Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 4164580 times)

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14610 am: 01.10.2024 09:18 »

Grundsätzlich denke ich, dass der öD mit seiner unglaublichen Bandbreite an Berufsfeldern generell viel zu wenig im Rahmen von Bezahlung/Besoldung differenziert. Dadurch entstehen eben jene Gaps zur pW und auch diejenigen zwischen Beamten und TB bei gleichwertiger Arbeitsleistung.


Eine Differenzierung, wie von dir angeführt, ist ohne weiteres gar nicht möglich, da die Wertigkeit aus dem Amt herrührt. Gleiches Amt entsprechend gleiche Besoldung. Früher gab es mal eine Techniker-Zulage für Beamte im tVd, die lag auch nur bei ca. 50 DM. Inzwischen versucht man durch Hebung der Eingangsämter mehr Personal zu generieren, was aber bisher keinen sichtbaren Effekt hat und letztendlich nur die Schieflage im Besoldungssystem weiter erhöht. Alle deine Betrachtungen sind also nur unter dem Aspekt einer Gerechtigkeitsdebatte zu betrachten. Einen Lösungsbeitrag können diese nicht liefern, nur hoffentlich einen Erkenntnisgewinn für dich.

Finanzer

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14611 am: 01.10.2024 09:19 »
Zwei Punkte von mir:
1. Als mögliche Gestaltungsmöglichkeit wurde bereits die Erhöhung des Beihilfesatzes ins Spiel gebracht. Hier sehe ich Potenzial für den Dienstherren, insbesondere wenn er im Nachgang im Verordnungsweg großzügig Leistungen streicht.

2. Zur wahrscheinlichen Vollstreckungsanordnung in Berlin: Hier wird der Dienstherr im kurz vor Erlass der VA alle bestehenden Widersprüche negativ bescheiden. Nur die paar Beamte, welche tatsächlich klagen werden dann die Möglichkeit haben, das ihre Rechte gewahrt bleiben.
Hier wäre es Aufgabe der Gewerkschaften ein Auge darauf zu haben und die Klagebereitschaft zu erhöhen... was ich anhand des bisherigen Betragens eher nicht sehe.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14612 am: 01.10.2024 09:34 »
Ich finde auch, dass die Anforderungen der Privatwirtschaft, insbesondere in großen Unternehmen, weit überschätzt werden. In meinem Bekanntenkreis kenne ich keinen, der sich da überarbeitet. Mein Sohn ist in einem Energieunternehmen beschäftigt, das früher staatlich war. Dort ist es gelungen, die Vorteile der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes zu vereinen, scheint mir. Nach meinen kurzen, früheren Ferienarbeiten in einem Automobilkonzern, hatte ich das Gefühl, man könnte auf ein Drittel der Mitarbeiter verzichten.


SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14613 am: 01.10.2024 09:41 »
EInfallsloses Flickwerk seit mehr als 20 Jahren
Absolut richtig.

Aber mal eine Dumme Frage @Swen:
Waren die Besoldungsgesetze vor 1997 allesamt eigentlich versfassungswidrig, da damals der Familienzuschlag mehr als 45% der Besoldung ausmachte?
Grundgehalt 1512 DM
Familienzuschläge 1369 DM

Die Frage ist nicht dumm, MoinMoin, sondern vielmehr berechtigt, beruht aber ggf. darauf, dass Du womöglich "nur" (keine Wertung) den Rechner hier im Forum verwendet hast (schätze ich); Ryan hat zugleich bereits auf das "Problem" schlüssig hingewiesen.

Dabei ist zunächst einmal die historische Entwicklung des Ortszuschlagswesens bis hin zu seiner endgültigen Überführung in einen ausschließlich Familienzuschlag im Jahr 1997 reichlich komplex und nicht so ohne Weiteres zu überschauen, da bis zum Reformgesetz vom 24.02.1997 (BGBl. I 1997 S. 322; https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl197s0322.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl197s0322.pdf%27%5D__1727766615384), das diese Überführung geregelt und so das im Bund bis heute geltende Familienzuschlagswesen in seiner bislang noch heutigen Form geschaffen hat, ein Ortszuschlagswesen gegolten hat, das schon während der Kaiserzeit und auch in der Weimarer Republik mehrfach verändert worden ist, was auch bis 1975 der Fall gewesen ist, als die zu Beginn der 1970er Jahre eingleitete bundeseinheitliche Besoldung vollzogen worden ist. Das Ortszuschlagswesen war ursprünglich dreigeteilt, später zwei, schließlich nur noch einheitlich geregelt, jedoch für verschiedene Familienkonstellationen unterschiedlich, wobei das ebenso auch für unverheiratete und kinderlose Beamte gegolten hat.

