Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3996111 times)

Treudiener

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xap

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sapere aude

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #137 am: 08.02.2021 12:07 »
@ SwenTanortsch

Ich bin jetzt einfach mal davon ausgegangen, dass das BVerfG bei der Bestimmung der Mindestalimentation ab dem dritten Kind eine Darstellung gewählt hat, die sich am konkreten Kindermehrbedarf orientiert. Das BVerfG wendet dabei nicht die Düsseldorfer Tabelle an, sondern greift auf das Sozialrecht zurück. Die Entsprechende Entscheidung enthält auch Ausführungen zur Berücksichtigung der Wohnkosten.
Mit ist nicht klar, warum genau diese Art der Bestimmung für einen bedarfsgerechten Familienzuschlag nicht möglich sein soll. Auch kann kein Beamter ohne Kinder oder mit entsprechend weniger Kinder behaupten, dass bei dieser Art der Bestimmung zusätzliches "Sparpotenzial" vorenthalten wird. Die Bestimmung erfolgt Bedarfsgerecht!!!

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #138 am: 08.02.2021 12:56 »
@ SwenTanortsch

Ich bin jetzt einfach mal davon ausgegangen, dass das BVerfG bei der Bestimmung der Mindestalimentation ab dem dritten Kind eine Darstellung gewählt hat, die sich am konkreten Kindermehrbedarf orientiert. Das BVerfG wendet dabei nicht die Düsseldorfer Tabelle an, sondern greift auf das Sozialrecht zurück. Die Entsprechende Entscheidung enthält auch Ausführungen zur Berücksichtigung der Wohnkosten.
Mit ist nicht klar, warum genau diese Art der Bestimmung für einen bedarfsgerechten Familienzuschlag nicht möglich sein soll. Auch kann kein Beamter ohne Kinder oder mit entsprechend weniger Kinder behaupten, dass bei dieser Art der Bestimmung zusätzliches "Sparpotenzial" vorenthalten wird. Die Bestimmung erfolgt Bedarfsgerecht!!!



Bedarfsgerecht würde ich sagen: ja und nein - dadurch, dass das BVerfG nun detaillierte Direktiven zur Bemesessung des Grundsicherungsniveaus erstellt hat (das ist das Neue an der aktuellen Entscheidung 2 BvL 4/18), halte ich es für wahrscheinlich, dass in der Bemessung der Nettoalimentation kein alleiniger und also undifferenzierter Tabellenwert (wie der Mindestunterhalt) mehr mit Blick auf verschiedene Bedarfe, denen Beamte unterliegen, hinreichend sein sollte. Denn der Mindestunterhalt ist ein solch undifferenzierter Wert - wohingegen die Düsseldorfer Tabelle differenzierend vorgeht, und zwar in einer Staffelung, die - da die Mindestalimentation nur einen Korridor, aber keinen bis auf den letzten Euro präzisen Betragswert bestimmt - offensichtlich (so schätze ich) hinreichend differenziert ist.

Diese Annahme geschieht von meiner Seite übrigens gezielt zum Nutzen der Besoldungsgesetzgeber. Denn ich gehe davon aus, dass die Nettoalimentation in Deutschland in der jeweils ersten Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe für einen verheirateten Beamten mit zwei Kindern im Bund und in allen Ländern höher als 3.100,- € liegen wird. Insofern wäre es nicht realitätsgerecht, Besoldungsgesetzgebern ihr Recht zu einer realitätsgerechten Besoldungsdifferenzierung zu nehmen, indem sie nicht mit realitätsgerechten Beträgen kalkulieren könnten (diese realitätsgerechten Werte bildet die Düsseldorfer Tabelle ab), sondern mit einem einzigen am Sozialrecht angelehnten Betrag (dem Mindestunterhalt), der ihr Recht in m.E. nicht realitätsgerechter Art und Weise beschneidet.

Denn betrachten wir den derzeitigen Mindestunterhalt für zwei noch nicht volljährige KInder in Höhe von 1.051,87 €, dann bleibt dieser Wert hinter dem der Düsseldorfer Tabelle zurück, sobald die Nettoalimentation oberhalb von 2.700,- € liegt. Insofern gestattet die Düsseldorfer Tabelle ein höheres Maß an Besoldungsdifferenzierung als der undifferenzierte Wert des Mindestunterhalts. Nicht umsonst sehen die gestern dargelegten Regelsätze der Düsseldorfer Tabelle wie folgt aus:

2.701 – 3.100 €          1.052,66 €
3.001 – 3.500 €          1.098,66 €
3.501 – 3.900 €          1.172,00 €
3.901 – 4.300 €          1.245,33 €

