüche aus jener Zeit als unbegründet zurückzuweisen und also die Bediensteten in ein Klageverfahren zu zwingen, sofern sie ihre Ansprüche aufrechterhalten wollten, was dann mehr als jeder sechste Beamte getan hat, sodass nun in Hamburg zusätzlich über 8.000 besoldungsrechtliche Klagen anhängig sind.

Soll heißen: Die Mühlen der Gerichte mahlen langsam, weil sie - insbesondere, wenn sich ihre Rechtsprechung gegen andere Gewalten richtet - sich gezwungen sehen, nach Möglichkeit jedes Wort so genau wie möglich zu wählen (und natürlich auch, weil sie vielfach vor Fällen geradezu absaufen; 8.000 unnötige zusätzliche Klagen in Hamburg sprechen auch hier als Beispiel eine klare Sprache), um so Schlupflöcher zu stopfen und natürlich auch auf die Vernunft zu vertrauen, deren Sprachrohr dann an sich die vierte Gewalt sein sollte und das wiederkehrend auch ist - wenn auch ggf. nicht immer mit Blick auf den öffentlichen Dienst. Den Unsinn, der hier regelmäßig von Teilen der Medien verzapft wird, habe ich ja gerade an einem nicht gänzlich untypischen Beispiel ein weiteres Mal beleuchtet.

Darüber hinaus gilt für alle besoldungsrechtliche Klagen das, was auch in anderen Klagen gilt: Die Klage ist zu substantiieren, so wie ich das vor ein paar Tagen hier noch einmal vor Augen geführt habe. Der Kläger kann sich hier nicht auf das Gericht verlassen, das an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden ist, welches wiederum ebenfalls an die Verfassung gebunden ist und deshalb den weiten Entscheidungsspielraum, über den der Gesetzgeber als Konsequenz aus unserer Verfassung verfügt, zu respektieren hat, also Entscheidungen des Gesetzgebers nur dann als sachwidrig betrachten kann, wenn diese Sachwidrigkeit evident ist; besteht auch nur der leiseste Zweifel an dieser Evidenz, ist eine Klage abzuweisen. Das ist so und das wird so bleiben, solange es unsere Verfassung gibt: Evident heißt Evidenz und nicht ein Jota weniger.

Auch deshalb hat das Bundesverfassungsgericht nun Berliner Fälle als "Pilotverfahren" ausgewählt, da sie bereits durch drei Instanzen gegangen sind und damit Gewähr dafür leisten, dass sie aus vielen Blickwinkeln betrachtet worden sind, was aber ebenso bedeutet, dass die vielen Betrachtungsweisen vom Senat auch hinreichend selbst zu betrachten sind - ein Jota ist ein Jota und Evidenz ist Evidenz -, dass darüber hinaus nicht die weiteren Betrachtungen durch Verfahrensbeteiligte, durch unbeteiligte Dritte sowie durch die seit der letzten Entscheidung ergangenen weiteren Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgeklammert werden können und dass ebenso die umfangreiche rechtswissenschaftliche Literatur zur Kenntnis zu nehmen ist, und zwar in einem bekanntermaßen sachlich gänzlich verminten Gebiet, das sich zugleich dogmatisch im Wandel befindet, ohne dass dieser Wandel hinreichend von den anderen Gewalten respektiert wird. So verstanden kann es sowohl für den Senat als auch für die Verwaltungsgerichtsbarkeit regelmäßig vor allem um eines gehen: Genauigkeit vor Schnelligkeit zu stellen - denn es liegt nicht in der Verantwortung der Gerichtsbarkeit, dass die Situation heute so ist, wie sie ist, und es liegt nicht in der Macht der Gerichtsbarkeit, dass die exkutive Gewalt am Ende jedem Bediensteten den Betrag einer in der Vergangenheit und Gegenwart amtsangemessenen Alimentation tatsächlich auszahlt.
Sachgerechte Gesetze kann nur die gesetzgebende Gewalt verabschieden.
Eine amtsangemessene Alimentation kann nur die exekutive Gewalt anweisen.
Ergo: Es ist für uns anstrengend und zermürbend, immer weiter warten zu müssen - aber die langen Verfahrensdauern sind dem je eigenen Handeln der anderen Gewalten geschuldet, wie sie sich spätestens seit 2020 gebahren. Dort liegt die Verantwortung, nicht bei der judikativen Gewalt, die ebenso mit den Anmaßungen der beiden anderen Gewalten im Besoldungsrecht leben muss.