Insofern solltest Du Dich nicht - sofern das der Fall ist - vom Rechner hier im Forum irritieren lassen, der die Begrifflichkeit des "Familienzuschlags", wie er erst seit 1997 als ausschließlich solcher geregelt worden ist, auch für die Zeit davor verwendet, was nachvollziehbar ist, weil er pragmatisch und darin hervorragend gestaltet ist. Gib mal als "Familienzuschlag" im Rechner 1995 "ledig" ein, dann wirst Du feststellen, dass dieser ledige Beamte in der Besoldungsgruppe A 2 bei einem Grundgehalt von 1.642,91 DM einen Ortszuschlag von 792,51 DM erhalten hat (der dort als "Familienzuschlag" bezeichnet wird): https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund/a/1995?id=beamte-bund-1995&g=A_2&s=1&f=1&z=100&fz=100&zulage=. Die weiteren familienbezogenen Ortszuschläge betrugen für den verheirateten Beamten 962,97 DM, jenem mit einem Kind 1.166,14 DM und jenem mit zwei Kindern 1.369,31 €. Da nun der Unterschied im Ortszuschlag zwischen dem ledigen und dem verheirateten Beamten mit zwei Kindern und damit des jeweiligen Besoldungsniveaus nur 576,80 DM ausgemacht hat, gehe ich davon aus, dass die familienbezogenen Besoldungskomponenten auch bis in den Februar 1997 sich hatten sachlich rechtfertigen lassen.

@ Nelson

Danke für Deine Worte und Dir gleichfalls alles Gute!

Bundi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14614 am: 01.10.2024 09:45 »
Um der Diskussion auch noch im allgemeinen ein bisschen "Futter" zu geben.

Laut Haushaltsentwurf 2025 gibt es in der Bundesverwaltung (ohne Soldaten) folgende Planstellen:

A3 insgesamt 5 Planstellen davon BMI 1 Planstelle, BMI nachgeordnet 2 Planstellen, BMJ nachgeordnet 2 Planstellen
A4 insgesamt 93 Planstellen davon BMVg 33 Planstellen, 10 Planstellen im Bundestag, 9 BMUV usw.
A5 insgesamt 705 Planstellen, davon BMVg 162, BMF 134 Planstellen, Bundestag 107 Planstellen usw.
A6e insgesamt  1024 Planstellen,  davon BMF 309 Planstellen, BMVg 194 Planstellen, BMI 113 Planstellen usw.

Quelle Seite 100 ff Entwurf Bundeshaushalt 2025 (Drucksache 20/12400)

Das mag ja durchaus sein, jedoch infolge des Geltungssbereiches des BBesG ist dies auch die Gesetzesgrundlage fuer die Besoldung der Soldaten. Von daher kann man aus der Betrachtung die A3 bei der Bw nicht ausgrenzen.
 

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14615 am: 01.10.2024 10:20 »


Exkurs: Es ist Politikversagen, dass die Wohnkosten derartig gestiegen sind. Die Immobilienwirtschaft hat sich im letzten Jahrzehnt die Taschen extrem voll gemacht. Die Politik hat verabsäumt, durch geförderten Wohnungsbau und kluger Nachverdichtungskonzepte die Wohnungsnot beizeiten zu bekämpfen.


Du setzt auf den Staat, vielleicht ist gerade der Staat das Problem.

Milei hat die Mietgesetze gelockert und plötzlich gibt es wieder Mietwohnungen in Argentinien – vorher standen sie leer
Für Neumieter war es in Argentinien lange kaum möglich, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Nach einer Deregulierung des Mietgesetzes boomt der Markt plötzlich.
https://www.nzz.ch/wirtschaft/milei-hat-die-mietgesetze-gelockert-und-ploetzlich-gibt-es-wieder-mietwohnungen-in-argentinien-vorher-standen-sie-leer-ld.1850590

MoinMoin

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14616 am: 01.10.2024 10:25 »
EInfallsloses Flickwerk seit mehr als 20 Jahren
Absolut richtig.