So verstanden gestatten sie den Besoldungsgesetzgebern auf Grundlage der gestern dargelegten BVerfG-Judikatur höhere Familienzuschlagebeträge, die dann der Grundbesoldung entzogen werden, als der undifferenzierte Wert eines Mindestunterhalts. Was allerdings auch hier nicht geht, ist, eine willkürliche Bemessung der Familienzuschläge durchzuführen, also ins Blaue hinein Beträge zu kreieren, die unsere Rechtsordnung nicht zulässt. Und das ist in der Vorlage des Bunds - das war das ursprüngliche Thema - mehr als offensichtlich der Fall. Ein Betrag von 1.741,16 € liegt nun einmal deutlich oberhalb des heranzuziehenden Werts der Düsseldorfer Tabelle (und auch - sofern er herangezogen werden sollte - des um 15 % erhöhten Betrags des Mindestunterhalts) - und das ist eben evident sachwidrig, da keine sachlicher Grund vorliegen kann.

was_guckst_du

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #139 am: 08.02.2021 13:21 »
...ich glaube, du verkennst, dass die in DT vorgenommene Staffelung lediglich sicherstellen soll, dass unterhaltsberechtigte Kinder als Folge der Trennung nicht auch noch eine Einschränkung in ihrem bisher gewohnten Lebensstandard erfahren...nur aus diesem Grund steigen die Unterhaltsbeträge auch im Verhältnis zum anrechnungsfähigen Einkommen (das ist übrigens nicht das Nettoeinkommen!) des Unterhaltspflichtigen...

..ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass die DT als Maßsatb für eine Regelung im verfassungskonformen Besoldungsrecht genutz werden kann...
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

Fahnder

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #140 am: 08.02.2021 13:26 »
Wie ich es mir gedacht habe, ignoriert der der Entwurf einfach die Berechnung anhand der vom BVerfG vorgegeben 95-Perzentil-Prüfung, und zwar aus "strukturellen Gründen". Diese "strukturellen Gründe" sorgen leider dafür, dass die Wohnkosten evident zu gering angesetzt werden. Warum hat dann das BVerfG trotz dieser "strukturellen Gründe" keine Probleme, diese Daten zu ermitteln, welche im Übrigen keine Zuschlag von 10 %, sondern bis zu 50 % ergeben haben? Aber vielleicht sind diese "strukturellen Gründe" auch einfach ein anderes Wort für "zu teuer". Schließlich gibt es keine einzige in den letzten Jahren nach München oder Stuttgart gezogene vierköpfige Familie, welche für mehr als 1.171,50 EUR wohnt. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch, aufgrund der ungenauen Prozeduralisierung wird man es wohl nie erfahren.

Die FamZ oder das Grundgehalt (darüber lässt sich ja diskutieren) sind folglich noch viel zu gering bemessen!

Aus dem Entwurf Seite 54, Absatz 4:

Aufgrund regional stark schwankender Unterkunftskosten werden – wie eingangs beschrieben – für die realitätsnahe Bedarfsberechnung die Höchstbeträge der einzelnen Mietenstufen des WoGG 2021 zuzüglich eines in diesem Gesetz verankerten, mit zehn Prozent bezifferten Sicherheitszuschlags berücksichtigt. Der Rückgriff auf statistische (Landes-)Perzentile der Bundesagentur für Arbeit erscheint aufgrund der aktuellen nicht differenzierenden Vermischung der Bedarfe nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie des
Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylBewG) sowie aus strukturellen Gründen nicht angezeigt.


Abgesehen davon wurde die Berechnung nur für die Mietstufe 7 vorgenommen. Woher soll ich nun wissen, ob Wohnstufe 1 bis 6 verfassungsgemäß ist? Fehlende Prozeduralisierung!

Und das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen wurde überhaupt nicht berechnet, obwohl man Eingangsstufen verschoben hat und zwischen A6 und A8 im Eingang nur noch wenige EUR liegen? Fehlende Prozeduralisierung!

Für 2022 fehlen sämtliche Berechnungen. Fehlende Prozeduralisierung!

Fehlende Prozeduralisierung führt im Übrigen automatisch zur Verfassungswidrigkeit.
« Last Edit: 08.02.2021 13:40 von Fahnder »

xap

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #141 am: 08.02.2021 13:52 »
Ich habe eine Nachfrage zu den FZ im Entwurf.

Seite 18 und Seite 27 enthalten beide Anlage V (FZ) mit unterschiedlichen Geltungszeitpunkten und Referenzen zu Artikeln des Entwurfs.

Was hat es hiermit auf sich?

