Von daher ergibt sich bei mir ganz primitiv die Frage, wie eben jene, verfassungsrechtlich "saubere" Tabelle aussehen soll. Ich möchte überhaupt keine "gleiche" Welt, aber eben eine zumindest halbwegs "gerechte".
Das Kindergeld ist keine Grundsicherung sondern eine Abschlagszahlung der Kinderfreibeträge bei der Einkommensteuer. Sämtliche Gedankengänge die hieraus eine Kindergrundsicherung erreichen wollen, vermischen Steuerrecht und Sozialleistungen.
Formal korrekt. Lösung: Abschlagszahlung signifikant erhöhen.
Aus dem Leben gegriffen: Ich beziehe Kindergeld, welches mir schlicht jeden Monat stupide ausgezahlt wird. Im Steuerbescheid heißt es dann "Ooopsie, Freibetrag ist besser und wird bei der Berechnung der EkSt berücksichtigt" ... Das anschließende Umschichten der Gelder von Topf A zu Topf B juckt mich konkret einen Sche*** - Also da sollten wir uns nicht von abschrecken lassen.
Überdies: Obwohl ich davon überhaupt gar kein Freund bin und es volkswirtschaftlich sogar hochriskant bewerte: Mit diesem "4k-Vollalimentationmodell" der Beamten kommen wir vielleicht gar nicht um ein Art "Mini-BGE" in Form einer negativen EkSt herum, wenn wir unseren Bürgen/Beamten ein halbwegs gleichwertiges Prosperitätsniveau bieten wollen. Das ist nicht mal Ideologie, sondern schlicht und ergreifend Mathematik.
Anderes gilt nur für das Kindergeld (vgl. BVerfGE 81, 363 <375 f.>; 99, 300 <315, 321>), weil mit ihm im Ausgangspunkt die – bei der Ermittlung des Nettogehalts ohnehin zu berücksichtigende – verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes bewirkt wird (vgl. BVerfGE 99, 246 <265>) und es daher nur in bestimmten Fällen und in unterschiedlichem Umfang den Charakter einer Sozialleistung hat (vgl. BVerfGE 82, 60 <78 f.>).Bei der Einkommensteuererklärung wird dann die durch den Kinderfreibetrag festzusetzende Steuererstattung mit dem tatsächlichen Kindergeld verrechnet. So wirkt sich der Kinderfreibetrag bis zu einem Einkommen von etwa 80.000 EUR bei Verheirateten nicht aus. Daher ist nur der Teil des Kindergeldes, der der Steuerentlastung entspricht, eine gebotene steuerliche Freistellung und die Differenz zu den 250 EUR ist eine Sozialleistung. De facto haben also die Mehrzahl der Familien pro Kind etwa 250 EUR netto mehr Einkommen.
Während also im Steuerrecht das steuerliche Existenzminimum auf weitestgehend 250 EUR (netto) definiert wird, ist es im Sozialrecht anders. Dort gibt es einen Regelbedarf für 0-5 jährige von 357 EUR, für 6-13 jährige von 390 EUR und für 14- 17 jährige von 471 EUR. Dazu kommt noch der angemessene Mehrbedarf für höhere Miet- und Heizkosten. Daran kann man schon erkennen, dass ein erheblicher Bedarf der Kinder für Berufstätige nicht mit den 250 EUR sondern aus weiterhin versteuertem Einkommen gedeckt werden muss. Während vor 50 Jahren ein Einkommen ausreichte, um den notwendigen Lebensbedarf zu decken, sind dafür mittlerweile 1,5 Einkommen notwendig.
Das Gefühl der Familien, dass es sich nicht mehr lohne, zu arbeiten, hat auch was damit zu tun, dass man erst einmal als Paar viel arbeiten und Geld verdienen muss, um mehr Einkommen zu haben, als eine Familie, die von Bürgergeld lebt. Auch die Anträge, die man als Durchschnittsverdiener stellen muss, und die Unterlagen, die man einreichen muss, tragen weder bei einem selbst noch im Bekannten - und Verwandtenkreis dazu bei, ein gutes Gefühl zu haben, wenn man sich für Kinder entscheidet.
Dabei verkennt die Politik und die Gesellschaft, dass wir eine starke Geburtenrate von etwa 2,1 bräuchten, um unseren Wohlstand und auch unsere soziale Marktwirtschaft am Leben zu halten. Das Delta in der Geburtenrate können wir theoretisch durch Zuwanderung lösen, diese Zuwanderung löst aber neue Konflikte aus, die auf anderen Ebenen wieder viele Probleme schaffen.
Mit ein Grund, warum immer weniger Netto vom Brutto verbleibt, dürften auch die steigenden Sozialversicherungsbeiträge sein. Das Existenzminimum ist eigentlich der Betrag, der einem Netto verbleiben müsste, um sein Existenzminimum zu sichern. Durch die immer höheren SV Beiträge und die schleichende Progression sowie die immer steigenden und stark auseinander driftenden Kosten für Miete und Heizung gelingt das jedoch immer weniger Familien.
Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat (vgl. BVerfGE 103, 310 <320>; 117, 330 <353>; 121, 241 <261>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 95>; 140, 240 <279 Rn. 75>). Dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers entspricht vielmehr eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung (vgl. BVerfGE 65, 141 <148 f.>; 103, 310 <319 f.>; 110, 353 <364 f.>; 117, 330 <353>; 130, 263 <294 f.>; 139, 64 <113 Rn. 96>; 140, 240 <279 Rn. 75>)Alleine deswegen muss das BVerfG seine notwendige, politische Zurückhaltung üben. Es legt allerdings durch viele Urteile durchaus den Finger in die Wunden, um für politische Änderung zur Stärkung der Demokratie zu werben.
Bei der Frage der Gerechtigkeit gibt es daher neben den monetären Möglichkeiten auch viele andere Stellschrauben, an denen für alle Bundesbürger gedreht werden könnten. Der Gestaltungsspielraum ist enorm und die Urteile des BVerfG sollten dazu anregen, nicht immer nur in die eine Richtung zu schauen.
In Frankreich gibt es beispielsweise das Familiensplitting, wo die steuerliche Belastung durch die Anzahl der Familienmitglieder geteilt wird.
Auch gibt es, wie MoinMoin zutreffend darauf hinweist, unterschiedliche politische Gestaltungsmöglichkeiten für den sozialen Wohnungsbau, Sozialwohnungen oder Unterstützung der Familien bei dem Erwerb eines Eigenheims. So kann man die Wohnkosten senken und somit auch den Grundsicherungsbedarf senken.
Dazu passt auch eine aktuelle Meldung:
Die Zahl der Haushalte in Deutschland, die Wohngeld beziehen, hat sich binnen Jahresfrist stark erhöht. Sie stieg von rund 651.800 Ende 2022 auf knapp 1,2 Millionen Haushalte zum Jahresende 2023, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden bekanntgab. Das entspricht einem Plus von 80 Prozent. Gerechnet auf alle Hauptwohnsitze erhalten damit 2,8 Prozent aller Haushalte in Deutschland diese Förderung.Es ist geradezu bezeichnend, dass diese sozialen Transferleistungen nicht mehr die Ausnahme, sondern zunehmend die Regel werden und der dahinter stehende bürokratische Aufwand sehr viele Ressourcen und Gelder verschlingt, die dann an anderer Stelle fehlen.