Aber mal eine Dumme Frage @Swen:
Waren die Besoldungsgesetze vor 1997 allesamt eigentlich versfassungswidrig, da damals der Familienzuschlag mehr als 45% der Besoldung ausmachte?
Grundgehalt 1512 DM
Familienzuschläge 1369 DM

Die Frage ist nicht dumm, MoinMoin, sondern vielmehr berechtigt, beruht aber ggf. darauf, dass Du womöglich "nur" (keine Wertung) den Rechner hier im Forum verwendet hast (schätze ich); Ryan hat zugleich bereits auf das "Problem" schlüssig hingewiesen.
Danke @Swen / @Ryan
und ich habe in der Tat diesen Umstand flüchtig im Rechner gesehen und mir gedacht, bevor ich das versuche zu verstehen, frage einfach Menschen, die was davon verstehen.  :)

Ansonsten geht es mir genauso wie Nelson

MoinMoin

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14617 am: 01.10.2024 10:38 »


Exkurs: Es ist Politikversagen, dass die Wohnkosten derartig gestiegen sind. Die Immobilienwirtschaft hat sich im letzten Jahrzehnt die Taschen extrem voll gemacht. Die Politik hat verabsäumt, durch geförderten Wohnungsbau und kluger Nachverdichtungskonzepte die Wohnungsnot beizeiten zu bekämpfen.


Du setzt auf den Staat, vielleicht ist gerade der Staat das Problem.

Milei hat die Mietgesetze gelockert und plötzlich gibt es wieder Mietwohnungen in Argentinien – vorher standen sie leer
Für Neumieter war es in Argentinien lange kaum möglich, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Nach einer Deregulierung des Mietgesetzes boomt der Markt plötzlich.
https://www.nzz.ch/wirtschaft/milei-hat-die-mietgesetze-gelockert-und-ploetzlich-gibt-es-wieder-mietwohnungen-in-argentinien-vorher-standen-sie-leer-ld.1850590
Ja, die dämlichen Mietpreisbremsen etc. die haben dort dafür gesorgt, das ein Vermieter nicht mehr vermieten wollte. Jetzt reguliert sich der Markt wieder.
In Buenos Aires zum Beispiel ist die Miete für eine Zweizimmerwohnung laut dem Immobilieninformationsdienst Reporte Inmobiliario um 184 Prozent gestiegen. In Provinzstädten stiegen die Mieten im Schnitt um 277 Prozent, haben sich also fast verdreifacht.

Die Armutsrate ist in einem Jahr um elf Prozentpunkte auf 53 Prozent der Bevölkerung gestiegen.

Seit 2019 sind die Immobilienpreise laut dem Informationsdienst Radar Inmobiliario real (also nach Abzug der Inflation) um 45 Prozent gesunken. Mitte 2023 lagen sie real auf dem Niveau von 2004. Inzwischen sinken die Mieten aufgrund des gestiegenen Angebots wieder: Die Mietanpassungen liegen unter der monatlichen Inflationsrate.

Schauen wir mal was das Experiment da uns noch so an Erkenntnisse bringen wird.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14618 am: 01.10.2024 11:16 »
Danke @Ryan und @Swen für die kurze Geschichtsstunde. Man sieht schön das damalige Verhältnis zwischen leistungsbezogenen und leistungslosen Besoldungskomponenten: Ein lediger und kinderloser A15 Endstufe bekam 8.286,51 DM (7339,87 + 946,64). Bei einem Verheirateten mit zwei Kindern waren es hingegen 8.771,87 DM (7339,87 + 1278,83 + 153,17). Letzterer bekam also 5,86% mehr und musste somit die Kosten für die beiden Kinder „überwiegend“ aus den familienneutralen Besoldungsbestandteilen bestreiten.

So klappt’s auch mit dem Nachbarn der Ämterwertigkeit!

Haushaltshilfe

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14619 am: 01.10.2024 12:13 »
Um der Diskussion auch noch im allgemeinen ein bisschen "Futter" zu geben.