Seite 18 benennt FZ2 pro Kind (1 und 2) jeweils 277€ (ab 01.01.2021)
Seite 27 benennt FZ2 pro Kind (1 und 2) jeweils 129€ (ab 01.04.2021)

Soll hier tatsächlich für 3 Monate des Jahres 2021 ein höherer FZ2 gezahlt werden, der anschließend wieder abgesenkt wird?

SwenTanortsch

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« Antwort #142 am: 08.02.2021 13:53 »
...ich glaube, du verkennst, dass die in DT vorgenommene Staffelung lediglich sicherstellen soll, dass unterhaltsberechtigte Kinder als Folge der Trennung nicht auch noch eine Einschränkung in ihrem bisher gewohnten Lebensstandard erfahren...nur aus diesem Grund steigen die Unterhaltsbeträge auch im Verhältnis zum anrechnungsfähigen Einkommen (das ist übrigens nicht das Nettoeinkommen!) des Unterhaltspflichtigen...

..ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass die DT als Maßsatb für eine Regelung im verfassungskonformen Besoldungsrecht genutz werden kann...

Wir werden es sehen - letztlich ist es so, wie Du schreibst, die Düsseldorfer Tabelle soll sicherstellen, dass unterhaltsberechtigte Kinder als Folge der Trennung nicht auch noch eine Einschränkung in ihrem bisher gewohnten Lebensstandard erfahren - deshalb macht sie jenen Lebensstandard vom Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen abhängig. So verstanden bietet sie sich als realitätsgerechtes Pendant einer Besoldungsdifferenzierung an, die ebenfalls realitätsgerecht vollzogen werden muss. Denn wie der aktuelle Entwurf trotz seiner vielen sachwidrigen Prämissen und der also deutlich zu gering bemessenen Mindestalimentation zeigt, sollten die Werte der Düsseldorfer Tabelle realitätsgerechtere Bemessungen ermöglichen als ein ein um 15 % erhöhter Mindestunterhalt, der deutlich unterhalb von Werten liegt, die den entsprechenden "amtsangemessenen" Lebensstandard ermöglichen.

Letztlich zielt meine Darlegung aber ja auf ein ganz anderes Feld, nämlich zu schauen, ob der Entwurf sachlich korrekt vollzogen wird oder nicht - und das ist eben hier nicht der Fall - egal, ob man nur die Düsseldorfer Tabelle oder den Mindestunterhalt heranzieht -, genauso wie in der Bemessung der sozialhilferechtlichen Grundsicherungsniveaus die Unterkunftskosten, die Heizkosten, die gewichteten Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie der Sozialtarife (jene sind in der Begründung der bislang amüstanteste Teil, den ich im Entwurf auf die Schnelle entdeckt habe) allesamt vor der Judikatur des BVerfG keinen Bestand haben, wie - wenn ich dafür Zeit finde - differenziert gezeigt werden kann. Da der Gesetzgeber nach Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, kann das Gesetz so nicht beschlossen werden - und ich denke, wir gehen beide davon aus, dass es dennoch genauso beschlossen werden wird. Mal schauen, ob das genauso wie in Berlin ebenfalls ohne Gegenstimmen und Enthaltungen geschehen wird...

Gruenhorn

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #143 am: 08.02.2021 14:24 »
Versteht jemand warum es sachgerecht ist, das für Auslandsentsandte der Dienstsitz der Entsendebehörde für die Bestimmung der Mietstufe gilt und nicht der als notwendig anerkannte Mietzuschuss? Die Besoldung wird in diesen Fällen ja eh individuell berechnet bzw alles mögliche einbezogen und ständig aktualisiert.

Asperatus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #144 am: 08.02.2021 16:54 »
Ich habe eine Nachfrage zu den FZ im Entwurf.

Seite 18 und Seite 27 enthalten beide Anlage V (FZ) mit unterschiedlichen Geltungszeitpunkten und Referenzen zu Artikeln des Entwurfs.

Was hat es hiermit auf sich?

Seite 18 benennt FZ2 pro Kind (1 und 2) jeweils 277€ (ab 01.01.2021)
Seite 27 benennt FZ2 pro Kind (1 und 2) jeweils 129€ (ab 01.04.2021)

Soll hier tatsächlich für 3 Monate des Jahres 2021 ein höherer FZ2 gezahlt werden, der anschließend wieder abgesenkt wird?