Rentenonkel

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« Antwort #7376 am: 10.04.2025 09:24 »
Das besonders perfide an der Sache ist auch, dass viele Ansprüche alleine dadurch verfallen, dass nicht alle Beamte Rechtsmittel einlegen. Nicht nur Hamburg, sondern auch NRW hat entsprechende Bescheide erlassen und in NRW haben nur etwa 2.000 Beamte geklagt.

Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass diese 2.000 Beamte was nachgezahlt bekommen, wurde trotzdem der Landeshaushalt massiv entlastet... leider zu Lasten der Beamtenfamilien.

Auch durch die Inflation und die mangelnde Verzinsung sparen die Besoldungsgesetzgeber massives Geld ein. Wenn die Verfahren aufgrund der guten Gründe, die wir alle kennen, so lange dauern, wäre es aus meiner Sicht sachgerecht, wenn die Nachzahlung auch entsprechend verzinst werden müsste. Zumindest in vielen anderen Bereichen des Rechts ist eine Verzinsung üblich.

Daher erschließt sich mir nicht, wieso es sachgerecht ist, den Beamten nicht nur über viele Jahre zu wenig Alimente zu zahlen, sondern auch die Nachzahlung nicht zu verzinsen, so dass die Inflation wiederum einen Teil der "Wiedergutmachung" aufzehrt. Wenn ich mir von dem Geld 2011 einen Familienurlaub in Florida hätten leisten, und 2027 nur noch einen Sommerurlaub an der Ostsee drin sitzt, frustriert das nochmal.

Malkav

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« Antwort #7377 am: 10.04.2025 10:00 »
Auch durch die Inflation und die mangelnde Verzinsung sparen die Besoldungsgesetzgeber massives Geld ein. Wenn die Verfahren aufgrund der guten Gründe, die wir alle kennen, so lange dauern, wäre es aus meiner Sicht sachgerecht, wenn die Nachzahlung auch entsprechend verzinst werden müsste. Zumindest in vielen anderen Bereichen des Rechts ist eine Verzinsung üblich.

Daher erschließt sich mir nicht, wieso es sachgerecht ist, den Beamten nicht nur über viele Jahre zu wenig Alimente zu zahlen, sondern auch die Nachzahlung nicht zu verzinsen, so dass die Inflation wiederum einen Teil der "Wiedergutmachung" aufzehrt. Wenn ich mir von dem Geld 2011 einen Familienurlaub in Florida hätten leisten, und 2027 nur noch einen Sommerurlaub an der Ostsee drin sitzt, frustriert das nochmal.

Ich wundere mich immer wieder das keine aktiven Kläger Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz gem. § 123 VwGO stellen, um während des laufenden Prozesses höhere Zahlungen zu erhalten. Dies wäre laut dem OVG Münster wohl zulässig (Hervorhebungen durch mich):

Zitat von: OVG Münster Beschl. v. 20.3.2014 – 3 B 167/14
Freilich wäre eine mit einer einmaligen Nachzahlung einhergehende Kompensation nicht dasselbe wie die Möglichkeit, sich durch eine Anhebung der Bezüge ein (vorläufig) höheres Lebensniveau zu erschließen. Auch wird man den zwischenzeitlichen Kaufkraftverlust ebenso in Rechnung stellen müssen wie etwaige steuerliche Nachteile einer einmaligen Nachzahlung. Die Nachteile einer – im Falle des Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache – einmaligen Kompensation im Vergleich zu einer dauerhaften, wenn auch vorläufigen Anhebung seiner Bezüge durch eine entsprechende einstweilige Anordnung erscheinen dem Senat jedoch (noch) nicht so gewichtig, dass sie einen wesentlichen Nachteil im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu bilden vermögen, es dem Antragsteller daher unzumutbar wäre, eine Entscheidung des BVerfG oder des VerfGH NRW über die Verfassungsmäßigkeit seiner Alimentation und eine etwaig erforderliche Neuregelung durch den nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber abzuwarten, und rechtfertigen daher den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung derzeit (noch) nicht.