Laut Haushaltsentwurf 2025 gibt es in der Bundesverwaltung (ohne Soldaten) folgende Planstellen:

A3 insgesamt 5 Planstellen davon BMI 1 Planstelle, BMI nachgeordnet 2 Planstellen, BMJ nachgeordnet 2 Planstellen
A4 insgesamt 93 Planstellen davon BMVg 33 Planstellen, 10 Planstellen im Bundestag, 9 BMUV usw.
A5 insgesamt 705 Planstellen, davon BMVg 162, BMF 134 Planstellen, Bundestag 107 Planstellen usw.
A6e insgesamt  1024 Planstellen,  davon BMF 309 Planstellen, BMVg 194 Planstellen, BMI 113 Planstellen usw.

Quelle Seite 100 ff Entwurf Bundeshaushalt 2025 (Drucksache 20/12400)

Das mag ja durchaus sein, jedoch infolge des Geltungssbereiches des BBesG ist dies auch die Gesetzesgrundlage fuer die Besoldung der Soldaten. Von daher kann man aus der Betrachtung die A3 bei der Bw nicht ausgrenzen.
 


Dann hier noch die Soldaten:

Mannschaften:
A3    1813 Planstellen
A3z  2191 Planstellen
A4    2356 Planstellen
A4z  9001 Planstellen
A5    3664 Planstellen
A5z  24262 Planstellen
A6    1290 Planstellen
A6z   1150 Planstellen

Unteroffiziere
A5   4818 Planstellen
A6   10677 Planstellen

Alexander79

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14620 am: 01.10.2024 14:07 »
Nein, der Beamte hat eine freie Wohnortwahl
Nein hat er nicht.
Zitat:"§ 72
Wahl der Wohnung

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Wohnung so zu nehmen, dass die ordnungsmäßige Wahrnehmung ihrer Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt wird.

(2) Die oder der Dienstvorgesetzte kann, wenn die dienstlichen Verhältnisse es erfordern, anweisen, dass die Wohnung innerhalb einer bestimmten Entfernung von der Dienststelle zu nehmen oder eine Dienstwohnung zu beziehen ist."
https://dejure.org/gesetze/BBG/72.html

Gruenhorn

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14621 am: 01.10.2024 14:15 »
Nein, der Beamte hat eine freie Wohnortwahl
Nein hat er nicht.
Zitat:"§ 72
Wahl der Wohnung

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Wohnung so zu nehmen, dass die ordnungsmäßige Wahrnehmung ihrer Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt wird.

(2) Die oder der Dienstvorgesetzte kann, wenn die dienstlichen Verhältnisse es erfordern, anweisen, dass die Wohnung innerhalb einer bestimmten Entfernung von der Dienststelle zu nehmen oder eine Dienstwohnung zu beziehen ist."
https://dejure.org/gesetze/BBG/72.html

Und das ist nicht bloß graue Theorie. Mir wurde mal von einem ehemaligen Chef die notwendige Bestätigung des örtlichen Zusammenhangs einer Wohnung mit dem Dienstort verweigert, was aber Grundlage für die Erstattung der Umzugskosten bei einem (internationalen) Umzug war.
Die freie Wahl der Wohnung ist bei Bundesbeamten also durchaus auch praktisch eingeschränkt.

Rentenonkel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14622 am: 01.10.2024 14:20 »

Von daher ergibt sich bei mir ganz primitiv die Frage, wie eben jene, verfassungsrechtlich "saubere" Tabelle aussehen soll. Ich möchte überhaupt keine "gleiche" Welt, aber eben eine zumindest halbwegs "gerechte".

Das Kindergeld ist keine Grundsicherung sondern eine Abschlagszahlung der Kinderfreibeträge bei der Einkommensteuer. Sämtliche Gedankengänge die hieraus eine Kindergrundsicherung erreichen wollen, vermischen Steuerrecht und Sozialleistungen.

Formal korrekt. Lösung: Abschlagszahlung signifikant erhöhen.

Aus dem Leben gegriffen: Ich beziehe Kindergeld, welches mir schlicht jeden Monat stupide ausgezahlt wird. Im Steuerbescheid heißt es dann "Ooopsie, Freibetrag ist besser und wird bei der Berechnung der EkSt berücksichtigt" ... Das anschließende Umschichten der Gelder von Topf A zu Topf B juckt mich konkret einen Sche*** - Also da sollten wir uns nicht von abschrecken lassen.

