Es entspricht dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Bindung des Richters an Gesetz und Recht, die gesetzgeberischen Konkretisierungs- und Ausgestaltungsentscheidungen zu beachten, statt sie durch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen zu ersetzen. (BVerfG Beschluss vom 30. Juni 2022)
Warum sollte dann noch das BVerfG nach ihren Gerechtigkeitsvorstellungen eine qualitätssichernde Funktion durch ersetzende Alimentationskonkretisierungs- und ausgestaltungsentscheidungen wiederherstellen zu versuchen? Lass doch die Exekutive sich selbst durch Minderwertigkeit disqualifizieren, dann nimmt u. a. die Judikative anstelle der Verwaltung in vielen Prozessen die (Un-)Rechtsanwendung wahr.
Ich sehe keine vorrangigen Gerechtigkeitsvorstellungen, die das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich seiner Besoldungsrechtsprechung leiten würden (wenn Du sie siehst, zeig sie mal konkret an entsprechenden Entscheidungsbegründungen). Unsere Verfassung sieht ein
funktionierendes Gemeinwesen vor, das den einzelnen auch (und gerade, aber nicht ausschließlich) gegenüber den Staat mit Abwehrrechten ausstattet, die ebenso den einzelnen Beamten (sowohl als Beamten, aber auch als Staatsbürger) schützen und ihn (den Bürger) darüber hinaus mit starken Freiheitsrechten versieht. Die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung hat das in den vergangenen 70 Jahren hinsichtlich aller Rechtsgebiete dogmatisch konkretisiert (wenn's Dich interessiert, schaue mal im Internet nach den Begriffen "Elfes-Urteil" und "Lüth-Urteil"), was also ebenso hinsichtlich der Alimentationsfrage gilt. Der Beamte als Beamter, der ebenso Bürger ist, ist ebenso mit Schutzrechten ausgestattet, die hinsichtlich der Alimentation grundrechtsgleich sind und die der Dienstherr besonders zu beachten hat, da sich der Beamte in einem besonderen Gewaltverhältnis befindet.
Was Du im zweiten Absatz schreibst, ist insofern hinsichtlich der "Gerechtigkeitsvorstellungen", die Du (wenn ich das richtig verstehe) offensichtlich hinsichtlich der Besoldungsrechtsprechung des Bundesverfasungsgericht siehst, meines Erachtens falsch. Es geht dem Bundesverfassungsgericht nicht um "Gerechtigkeit", sondern um "Dogmatik", d.h., um feste Rechtsgrundsätze, die nicht zuletzt die Judikative - also alle anderen Gerichten - in ihrer Rechtsprechung leiten und von denen die Gerichte nicht abweichen dürfen (allenfalls dürfen sie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht auslegen), sowie um "Methodik" bzw. "Methodologie", die also die Art der Auslegung leiten. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei den verfassungsrechtlichen Auftrag, die Verfassung so auszulegen und damit zu konkretisieren, dass ihr Sinn hervortritt und gewahrt bleibt. Da das Grundgesetz staatlicherseits eine funktionierende öffentliche Verwaltung vorsieht, kann es also nicht "die Exekutive sich selbst durch Minderwertigkeit disqualifizieren" lassen, sondern muss auch hier der Verfassung und ihrem Sinn Geltung verschaffen - das geschieht aber eben grundsätzlich nur langsam (so wie gestern dargelegt), dafür aber - in der Ruhe liegt die Kraft - langfristig nur umso nachhaltiger. Der exekutiv vorangetriebene und legislativ verabschiedete Flitter, den die Parlamente in den letzten zwei Jahren produziert haben und mit dem die beiden Gewalten herabgewürdigt werden, da wissentlich und willentlich gegen die Verfassung verstoßen wird, und der darüber hinaus in politisch schwierigen Zeiten deren Legitimität anfässt (also mindestens - um nun meinerseits moralisch zu argumentieren - politisch dumm ist), wird vom Bundesverfassungsgericht durch leichtes Ausatmen in Kammerentscheidungen fortgeweht werden. Die politische Dummheit besteht - neben dem Anfassen der Legitimität in Zeiten, da die westlichen Demokratien sich in vielfacher Hinsicht in schwierigem Fahrwasser befinden - ebenso darin, dass sich die Besoldungsgesetzgeber durch ihr Handeln Freiheitsgrade nehmen, innerhalb derer das Besoldungsrecht fortentwickelt werden könnte.
Um Letzteres zu konkretisieren: Der Besoldungsgesetzgeber verfügte tatsächlich beispielsweise über das Recht, das Alleinverdienermodell zu überwinden - dadurch dass das aber derzeit eher auf dem Niveau argumentativer Kindergartenvorstellungen geschieht, werden im Zuge künftiger bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung, also durch negative Gesetzgebung, die Möglichkeiten, das Recht auszufüllen, eingeschränkt werden - oder konkreter: Die politische Dummheit zeigt sich auch darin, dass die auch diesbezüglich sachlich niveaulosen Gesetzesbegründungen den Entscheidungsspielraum, über den der (Besoldungs-)Gesetzgeber verfügt, immer weiter einschränken, da sich diesbezüglich das Bundesverfassungsgericht äußern wird, was mittelbar zur Folge hat, dass am Ende die Personalkosten nur immer größer werden. Wären die Besoldungsgesetzgeber 2012 oder spätestens 2015 zu einer verfassungskonformen Alimentation zurückgekehrt, indem sie die bis dahin vollzogene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend beachtet hätten, hätten sie heute nicht das Problem, dass das Bundesverfassungsgericht 2020 eine bis dahin nicht weiter konkretisierte "Mindestalimentation" bis ins Detail ausgeformt hätte und darüber hinaus den Grundstein gelegt hat - mit der Kategorie der "Mindestbesoldung" -, um Grundgehaltssätze rechtlich prüfen zu können.
Vor geraumer Zeit bin ich mal gefragt worden, ob mich dieser vielfache sachliche Unsinn, den politisch offensichtlich etwas desorientierte Menschen - oder soll man sagen: nicht politisch denkende Menschen? - in den letzten zwei Jahren produziert haben und weiterhin in schöner Regelmäßigkeit produzieren, ärgert. Und als staatlich alimentierter Betroffener ärgert mich das nicht, weil ich weiß, dass dieser Unsinn zukünftig wie nichts zusammensacken wird, sodass auch ich irgendwann zu meinem Recht kommen werde. Als Staatsbürger und Teil unserer Gesellschaft kocht mir allerdings die Galle ob so großer politischer Dummheit (auch und gerade deshalb äußere ich mich zu dem Thema): Denn sie führt dazu, dass die Personalkosten zukünftig so stark steigen werden, dass das gesellschaftlich zu Problemen führen muss - in anstehenden, offensichtlich längerfristigen Krisenzeiten nur umso mehr. Als - um's mal so auszudrücken - geschichtlich interessierter Mensch, dessen wissenschaftliches Spezialgebiet sich nicht zuletzt auf die ersten fünfzig Jahre des letzten Jahrhunderts erstreckt - der sich also auch mal ein wenig mit dem Verfall des Beamtenapparats im Verlauf der 1920er Jahre beschäftigt hat, könnte ich diese blinden Idi... täglich schütteln, da sie unserem Gemeinwesen durch diesen Unsinn, den sie da produzieren, schweren Schaden zufügen. Selig ihr Blinden, die ihr nicht zu schauen / Vermögt...
Und deshalb gehe ich jetzt mal besser wieder ein wenig in die besoldungsfreie Zeit zurück, die ich mir eigentlich selbst verordnet hatte...