Die Anordnung wurde damals nur abegelehnt, da die Klage die Jahre 2012 und 2013 betraf und der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz 2014 abgelehnt wurde. Solche Zeiträume wären auch nach meinem subjektivem Empfinden hinnehmbar. Das OVG ging offensichtlich davon aus, dass es bei solchen Zeiträumen bis zu einer Entscheidung des BVerfG oder LVerfG bleiben würde. Hinsichtlich des Zeitraums, ab wann der Zeitraum nicht mehr zumutbar sei, nimmt man Bezug auf die Zeiträume bis zur Vollstreckungsanordnung des BVerfG aus 1998 hinsichtlich der kinderreichen Beamten.

Zitat von: OVG Münster Beschl. v. 20.3.2014 – 3 B 167/14
Der Senat braucht sich aus Anlass des vorliegenden Falles nicht festzulegen, unter welchen Umständen – etwa in zeitlicher Hinsicht – dem Antragsteller ein weiteres Abwarten unzumutbar werden könnte. Es erscheint jedoch fraglich, dass bei Abwägung der beiderseitigen Belange – die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs vorausgesetzt – Zeiträume hingenommen werden könnten, die etwa im Fall kinderreicher Beamter verstrichen sind und das BVerfG zum Erlass einer Vollstreckungsanordnung bewogen haben.

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7378 am: 10.04.2025 11:58 »
Das besonders perfide an der Sache ist auch, dass viele Ansprüche alleine dadurch verfallen, dass nicht alle Beamte Rechtsmittel einlegen. Nicht nur Hamburg, sondern auch NRW hat entsprechende Bescheide erlassen und in NRW haben nur etwa 2.000 Beamte geklagt.

Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass diese 2.000 Beamte was nachgezahlt bekommen, wurde trotzdem der Landeshaushalt massiv entlastet... leider zu Lasten der Beamtenfamilien.

Auch durch die Inflation und die mangelnde Verzinsung sparen die Besoldungsgesetzgeber massives Geld ein. Wenn die Verfahren aufgrund der guten Gründe, die wir alle kennen, so lange dauern, wäre es aus meiner Sicht sachgerecht, wenn die Nachzahlung auch entsprechend verzinst werden müsste. Zumindest in vielen anderen Bereichen des Rechts ist eine Verzinsung üblich.

Daher erschließt sich mir nicht, wieso es sachgerecht ist, den Beamten nicht nur über viele Jahre zu wenig Alimente zu zahlen, sondern auch die Nachzahlung nicht zu verzinsen, so dass die Inflation wiederum einen Teil der "Wiedergutmachung" aufzehrt. Wenn ich mir von dem Geld 2011 einen Familienurlaub in Florida hätten leisten, und 2027 nur noch einen Sommerurlaub an der Ostsee drin sitzt, frustriert das nochmal.

