Wie hoch muss denn der Mindestabstand zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen sein?
Beispielsweise von A5 zu A6 oder A10 zu 11.
Ich bin mir sicher das es hier bereits ausgeführt wurde, nur konnte ich es hier leider nicht mehr finden.
Das BVerfG geht davon aus, dass der vierte Parameter der ersten Prüfungsstufe - der sog. systeminterne Besoldungsvergleich - die Vermutung einer unzureichenden Alimentation indiziert, wenn die Abstände zwischen Besoldungsgruppen in den zurückliegenden fünf Jahren um mindestens 10 % abgeschmolzen werden (vgl. beispielsweise in der aktuellen Entscheidung die Rn. 45).
Die Gesetzesvorlage stellt aktuell keine Berechnungen zum systeminternen Abstand an, sondern postuliert mit Blick auf und Berechnungen im Rahmen der letzten Besoldungsanpassung, dass sich nichts verändert habe (vgl. im Entwurf S. 50). Das dürfte unter einer rein formalen Betrachtung höchstwahrscheinlich so sein, da formal die Grundbesoldung verglichen wird.
Jedoch wird durch dieses rein formale Vorgehen offensichtlich die Prozeduralisierungspflicht verletzt. Denn am Ende der Betrachtung der fünf Parameter der ersten Prüfungsstufe vollzieht der Entwurf eine - ebenfalls formale - Gesamtabwägung, die aus zwei Sätzen besteht (ebd., S. 50 f.). Prozedural wäre aber zunächst gefordert, dass im Anschluss an die Betrachtung der fünf Parameter der ersten Prüfungsstufe zunächst eine
Gesamtbetrachtung zu vollziehen gewesen wäre. In diesem Sinne hebt das BVerfG in seiner aktuellen Entscheidung in regelmäßiger Rechtsprechung hervor:
"Dafür sind zunächst die Feststellungen der ersten Prüfungsstufe, insbesondere das Ausmaß der Über- oder Unterschreitung der Schwellenwerte, im Wege einer Gesamtbetrachtung zu würdigen und etwaige Verzerrungen – insbesondere durch genauere Berechnungen (vgl. oben C. I. 2. a), Rn. 30 ff.) – zu kompensieren." (ebd., Rn. 85).
Da der Bund durch seine Neustrukturierung der Orts-/Familienzuschläge offensichtlich einen Systemwechsel vollzieht, hätte diese Gesamtbetrachtung umfassend ausfallen müssen. In diesem Sinne hebt das BVerfG hervor:
"Prozedurale Anforderungen in Form von Begründungs-, Überprüfungs- und Beobachtungspflichten gelten sowohl bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldungshöhe in Gestalt von regelmäßigen Besoldungsanpassungen als auch bei strukturellen Neuausrichtungen in Gestalt von Systemwechseln. Nimmt der Gesetzgeber eine Umgestaltung der Besoldungsstruktur vor, ist zu berücksichtigen, dass ein solcher Wechsel verschiedene Unsicherheitsfaktoren birgt und dass sich seine Tragfähigkeit und Auswirkungen erst allmählich herausstellen. Insoweit steht dem Gesetzgeber für die Etablierung neuer Besoldungsmodelle ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der bei der Beurteilung der Amtsangemessenheit in Rechnung zu stellen ist". (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, Rn. 165)
Nach der
Gesamtbetrachtung, die die Vorlage also nicht durchführt, da es in nur zwei Sätzen ausschließlich die
Gesamtabwägung vollzieht, wäre nun diese
Gesamtabwägung zu vollziehen gewesen (vgl. in der aktuellen BVerfG-Entscheidung die Rn. 160). Hier nun sind die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe zusammenzuführen (vgl. ebd., 6. Leitsatz). Spätestens in der Zusammenführung dürfte von Interesse sein, ob der Systemwechsel auch Auswirkungen auf die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen haben wird. Und ohne dass ich solche Berechnungen bislang durchgeführt habe, dürfte es sehr wahrscheinlich sein, dass die Zusammenführung deutliche Abschmelzungen zeigen wird, da ja durch den aktuellen Entwurf real sehr große Unterschiede zwischen einzelnen regionalen Besoldungen vollzogen werden.
Um das an einem Beispiel festzumachen: Die Gemeinde Buchholz in der Nordheide mit der Mietenstufe VI liegt in Niedersachsen zentral innerhalb des Kreises Harburg, für den die Mietenstufe III gilt. Weiter grenzt sie unter anderem an die Samtgemeinde Tostedt, für die ebenfalls die Mietenstufe III gilt. Hat nun ein Bundesbeamter mit zwei Kindern seinen Haupwohnsitz in Harburg, erhält er als Zuschlag aus Familienzuschlägen sowie Ergänzungszuschlägen 708,16 €, der Kollege der identischen Behörde, der drei Straßen weiter wohnt, nun aber in der Gemeinde Buchholz, erhielte 1.137,16 € an Zuschlägen. Damit aber dürften mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Abstände zwischen Besoldungsgruppen nicht nur eingeschmolzen, sondern ins Gegenteil verkehrt werden. Realitätsgerecht dürfte die Regelung also kaum sein, da der Bund ja keinen reinen Ortszuschlage gewährt, der also ausschließlich die Unterkunftskosten betrachtet, sondern einen Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlage, der an die Kinderzahl gebunden wird. Es liegt auf der Hand, dass die Unterhaltskosten eines Kindes in Harburg nicht pro Monat um über 400,- € niedriger liegen als in Buchholz - oder genauer: dass so, wie die Regelung des aktuellen Entwurfs vollzogen wird, eine trennscharfe Abgrenzung nicht möglich ist, eben weil die ökonomische Lebensrealität der Kinder jener beiden Beamten in einem hohen Maße identisch ist. Und Buchholz' und Harburgs gibt es in der Bundesrepublik am Laufenden Band...
Da ein Systemwechsel vollzogen wird, hätte die aktuelle Vorlage also diese oder vielfach ähnliche Gedanken vollziehen und also präzise darlegen müssen, ob ihnen mit dem Entwurf materiell und prozedural Genüge getan wird; dabei könnte er sich nicht auf seinen Einschätzungs- und Prognosespielraum zurückziehen, da solche Einschätzungen und Prognosen wie die gerade getätigten nicht unendlich schwer zu vollziehen sind - tatsächlich wird aber keine Gesamtbetrachtung vollzogen und lautet die Gesamtabwägung wie folgt:
"Es sind auch keine weiteren Umstände ersichtlich, aus denen sich im Wege der gebotenen Gesamtabwägung eine Unangemessenheit der Alimentation im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG ergeben könnte. Auf die entsprechenden Ausführungen in der Begründung zum BBVAnpG 2018/2019/2020 (BT-Drucksache 19/4116, S. 48) wird verwiesen." (S. 51).
Letztlich geht der Bund mit dieser Vorlage einen weitgehend ähnlichen Weg wie vormals das Land Berlin, es nimmt an zentralen Stellen Berechnungen ins Blaue hinein vor mit dem Hauptziel, in unstatthafter Weise - also sachwidrig - Personalkosten in sehr großer Höhe einzusparen.