Hallo zusammen,
noch mal zum Thema AEZ/Abschmelzung/Abstandsgebot.
Der Gesetzgeber beabsichtigt bekanntlich, einen dreidimensionalen Zuschlag (Familie, Wohnen, Amt) einzuführen (oder alternativ: 2D-Zuschlag in Verbindung mit 3D-Abschlag).
Im Entwurf wird der Abschmelz-AEZ im Zusammenhang mit dem Abstandsgebot bzw. dem 4. Parameter erläutert (S. 53-55).
Eröffnet wird dabei zunächst mit dem Grundsatz höheres Amt/Wertigkeit = höhere Besoldung (S.53 unten). In diesem Zusammenhang wird auch das Erfordernis erkannt, dass die relativen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen zu wahren sind.
Nun geht aus der Abschmelzungstabelle (bzw. aus dem AEZ unter Berücksichtigung der Abschmelzung) ja exakt das Gegenteil hervor: Höheres Amt = höhere Abschmelzung = niedrigere (zusätzliche) Besoldung.
Frage in die Runde: Gab es denn derartige (also gegen die Wertigkeit des Amtes gerichtete) Besoldungsbestandteile schonmal? Ist das denn mit dem (im Entwurf umfangreich erläuterten) Grundsatz zu vereinen?
Man mag das auf den ersten Blick als fair oder sozial empfinden, da es sich um zusätzliche Besoldungsbestandteile handelt.
Allerdings hat dies weitreichende Konsequenzen: Rein amtsbezogene Maßnahmen (z.B. Beförderung) wirken sich in Abhängigkeit der Familienverhältnisse auf die Besoldung der Beamten aus. Steigen etwa zwei Beamten der gleichen Besoldungsgruppe und Stufe in eine höhere Besoldungsgruppe auf, so wird im Ergebnis z.B. der kinderlose Beamte die volle amtsbezogene Besoldungserhöhung erhalten, während der Beamte mit 2 Kindern nur einen Teil davon erhält (durch den höheren Abschmelzungsbetrag). Entsprechendes gilt dann auch für die Wohnorte.
Im Folgenden (S. 54) behauptet der Gesetzgeber dann jedenfalls, dass die Abschmelzung absolut nichts mit dem Abstandsgebot zu tun hat (nicht „tangiert“).
Begründung (Achtung!): „Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG stellt das Abstandsgebot sicher, dass durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. Daher kann die Überprüfung des Abstandsgebotes nur anhand des Grundgehaltes zuzüglich eventuell zustehender Amtszulagen erfolgen.“
Hat der Gesetzgeber hier etwa vergessen, dass er gerade beabsichtigt, einen amtsbezogenen Abschmelzungs-Zuschlag einzuführen?
Er scheint den AEZ als reinen Familienzuschlag zu behandeln und ignoriert völlig den Amtsbezug.
Übersehe ich hier irgendwas?
Weiter im Text erkennt der Gesetzgeber (S.55): „Je deutlicher dabei der Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto eher muss es zu einer
spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen.
„spürbar“, „gesamt“; klingt gut. Wie deutlich ist es denn beim Bund?
„Im Bund wird […] das Mindestabstandsgebot in Gebieten mit den höchsten Unterkunftskosten […] noch nicht einmal mit dem in der Besoldungsgruppe A 10 (Erfahrungsstufe 2), also in dem ersten Beförderungsamt der Laufbahn des gehobenen Dienstes [...] eingehalten.“
Chapeau!
Der Gesetzgeber sieht dann ein, dass er das Besoldungsgefüge
insgesamt in den Blick nehmen muss....
...was er dann aber nicht tut. (Weder in der Diskussion, noch im Ergebnis)
Stattdessen folgt: Behandlung des dritten (und weiterer) Kinder (hier keine Abschmelzung) und die Behauptung, dass man ansonsten abschmelzen darf (irgendwie konfus im Zusammenhang mit dem gesamten Besoldungsgefüge).
Und zum Schluss (S. 55) kommt dann noch der Hammer:
„Für das damit verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenkliche Abschmelzen des AEZ ist es sachgerecht, sich an der Vorgabe des BVerfG zu orientieren, ab der ein Verstoß gegen das Abstandsverbot zwischen den Grundgehältern in den Besoldungsgruppen anzunehmen ist, nämlich einer Abschmelzung der Abstände zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen um mindestens zehn Prozent in den zurückliegenden fünf Jahren.“
Es ist also nach der Auffassung des Gesetzgebers bei der Festlegung der Alimentation „sachgerecht“, sich an einem Grenzwert zu „orientieren“, der auf eine verfassungswidrige Alimentation hindeutet, überhaupt nicht zur Bemessung (sondern zur Prüfung) vorgesehen ist und im Übrigen einen Zeitraum von fünf Jahren abdeckt? Nicht schlecht.
Es geht noch weiter:
„Daher beträgt der Unterschied zwischen zwei benachbarten in Anlage VII festgeschriebenen Abschmelzbeträgen nach § 41 Absatz 2 BBesG (neu) maximal 9,5 Prozent des nominellen Abstandes zwischen zwei aufeinanderfolgenden Besoldungsgruppen in der gleichen Erfahrungsstufe.“
Moment; sprechen wir hier jetzt noch von „orientieren“ oder schon von „optimieren“ im Sinne einer Annäherung an eine verfassungswidrige Alimentation? Und hat hier mal jemand darüber nachgedacht was es für das gesamte Gefüge (also z.B. auch den Abstand zwischen A4 und A16) bedeutet, wenn dieser Vorgehensweise zwischen ALLEN aufeinanderfolgenden Gruppen angewendet wird.
Ob das so im Sinne des BVerfG ist?
Insgesamt sehe ich jedenfalls keine „spürbare Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus“. Viele spüren ja gar nichts (außer vielleicht eine Art Schlupfloch-Mentalität des Gesetzgebers).
Mich würde noch interessieren, wie die AEZ Tabelle zustande gekommen ist. Ich konnte bisher noch nichts Aussagekräftiges finden. Bei 2+ Kinder kann ich mir das ungefähr vorstellen. Aber die Spalte für ein Kind ist die reinste Black-Box. 7 Euro? Ein absolutes Highlight in Verbindung mit dem Abschmelzungsbetrag für A5 (4 Euro). Hat da jemand einen Zusatzbedarf von 3 Euro (brutto) für ein Kind des A5 in Mietstufe IV berechnet? Auf welcher Grundlage? Wie wird denn die unterschiedliche Behandlung des ersten und zweiten Kindes ggü. dem „normalen“ Familienzuschlag begründet. Naheliegend wären die Wohnkosten. Aber die Tabelle spiegelt dies ja nicht ansatzweise wider.