Mit dem Wertverlust befasse ich mich auch schon einige Zeit und habe auch schon einiges darüber ausgeführt, u.a. im Sammelthread ein Muster einer Klageerweiterung, die man selbst bei einer Klage verwenden kann, oder seinem Rechtsanwalt zur weiteren Bearbeitung übergeben kann.
Je mehr ich mich mit der Thematik beschäftigt habe, desto mehr verwundert es mich, dass bisher noch kein Gericht positiv zugunsten eines Beamten entschieden hat, obwohl m.E. eindeutig das Grundrecht des Eigentums Art. 14 GG verletzt wird. Art. 33 Abs. 5 GG gibt dem Beamten ein grundrechtsähnliches Individualrecht, welches genau so hoch zu werten ist, wie Art. 14 GG, wenn nicht noch höher. Durch die lange Verfahrensdauer wird dem Beamten auch bei positivem Verfahrensausgang praktisch über Jahre die Nutzung seines Eigentums verwehrt. Gleichzeitig nutzt der Dienstherr das Eigentum des Beamten über Jahre widerrechtlich. Das BVerfG hat sich wohl bisher noch nicht mit der Materie befasst, aber das BVerwG und der BGH. Der Bundesgerichtshof bzw. das Bundesverwaltungsgericht haben den Ausschluss von Verzugszinsen als rechtmäßig angesehen (BGH 25.6.1953, – III ZR 373/51 – BGHZ 10, 125; BVerwG 8.6.1966 – VIII C 153.63 –, E 24, 186, zu Ziffer 3 DVO zu § 38 DBG). "Maßgeblich dafür ist letztlich zum einen die besondere Rechtsstellung des Beamten (Bestehen eines gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses), zum anderen der Umstand, dass gerade bei den häufigen Änderungen des Besoldungs- und Versorgungsrechts und der laufenden Anpassung der Bezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse Verzögerungen oft unvermeidbar sind und dies nicht zu Lasten des Fiskus gehen soll, den daran in der Regel kein oder nur ein geringes Verschulden trifft."
Auch wenn Bezüge verfassungswidrig vorenthalten worden sind, besteht bei der Nachzahlung kein Anspruch auf Verzugszinsen (vgl. Kathke , in: Schwegmann/Summer Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, 99. Update September 2021 § 3 Rn 75 ).
Es wird Zeit, dass dem BVerfG dementsprechende Klagen vorgelegt werden, und wenn dieses sich auch weigert, bleibt noch der Gang vor den EuGH oder den EGMR, Art. 17 EU-Charta und Art. 1 des ersten EMRK-Zusatzprotokolls werden verletzt. Gerade das EGMR hat diesbezüglich mehrere ähnliche, positive Urteile gefasst, bei denen sich Staaten höchstrichterlich geweigert haben ordentliche Verzugszinsen zu leisten. Gerade dies macht die bisherige diesbezügliche Rechtsprechung für mich so unerklärlich, denn das Eigentumsrecht ist nicht irgendein Recht, sondern eines der ursprünglichsten und ältesten Rechte überhaupt, mit dem Ursprung im römischen Recht. Wenn uns auch noch dieses Recht eingeschränkt wird, begeben wir uns wahrscheinlich auf die Stufe der römischen Sklaven, denn denen war das Eigentum auch untersagt.

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7379 am: 10.04.2025 12:01 »
Neues zu Verzugszinsen.

Ich schlage vor, dass ihr bei Klagen zur amtsangemessenen Besoldung die beiliegende Klageerweiterung verwendet oder eurem Rechtsanwalt übergebt. Ich weise darauf hin, dass das keine Rechtsberatung darstellt, sondern ein kollegialer Rat ist.

Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin, sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,

Es ist fraglich, ob das Verbot von Verzugszinsen, welches in allen Besoldungsgesetzen geregelt ist (z.B. Art. 4 Abs. 4 BayBesG) mit dem Grundgesetz und Europarecht vereinbar ist.
Mehrfach wurde vom BVerwG darauf hingewiesen, dass sowohl die Beamtenbesoldung, wie auch die Beamtenversorgung als grundrechtsähnliches Recht angesehen wird.
Ein Verbot von Verzugszinsen dürfte deshalb Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, sowie Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK, widersprechen.

Hierzu möchte ich ihnen folgende Abhandlung von Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann zusenden:
https://www.jura.uni-frankfurt.de/43680490/_-15-Menschenrechtsschutz.pdf
und insbesondere auf folgendes Verfahren hinweisen:
Auch die Bevorzugung öffentlich- rechtlicher Krankenhäuser bei der Berechnung der Verzugszinsen von geschuldetem Lohn zu Lasten der Arbeitnehmer stellt einen sonstigen Eingriff iSd Art. 1. ZP dar (Meidanis ./.GRE, 22.05.2008).