Es dürfte sich um einen Tippfehler handeln. Korrekt dürfte wohl für Stufe 2 127,66 für das erste und zweite Kind ab 1.1.21 sein.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #145 am: 08.02.2021 17:47 »
Wie ich es mir gedacht habe, ignoriert der der Entwurf einfach die Berechnung anhand der vom BVerfG vorgegeben 95-Perzentil-Prüfung, und zwar aus "strukturellen Gründen". Diese "strukturellen Gründe" sorgen leider dafür, dass die Wohnkosten evident zu gering angesetzt werden. Warum hat dann das BVerfG trotz dieser "strukturellen Gründe" keine Probleme, diese Daten zu ermitteln, welche im Übrigen keine Zuschlag von 10 %, sondern bis zu 50 % ergeben haben? Aber vielleicht sind diese "strukturellen Gründe" auch einfach ein anderes Wort für "zu teuer". Schließlich gibt es keine einzige in den letzten Jahren nach München oder Stuttgart gezogene vierköpfige Familie, welche für mehr als 1.171,50 EUR wohnt. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch, aufgrund der ungenauen Prozeduralisierung wird man es wohl nie erfahren.

Die FamZ oder das Grundgehalt (darüber lässt sich ja diskutieren) sind folglich noch viel zu gering bemessen!

Aus dem Entwurf Seite 54, Absatz 4:

Aufgrund regional stark schwankender Unterkunftskosten werden – wie eingangs beschrieben – für die realitätsnahe Bedarfsberechnung die Höchstbeträge der einzelnen Mietenstufen des WoGG 2021 zuzüglich eines in diesem Gesetz verankerten, mit zehn Prozent bezifferten Sicherheitszuschlags berücksichtigt. Der Rückgriff auf statistische (Landes-)Perzentile der Bundesagentur für Arbeit erscheint aufgrund der aktuellen nicht differenzierenden Vermischung der Bedarfe nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie des
Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylBewG) sowie aus strukturellen Gründen nicht angezeigt.


Abgesehen davon wurde die Berechnung nur für die Mietstufe 7 vorgenommen. Woher soll ich nun wissen, ob Wohnstufe 1 bis 6 verfassungsgemäß ist? Fehlende Prozeduralisierung!

Und das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen wurde überhaupt nicht berechnet, obwohl man Eingangsstufen verschoben hat und zwischen A6 und A8 im Eingang nur noch wenige EUR liegen? Fehlende Prozeduralisierung!

Für 2022 fehlen sämtliche Berechnungen. Fehlende Prozeduralisierung!

Fehlende Prozeduralisierung führt im Übrigen automatisch zur Verfassungswidrigkeit.

Du triffst den Nagel auf den Kopf - denn hier liegt ein vorsätzlicher Verfassungsverstoß vor, der also ebenfalls auf einer willkürlichen Bemessung beruht:

Das Bundesverwaltungsgericht hat 2017 und 2018 ein Bemessungsverfahren anhand der Mietenstufen des Wohngeldgesetzes vorgeschlagen (vgl. BVerwG: Beschlus des Zweiten Senats vom 22.09.2017 - 2 C 4.17 -, Rn. 141 f. und BVerwG: Beschluss des Zweiten Senats vom 30.10.2018 - 2 C 32.17 -, Rn. 106-109). Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Ansatz in der aktuellen Entscheidung direktiv als nicht realitätsgerecht zurückgewiesen (vgl. in der aktuellen Entscheidung Rn. 52 in Verbindung mit Rn. 56 und 58), um daraus - so wie Du das richtig beschreibst - das sogenannte 95 %-Perzentil als realitätsgerechte Bemessungsgrundlage für eine vierköpfige Familie zu entwickeln:

"Die Höhe der grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft wird realitätsgerecht erfasst, wenn die von der Bundesagentur für Arbeit länderspezifisch erhobenen und in ihrer Auskunft übermittelten Daten über die tatsächlich anerkannten Bedarfe (95 %-Perzentil) zugrunde gelegt werden. Hierbei handelt es sich um den Betrag, mit dem im jeweiligen Jahr bei rund 95 % der Partner-Bedarfsgemeinschaften mit zwei Kindern der anerkannte monatliche Bedarf für laufende Kosten der Unterkunft abgedeckt worden ist. Der Anteil der Haushalte, bei denen ein noch höherer monatlicher Bedarf für die laufenden Kosten der Unterkunft anerkannt worden ist, liegt bei unter 5 %. Auf diese Weise werden die tatsächlich als angemessen anerkannten Kosten der Unterkunft erfasst, während zugleich die statistischen Ausreißer, die auf besonderen Ausnahmefällen beruhen mögen, außer Betracht bleiben. Damit wird sichergestellt, dass die auf dieser Basis ermittelte Mindestbesoldung unabhängig vom Wohnort des Beamten ausreicht, um eine angemessene Wohnung bezahlen zu können." (ebd., Rn. 59)