Überdies: Obwohl ich davon überhaupt gar kein Freund bin und es volkswirtschaftlich sogar hochriskant bewerte: Mit diesem "4k-Vollalimentationmodell" der Beamten kommen wir vielleicht gar nicht um ein Art "Mini-BGE" in Form einer negativen EkSt herum, wenn wir unseren Bürgen/Beamten ein halbwegs gleichwertiges Prosperitätsniveau bieten wollen. Das ist nicht mal Ideologie, sondern schlicht und ergreifend Mathematik.

Anderes gilt nur für das Kindergeld (vgl. BVerfGE 81, 363 <375 f.>; 99, 300 <315, 321>), weil mit ihm im Ausgangspunkt die – bei der Ermittlung des Nettogehalts ohnehin zu berücksichtigende – verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes bewirkt wird (vgl. BVerfGE 99, 246 <265>) und es daher nur in bestimmten Fällen und in unterschiedlichem Umfang den Charakter einer Sozialleistung hat (vgl. BVerfGE 82, 60 <78 f.>).

Bei der Einkommensteuererklärung wird dann die durch den Kinderfreibetrag festzusetzende Steuererstattung mit dem tatsächlichen Kindergeld verrechnet. So wirkt sich der Kinderfreibetrag bis zu einem Einkommen von etwa 80.000 EUR bei Verheirateten nicht aus. Daher ist nur der Teil des Kindergeldes, der der Steuerentlastung entspricht, eine gebotene steuerliche Freistellung und die Differenz zu den 250 EUR ist eine Sozialleistung. De facto haben also die Mehrzahl der Familien pro Kind etwa 250 EUR netto mehr Einkommen.

Während also im Steuerrecht das steuerliche Existenzminimum auf weitestgehend 250 EUR (netto) definiert wird, ist es im Sozialrecht anders. Dort gibt es einen Regelbedarf für 0-5 jährige von 357 EUR, für 6-13 jährige von 390 EUR und für 14- 17 jährige von 471 EUR. Dazu kommt noch der angemessene Mehrbedarf für höhere Miet- und Heizkosten. Daran kann man schon erkennen, dass ein erheblicher Bedarf der Kinder für Berufstätige nicht mit den 250 EUR sondern aus weiterhin versteuertem Einkommen gedeckt werden muss. Während vor 50 Jahren ein Einkommen ausreichte, um den notwendigen Lebensbedarf zu decken, sind dafür mittlerweile 1,5 Einkommen notwendig.

Das Gefühl der Familien, dass es sich nicht mehr lohne, zu arbeiten, hat auch was damit zu tun, dass man erst einmal als Paar viel arbeiten und Geld verdienen muss, um mehr Einkommen zu haben, als eine Familie, die von Bürgergeld lebt. Auch die Anträge, die man als Durchschnittsverdiener stellen muss, und die Unterlagen, die man einreichen muss, tragen weder bei einem selbst noch im Bekannten - und Verwandtenkreis dazu bei, ein gutes Gefühl zu haben, wenn man sich für Kinder entscheidet.

Dabei verkennt die Politik und die Gesellschaft, dass wir eine starke Geburtenrate von etwa 2,1 bräuchten, um unseren Wohlstand und auch unsere soziale Marktwirtschaft am Leben zu halten. Das Delta in der Geburtenrate können wir theoretisch durch Zuwanderung lösen, diese Zuwanderung löst aber neue Konflikte aus, die auf anderen Ebenen wieder viele Probleme schaffen.

Mit ein Grund, warum immer weniger Netto vom Brutto verbleibt, dürften auch die steigenden Sozialversicherungsbeiträge sein. Das Existenzminimum ist eigentlich der Betrag, der einem Netto verbleiben müsste, um sein Existenzminimum zu sichern. Durch die immer höheren SV Beiträge und die schleichende Progression sowie die immer steigenden und stark auseinander driftenden Kosten für Miete und Heizung gelingt das jedoch immer weniger Familien.

Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat (vgl. BVerfGE 103, 310 <320>; 117, 330 <353>; 121, 241 <261>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 95>; 140, 240 <279 Rn. 75>). Dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers entspricht vielmehr eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung (vgl. BVerfGE 65, 141 <148 f.>; 103, 310 <319 f.>; 110, 353 <364 f.>; 117, 330 <353>; 130, 263 <294 f.>; 139, 64 <113 Rn. 96>; 140, 240 <279 Rn. 75>)

Alleine deswegen muss das BVerfG seine notwendige, politische Zurückhaltung üben. Es legt allerdings durch viele Urteile durchaus den Finger in die Wunden, um für politische Änderung zur Stärkung der Demokratie zu werben.