Selbst der Landesverband Brandenburg des Deutschen Richterbundes zweifelt die Verfassungskonformität des Ausschlusses von Verzugszinsen an und schreibt in einer Stellungnahme an das BVerfG vom 29. Januar 2024 folgendes:
„Aus Sicht des Landesverbands Brandenburg des Deutschen Richterbundes wird daher das Bundesverfassungsgericht erwägen müssen, ob wirklich an dem Erfordernis individuellen vorherigen Rechtsschutzes festzuhalten ist, der Ausschluss der Verzinsung der Nachzahlungen verfassungskonform sein kann sowie, ob durch eine praxistauglichere Konkretisierung der aufgestellten Kriterien in der Entscheidung Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Umsetzungsgesetze minimiert werden können.“
https://www.drb-brandenburg.de/fileadmin/Landesverband-Brandenburg/Stellungnahme_BVerfG-final.pdf

Ich möchte für ihre Verfahren folgende Klageerweiterung vorschlagen, damit dieser leidliche Umstand endlich einmal vor dem BVerfG verhandelt wird. Eine Rechtsanwaltskanzlei für Beamtenrecht hat bereits zugesagt die Klageerweiterung in ihren Schriftsätzen zu berücksichtigen.

Klageerweiterung
 
Außerdem wird für die Besoldungsnachzahlung ein Verzugszinssatz in Höhe von 5 % (oder 9 % ?) über dem Basiszinssatz nach § 288 Abs. 1 (oder 2 )und zusätzlich für jeden Monat der Besoldungsnachzahlung eine Verzugspauschale von 40,00 € gem. § 288 Abs. 5 BGB verlangt.
 
Begründung:

Es ist davon auszugehen, dass der Ausschluss der Verzinsung der Nachzahlungen von Besoldung gem. (z.B. Art. 4 Abs. 4 BayBesG) gegen Art. 14 GG, Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, sowie Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK, verstoßen. Die Beamtenbesoldung sowie die Beamtenversorgung stellen ein grundrechtsähnliches Recht dar und unterstehen dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG sowie der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Es wird auf die Abhandlung von Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann https://www.jura.uni-frankfurt.de/43680490/_-15-Menschenrechtsschutz.pdf
und insbesondere auf folgendes Verfahren hingewiesen: (Meidanis ./.GRE, 22.05.2008).
Außerdem wird auf die Stellungnahme des Landesverbandes Brandenburg des Deutschen Richterbundes an das BVerfG vom 29. Januar 2024 verwiesen, in dem dieser die Verfassungskonformität des Ausschlusses von Verzugszinsen anzweifelt:
„Aus Sicht des Landesverbands Brandenburg des Deutschen Richterbundes wird daher das Bundesverfassungsgericht erwägen müssen, ob wirklich an dem Erfordernis individuellen vorherigen Rechtsschutzes festzuhalten ist, der Ausschluss der Verzinsung der Nachzahlungen verfassungskonform sein kann sowie, ob durch eine praxistauglichere Konkretisierung der aufgestellten Kriterien in der Entscheidung Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Umsetzungsgesetze minimiert werden können.“
https://www.drb-brandenburg.de/fileadmin/Landesverband-Brandenburg/Stellungnahme_BVerfG-final.pdf

Nachdem Art. 4 BayBesG nichtig ist, wird somit § 288 Abs. 1 und 5 BGB Anspruchsgrundlage. Die Vorschrift dient der Umsetzung der unionsrechtlichen Zahlungsverzugsrichtlinie 2011 – RL 2011/7/EU vom 16.02.2011 (ZVerzugsRL 2011). Deshalb ist EU-Recht zu beachten.
Es handelt sich bei der Beamtenbesoldung zwar nicht um ein Entgelt für den geleisteten Dienst i.e.S., jedoch ist die Alimentation als Äquivalent zu dem geleisteten Dienst anzusehen, da nach EU-Recht Beamte und Arbeitnehmer gleichzusetzen sind. Arbeitnehmer sind „Gläubiger von Entgeltforderungen“. Denn sie haben einen Anspruch auf Zahlungen von Lohn und Gehalt, das der Arbeitgeber für die erhaltene Arbeitsleistung bezahlen muss. Der Arbeitgeber ist kein Verbraucher, sondern Unternehmer im Sinne von § 14 Abs. 1 BGB. Danach ist Unternehmer jede „natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.“ Damit entspricht die Beamtenbesoldung dem Entgeltbegriff des § 286 Abs. 3.
In dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts BAG – 8 AZR 26/18 wird in
den Rn. 9 bis 22 umfangreich dargelegt, dass § 288 Abs. 5 BGB grundsätzlich auch für Arbeitnehmer gilt.
Lediglich § 12 a ArbGG hat aufgrund der lex-specialis-Regel den Vorrang. Diese Regelung gilt aber nicht im Beamtenbereich.
 