Das für die Bemessung der Unterkunftskosten zu Grunde zu legende 95 %-Perzentil lag beispielsweise für das Land Berlin 2019 bei 1.450,- €, was im Sinne des BVerfG als realitätsgerecht anzusehen ist. Zwei Jahre später setzt der Bund nun die entsprechenden Unterkunftskosten nur mit 1.171,50 € an (S. 52 im Entwurf), die Judikatur des BVerfG gezielt missachtend und das wie folgt begründend: Jener Betrag in Höhe von 1.171,50 € sei der "Höchstbetrag für die Bruttokaltmiete eines 4-Personenhaushalts in der Mietenstufe VII inkl. eines Sicherheitszuschlags in Höhe von 10 Prozent entsprechend des WoGG 2021" (ebd.).

Dahingegen hat BVerfG darauf hingewiesen, dass die Mietenstufen zur Bemessung von Besoldungsdifferenzierungen herangezogen werden können, aber eben eben nicht zur Bemessung der Unterkunftskosten des Grundsicherungsniveaus. Diesbezüglich hat es deren Verwendung explizit als nicht realitätsgerecht untersagt, was den Bund nun offensichtlich nicht weiter stört, sodass er den gleichen Weg geht wie das Land Berlin, nämlich die Gewaltenteilung aufzuheben und seine eigene Rechtslage zu konstruieren. Denn der Bund nimmt nun nicht den Maßstab des 95 %-Perzentils zur Grundlage seiner Bemessung der Unterkunftskosten, sondern er überträgt die Methodik zur Bestimmung der Mehrkosten von Beamten mit mehr als zwei Kindern auf die Berechnung der Unterkunftskosten für Beamte mit zwei Kindern: Er erklärt also entgegen aller diesbezüglich maßgeblichen Direktiven des BVerfG einen sozial- und besoldungsrechtlichen Sonderfall (die Mehrkosten von Beamten mit mehr als zwei Kindern) zum Regelfall. Darin liegt dann auch der tiefere Sinn, wieso die Ergänzungsbeträge auf die Kinder übertragen werden, da man nur so die verpflichtend zu beachtenden Direktiven des BVerfG gezielt missinterpretieren kann. Das BVerfG hat dahingegen in seinem Verfahren zun den Familienzuschlägen für Beamte mit kinderreicher Familie hervorgehoben:

"Die von der Bundesagentur für Arbeit im Verfahren 2 BvL 4/18 vorgelegte statistische Auswertung ermöglicht eine realitätsgerechte Erfassung der absoluten Höhe der grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft für eine Familie (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, Rn. 59 [Hervorhebungen durch mich; in Rn. 59 wird das 95 %-Perzentil direktiv betrachtet, vgl. das gerade weiter oben wiedergegebene BVerfG-Zitat der Rn. 59]). Im vorliegenden Verfahren geht es jedoch darum, den Mehrbetrag zu ermitteln, der einer Familie mit drei Kindern im Vergleich zu einer Familie mit zwei Kindern zugestanden wird. Es kommt also auf den relativen Unterschied der Kosten der Unterkunft an. Dieser kann mit Hilfe der von der Bundesagentur vorgelegten Daten, denen eine Auflösung in 50-Euro-Schritten zugrunde liegt [also anhand des 95 %-Perzentils; Anmerkung durch mich], nicht hinreichend genau bestimmt werden.

(4) Für den Fall, dass belastbare Erhebungen zu den tatsächlich angemessenen Kosten der Unterkunft für einen Vergleichsraum in einem bestimmten Zeitraum nicht vorliegen, hat das Bundessozialgericht eine alternative Methode entwickelt, um die grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft bemessen zu können. In einer solchen Situation ist der für den jeweiligen Wohnort maßgebliche wohngeldrechtliche Miethöchstbetrag mit einem Sicherheitszuschlag von 10 % den Berechnungen zugrunde zu legen, weil die Festsetzung aufgrund der abweichenden Zweckrichtung des Wohngeldes nicht mit dem Anspruch erfolgt, die realen Verhältnisse auf dem Markt stets zutreffend abzubilden" (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 04. Mai 2020 - 2 BvL 6/17 -,  Rn. 49 f.).

