@Swen
Stimme dir wie Clarion in Punkt 1 zu. Bis 2020 haette man sicher nicht anders entscheiden/handeln koennen.
Selbst nach der Entscheidung 2020 tanzen die BesGesetzgeber doch dem BVerfG auf der Nase herum und scheren sich ganz offensichtlich nicht wirklich darum, was dort entschieden worden ist.
Der Bund stellt mit seinem Rundschreiben fest, dass er nicht verfassungsgemaess alimentiert, aber getan wird dann nichts. Die Laender erlassen abstruseste Gesetze, alles vor dem Hintergrund es soll so guenstig wie moeglich sein.
Angesichts dieses Handelns auf seiten der Gesetzgeber, denen das BVerfG ja mit seiner Rechtsprechung ganz klare Vorgaben gemacht hat, muss doch das BVerfG feststellen, die Gesetzgeber tanzen dem BVerfG auf der Nase rum.
Dies kann doch fuer das Ansehen und die Bedeutung des BVerfG nicht gedulded werden.
Von daher haette ich seitens des BVerfG ein schnellleres und konsequenteres weiteres Vorgehen erwartet.
Bin sicher nicht so vertraut mit den Optionen des BVerfG wie du, aber zumindest schnellere weitere Beschluese sollten doch eine Option sein.
Ja diese sollten wie du ja selber mal ausgefuehrt hast sauber und praezise sein.
Aber schon wegen des Ansehens und der Bedeutung des Gerichtes selber, muss dies doch im eigenen Interesse diese Missachtung durch die Gesetzgeber schnellst moeglich unterbinden.
Ich arbeite gerade wieder an einem komplexeren Text, Bundi, in dem es auch um Konsequenzen des Verfassungsrechts geht. Das Problem der hier im Forum wiederkehrenden Ansicht, Karlsruhe hätte schneller entscheiden müssen, ist nach wie vor, dass diese Sicht auf die Dinge von jenen, die sie haben, ausnahmslos ohne eine konkrete Betrachtung des Verfassungsrechts erfolgt. Wenn ich es richtig sehe, hat sich keiner von euch, die ihr diese Sicht auf die Dinge habt, auch nur in Ansätzen mit den notwendigen Bedingungen und tatsächlichen Grenzen konkreter Normenkontrollverfahren beschäftigt.
Ich greife jetzt aus der Erarbeitung einfach mal einen der zentralen Absätze heraus, in dem es u.a. und vor allem um das sog. "Normwiederholungsverbot" geht. Denn allein hier schon zeigt sich eine Problematik, die nur in der Konkretisierung des jeweiligen Verfahrens hinreichend betrachtet werden kann, soll heißen: Emotional würde ich es ggf. genauso wie Du formulieren und also von einem "auf der Nase Herumtanzen" sprechen - rational hat in jedem Fall und für jedes neu Argument der Beweis zu erfolgen, dass dem so sein sollte. Von alledem hat allerdings nach meiner bisherigen Erfahrung allesamt keiner der "schnelle(ere)n Entscheidungsforderer" eine hinreichende Ahnung: also das, was ich im nachfolgenden Eigenzitat formuliere, wird in dieser Sicht, dass möglichst schnelle Entscheidungen gefällt werden sollten, ebenfalls - wie vieles andere hier im Forum auch - gar nicht mitbedacht, weil es den Schreibenden unbekannt ist. Denn rational ist es eben nicht ganz so einfach zu entscheiden, ob hier in den letzten knapp vier Jahren tatsächlich ein "auf der Nase Herumtanzen" erfolgt ist, nämlich wenn man sich das Verfassungsrecht konkret und präzise vor Augen führt:
"Seit 2012 hat das Bundesverfassungsgericht einen umfassenden Rechtsprechungswandel vollzogen, den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des ihn aus Art. 33 Abs. 5 GG treffenden Regelungsauftrags zu beachten hat. [Fußnote] Denn die jeweils entscheidungstragenden Gründe binden auch den Besoldungsgesetzgeber, wovon eine im Einzelnen kontroverse Betrachtung der Bindungswirkung nicht ablenken könnte, ohne damit eventuell den effektiven Rechtsschutz infrage zu stellen. [Fußnote] Von daher sehen sich alle 17 bundesdeutschen Besoldungsgesetzgeber an die entscheidungstragenden Gründe einer bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung gebunden. Zwar bliebe dabei die Auffassung eines schlichten Normwiederholungsverbots zu undifferenziert. [Fußnote] Allerdings setzt der ungeschriebene Grundsatz der Verfassungstreue dem Gesetzgeber erkennbare Grenzen. So ist eine bewusste Missachtung von bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung, also eine inhaltsidentische Neuregelung auf gleicher Tatsachengrundlage alsbald nach der verfassungsgerichtlichen Normwerferung, mit dem verfassungsrechtlich geforderten Respekt gegenüber dem Bundesverfassungsgericht unvereinbar, darf also auch der Besoldungsgesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Gründe der Verfassungswidrigkeit des ursprünglichen Gesetzes nicht einfach übergehen, sieht er sich dann hingegen in einer Normwiederholung veranlasst, besondere Gründe ins Feld zu führen, die sich vor allem aus einer wesentlichen Änderung der für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder der ihr zugrunde liegenden Anschauungen ergeben können: In der Normwiederholung, die also die gleiche Intention wie die zuvor für nichtig erklärte Norm verfolgt oder gar ein inhaltsgleiches Gesetz erlässt, sieht sich der Gesetzgeber folglich zu einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der oder den einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts veranlasst, in der er neue rechtliche Argumente für seinen Standpunkt auszuführen weiß; dabei sollte er sich in praxi stets der damit einhergehenden Gefahr einer möglichen Missachtung seiner rechtlichen Bindung bzw. mindestens des ggf. ungenügenden Charakters seiner neuen Argumente bewusst sein. [Fußnote]"
Der langen Rede kurzer Sinn: Auch dem Besoldungsgesetzgeber ist es nicht verwehrt, eine vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig vernichtete Norm identisch wieder in Kraft zu setzen, solange er dafür nun eine hinreichende Begründung liefert. Ein undifferenziertes Normwiederholungsverbot kennt unsere Verfassung nicht.
Und allein aus diesem Faktum resultiert die Frage: Was brächten entsprechend schnellere Entscheidungen, wenn sie nicht hinreichend Gewähr dafür leisteten, die Normwiederholung zu verhindern?
Und die zweite Frage lautete (ich habe sie unlängst erst gestellt, ohne eine Antwort erhalten zu haben, die ich kenne, aber bislang wohl kaum jemand anderes - denn ansonsten wäre die Antwort, denke ich, gegeben worden): Über wie viele konkrete Normenkontrollverfahren entscheidet das Bundesverfassungsgericht eigentlich im Durchschnitt pro Jahr?
Aus dem Karlsruher Blickwinkel heraus stellt sich die Sachlage deutlich komplexer dar, als sich das - wenn ich das richtig sehe - auch nur einer derer, die hier regelmäßig schnellere Entscheidungen verlangen, in Ansätzen vorstellen könnte. In der Vergangenheit habe ich ein ganzes Bündel an Gründen für die Verfahrenslänge(n) ins Feld geführt - emotional muss man sie nicht zur Kenntnis nehmen. Rational betrachtet - also aus dem Fokus des Zweiten Senats heraus - kann man an ihnen nicht vorbeiblicken, da ein solches Vorbeiblicken nicht die tatsächlichen Probleme anschaute, sondern beständig an ihnen vorbeiblickte.