Der EuGH hat in verschiedenen Urteilen wiederholt darauf hingewiesen, dass nach EU-
Recht Beamte als Arbeitnehmer zu betrachten sind.
Der EuGH hat in seiner Vorbemerkung zum Fall Kreuziger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Einzelne seine nach EU-Recht bestehenden Ansprüche unabhängig davon geltend machen kann, ob der Staat in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber oder als Hoheitsträger  Dienstherr von Beamten) handelt. In dem einen wie dem anderen Fall muss nämlich verhindert werden, dass der Staat aus der Nichtbeachtung des Unionsrechts Nutzen ziehen kann.
Es kommt somit grundsätzlich nicht auf den Status (als Beamter und/oder Angestellter) an,
sobald, wie hier, ein Bezug zum EU-Recht besteht.
Die Vergleichbarkeit von Beschäftigten ist von allgemeiner Bedeutung für alle Sachverhalte,
in denen der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung des Unionsrechts gemäß Art. 20
EU-GRCh anzuwenden ist, was daraus folgt, dass nationales Recht gem. Art. 51 Abs. 1 EU-
GRCh – objektiv – der Durchführung von Unionsrecht dient, auch wenn kein ausdrücklicher
Bezug darauf erfolgen sollte. Im Recht der Mitgliedstaaten vorgenommene Statuseinteilungen sind insoweit als solche daher ohne Relevanz; denn eine Differenzierung
ist nur in Bezug auf die jeweilige Beschäftigungsbedingung und einen objektiven Unterschied
in der Aufgabenstellung rechtfertigungsfähig. Eine Vergleichbarkeit besteht schon dann,
wenn Arbeitnehmer und Beamte in den gleichen Aufgabenfeldern eingesetzt werden und
die gleiche berufliche Verantwortung haben, wie das bei Lehrkräften, den meisten
Kommunalbeschäftigten, aber auch in vielen anderen Verwaltungsbereichen einschließlich
der in Ministerien Tätigen der Fall ist (a. a. O.). (vgl. von Roetteken, jurisPR-ArbR 29/2019 Anm.)
 