Der Bund tut also so, als wären die angemessenen Kosten der Unterkunft nicht zu ermitteln, obgleich die BfA sie durchgehend zur Verfügung stellen kann (insbesondere für die Regionen wie München, in denen die höchsten Unterkunftskosten anfallen); daraufhin tut er weiter so, als könne er die Direktiven aus der Entscheidung 2 BvL 6/17, die diesbezüglich nichts mit der realitätsgerechten Bemessung des Grundsicherungsniveaus für eine vierköpfige Familie zu tun haben, umstandslos über die tatsächlich anzuwendenden Direktiven für eine vierköpfige Familie stellen; am Ende bindet er die Unterkuftskosten an die Familienzuschläge, um das Bemessungsverfahren zur Differenzierung der Familienzuschläge einer fünfköpfigen Familie unstatthaft auf den Regelfall der vierköpfigen Familie zu übertragen - und das stellt er dann so dar, als würde eine sachgerechte Begründung vorliegen. Sehr viel mehr ins Blaue hinein geht's nimmer, denke ich. Denn wie das BVerfG in der Entscheidung 2 BvL 4/18 direktiv hervorhebt, muss einer realitätsgerechter Ansatz zur Bemessung der Unterkunftskosten "so bemessen sein, dass er auch in den Kommunen mit höheren Kosten der Unterkunft das Grundsicherungsniveau nicht unterschreitet" (ebd., Rn. 57). Da durch das Bemessungsverfahrens des Bunds entsprechende Unterschreitungen gegeben sind - nicht umsonst liegen die vom Bund aktuell zu Grunde gelegten Unterkunftskosten knapp 300,- € niedriger als 2019 in Berlin -, ist auch hier ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 gegeben, da Grundsicherungsempfänger rechtwidrig besser gestellt werden als Beamte.

Asperatus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #146 am: 08.02.2021 20:03 »
Du triffst den Nagel auf den Kopf - denn hier liegt ein vorsätzlicher Verfassungsverstoß vor, der also ebenfalls auf einer willkürlichen Bemessung beruht:
Wie aus dem Gesetzentwurf ein Vorsatz abgeleitet werden soll, ist spannend.

Das für die Bemessung der Unterkunftskosten zu Grunde zu legende 95 %-Perzentil lag beispielsweise für das Land Berlin 2019 bei 1.450,- €,
Wo findet sich diese Angabe oder aus welcher Berechnung ergibt sie sich?

Dahingegen hat BVerfG darauf hingewiesen, dass die Mietenstufen zur Bemessung von Besoldungsdifferenzierungen herangezogen werden können, aber eben eben nicht zur Bemessung der Unterkunftskosten des Grundsicherungsniveaus. Diesbezüglich hat es deren Verwendung explizit als nicht realitätsgerecht untersagt, was den Bund nun offensichtlich nicht weiter stört, sodass er den gleichen Weg geht wie das Land Berlin, nämlich die Gewaltenteilung aufzuheben und seine eigene Rechtslage zu konstruieren.
Wo hat das BVerfG das explizit untersagt? Ich finde es nicht. Dass die Gewaltenteilung hier aufgehoben wird, ist eine steile These.

Es kommt also auf den relativen Unterschied der Kosten der Unterkunft an. Dieser kann mit Hilfe der von der Bundesagentur vorgelegten Daten, denen eine Auflösung in 50-Euro-Schritten zugrunde liegt [also anhand des 95 %-Perzentils; Anmerkung durch mich], nicht hinreichend genau bestimmt werden.
Finden sich die Daten der Bundesagentur irgendwo oder woraus ergibt sich die 50-Euro-Stückelung? Wieso sollten diese nicht hinreichend sein?

Da durch das Bemessungsverfahrens des Bunds entsprechende Unterschreitungen gegeben sind - nicht umsonst liegen die vom Bund aktuell zu Grunde gelegten Unterkunftskosten knapp 300,- € niedriger als 2019 in Berlin -, ist auch hier ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 gegeben, da Grundsicherungsempfänger rechtwidrig besser gestellt werden als Beamte.
Woraus ergibt sich dass denn?

Die DPolG hat sich mittlerweile auch zum Gesetzentwurf geäußert:

https://dpolg-bpolg.de/wp/?p=20325

SwenTanortsch

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« Antwort #147 am: 08.02.2021 22:43 »
Du triffst den Nagel auf den Kopf - denn hier liegt ein vorsätzlicher Verfassungsverstoß vor, der also ebenfalls auf einer willkürlichen Bemessung beruht:
Wie aus dem Gesetzentwurf ein Vorsatz abgeleitet werden soll, ist spannend.

Das für die Bemessung der Unterkunftskosten zu Grunde zu legende 95 %-Perzentil lag beispielsweise für das Land Berlin 2019 bei 1.450,- €,
Wo findet sich diese Angabe oder aus welcher Berechnung ergibt sie sich?