Bei der Frage der Gerechtigkeit gibt es daher neben den monetären Möglichkeiten auch viele andere Stellschrauben, an denen für alle Bundesbürger gedreht werden könnten. Der Gestaltungsspielraum ist enorm und die Urteile des BVerfG sollten dazu anregen, nicht immer nur in die eine Richtung zu schauen.

In Frankreich gibt es beispielsweise das Familiensplitting, wo die steuerliche Belastung durch die Anzahl der Familienmitglieder geteilt wird.

Auch gibt es, wie MoinMoin zutreffend darauf hinweist, unterschiedliche politische Gestaltungsmöglichkeiten für den sozialen Wohnungsbau, Sozialwohnungen oder Unterstützung der Familien bei dem Erwerb eines Eigenheims. So kann man die Wohnkosten senken und somit auch den Grundsicherungsbedarf senken. 

Dazu passt auch eine aktuelle Meldung:

Die Zahl der Haushalte in Deutschland, die Wohngeld beziehen, hat sich binnen Jahresfrist stark erhöht. Sie stieg von rund 651.800 Ende 2022 auf knapp 1,2 Millionen Haushalte zum Jahresende 2023, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden bekanntgab. Das entspricht einem Plus von 80 Prozent. Gerechnet auf alle Hauptwohnsitze erhalten damit 2,8 Prozent aller Haushalte in Deutschland diese Förderung.

Es ist geradezu bezeichnend, dass diese sozialen Transferleistungen nicht mehr die Ausnahme, sondern zunehmend die Regel werden und der dahinter stehende bürokratische Aufwand sehr viele Ressourcen und Gelder verschlingt, die dann an anderer Stelle fehlen.

MoinMoin

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14623 am: 01.10.2024 15:34 »
Nein, der Beamte hat eine freie Wohnortwahl
Nein hat er nicht.
Zitat:"§ 72
Wahl der Wohnung

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Wohnung so zu nehmen, dass die ordnungsmäßige Wahrnehmung ihrer Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt wird.

(2) Die oder der Dienstvorgesetzte kann, wenn die dienstlichen Verhältnisse es erfordern, anweisen, dass die Wohnung innerhalb einer bestimmten Entfernung von der Dienststelle zu nehmen oder eine Dienstwohnung zu beziehen ist."
https://dejure.org/gesetze/BBG/72.html
Was ich damit zum Ausdruck bringen wollte, dass er die freie Wahl hat ob er in Berlin Neukölln oder Berlin Dahlem oder im Grünen vor der Stadt wohnt.
Man ihm also nicht vorschreiben kann, dass er in einer Billigwohngegend ziehen muss, nur damit die Alimentation günstig wird.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14624 am: 01.10.2024 15:46 »
Wenigstens in Niedersachsen bemühen sie sich den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen:

Es geht um die 34-jährige Aynur Colpan, die das Amt der Büroleiterin seit Februar 2023 innehat. Colpan ist SPD-Funktionärin und SPD-Kommunalpolitikerin im Wahlkreis des SPD-Co-Vorsitzenden Lars Klingbeil, aber das ist nicht außergewöhnlich. Außergewöhnlich ist, dass Aynur Colpan an allen Besoldungsregelungen vorbei in der niedersächsischen Staatskanzlei außertariflich in eine der Besoldungsstufe B2 (rund 8.200 Euro monatlich) entsprechende Gruppe hochgeboxt wurde.
Sogar um ein Dreivierteljahr rückwirkend: Grundlage war eine erst im November 2023 erstellte interne Neufassung von Verwaltungsregeln für Beförderungen innerhalb der rot-grünen niedersächsischen Regierung. Aufgrund ihres Werdegangs hätte ihr dieses Gehalt frühestens in acht bis zehn Jahren zugestanden. Sie hat also einen Sprung um fast 2.000 Euro gemacht. Gegen zahlreiche Warnungen von Fachbeamten. Weil und sein Staatskanzleichef Jörg Mielke schieben die Gehaltsaffäre mit der Bemerkung beiseite, sie hätten neue Gehaltsregeln geschaffen, um den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen. Selten so gelacht!
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/stephan-weil-skandale-niedersachsen/