Der Beklagte ist wegen der verzögerten Vergütungszahlung nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ohne vorherige Mahnung zur Leistung der Verzugszinsen verpflichtet. Einer Mahnung von Seiten des Klägers bedurfte es nicht, weil der Schuldner gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch ohne Mahnung in Verzug 12 13 14 15 16 - 6 - 5 AZR 385/20 ECLI:DE:BAG:2021:240621.U.5AZR385.20.0 - 7 - kommt, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist und er zu dieser Zeit nicht leistet. Deren Fälligkeit bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem die Vergütung bei tatsächlicher Beschäftigung in den einzelnen Abrechnungsperioden fällig geworden wäre (st. Rspr., vgl. BAG 24. August 2016 - 5 AZR 853/15 - Rn. 40). Trotz der Gesamtberechnung entstehen die Annahmeverzugsansprüche nicht erst am Ende des Annahmeverzugs, sondern sukzessive währenddessen und werden mit dem jeweiligen Abrechnungszeitraum fällig (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 31, BAGE 141, 340). Gemäß Art. 4 Abs. 3 S. 1 BayBesG, der auf das Dienstverhältnis des Klägers Anwendung findet, werden die Bezüge monatlich im Voraus bezahlt.
Nach § 286 Abs. 4 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung aufgrund eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Zu vertreten hat der Schuldner nach § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist. Der Gesetzgeber hat das fehlende Verschulden als Einwand ausgestaltet, für den der Schuldner darlegungs- und beweispflichtig ist. Er ist gehalten, im Einzelnen darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die geschuldete Leistung zum Fälligkeitszeitpunkt unterblieben ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft (st. Rspr., vgl. BAG 28. August 2019 - 10 AZR 549/18 - Rn. 38 mwN, BAGE 167, 361). Dabei hat die Feststellung des Verschuldens einheitlich für alle Verzugsfolgen zu erfolgen (vgl. MüKoBGB/Ernst 8. Aufl. BGB § 286 Rn. 111), mithin auch für den Verzugszins nach § 288 Abs. 1 BGB.
Der Ausschluss des Schuldnerverzugs wegen unverschuldeten Rechtsirrtums ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Grundsätzlich erfordert der Geltungsanspruch des Rechts, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums selbst trägt und nicht dem Gläubiger zuschieben kann (vgl. BAG 11. Dezember 2019 - 7 ABR 4/18 - Rn. 45; BGH 5. April 2017 - IV ZR 437/15 - Rn. 19). Der Schuldner muss die Rechtslage genau prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten. Fahrlässig handelt, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, indem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht zieht (vgl. BGH 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13 - Rn. 15 mwN). Ein Rechtsirrtum ist nur dann entschuldigt, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte, ein normales Prozessrisiko entlastet ihn nicht (vgl. BAG 3. Juli 2019 - 10 AZR 499/17 - Rn. 63, BAGE 167, 196; 14. Dezember 2017 - 2 AZR 86/17 - Rn. 51, BAGE 161, 198).
Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts kann nicht angenommen werden, dass der Beklagte die Besoldungszahlungen an den Kläger aufgrund eines Umstands unterlassen hat, den er nicht zu vertreten hatte (§ 286 Abs. 4 BGB).
 
Angesichts der nunmehrigen Konkretisierungen, die die neue Zahlungsverzugsrichtlinie in ihrem Artikel 7 zur groben Nachteiligkeit von Vertragsklauseln enthält, und angesichts der nunmehrigen Einbeziehung auch von „Praktiken“ kann die seinerzeitige Entscheidung über die Entbehrlichkeit einer eigenen Umsetzungsbestimmung freilich nicht mehr aufrecht erhalten werden.
In diesem Sinne und entsprechend dem akademischen „Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens“ sollte eine Vertragsklausel oder Praxis, die eine grobe Abweichung von der guten Handelspraxis darstellt und gegen den Grundsatz des guten Glaubens und der Redlichkeit verstößt, als nachteilig für den Gläubiger angesehen werden. Insbesondere sollte der vollständige Ausschluss des Anspruchs auf Zinsen immer als grob nachteilig angesehen werden, während vermutet werden sollte, dass der Ausschluss des Rechts auf Entschädigung für Beitreibungskosten grob nachteilig ist.
Nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung in Artikel 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sollten diese Verfahren allen in der Union niedergelassenen Gläubigern zur Verfügung stehen.
Die Verpflichtung zur Umsetzung dieser Richtlinie in innerstaatliches Recht sollte nur jene Bestimmungen betreffen, die im Vergleich zu der Richtlinie 2000/35/EG inhaltlich geändert wurden. Die Pflicht zur Umsetzung der inhaltlich unveränderten Bestimmungen ergibt sich aus der genannten Richtlinie.
Es ist deshalb zu beanstanden, dass Art. 4 Abs. 4 BayBesG (oder entsprechende Gesetzesnorm) nicht geändert wurde, obwohl eine Pflicht hierzu bestanden hätte (sieh Art. 7 Nachteilige Vertragsklauseln und Praktiken). Wir verweisen auf den Grundsatz, dass die Richtlinie 2011 /7/EU als höherwertiges Recht zu bevorzugen ist.
 
Falls unionsrechtliche Bedenken vorliegen und diese entscheidungserheblich sind, regen wir an, die diesbezügliche Rechtsfrage dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vorzulegen.


Vielen Dank für ihre Unterstützung.


Mit freundlichen Grüßen