Dahingegen hat BVerfG darauf hingewiesen, dass die Mietenstufen zur Bemessung von Besoldungsdifferenzierungen herangezogen werden können, aber eben eben nicht zur Bemessung der Unterkunftskosten des Grundsicherungsniveaus. Diesbezüglich hat es deren Verwendung explizit als nicht realitätsgerecht untersagt, was den Bund nun offensichtlich nicht weiter stört, sodass er den gleichen Weg geht wie das Land Berlin, nämlich die Gewaltenteilung aufzuheben und seine eigene Rechtslage zu konstruieren.
Wo hat das BVerfG das explizit untersagt? Ich finde es nicht. Dass die Gewaltenteilung hier aufgehoben wird, ist eine steile These.

Es kommt also auf den relativen Unterschied der Kosten der Unterkunft an. Dieser kann mit Hilfe der von der Bundesagentur vorgelegten Daten, denen eine Auflösung in 50-Euro-Schritten zugrunde liegt [also anhand des 95 %-Perzentils; Anmerkung durch mich], nicht hinreichend genau bestimmt werden.
Finden sich die Daten der Bundesagentur irgendwo oder woraus ergibt sich die 50-Euro-Stückelung? Wieso sollten diese nicht hinreichend sein?

Da durch das Bemessungsverfahrens des Bunds entsprechende Unterschreitungen gegeben sind - nicht umsonst liegen die vom Bund aktuell zu Grunde gelegten Unterkunftskosten knapp 300,- € niedriger als 2019 in Berlin -, ist auch hier ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 gegeben, da Grundsicherungsempfänger rechtwidrig besser gestellt werden als Beamte.
Woraus ergibt sich dass denn?

Die DPolG hat sich mittlerweile auch zum Gesetzentwurf geäußert:

https://dpolg-bpolg.de/wp/?p=20325

Was hieltest Du denn davon, wenn Du erst einmal meine Frage von heute morgen beantworten würdest?

Unknown

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« Antwort #148 am: 09.02.2021 07:35 »
Wie hoch muss denn der Mindestabstand zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen sein?
Beispielsweise von A5 zu A6 oder A10 zu 11.
Ich bin mir sicher das es hier bereits ausgeführt wurde, nur konnte ich es hier leider nicht mehr finden.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #149 am: 09.02.2021 08:37 »
Wie hoch muss denn der Mindestabstand zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen sein?
Beispielsweise von A5 zu A6 oder A10 zu 11.
Ich bin mir sicher das es hier bereits ausgeführt wurde, nur konnte ich es hier leider nicht mehr finden.

Das BVerfG geht davon aus, dass der vierte Parameter der ersten Prüfungsstufe - der sog. systeminterne Besoldungsvergleich - die Vermutung einer unzureichenden Alimentation indiziert, wenn die Abstände zwischen Besoldungsgruppen in den zurückliegenden fünf Jahren um mindestens 10 % abgeschmolzen werden (vgl. beispielsweise in der aktuellen Entscheidung die Rn. 45).

Die Gesetzesvorlage stellt aktuell keine Berechnungen zum systeminternen Abstand an, sondern postuliert mit Blick auf und Berechnungen im Rahmen der letzten Besoldungsanpassung, dass sich nichts verändert habe (vgl. im Entwurf S. 50). Das dürfte unter einer rein formalen Betrachtung höchstwahrscheinlich so sein, da formal die Grundbesoldung verglichen wird.

Jedoch wird durch dieses rein formale Vorgehen offensichtlich die Prozeduralisierungspflicht verletzt. Denn am Ende der Betrachtung der fünf Parameter der ersten Prüfungsstufe vollzieht der Entwurf eine - ebenfalls formale - Gesamtabwägung, die aus zwei Sätzen besteht (ebd., S. 50 f.). Prozedural wäre aber zunächst gefordert, dass im Anschluss an die Betrachtung der fünf Parameter der ersten Prüfungsstufe zunächst eine Gesamtbetrachtung zu vollziehen gewesen wäre. In diesem Sinne hebt das BVerfG in seiner aktuellen Entscheidung in regelmäßiger Rechtsprechung hervor:

"Dafür sind zunächst die Feststellungen der ersten Prüfungsstufe, insbesondere das Ausmaß der Über- oder Unterschreitung der Schwellenwerte, im Wege einer Gesamtbetrachtung zu würdigen und etwaige Verzerrungen – insbesondere durch genauere Berechnungen (vgl. oben C. I. 2. a), Rn. 30 ff.) – zu kompensieren." (ebd., Rn. 85).

Da der Bund durch seine Neustrukturierung der Orts-/Familienzuschläge offensichtlich einen Systemwechsel vollzieht, hätte diese Gesamtbetrachtung umfassend ausfallen müssen. In diesem Sinne hebt das BVerfG hervor:

"Prozedurale Anforderungen in Form von Begründungs-, Überprüfungs- und Beobachtungspflichten gelten sowohl bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldungshöhe in Gestalt von regelmäßigen Besoldungsanpassungen als auch bei strukturellen Neuausrichtungen in Gestalt von Systemwechseln. Nimmt der Gesetzgeber eine Umgestaltung der Besoldungsstruktur vor, ist zu berücksichtigen, dass ein solcher Wechsel verschiedene Unsicherheitsfaktoren birgt und dass sich seine Tragfähigkeit und Auswirkungen erst allmählich herausstellen. Insoweit steht dem Gesetzgeber für die Etablierung neuer Besoldungsmodelle ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der bei der Beurteilung der Amtsangemessenheit in Rechnung zu stellen ist". (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, Rn. 165)

Nach der Gesamtbetrachtung, die die Vorlage also nicht durchführt, da es in nur zwei Sätzen ausschließlich die Gesamtabwägung vollzieht, wäre nun diese Gesamtabwägung zu vollziehen gewesen (vgl. in der aktuellen BVerfG-Entscheidung die Rn. 160). Hier nun sind die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe zusammenzuführen (vgl. ebd., 6. Leitsatz). Spätestens in der Zusammenführung dürfte von Interesse sein, ob der Systemwechsel auch Auswirkungen auf die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen haben wird. Und ohne dass ich solche Berechnungen bislang durchgeführt habe, dürfte es sehr wahrscheinlich sein, dass die Zusammenführung deutliche Abschmelzungen zeigen wird, da ja durch den aktuellen Entwurf real sehr große Unterschiede zwischen einzelnen regionalen Besoldungen vollzogen werden.

Um das an einem Beispiel festzumachen: Die Gemeinde Buchholz in der Nordheide mit der Mietenstufe VI liegt in Niedersachsen zentral innerhalb des Kreises Harburg, für den die Mietenstufe III gilt. Weiter grenzt sie unter anderem an die Samtgemeinde Tostedt, für die ebenfalls die Mietenstufe III gilt. Hat nun ein Bundesbeamter mit zwei Kindern seinen Haupwohnsitz in Harburg, erhält er als Zuschlag aus Familienzuschlägen sowie Ergänzungszuschlägen 708,16 €, der Kollege der identischen Behörde, der drei Straßen weiter wohnt, nun aber in der Gemeinde Buchholz, erhielte 1.137,16 € an Zuschlägen. Damit aber dürften mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Abstände zwischen Besoldungsgruppen nicht nur eingeschmolzen, sondern ins Gegenteil verkehrt werden. Realitätsgerecht dürfte die Regelung also kaum sein, da der Bund ja keinen reinen Ortszuschlage gewährt, der also ausschließlich die Unterkunftskosten betrachtet, sondern einen Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlage, der an die Kinderzahl gebunden wird. Es liegt auf der Hand, dass die Unterhaltskosten eines Kindes in Harburg nicht pro Monat um über 400,- € niedriger liegen als in Buchholz - oder genauer: dass so, wie die Regelung des aktuellen Entwurfs vollzogen wird, eine trennscharfe Abgrenzung nicht möglich ist, eben weil die ökonomische Lebensrealität der Kinder jener beiden Beamten in einem hohen Maße identisch ist. Und Buchholz' und Harburgs gibt es in der Bundesrepublik am Laufenden Band...

Da ein Systemwechsel vollzogen wird, hätte die aktuelle Vorlage also diese oder vielfach ähnliche Gedanken vollziehen und also präzise darlegen müssen, ob ihnen mit dem Entwurf materiell und prozedural Genüge getan wird; dabei könnte er sich nicht auf seinen Einschätzungs- und Prognosespielraum zurückziehen, da solche Einschätzungen und Prognosen wie die gerade getätigten nicht unendlich schwer zu vollziehen sind - tatsächlich wird aber keine Gesamtbetrachtung vollzogen und lautet die Gesamtabwägung wie folgt:

"Es sind auch keine weiteren Umstände ersichtlich, aus denen sich im Wege der gebotenen Gesamtabwägung eine Unangemessenheit der Alimentation im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG ergeben könnte. Auf die entsprechenden Ausführungen in der Begründung zum BBVAnpG 2018/2019/2020 (BT-Drucksache 19/4116, S. 48) wird verwiesen." (S. 51).

Letztlich geht der Bund mit dieser Vorlage einen weitgehend ähnlichen Weg wie vormals das Land Berlin, es nimmt an zentralen Stellen Berechnungen ins Blaue hinein vor mit dem Hauptziel, in unstatthafter Weise - also sachwidrig - Personalkosten in sehr großer Höhe einzusparen.